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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1923).

(Vom 16. November 1923.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

(

Unterschlagungen zu einer in der Zwangserziehungsanstalt Aarburg zu verbüssenden Freiheitsstrafe von vier Monaten und Fr. 30 Busse verurteilt worden. Infolge des vom Verteidiger eingereichten Begnadigungsgesuches und nach Anhörung der Strafbehörden des Kantons Aargau, wobei insbesondere das Aargauische Obergericht die bedingte Begnadigung befürwortete, beantragte der Bundesrat den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe unter Auferlegung einer Probezeit und Unterstellung unter Schutzaufsicht bis zum 20. Altersjahr.

Wir verweisen hierzu auf unsern Antrag Nr. 13 im I. Bericht vom 10. Mai 1921, Bundesblatt III, 232 ff., der von der Bundesversammlung in der Junisession 1921 zum Beschluss erhoben worden ist.

Wie sich aus dem der Bundesanwaltschaft am 12. Oktober 1923 übermittelten Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Aargau vom 30. August 1923 ergibt, hat Baumann sich neuerdings der Postcheckverfälschung, in Verbindung mit einer Reihe von kantonalrechtlichen Zuchtpolizeidelikten, schuldig gemacht, weshalb er zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist.

Sowohl die Begehung der Delikte wie die Verurteilung fallen in die aus Anlass der bedingten Begnadigung dem Baumann auferlegte

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Bewährungszeit. Unter diesen Umständen ergab sich die Notwendigkeit, Baumann gegenüber im bundesrechtlichen Begnadigungsverfahren den Widerruf der bedingten Begnadigung in Erwägung zu ziehen.

Geniäss der im Geschäftsbericht des Bundesrates für 1922, Abschnitt Bundesanwaltschaft, S. 876, Nr. 20, mitgeteilten Vereinbarung zwischen Bundesversammlung und Bundesrat ist der Widerruf der bedingten Begnadigung, sofern es sich, wie bei Baumann, um ein während der Bewährungszeit begangenes Verbrechen in Konkurrenz mit Vergehen handelt, Sache des Bundesrates, wobei jedoch dem Präsidenten der Begnadigungskommission immerhin die Frage vorzulegen ist, ob er den Entscheid für die Kommission und die Bundesversammlung beanspruche.

Der Präsident der Begnadigungskommission, den die Bundesanwaltschaft vorschriftsgemäss anfragte, verzichtete hierauf. Für den ergangenen Schriftenwechsel verweisen wir auf die Akten.

Entsprechend der bereits erwähnten Vereinbarung geben wir Ihnen hiermit davon Kenntnis, dass der Bundesrat am 28. Oktober 1923 i. S. Baumann den Widerruf der bedingten Begnadigung beschlossen und die zuhanden der Strafvollzugsbehörden und des Zentralstrafenregisters notwendigen Mitteilungen veranlasst hat.

Wir beantragen von der Erledigung der Angelegenheit Kenntnis zu nehmen.

62.

63.

in der Strafanstalt Eegensdorf (Zürich).

(Anfertigung falscher Banknoten usw.)

vom Schwurgericht des Kantons Zürich wegen Anfertigung falscher Banknoten und Versuchs der Fälschung öffentlicher Urkunden gestützt auf Art. 66 des Bundesgesetzes über die Schweizerische Nationalbank vom 7. April 1921 in Verbindung mit kantonalrechtlichen Strafbestimmungen wie folgt verurteilt worden: jeder zu zwei Jahren Zuchthaus, abzüglich 106 Tage erstandenen Verhaftes, Stindt ferner zu drei Jahren Einstellung im Aktivbürgerrecht und Klenert zu drei Jahren Einstellung in den bürgerlichen Ehren und Eechten.

Stindt und Klenert haben zusammen mit einem Dritten falsche Fünfzigfrankennoten der schweizerischen Nationalbank angefertigt, um sie als echte zu verwenden, indem sie im Herbst 1921 in gemein-

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eamer, sich gegenseitig unterstützender Tätigkeit die photographischen, chemigraphischen und Druckarbeiten ausführten und derart eine Auflage von zirka 500 falschen Noten fertigstellten. Weiterhin fällt Stindt und Klenert die versuchte Herstellung von zirka 1000 Fünfdollarnoten zur Last. Für Einzelheiten verweisen wir auf das Exposé der Bezirksanwaltschaft Horgen in act. S. 197.

Stindt und Klenert gelangten im August 1928 mit Eingaben an die Bundesbehörden, worin Stindt um Erlass der Eeststrafe, Klenert um Umwandlung der Beststrafe gemäss § 16 des zürcherischen Strafgesetzbuches ersucht. Die Strafzeit der beiden erstreckt sich bis zum 18. März 1924.

Stindt weist in seiner Eingabe vom 3. August 1928 darauf hin," dass er am 18. Juli 1928 zwei Drittel der Strafe verbüsst habe und ihm bei Gesuchsentsprechung eine Anstellung in einer Klischeeanstalt in Zürich zugesichert sei. Durch Strafe, Eeue und Einsicht geläutert, hoffe er, sich fortan beherrschen zu können und allfälligen Versuchungen gegenüber Manns genug zu sein.

