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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Postulat des Nationalrates vom 4. Oktober 1923 über die Gewährung eines Bundesbeitrages an die der Alkoholverwaltung aus der Durchführung der mit den Obstspritfabrikanten am 10./14. Juli 1922 eingegangenen Übereinkunft erwachsenen Kosten.

(Vom 10. Dezember 1923.)

Anlässlich der Behandlung des Geschäftsberichtes der Alkoholverwaltung über das Jahr 1922 hat der Nationalrat auf Antrag der Alkoholkommission am 4. Oktober 1923 folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und bis zur Dezembersession der Bundesversammlung Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen, ob und in welcher Höhe der Alkoholverwaltung ein Beitrag des Bundes an den Ausfall, der ihr aus der Durchführung der Übereinkunft mit den Obstspritfabrikanten vom 10./14. Juli 1922 erwächst, zu verabfolgen sei mit dem Zweck, das Defizit der Alkohol Verwaltung herabzusetzen."

Wir beehren uns, Ihnen auftragsgemäss über dieses Postulat Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen.

I.

Bevor wir auf die Besprechung des Postulates eingehen, möchten wir Ihnen in einem kurzen g e s c h i c h t l i c h e n Ü b e r b l i c k Entstehung und Bedeutung der erwähnten Übereinkunft zwischen der Alkoholverwaltung und den Obstspritfabrikanten darlegen.

Die ausserordentlichen Verhältnisse, die der Krjeg mit sich gebracht hatte, übten auch auf dem Alkoholmarkt ihren Einfluss aus und bewirkten, dass die Spritpreise auf eine nie dagewesene Höhe anstiegen. Die Alkohol Verwaltung musste daher ihre Preise dieser neuen Sachlage anpassen. Die Folge davon war eine

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starke Entwicklung der freigebliebenen Brennerei. Als bei Kriegsende in verschiedenen Ländern der Wechselkurs zusammenbrach, hörten auch die zeitenweise recht einträglichen Ausfuhren von Obstbranntwein auf. Dieser nicht monopolisierte Schnaps wurde daher auf den schweizerischen Markt geworfen, was der Alkoholverwaltung einen zunehmenden Rückgang im Umsatz und dann auch im Reinerträgnis verursachte. Schon lange beschäftigte sich deshalb die Alkoholverwaltung mit dem Gedanken, wie diesem Übelstand abzuhelfen sei und auf welche Weise die freien Brennereien von einer allzu starken Ausdehnung ihres Betriebes auf Kosten der Alkoholverwaltung abzubringen wären.

Am 3. April 1922 erliess der Bundesrat in diesem Sinne einen Beschluss, worin er das Brennen von Obstweinen monopolpflichtig erklärte, in der Erwägung, dass das Brennen von Obstweinen (cidres) nicht unter die Ausnahmebestimmung des Art. 32bis der Bundesverfassung fällt. Da aber auch trotz dieses Beschlusses die. Möglichkeit fortbestand, direkt aus Obst Sprit herzustellen, so musste der Bundesrat nach Mitteln suchen, auch diese Konkurrenz zu regeln. Da man den Abschluss der im Gange befindlichen Verfassungsrevision nicht abwarten konnte, wurden schliesslich Verhandlungen mit den Obstspritfabrikanten angebahnt, um auf dem Weg einer f r e i w i l l i g e n Ü b e r e i n k u n f t eine Regelung der freien Obstspritfabrikation zu erreichen. Die Verhandlungen führten dann zum Abschluss der bekannten Übereinkunft vom 10./14. Juli 1922, worin sich der Verband schweizerischer Obstspritfabrikanten verpflichtete, inskünftig nur der Alkoholverwaltung Obstsprit zu verkaufen, wofür er aber von der Alkoholverwaltung Abnahmegarantie für 60,000 hl pro 1922 und 1923 zu einem angemessenen festen Preis erhielt. Dieser Übereinkunft schloss sich der Verein schweizerischer Brennlosinhaber (Kartoffelbrenner) ebenfalls an ; er erhielt ein Kontingent von 10,000 hl zugewiesen.