Die Mutter des Sträflings wendet sich mit einer persönlichen Eingabe an die Begnadigungskommission und legt ihrem Gesuch ein Schreiben Stindts an seine Angehörigen bei.

Klenert schreibt ebenfalls, dass er, gleichen Tags wie Stindt, zwei Drittel der Strafe verbüsst habe, und fügt bei, dass er mit der nur teilweise angerechneten Untersuchungshaft am 2. November zwei Jahre härtester Haft hinter sich haben werde. Durch bestmögliche Haltung in der Strafanstalt habe er sich bestrebt, seinen Fehltritt wieder gutzumachen. Ferner nimmt er Bezug auf die ihm als Ausländer von den Zürcher Behörden im Administrativweg auferlegte Landesverweisung.

Der Vormund Klenerts unterstützt dessen Eingabe.

Zu diesen Gesuchen haben sich die kantonalen und die Bundesbehörden bis heute folgendermassen geäussert: Die Beamtenkonferenz der Strafanstalt Eegensdorf befürwortet das Gesuch Stindts von den Gesichtspunkten der bedingten Entlassung. Stindt sei von den Mitverurteilten in einem Zeitpunkt überredet worden, als die beiden andern am Ende ihres technischen Könnens gewesen seien. Er habe somit nicht von Anfang an mitgemacht, sondern sei aus Leichtsinn, aber auch infolge seiner bedrängten Lage, den an ihn herangetretenen Verlockungen erlegen. Es wird darauf verwiesen, dass Stindt nicht gezögert habe, als Knecht und Tagelöhner gegen die Arbeitslosigkeit anzukämpfen; im Herbst 1921 habe er nach längerem Militärdienst keine Arbeit gefunden. In der

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Strafanstalt bekleidet Stindt zurzeit die Vertrauensstelle des Bureauhausarbeiters und habe sich derselben stets würdig erwiesen.

Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich beantragte am 6. August, Stindt bis zum Entscheid der Bundesversammlung provisorisch auf freien FUSS zu setzen und in der Folge für den Best der Strafe zu begnadigen.

Im Falle Klenert will die kantonale Staatsanwaltschaft die Eingaben um Begnadigung und um Strafumwandlung auseinanderhalten.

Zur Frage der Begnadigung wird formell bemerkt, dass sie der Bundesversammlung zukomme, materiell, dass ein besonderer Grund zur Begnadigung nicht vorliege, weshalb diese nicht befürwortet werden könne. Über das Gesuch um Straf Umwandlung, die nach § 16 des kantonalen Strafgesetzbuches dem Ausländer gegenüber -- als ein Analogen der bedingten E n t l a s s u n g -- zur Landesverweisung führe, habe gemäss kantonalen Bestimmungen das Obergericht zu befinden. Die kantonalrechtliche S traf Umwandlung wird angesichts der Zweifel über ihre Zugehörigkeit zum Prozess- oder zum materiellen Becht deshalb als zulässig erklärt, weil diese Lösung dem Sträfling günstiger sei und insbesondere die Gleichstellung der nach kantonalem und der nach Bundesstrafrecht Verurteilten herbeiführe.

Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich vertritt ihrerseits, unter Hinweis auf die bundesrechtliche Praxis, den Standpunkt, die Institution der Strafumwandlung, die ein Teil des materiellen Strafrechts bilde, könne sich in Bundesstrafsachen lediglich im Begnadigungswege äussern. Im übrigen wird die Ansicht vertreten, im Falle Klenert sei von dieser Möglichkeit kein Gebrauch zu machen und dementsprechend Abweisung beantragt.

Von den Bundesbehörden ist zu den Gesuchen Stindt und Klenert bis heute dahingehend Stellung genommen worden, dass die Bundesanwaltschaft und die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes bei Stindt angesichts der ganzen Lage des Falles davon abgesehen haben, auf eine vorläufige Unterbrechung des Strafvollzuges einzutreten. Ebenso sah im Falle Klenert die Bundesanwaltschaft davon ab, dem Antrag Folge zu geben, das Gesuch um Strafumwandlung zum Entscheid an das Obergericht des Kantons Zürich weiterzuleiten. Beide Sträflinge befinden sich mithin noch heute in der Strafanstalt Begensdorf.

Unserseits bemerken wir
zusammenfassend folgendes: Die Praxis der Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde geht dahin, dass mangels anderweitiger bundesrechtlicher Begelung die Institutionen sowohl der bedingten Entlassung wie der Strafumwandlung bei Bundesstrafsachen sich nur im Bahmen der Begnadi-

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gung auswirken können. Obschon die Massnahme der bedingten Entlassung Grundsätze des Strafvollzuges beschlägt, so erfasst sie doch den eidgenössischen Strafanspruch in einer Weise, die nicht der Verschiedenheit der kantonalen Kechte ausgeliefert sein kann; für diese Stellungnahme spricht namentlich auch die Auslegung des einschlägigen Bundesstrafrechts, das seinerseits so viel als möglich auf gleichförmige Behandlung der Sträflinge hinzuwirken suchte (hierüber zu vgl. Bundesblatt 1851, I, 636). Da die bedingte Entlassung sowohl dem Bundesstraf- wie dem Bundesstrafprozessrecht fremd ist, kann sie nur in der Form der teilweisen Begnadigung gewährt werden. Dasselbe gilt für die dem heutigen Bundesrecht ebenfalls fremde Straf Umwandlung; bezeichnenderweise bestimmte Art. 426 der Militärstrafrechtspflege von 1851 ausdrücklich, dass eine Art der gnadenweisen Strafmilderung in der «Verwandlung der Strafart» bestehe (A. S., a. F., II, 732). Im weiteren verweisen wir auf das über die einschlägigen Eechtsfragen in unserem Geschäftsbericht für 1920 Gesagte (Bundesblatt 1921, II, 367, Nr. 34, und 400, Nr. 24 und 25).

Danach hat es die eidgenössische Begnadigungsbehörde von Fall zu Fall in der Hand, sich über diese oder jene der beiden Möglichkeiten auszusprechen, wohlverstanden, ohne dabei etwa an die Voraussetzungen gebunden zu sein, die allenfalls das kantonale Strafrecht hinsichtlich der bedingten Entlassung oder der Strafumwandlung in kantonalrechtlichen Angelegenheiten aufstellt.

Ausgehend von diesen Gesichtspunkten erachten wir es, in Zustimmung zur Bundesanwaltschaft und Polizeiabteilung, auch im Zeitpunkt unserer Berichterstattung weder im Falle Stindt noch Klenert für angezeigt, die Gesuchserledigung durch dermalige Massnahmen irgendwie zu präjudizieren. Bei Klenert, der erheblicher belastet ist als Stindt, beantragen wir übrigens mit der Direktion der Justiz des Kantons Zürich ohne weiteres Abweisung. Wir halten dafür, dass bei der Gefährlichkeit der vorhandenen verbrecherischen Handlungen für die Sicherheit des Banknotenverkehrs das Strafmass in keiner Weise übersetzt ist; zu einer Begnadigung liegen genügende Gründe nicht vor. Aber auch bei Stindt sehen wir davon ab, den bedingten Erlass der Eeststrafe zu beantragen. Allerdings haben wir, aus den bereits von der Beamtenkonferenz der Strafanstalt
Regensdorf geltend gemachten Gründen, ein etwelches Entgegenkommen hier in Erwägung gezogen. Bei näherem Zusehen ist aber das Strafmass in beiden Fällen so gehalten, dass eine Begnadigung keine naheliegende Massnahme ist.

Wir b e a n t r a g e n somit in beiden Fällen Abweisung.

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64.

(Patenttaxengesetz.)

Thierstein in Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 zu Fr. 80 Busse verurteilt worden.

Hertig hat im Mai 1923 in Dornaoh bei Privaten Bestellungen aufgenommen, wobei er sich mit einer ungültigen, auf eine Drittperson lautenden Karte auszuweisen versuchte.

Hertig ersucht um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse; er sei seit 1921 vollständig arbeitslos, beziehe keine Unterstützung und habe in dieser Lage zu hausieren angefangen. Die hohe Busse, die eine erstmalige Übertretung des Patenttaxengesetzes betreffe, könne er mit dem besten .Willen nicht bezahlen. Mit seinem Verdienst habe er nach Möglichkeit die betagten Eltern zu unterstützen.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn bemerkt unter Hinweis auf einen Meinungsaustausch mit der Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, man habe davon abgesehen, Hertig ausserdem zur Nachzahlung der Patenttaxe von mindestens Fr. 100 zu verhalten. Dabei sollte es sein Bewenden haben; eine Bussenermässigung sei nicht wohl angängig, da Hertig durch sein Verhalten, insbesondere auch durch den Missbrauch einer ungültigen, auf einen Dritten lautenden Ausweiskarte, einen stark rechtsverletzenden Willen bekundet habe. Übrigens eei der Gesuchsteller nicht weniger als sechsmal vorbestraft. Es wird Abweisung beantragt.

Im Hinblick auf die bedeutenden Vorstrafen beantragen wir ebenfalls Abweisung.

65. W 68.

67.

(Jagdpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 und zudienendes kantonales Jagdrecht sind verurteilt worden: 65.

präsidenten von Burgdorf in Anwendung der Art. 6, lit. c, 21, Ziffer 4,

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lit. c, 22 und 24 des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse und Konfiskation eines ausgestopften Behkitzchens.

Lüthi hat ein Behkitzchen, das im Grase verborgen schlief, beim Mähen mit der Sense getroffen. Die Verletzung sei derart schwer gewesen, dass die sofortige Tötung des Tierchens sich aufgedrängt habe. Lüthi hat das Behkitzchen in der Folge ausstopfen lassen.

Lüthi ersucht um Erlass der Busse. Er trage an dem Vorfall keine Schuld; höchstens könne gerügt werden, dass er eine Mitteilung an die zuständigen Polizeiorgane unterlassen habe. Die Sache habe aber keineswegs verheimlicht werden sollen.