Angesichts der ausserordentlichen Obsternte vom Herbst 1922 war die Existenz dieser Übereinkunft von grosser Bedeutung.

S i e m i l d e r t e d i e K r i s e a u f d e m O b s t m a r k t u n d verhinderte eine ungemessene V e r m e h r u n g der Obstschnapsfabrikation, w a s eine g e f ä h r l i c h e V e r m e h r u n g d e s S c h n a p s g e n u s s e s h ä t t e z u r Folge h a b e n könn.en.
Ü b e r d i e s hat aber der A b s c h l u s s der Ü b e r e i n k u n f t die Alkohol Verwaltung vor der Gefahr bewahrt., d i e i h r a u s d e r K o n k u r r e n z d e s O b s t s p r i t e s erwuchs u n d v e r h i n d e r t , d a s s d i e g r o s s e n f r e i e n Brennereien ihr die K u n d s c h a f t v ö l l i g e n t z o g e n . Es ist dies eine

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sehr wichtige Tatsache für die Beurteilung der Ü b e r e i n k u n f t . So hat die Übereinkunft unserm Lande einen doppelten Dienst geleistet; dies ist s. Z. auch von allen Seiten anerkannt worden.

Zweck der Ü b e r e i n k u n f t war, eine Lücke der Alkoholgesetzgebung auszufüllen. Sie kann daher nicht als eine Hilfsaktion im Interesse der Obstp r o d u z e n t e n a u f g e f a s s t w e r d e n . Hilfsaktion war sie nicht ihrem U r s p r u n g , sondern lediglich ihrer W i r k u n g nach. D i e Ü b e r e i n k u n f t w a r u r s p r ü n g l i c h a l s e i n e im Interesse d e r A l k o h o l v e r w a l t u n g und der Obsts p r i t f a b r i k a n t e n liegende Massnahme gedacht, als Übergangsstadium zur neuen Gesetzgebung, die damals noch in Vorbereitung stand. Mit der Übereinkunft wurde gewissermassen bereits die neue Ordnung angewandt, welche die Revision der Alkoholgesetzgebung erst bringen sollte. O h n e die R e v i s i o n s bewegung wäre die ganze Massnahme wahrscheinlich gar nicht d u r c h g e f ü h r t worden.

Über die f i n a n z i e l l e T r a g w e i t e der Übereinkunft gibt folgende Gegenüberstellung Auskunft: Preis für Obstsprit laut Übereinkunft pro hl rund . Fr. 250 ,, ,, ausländischen Sprit (inkl. Zoll und Fracht) pro hl rund ,, 40 Verlust pro hl Obstsprit Fr. 210 Setzen wir nun die Mengen ein, so ergibt sich 70,000 hl Obstsprit à Fr. 210 Verlust an Obstsprit, der vor dem 1. September 1922 übernommen wurde Totalverlust

folgendes Bild : Fr. 14,700,000 ,, 500,000 Fr. 15,200,000

Hätte also die Verwaltung das gleiche Quantum im Ausland kaufen können, so würde sie eine Ersparnis von 15,a Millionen Franken gemacht haben.

Da bei Annahme des Verfassungsartikels die Preise der Alkoholverwaltung, die damals noch Fr. 375 für den Hektoliter 100 % Feinsprit und Fr. 430 für den Obstsprit 'betrugen, nicht nur nicht herabgesetzt, sondern im Gegenteil noch erhöht worden wären, würden die aus der Übereinkunft erwachsenen Mehrauslagen durch Mehreinnahmen reichlich kompensiert worden sein.

Der Ankauf von 60,000 hl Obstsprit zum Preise von 250 Fr. per hl bedeutet heute für die Alkoholverwaltung eine

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schwere Last ; denn man darf nicht vergessen, dass die Alkoholverwaltung heute im Ausland ausgezeichneten Sprit zum Preise von 25 bis 30 Fr. per hl franko Schweizergrenze kaufen kann.

Der negative Volksentscheid vom 3. Juni 1923 hat der Alkoholverwaltung die Möglichkeit genommen, die Einbusse durch eine Mehreinnahme zu kompensieren, auf die man bei Abschluss der Übereinkunft gezählt hatte. Sie war nun eben genötigt, ihre Preise wieder zu ermässigen und sie dem Rahmen des geltenden Gesetzes anzupassen.

Im Falle der Annahme der Revisionsvorlage hätte sich hingegen niemand um die Folgen der Übereinkunft bekümmert und niemand hätte den Bund aufgefordert, sich mit einem Beitrag zu beteiligen. Die Kantone hätten keinen Ausfall in den Alkoholgeldern bekommen, sondern wären mit den gesteigerten Einnahmen aus der revidierten Gesetzgebung reichlich zufrieden.

II.

Nach dieser geschichtlichen Einleitung, die uns zum Verständnis der Frage notwendig schien, möchten wir uns über das Postulat der Alkoholkommission wie folgt aussprechen : Wir werden in erster Linie die Frage zu untersuchen haben, ob die Übereinkunft und ihre Durchführung für den Bund irgendwelche Verantwortlichkeit begründe. Die ganze Argumentation der Postulanten läuft ja auf die These hinaus, dass der Bund nicht das Recht habe, den Kantonen die Kosten einer ausserordentlichen Massnahme aufzuladen, die er selbst ausserhalb des Rahmens des Gesetzes angeordnet hat.

In der Eingabe, die der Vorstand der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz an den Bundesrat gerichtet hat, sowie in einem Gutachten von Herrn Prof. Dr. P. Speiser, Basel, wird der Standpunkt verfochten, dass die mit den Obstspritfabrikanten abgeschlossene Übereinkunft über die Schranken des Alkoholgesetzes hinausgegangen sei, und der Bund nicht das Recht gehabt habe, sich um den monopolfreien Schnaps und dessen Missbrauch zu kümmern, und dass ferner der Bund keine Kompetenz gehabt habe, mit einer Übereinkunft die Lücken der gegenwärtigen Gesetzgebung auszufüllen.

Man begeht unseres Erachten« einen grossen Irrtum, wenn man die Übereinkunft ausschliesslich als eine Hilfsaktion im Interesse des Obstbaues betrachtet. Wir wiederholen, dass sie diesen Charakter e r s t n a c h t r ä g l i c h erhielt, als sie ihre Wirkungen geäussert und den Erfolg gehabt hatte, dass die Krise

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auf dem Obstmarkt zwar nicht beschworen, aber doch beträchtlich gemildert worden ist. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass es sich um eine ausserordentliche Massnahme handelte, aber wir betonen, dass das Gesetz eine derartige Entwicklung des Obstbaues nicht voraussehen konnte. Die Alkoholverwaltung hatte zum Hauptzweck die Bekämpfung des Missbrauches der gebrannten Wasser, und es konnte ihr demgemäss nicht gleichgültig sein, wenn die freie Brennerei durch ihre Ausbreitung die Alkoholverwaltung in ihrer Tätigkeit fast vollständig lahmlegte. Das Alkoholgesetz, das die Besteuerung der gebrannten Wasser ordnete, konnte nicht in abschliessender Weise sämtliche Massnahmen vorsehen, die im Interesse einer sinngemässen Ausführung des Verfassungsartikels lagen, dem es selber seine Entstehung verdankt.

Die Alkohol ver waltung war vor die harte Wahl gestellt, entweder den grössten Teil ihrer Kundschaft zu verlieren oder aber die private Konkurrenz t durch den Aufkauf des monopolfreien Branntweins zu bekämpfen. Sie hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Die Alkoholverwaltung hätte zweifellos das gleiche Quantum Sprit im Ausland 15 Millionen Franken billiger kaufen können als sie den schweizerischen Produzenten für die Ware bezahlen musste. Sie hat für das gebrachte Opfer einen teilweisen Ersatz gefunden in der Steigerung des Umsatzes, den die Alkoholverwaltung seit einem Jahr zu verzeichnen hat.

Damit ist auch vom rein geschäftlichen Gesichtspunkt aus der Standpunkt der Alkohol ver waltung gerechtfertigt.