Die Forstdirektion des Kantons Bern bemerkt zu dem Gesuch, die Tötung von Wild komme beim Mähen und ähnlichen Arbeiten häufig vor, ohne dass der Vorfall gemeldet oder das behändigte Wild abgeliefert werde. Es bestehe aber kein Zweifel, dass die fahrlässige Tötung oder die Behändigung von getötetem Wild Zuwiderhandlungen gegen die Jagdpolizei darstellen. Im vorliegenden Fall, insbesondere bei der Jugendlichkeit des Bestraften, dürfe teilweise Begnadigung befürwortet werden. Es wird Ermässigung der Busse bis zu Fr. 10 beantragt. Die Polizeidirektion des Kantons Bern schliesst sich diesem Antrag an.

Auch die Eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält dafür, die Busse sei nach den vorhandenen Umständen zu hoch und dürfe im Begnadigungswege ermässigt werden. Wir beantragen Herabsetzung bis zu Fr. 10.

66. und 67. Karl Zenger und Christian Schütz, verurteilt am 8. September 1928 vom Gerichtspräsidenten von Thun in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, des Bundesgesetzes je zu Fr. 40 Busse.

Der noch schulpflichtige Sohn Zengers fing beim Mähen drei junge Hasen und verkaufte sie in der Folge dem Nachbar Schütz.

Zenger und Schütz ersuchen um Bussenermässigung.

übernommen hat, schreibt, weder seinem Knaben noch ihm selbst sei das Strafbare ihrer Handlungsweise bewusst gewesen; bereits der urteilende Bichter habe ihn auf den Begnadigungsweg verwiesen.

Schütz versichert ebenso seine Gutgläubigkeit und bemerkt, da er jeden Bappen zuerst verdienen müsse, treffe ihn die Busse schwer.

Der Gerichtspräsident von Thun befürwortet die Gesuche. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt Herabsetzung um

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die Hälfte, die Forstdirektion des Kantons Bern bei Zenger den gänzlichen Erlass, bei Schütz Herabsetzung bis zu Fr. 10.

Angesichts der Harmlosigkeit der in Betracht kommenden Übertretungen können wir auch hier mit der Eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei eine teilweise Begnadigung befürworten. Wir beantragen in beiden Fällen Herabsetzung der Bussen bis zu Fr. 10.

68.

(Fischereipolizei.)

Gegen Eugène Chevalier hat der Préfet von Eolle gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 in Verbindung mit interkantonalem Konkordatsrecht eine Busse von Fr. 400 erkannt; ausserdem wurde der Entzug der Berechtigung zum Fischfang für die Dauer von zwei Jahren verfügt.

Chevalier hat beim Fischfang zu engmaschige Netze verwendet.

In Eingaben an die kantonalen und die eidgenössischen Behörden wendet er sich nunmehr sowohl gegen die Höhe des Bussenbetrages wie den Entzug der Berechtigung zum Fischfang. Die Fischerei bilde seinen Beruf, auf den er bei den dermaligen schwierigen Erwerbsverhältnissen mit seiner Familie angewiesen sei. Der Entzug der Berechtigung habe seine Arbeitslosigkeit zur Folge; zurzeit gebe er sich mit dem Vertrieb von Fischen ab, ohne jedoch damit sein Auskommen zu finden. Seine Bestrafung treffe auch den betagten Vater, der bis anhin dem Beruf gemeinsam mit dem Sohn obgelegen habe, so dass in Wirklichkeit zwei Familien beeinträchtigt seien. Weiterhin wird angebracht, der Gesuchsteller, der vor zwei Jahren einen Hausstand gegründet und sich verselbständigt habe, stecke in Schulden, da er die Ausrüstung zum Betriebe des Fischereigewerbes auf Abschlagszahlungen hin erworben habe. Die Verfehlung schliesslich sei auf die Not zurückzuführen, indem der Fischfang in den letzten Jahren wenig eingetragen habe.

Der Gemeindepräsident von Perroy und der Préfet von Eolie befürworten die Eingabe, soweit die Aufhebung des Entzugs der Berechtigung zum Fischfang nachgesucht wird. Das Departement für Landwirtschaft, Industrie und Handel des Kantons Waadt bemerkt unter Hinweis auf die Vorstrafen Chevaliers, die Aufhebung des Entzugs der Berechtigung zum Fischfang könne einzig erwogen werden, weil andernfalls eine Familie der öffentlichen Unterstützung anheimzufallen drohe, die sonst das Familienhaupt erhalten könne.

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Da Chevalier bis zum Entscheid der Bundesversammlung mindestens sechs Monate lang in seinem Beruf eingestellt sein werde, lasse sich die Aufhebung des Entzuges befürworten, immerhin unter Belassung der Busse.

Wir beantragen aus denselben Erwägungen mit der Eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung des Gesuches, soweit es die Busse beschlägt, im übrigen Begnadigung vom Tage des Entscheides der Bundesversammlung an.

69.