Wir verkennen die fiskalische Aufgabe der Alkoholverwaltung nicht, müssen aber doch hervorheben, dass die Grundidee, aus der heraus seinerzeit die Volksbewegung zur Einführung der Alkoholverwaltung entstanden ist, ohne Zweifel und in erster Linie die Bekämpfung des Schnapsmissbrauches gewesen ist. Vornehmste Pflicht der Alkoholverwaltung ist es, ihre gesamte Tätigkeit diesem Grundsatz unterzuordnen, wenn sie dem Geist des Verfassungsartikels und des Gesetzes gerecht werden will.

Die Alkoholbesteuerung sollte nur eines der Mittel zur Bekämpfung des Schnapsmissbrauches sein. Immerhin bestand die Auffassung seitens des Gesetzgebers, dass dieses Mittel für die Kantone zu einer sichern Einnahmequelle werden sollte. Das war das zweite Ziel der Alkoholreform. Man würde sich aber irren in der Annahme,
dass das Reinerträgnis der Alkoholverwaltung nur deshalb den Kantonen zugeschieden worden sei, um sie zur Zustimmung der Abschaffung des Ohmgeldes zu bewegen. Die Bundesverfassung von 1874 hat die Abschaffung des Ohmgeldes vorgesehen und gab den Kantonen dafür eine Frist, welche mit

379 dem Jahre 1890 zu Ende gehen sollte. Nun ist es allerdings nicht zu bestreiten, dass die 13 Jahre nach der Revision von 1874 durchgeführte Alkoholreform als eine günstige Gelegenheit betrachtet wurde, den Kantonen einen Ersatz für die ihnen entgehenden Ohmgelder zu bieten, und so wies man ihnen auch die Reinerträgnisse der neugeschaffenen Alkoholverwaltung zu. Wir müssen aber feststellen, dass es s i c h h i e r n i c h t um e i n e regelrecht geschuldete E r s a t z l e i s t u n g handelt.Man darf überhaupt die Ohmgeldabschaffung und die Zuweisung der Alkoholerträgnisse an die Kantone juristisch nicht miteinander in Zusammenhang bringen.

Bis zum Kriegsende hat die Mehrzahl der frühern Ohmgeldkantone durchschnittlich eine Einnahme aus der Alkoholverwaltungbezogen, die den frühern Ertrag des Ohmgeldes überstieg. Wir verstehen, dass das plötzliche Ausbleiben dieser wertvollen Einnahme unter den gegenwärtigen Umständen besonders schmerzlich ist. Aber die Kantone müssen mit uns zugeben, dass die1 Verhältnisse, unter denen die Alkoholverwaltung heute arbeiten muss, durch den Krieg und die Nachkriegzeit verursacht worden sind, und der Bund dafür nicht verantwortlich gemacht werden kann.

Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass der Bundesrat sich nicht nur innerhalb der Schranken der Verfassung bewegt hat, sondern dass er ihrem Geist gemäss handelte, als er der Alkoholverwaltung die Ermächtigung gab, die strittige Übereinkunft abzuschliessen. Vom rechtlichen Standpunkte aus kann man deshalb für den Bund in keiner Weise eine Verpflichtungableiten, die Kantone für erlittenen Verlust zu entschädigen.

III.

Es stellt sich nun aber für den Bund die weitere Frage,, ob er trotz Ablehnung irgendwelcher Verpflichtung aus Z w e c k m ä s s i g k e i t s g r ü n d e n der Alkohol Verwaltung freiwillig einen Beitrag an die Kosten aus der Übereinkunft geben will oder nicht. Bei der Prüfung dieser Frage fallen namentlich 2 Punkte in Betracht: 1. ob die Verhältnisse einen Bundesbeilrag dringend erheischen; 2. ob die Finanzlage des Bundes eine Krediterteilung erlaubt.

1. Was den e r s t e n Punkt anbetrifft, so gestatten wir uns,, fhnen in kurzen Zügen die Finanzlage zu entwickeln, die sich für die Alkoholverwaltung aus der Übereinkunft ergeben hat, um

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zu prüfen, welchen Einfluss ein Bundesbeitrag auf die Sanierung ihrer Finanzen haben müsste.