(Forstpolizei.)

präsidenten von Münster gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen in Verbindung mit kantonalem Forstpolizeirecht zu Fr. 70 Busse und Fr. 73.10 Kosten verurteilt worden.

Leuenberger hat in Schutzwaldgebiet ohne Bewilligung 10,s Kubikmeter Holz geschlagen und hiervon 7 Kubikmeter verkauft.

Für Leuenberger wird um Erlass oder doch angemessene Herabsetzung von Busse und Kosten ersucht. Die Gesuchsanbrmgen sind im wesentlichen eine Wiedergabe des Inhalts der Strafakten; zunächst wird erneut geltend gemacht, Leuenberger habe im Glauben gehandelt, keiner Schlagbewilligung zu bedürfen. Weiterhin wird hervorgehoben, dass der in Betracht kommende Schutzwald im Kataster der Gemeinde nicht als Wald, sondern als Mattland (pré) bezeichnet sei. Der urteilende Eichter habe bei dieser Sachlage die Verhandlung unterbrochen und im Meinungsaustausch mit dem Staatsanwalt die Frage erörtert, ob nicht von einer Verurteilung abzusehen sei. Der Staatsanwalt seinerseits habe auf die Möglichkeit eines Begnadigungsgesuches hingewiesen. Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Eingabe selbst.

Der Gemeinderat von Corcelles befürwortet das Gesuch. Der Kreisförster des 15. Kreises bestätigt den im Laufe des Strafverfahrens eingenommenen Standpunkt, wonach Leuenberger nicht bösgläubig gehandelt habe; seinem fehlerhaften Verhalten werde die Schärfe genommen durch die Tatsache der unrichtigen Fassung der Katasterbezeichnung. Eine Bussenermässigung könne durchaus begrüsst werden. Der Gerichtspräsident von Münster befürwortet das Gesuch ebenfalls, da Leuenberger offenbar im Glauben gewesen sei,

235 keine Schlagbewilligung zu benötigen. Auch der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes unterstützt das Gesuch. Der Forstmeister des Jura, dem sich die Forstdirektion und die Polizeidirektion des Kantons Bern anschliessen, beantragt dagegen Abweisung; die Vernehmlassung macht zusammenfassend geltend, sofern Begnadigungsgesuche nicht ganz gewichtige Milderungsgründe aufzuweisen hätten, und solche seien bei Leuenberger nicht vorhanden, sollte auf dieselben nicht eingetreten werden. Die Eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei bemerkt, es sei nicht anzunehmen, dass Leuenberger tatsächlich gestützt auf die unrichtige Katasterbezeichnung hin ohne Bewilligung geschlagen habe, jedenfalls habe er dies bei seiner ersten Einvernahme nicht vorgebracht. Immerhin könne berücksichtigt werden, dass die unrichtige Katasterbezeichnung, die dem Gesuchsteller nicht zur Last falle, die gerichtliche Expertise und damit erhöhte Kosten veranlasst habe. Es wird Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 40 beantragt.

Wenn wir uns angesichts dieser verschiedenen Stellungnahmen entschliessen, den A n t r a g auf Abweisung zu stellen, so ziehen wir dabei zunächst das i. S. Plumez im allgemeinen Gesagte in Betracht (zu vgl. Antrag 31 des I. Berichtes vom 2. November 1923). Geht man davon aus, dass die unrichtige Kastasterbezeichnung auf das Verhalten Leuenbergers in Wirklichkeit nicht von Einfluss war, so erweist sich der nachträgliche Hinweis auf dieselbe und die dadurch veranlasste Expertise als Gesuchsanbringen, das kaum geeignet ist, eine Begnadigung ernstlich nahe zu legen. Wie das Ergebnis der Expertise zeigt, war diese nicht nur darin von Bedeutung, dass sie die Beschaffenheit des in Frage kommenden Grundstückes abklärte, sondern gleichzeitig den Nachweis erbrachte, dass der vorgenommene Holzschlag vom Standpunkte einer sorgfältigen Waldwirtschaft unzweckmässig war. Der ohne Bewilligung erfolgte Holzschlag hätte bei Begrüssung der Forstorgane offenbar wesentlich anders vorgenommen werden müssen. Unter diesen Umständen teilen wir die Auffassung, die der urteilende Eichter am Schlüsse der Urteilserwägungen äussert, wonach mit dem Ansatz der Mindestbusse allen Umständen des Falles Bechnung getragen sei. Da es sich zudem dem Gesamtbetrage der Busse nach, wie i. S. Plumez, um keine besonders hohe Summe handelt
und in den Akten Belege für ärmliche Verhältnisse nicht zu finden sind, rechtfertigt sich die Abweisung auch von diesen Gesichtspunkten. Mit der Kostenfrage hat sich die Begnadigungsbehörde von vorneherein nicht zu befassen.

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70.

ob dem Wald).

(Übertretung von Holzhöchstpreisen.)

Kantons Unterwaiden ob dem Wald in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 14. Juli 1917 betreffend Versorgung des Landes mit Brennholz und der zudienenden Departementsverfügung zu Fr. 9000 Busse verurteilt worden. Eine Kassationsbeschwerde und ein staatsrechtlicher Eekurs an das Bundesgericht waren erfolglos.