Wie bekannt, beträgt der Verlust aus der Übereinkunft zirka 15,2 Millionen Franken. Nun hatte die Alkoholverwaltung im Jahre 1922 noch ausserdem 5 Millionen Franken für Abschreibungen, l Million Franken für die Liquidation von alten Kontrakten und 800,000 Franken als Mehrausgabe für die Übernahme von Inlandsprit verschiedener Provenienz aufzubringen. Im Jahre 1923 hat sie neuerdings für 4,a Millionen Franken Abschreibungen zu machen. Dabei war der Absatz au Trinksprit, an dem die Alkoholverwaltung allein verdienen darf, im Jahre 1921 bei einem Minimum von 7571 q angelangt. Neuerdings haben sich die Ergebnisse wieder gehoben.

Der Trinkspritabsatz pro 1922 betrug 10,226 q; im Jahre 1923 betrug der Trinkspritabsatz bis Ende September 9283 q. Auch der Brenn- und Industriespritabsatz, nimmt zu. Die Geschäfte der Alkoholverwaltung bessern sich zurzeit fortlaufend. Es besteht somit alle Aussicht, dass trotz der gewaltigen Verluste der letzten Jahre nur noch ein Defizit von voraussichtlich weniger als 10 Millionen Franken zu decken übrig bleibt, und zwar einschliesslich der Kosten der Übereinkunft. Es wird höchstens noch awei Jahre dauern, bis auch diese getilgt sein werden, und die Alkoholverwaltung wieder wirkliche Reinerträgnisse erzielen wird.

Würde nun aber das Defizit pro Ende 1923 mit einem Bundesbeitrag an die Kosten der Übereinkunft in der vorgesehenen Höhe von 10 Millionen Franken gedeckt, so könnte schon im nächsten Jahr (1924) an die Kantone wieder ein Betreffnis ausgerichtet werden.

Auf diese Weise kann aber schliesslich jedes Defizit beseitigt werden. Wird dagegen von einem Beitrag des Bundes an die Kosten der Übereinkunft abgesehen, so werden sich die Kantone noch höchstens zwei Jahre gedulden müssen ; sie werden dann aber die Wiederherstellung der alten normalen Verhältnisse nicht fremder Hilfe zu danken haben.

2. Was nun den z w e i t e n Punkt anbetrifft, ob nämlich ein Bundesbeitrag in der Höhe von z. B. 10 Millionen Franken in Anbetracht der gegenwärtigen Finanzlage des Bundes gerechtfertigt werden kann, so müssen wir hier folgendes bemerken : Es ist bekannt, dass der Bund heute im Interesse der SanierungSeiner schwierigen Finanzlage auf der ganzen Linie Ersparnisse zu machen genötigt ist und zu diesem Zwecke namentlich im Snbventionswesen alle Beiträge sistieren oder kürzen müsste.

381 zu denen er nicht entweder rechtlich verpflichtet war, oder bei denen nicht ein zwingendes Bedürfnis vorlag. Bei der in vielen Kreisen vorherrschenden kritischen Haltung gegenüber dem eidgenössischen Subventionswesen müssen wir uns die grösste Zurückhaltung zur Pflicht machen. Die Bedürfnisfrage muss auf das Einlässlichste geprüft werden. Namentlich wird man Subventionen, die dem Bund grosse finanzielle Opfer zumuten, nur dann gewähren können, wenn ein grosses öffentliches Interesse daran besteht und ein Werk ohne Bundessubvention nicht zustande käme. All dies lasst sich von einem Bundesbeitrag an die Übereinkunft nicht sagen. Die Aktion ist bereits durchgeführt, sie kann auch ohne Bundesbeitrag finanziert werden. Letzterer stellt lediglich ein Geschenk an die Kantone dar, das diesen wohl recht erwünscht sein mag, dessen sie aber nicht so dringlich bedürfen, dass der Bund sich deswegen mit einer so grossen Ausgabe belasten müsste.