Wirz hat sich in den Jahren 1918 und 1919 im Holzhandel mit Bezug auf grössere Mengen Brennholz, sei es als Käufer oder Verkäufer, der Überschreitung der Höchstpreise schuldig gemacht. Laut gerichtlicher Feststellung ergaben die in Aussicht genommenen Holzlieferungen eine Höchstpreisüberschreitung von Fr. 30,000. Es kommen ausgesprochene Spekulationsgeschäfte in Betracht.

Für Wirz, der an die Busse Fr. 4124. 40 bezahlt hat, wird um, Erlass der Restbusse ersucht. Wirz habe schwere Familienlasten, sei in den letzten Jahren geschäftlich stark zu Schaden gekommen und habe insbesondere aus dem Konkurs des Holzkäufers einen Verlustschein von Fr. 19,694 davongetragen. Die gänzliche Bezahlung der Busse bedeute seinen Euin ; schon die Teilzahlung von über Fr. 4000 gehe über seine Leistungsfähigkeit. Man möge den guten Leumund des Gesuchstellers in Betracht ziehen und berücksichtigen, dass ihn die am Hotelgewerbe erlittenen Verluste und die Sorge um seine Familie zu dem Brennholzhandel veranlasst hätten. Die Begnadigung werde keinem Unwürdigen zuteil.

Landammann und Begierungsrat des Kantons Unterwaiden ob dem Wald nehmen in einer Zuschrift an den Bundesrat zu dem Gesuch eingehend Stellung. Wir verweisen auf diese. Ausführungen mit Nachdruck hin, denn sie sind geeignet, die Gesuchsanbringen in verschiedenen Punkten richtigzustellen. Auf Grund der regierungsrätlichen Vernehmlassung lässt sich nämlich sagen, dass der Gesuchsteller weder schwer hat, für seine Familie aufzukommen, noch irgendwie, sei es hinsichtlich seines Erwerbs oder des Vermögens, in misslichen Verhältnissen ist. Was insbesondere die finanzielle Tragweite der Holzgeschäfte anbetrifft, so wird betont, dass es sich nicht um tatsächlichen Verlust, sondern um entgangenen Gewinn handelt.

Zutreffend bemerkt übrigens der Kegierungsrat, für die Würdigung des Begnadigungsgesuches komme es vorab auf die Verhältnisse an, in denen der Gesuchsteller sich dermalen befinde. In Wirklichkeit sei Wirz ein hablicher Mann; er wisse auch wohl, dass einem

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Begnadigungsgesuch im Kanton nicht entsprochen würde, weil man seine Verhältnisse zu gut kenne. Bei der vorhandenen Sachlage würde sich das Kechtsbewusstsein des Volkes gegen einen Gnadenakt sträuben.

Zusammenfassend wird beantragt, es sei das Begnadigungsgesuch des Arnold Wirz abzuweisen und allenfalls der Vollziehungsbehörde das Eecht zu wahren, Wirz zur Verbüssung der Umwandlungsstrafe zu verhalten.

Mit der Eidgenössischen Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei, deren ähnlich gehaltenen Ausführungen wir beipflichten, beantragen wir ebenfalls Abweisung; das Gesuch des Wirz ist nachgewiesenermassen unbegründet. Für den wenig voraussichtlichen Pali, dass die Umwandlungsstrafe zur Anordnung gelangen sollte, bemerken wir lediglich, dass diese auf Grund des Bundesgesetzes über ·die Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis vom 1. Juli 1922 die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen kann.

71.

72.

(Wallis), 73.

74.

75. S 76.

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78.

79.

80.

81.

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 71.

präsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 30. 90 für 1920 betreffend.

Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. III.

20

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Für Gigon, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, wird um Erlass der Freiheitsstrafe ersucht. Er sei als Inhaber einer Wirtschaft und eines Spezereiladens in Fahy in Konkurs geraten und heute gezwungen, als Fabrikarbeiter seinen Verdienst auswärts zu suchen. Infolge seiner Arbeitsverhältnisse habe er vor dem Bichter nicht erscheinen können und sich deshalb brieflich unterzogen in der Meinung, die Bestrafung werde in Busse bestehen. Seit 190$ habe er die Militärsteuern immer ordnungsgemäss entrichtet; die^ diesmalige Verspätung sei insbesondere auf seine heutigen ärmlichen Verhältnisse zurückzuführen.

Der Gemeinderat von Fahy und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Eingabe und die Polizeidirektion desKantons Bern beantragt bedingte Begnadigung, da die Militärsteuer heute bezahlt und Gigon ohne Vorstrafen sei.

Wir beantragen den gänzlichen Erlass der Freiheitsstrafe, in Erwägung, dass Gigon, der 1923 das 40. Altersjahr zurückgelegt hat, fortan nicht mehr militärsteuerpflichtig ist, dass er während 20 Jahren ordnungsgemäss bezahlt hat, keine Vorstrafe aufweist und sich heute in ärmlichen Verhältnissen befindet.