Wir glauben daher im Interesse der Sanierung der Bundesfinanzen, die Gewährung eines Bundesbeitrages an genannte Übereinkunft nicht ins Auge fassen zu können. Dabei möchten wir aber sehr hervorheben, dass wir dies nicht tun, weil wir nur die Sanierung der BundesQnanzen im Auge hätten und die ebenfalls schwierigen Finanzverhältnisse der Alkoholverwaltung und der Kantone nicht in Berücksichtigung ziehen wollten.

Wir wissen wohl, dass die Alkoholverwaltung heute mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, aus denen sie so bald wie möglich befreit werden sollte. Wir vertreten aber die Ansicht, dass die Beschliessung eines Bundesbeitrages nicht das richtige Mittel ist, um den Kantonen wieder ihre alten Einnahmen aus dem Alkoholwesen zu verschaffen.

Der geradeste Weg zu diesem Ziel wäre vielm e h r d a s a m 3 . J u n i 1923 v e r w o r f e n e Verfassungsund G e s e t z e s p r o j e k t g e w e s e n , nach dessen Annahme die Frage der Finanzierung der Übereinkunft sich überhaupt nicht mehr gestellt hätte. Noch heute bleibt die einzige wirklich dauerhafte Lösung die Ausfüllung der Lücken der heutigen Alkoholgesetzgebung. Bis dahin kann trotz aller Bestrebungen eine gründliche Besserung, namentlich in der Bekämpfung des Schnapsmissbrauches, nicht erfolgen. Auch ein Bundesbeitrag in der angeregten Form wäre weiter nichts als ein Palliati v mittel, das in finanzieller
Richtung Erleichterung schaffen, aber die unbefriedigenden Verhältnisse fortbestehen lassen würde.

Das gleiche muss von dem V o r s c h l a g der k a n t o n a l e n F i n a n z d i r e k t o r e n in B e l l i n z o n a vom 20. Oktober 1923 gesagt werden, wonach den Kantonen jährlich vorschussweise minBundesblatt. 75. Jahrg. Bd. III.

31

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destens ein Franken pro Kopf der Bevölkerung, also im ganzen jährlich nahezu 4 Millionen Franken, auszurichten wären. So einladend dieser Weg auf den ersten Blick auch scheinen mag, so erweist er sich doch bei näherer Betrachtung als v ö l l i g u n g a n g b a r .

Er würde die Sanierung der Alkoholverwaltung um ein ganzes Jahrzent verschleppen, was aus folgender Aufstellung ohne weiteres hervorgeht : Defizit der Alkohol Verwaltung Ende 1923 mutmasslich , ca. 10 Mili. Fr.

Vorschuss an die Kantone pro 1923 . . . . ,, 4 ,, ,, ca. 14 Mili. Fr.

Erträgnis in den folgenden Jahren je ...

An die Kantone als Vorschuss in den folgenden Jahren je Bleiben zur Schuldendeckung jährlich je

.

ca. 5l/a Mili. Fr.

,, 4

,,

. ca. l'/s Mili. Fr.

Die 14 Millionen Franken Schulden könnten somit erst im zehnten Jahr gänzlich abgetragen werden. Dass diese Auszahlungen von 4 Millionen Franken nur Vorschüsse und nicht fixe Auszahlungen wären, ändert nichts an der Sache ; denn die Vorschüsse kämen nicht zurück, und wenn sie nicht aus dem Erträgnis bezahlt werden könnten, so müssten neue Schulden dafür gemacht werden.

Der Vorschlag widerspricht demnach allen Bestrebungen einer Sanierung der Alkoholverwaltung. Er muss mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden. Der Vorschlag widerspricht auch den Bestimmungen des Alkoholgesetzes. Seine Durchführung würde eine Revision dieses Gesetzes erfordern. Wir müssen aber eine Revision in der gemäss dem besprochenen Vorschlag nötigen Richtung zum vorneherein ablehnen. Eine solche Revision würde bei der Hauptsache vorbeigehen und lediglich einen Zeitverlust für die nötige Hauptrevision bewirken.

IV.