72.

präsidenten von Lausanne zu 10 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 36. 90 für 1921 betreffend.

Für Lebet wird um Erlass der Freiheitsstrafe ersucht. Der Gesuchsteller befinde sich seit Jahren infolge schwerer Familienlasten und anderer Schwierigkeiten in misslichen Verhältnissen, weshalb er von 1916 bis 1920 von der Steuerpflicht befreit gewesen sei und die Steuerschuld für 1921 nicht ordnungsgemäss habe entrichten können. Die auffällige Tatsache, dass infolge Ausbleibens des Beschuldigten an den Gerichtsverhandlungen und jeweiliger Gesuche um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand insgesamt drei (nicht nur zwei) Kontumazentscheide notwendig wurden, wird abzuschwächen versucht und insbesondere betont,- dass Lebet im Laufe des Verfahrens die Steuer bezahlt habe. Für weitere Einzelheiten, wie die Bemerkung, dass Lebet heute über 40jährig und nicht mehr militärsteuerpflichtig sei, oder den Hinweis auf seine stete Pflichterfüllung als Eisenbahner, verweisen wir auf die Gesuchsanbringen selbst.

In den Akten befindet sich ein eingehender Polizeibericht über Lebet: Danach war Lebet bereits im Zeitpunkte der Verheiratung verschuldet, indem er aus achtbarem Familiensinn Verpflichtungen des verstorbenen Vaters übernommen hatte. In der Folge zeigten die

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Eheleute offenbar wenig haushälterischen Sinn, wobei immerhin zu sagen ist, dass die Familie durch schwere Schicksalsschläge heimgesucht wurde; insbesondere sollen die fünf Kinder, die sämtliche als schwächlich oder gar anormal bezeichnet werden, von jeher zu Auslagen Anlass gegeben haben, die unumgänglich waren, aber über die Leistungsfähigkeit des Familienhauptes hinausgingen. Die Verhältnisse Lebets sind der Verwaltung der S. B. B. bekannt; er hat auch weitgehendes Entgegenkommen gefunden. Er gilt als pflichtgetreu und eifrig; es wird bestätigt, dass seine Schulden ihn ständig bedrängen. Lebet weist keine Vorstrafe von Belang auf.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt stellt zunächst fest, dass Lebets Verhalten in den gegen ihn durchgeführten Verfahren offensichtlich nachlässig war ; im übrigen treffe zu, dass er nicht böswillig sei und an Missgeschick viel ausgestanden habe. Es wird Herabsetzung der Freiheitsstrafe bis zu 5 Tagen beantragt.

Unserseits bemerken wir, dass die scharfe Bestrafung durchaus begründet war, weil sich Lebet in der Tat auffällig nachlässig benommen hat. Hinwiederum sprechen seine misslichen Verhältnisse, dann aber auch persönliche Charakterzüge des Gesuchstellers für einen Gnadenakt, wobei wie i. S. Gigon mitberücksichtigt werden kann, dass der weiter nicht vorbestrafte Gesuchsteller heute nicht mehr ersatzpflichtig ist. Die letztere Feststellung führt zu der Erwägung, dass eine bedingte Begnadigung weniger in Betracht kommt als eine Herabsetzung odef'der gänzliche Erlass der Freiheitsstrafe.

Wir beantragen Herabsetzung bis zu zwei Tagen; der gänzliche Erlass liegt hier weniger nahe als bei Gigon, wo die Verumständungen des Falles den Verurteilten weniger belasten.

73.

denten von Biel zu zwei Tagen Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 81. 60 für 1921 betreffend.

Eschler, der die "Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe; die verspätet erfolgte Begleichung der Steuerschuld sei auf die häufige Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

Die Eheleute Eschler sind gut beleumdet. Der Gemeinderat von Biel und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Begnadigung. Die Polizeidirektion des Kantons Bern erklärt sich mit dem Erlass der Strafe einverstanden, sofern Eschler ohne Vorstrafe sei.

Da letzteres
zutrifft, beantragen wir bedingte Begnadigung, unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren, und heben als Bedingung besonders hervor, dass Eschler während der Probezeit

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kein vorsätzliches Vergehen verübe, insbesondere nicht neuerdings die Entrichtung der Militärsteuer schuldhaft unterlasse.

74.

richtspräsidenten von Biel zu 2 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 42.10 für 1922 betreffend.

Dänzer ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe unter Hinweis auf längere Arbeitslosigkeit, Krankheit und Familienlasten.

Die Gemeindebehörden von Biel,.der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung. Dänzer erweist sich nach den polizeilichen Erhebungen als liederlicher, trunksüchtiger Mensch.

Wir beantragen ebenfalls Abweisung.

75.

Gerichtspräsidenten von Courtelary zu 5 Tagen Haft und .Wirtshausverbot bis zur Bezahlung der Militärsteuer, längstens aber während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 24.10 für 1922 betreffend.

Visard ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe unter Hinweis auf seinen unregelmässigen und geringen Verdienst, sei es bei Notstandsarbeiten oder in der Uhrmacherei.