Es gibt glücklicherweise andere Mittel, durch die nicht nur das Erträgnis der Alkoholverwaltung, sondern auch die Einnahmen der Kantone aus dem Alkoholwesen gesteigert werden können. D i e K a n t o n e haben e s b e i s p i e l s w e i s e i n d e r H a n d , i h r e A l k o h o l e i n n a h m e n v o n sich a u s z u v e r m e h r e n . Es steht ihnen ja vollständig frei, ihre G e t r ä n k e steuern und Wirtschaftspatenttaxen zu erhöhen,

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wozu um so mehr Grund vorhanden wäre, als diese gewiss noch steigerungsfähigen Einnahmen seit Kriegsbeginn merkwürdigerweise im ganzen nur in wenigen Kantonen wirklich erhöht worden sind, trotzdem die Kantonsregierungen in der grossen Mehrzahl dazu ohne Gesetzesrevision, lediglich auf dem Weg einer Neutaxation in der Lage gewesen wären. Statt 5 Millionen Franken könnten die Kantone aus dieser Quelle ohne Schwierigkeit das Doppelte beziehen.

Aber auch für die Alkoholverwaltung bietet sich die Möglichkeit einer bedeutenden Erhöhung des Reine r t r ä g n i s s e s . Der Bundesrat ist mit der Prüfung der Frage beschäftigt, mit welchen Mitteln dies am besten geschehen kann.

Der Bundesrat ist bereit, seinerseits im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften der Alkoholverwaltung soviel entgegenzukommen, als es die Mittel des Bundes erlauben, und er die Verantwortung dafür übernehmen kann.

Um Ihnen einige Anhaltspunkte zu geben, erwähnen wir folgende M a s s n a h m e n , die der Bundesrat zu diesem Zwecke ins Auge gefasst und teilweise bereits durch Beschlüsse festgelegt hat : 1. Der Bundesrat erkennt gerne an, dass der heute auf dem T r i n k s p r i t erhobene Z o l l von Fr. 22. 80 auf dem Meterzentner (netto 20 Cts. per Grad und q brutto) bei einem Auslandspreis von zirka Fr. 28 bis 35 per q sehr hoch ist, namentlich weil dieser Zoll die Alkoholverwaltung allein trifft, und dass die Forderung einer Ermässigung nichts Unbilliges an sich hat.

Der Bundesrat erklärt sich damit einverstanden, für die Zukunft und mit Rückwirkung per 1923 als Zollansatz statt der bezogenen 20 Cts. nur 5 Cts. für den Bund zu verrechnen und das Erträgnis von 15 Cts. der Alkohol ver waltung auf dem Verrechnungswege rückzuvergüten.

Es ergibt sich für die Alkoholverwaltung aus dieser Änderung bereits eine merkliche Minderausgabe. Mag diese zwar pro 1923 noch nicht eigentlich fühlbar werden, so wird sie pro 1924 voraussichtlich bereits Fr. 265,000 ausmachen.

2, Die durch die Ermässigung des Trinkspritzolles und durch die Baisse der Auslandsspritpreise bewirkte Erhöhung des Monopolgewinnes auf dem verkauften Trinksprit erlaubt dann auch eine entsprechende H e r a u f s e t z u n g der M o n o p o l g e b ü h r e n auf den monopolpflichtigen Artikeln. Es fallen darunter die Monopolgebiihren auf den Q u a l i t ä t s s p i r i t u
o s e n sowie auf den R o h s t o f f e n zur A l k o h o l g e w i n n u n g , welche der Alkoholverwaltung voraussichtlich eine jährliche Mehreinnahme von über Fr. 150,000 einbringen werden.

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3. Auch damit sind die Mittel zur Verbesserung der Lage der Alkoholverwaltung noch nicht erschöpft. Das bisher befolgte System der Erhebung der Monopolgebühr auf dea D r u s e n importierter Weine im Inland ergibt einen vollständig ungenügenden Ertrag. Ein sicheres Erträgnis, das auf rund 250,000 Franken jährlich geschätzt werden kann, würde ein anderes System über die Erhebung der Monopolgebühr auf den Drusen importierter Weine bringen. Es soll gesucht werden, das gegenwärtige Erhebungssystem zu ergänzen imd zu verbessern. In jedem Fall gibt der Bund der Alkoholverwaltung die Sicherheit auf ein Erträgnis von 250,000 Franken pro Jahr aus dieser Monopolgebühr, und zwar rückwirkend für das Jahr 1923.

4. Der Bundesrat ist weiterhin bereit, der Alkoholverwaltung in der Weise entgegenzukommen, dass er mit Wirkung von 1923 an bis· zur Deckung des Defizites für die V e r z i n s u n g seiner Vorschüsse, zu der er gemäss Artikel 20 des Alkoholgesetzes berechtigt ist, den Zinsfuss stark herabsetzt, d. h. auf zirka die Hälfte des üblichen Zinsfusses.

Fassen wir die vorerwähnten Vorschläge (Ersparnisse und Mehreinnahmen) nach ihrer finanziellen Bedeutung zusammen, so ergibt sich folgendes Bild für die M e h r e i n n a h m e n der Alkoholverwaltung: 1. Trinkspritzoll, verrechnet zugunsten der Alkoholverwaltung 2. MonopolgebührenMehreinnahme .

3. Monopolgebühr auf Drusen (Mehreinnahrne) . . . .

4. Verzinsung: Verrechnet zugunsten der Alkoholverwaltung Total Mehreinnahmen der Alkoholverwaltunff . . . . .

1923

1924

1925

^'JJ^

Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

310,000

380,000

100,000*) 265,000 5,000

150,000

150,000

150,000

235,000

235,000

235,000

235,000

110,000

110,000

50,000

450 000

760,000

745,000

765,000

*) Dieser Betrag enthält auch die Ankäufe an Trinksprit, welche vor 1923 getätigt wurden, die aber in der Zollabrechnung die pro 1923 beschlossene Vergünstigung ebenfalls gemessen, da sie erst im Jahre 1923 und später zum Verkauf gelangt sind.

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Wie aus dieser Übersicht hervorgeht, wird der Alkoholverwaltung bei Annahme vorgenannter Vorschläge jährlich eine Mehreinnahme von rund Fr. 750,000 verschafft, während der Beitrag von 10 Millionen Franken streng einmaligen Charakter hätte. Ausserdem gedenkt der Bundesrat den Kantonen die Auszahlung des Alkoholzehntels für die Bekämpfung des Alkoholismus in der Weise zu erleichtern, dass für die nächsten 2 Jahre (pro 1923 zahlbar Frühjahr 1924 und pro 1924 zahlbar Frühjahr 1925) je ein Betrag von 20 Rp.

pro Kopf der Bevölkerung ausgerichtet wird, mit der Bindung, dass derselbe von den Kantonen zu Zehntelszwecken verwendet wird.

Weiter hofft der Bundesrat, bereits für das Jahr 1924 einen Betrag von 50 Rp. per Kopf der Bevölkerung und für das Jahr 1925 einen Betrag von Fr. l oder vielleicht noch mehr zur Verteilung an die Kantone gelangen lassen zu können.

Wir fassen unsere Ausführungen in folgender S c h l u s s f o l g e r u n g zusammen: Wir haben nach einlässlicher Prüfung der Frage festgestellt, dass die M ö g l i c h k e i t e i n e s B u n d e s b e i t r a g e s an die Verluste der Alkoholverwaltung aus der Übereink u n f t mit den O b s t s p r i t f a b r i k a n t e n n i c h t besteht.

Wir müssen Ihnen daher empfehlen, auf die im Postulat der nationalrätlichen Alkoholkommission gemachte Anregung nicht einzutreten. Wir sind aber gerne bereit, in angedeuteter Weise das Unsere dazu beizutragen, dass eine rasche Sanierung der Alkoholverwaltung möglich gemacht wird.

Wir benützen den Anlass, sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 10. Dezember 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Scheurer.

Der Bundeskanzler : Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Postulat des Nationalrates vom 4. Oktober 1923 über die Gewährung eines Bundesbeitrages an die der Alkoholverwaltung aus der Durchführung der mit den Obstspritfabrikanten am 10./14.

Juli 1922 ei...

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