Während die bernischen Behörden ursprünglich den Erlass der Strafe befürworteten, beantragt die Polizeidirektion des Kantons Bern nach veranlasster Aktenergänzung Abweisung, da Visard durch Beschluss des Begierungsrates vom 6. März 1923 wegen Müssiggang und Trunksucht für ein Jahr in eine Arbeitsanstalt habe versetzt werden müssen und ausserdem am 29. August 1923 wegen Misshandlung zu 20 Tagen Gefängnis verurteilt worden sei. .

Wir beantragen ebenfalls Abweisung.

76.

präsidenten von Biel zu 2 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuern von Fr. 67. 60 für 1920/21 betreffend.

Begert ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. In den letzten Jahren habe er als Artist in einer Varietetheatertruppe kaum seinen Unterhalt verdient; ferner bemühe er sich, die Steuern nachträglich zu begleichen und habe bereits einen namhaften Teilbetrag entrichtet.

Da er nunmehr wieder in der Uhrmacherei arbeite, werde er regelmässig zahlen können.

Die Gemeindebehörden von Biel, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung. Begert erweist sich als leichtsinniger Bursche ohne

241

ernsthaften Arbeitswillen; die hier in Betracht kommenden Steuern für 1920/21 schuldet er immer noch.

Wir beantragen ebenfalls Abweisung.

77.

Gerichtspräsidenten von Courtelary zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 25. 60 für 1922 betreffend.

Stauffer ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe; wegen Arbeitslosigkeit und Erkrankung zweier Kinder habe er die Steuerschuld nicht rechtzeitig begleichen können. Im übrigen verpflichtete er sich in seinem Schreiben vom 22. Januar, bis Ende Februar zu zahlen.

Der Kegierungsstatthalter von Courtelary, der Kriegskommissär und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Stauffer, der zwölf Freiheitsstrafen aufweist, hat das im Gesuch enthaltene Zahlungsversprechen keineswegs eingehalten, sondern sich inzwischen mit seiner Familie nach Frankreich verzogen, wobei er übrigens bei seinem Weggang die militärischen Kontrollvorschriften missachtete.

Wir beantragen ebenfalls Abweisung.

78.

Gerichtspräsidenten von Münster zu 3 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Bezahlung der Militärsteuer, längstens aber während 6 Monaten, die Steuer von Fr. 22. 60 für 1922 betreffend.

Tschäppeler ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe und beruft sich hierzu auf die Verbüssung einer Arreststrafe und eine Unterredung mit Organen der Militärdirektion des Kantons Bern, wonach die Aufhebung der Gefängnisstrafe ihm in Aussicht gestellt worden sei.

In Wirklichkeit verhält sich die Sache so, dass Tschäppeler wegen Nichterscheinens an einer Waffeninspektion mit einer Disziplinarstrafe belegt wurde, diese verbüsste und im Anschluss daran die Steuerrückstände von 1921 und 1922 abverdiente.

Der Begierungsstatthalter von Münster befürwortet das Gesuch, wogegen der Kantonskriegskommissär schreibt, nachdem die Militärbehörden und auch der Richter dem Ersatzpflichten reichlich bemessene Zahlungsfristen gewährt hätten und es Tschäppeler dennoch zur Verurteilung habe kommen lassen, hiesse eine nachträgliche Begnadigung sein Verhalten geradezu anerkennen.

Da Tschäppeler aus dem Jahre 1919 eine militärgerichtliche Freiheitsstrafe von zwei Tagen Gefängnis aufweist und, wie die oben

242 erwähnte Disziplinarstrafe zeigt, auch in anderer Beziehung seiner militärischen Pflicht nicht nachkommt, b e a n t r a g e n wir Abweisung.

79.

Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 100. 50 für 1920 betreffend.

Wenger, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Er verweist darauf, dass er seit dem Januar 1921 grössere familienrechtliche Unterstützungsbeiträge bezahlen müsse, im Jahre 1920 während drei Monaten und ebenso während zwei Monaten im laufenden Jahre arbeitslos gewesen sei und die Steuern unmöglich früher habe begleichen tonnen ; auch habe er noch nie eine Strafe verbüsst.

Der Bericht der Polizeidirektion der Stadt Bern lautet ungünstig.

Das Gesuch wird nicht empfohlen. Abweisung beantragen weiterhin der Regierungsstatthalter II des Amtsbezirkes Bern und die kantonale Polizeidirektion.

Aus den Akten und Mitberichten ergibt sich, dass Wenger kein besonderes Entgegenkommen verdient. Eine ihm am 29. Juni 1917 wegen Nichterfüllung von Unterhaltspflichten bedingt auferlegte Freiheitsstrafe musste zwar nicht vollzogen werden, dagegen steht, abgesehen von dieser Strafe, fest, dass Wenger schlecht beleumdet ist.

Die obergerichtliche Appellationsinstanz bemerkt ihrerseits, der erstinstatazliche Richter habe Wenger gegenüber bei der Gewährung von Zahlungsfristen alle nur erdenkbare Milde walten lassen, eine Milde, die bei den Einkommensverhältnissen Wengers nicht am Platze und auch nicht in seinem Interesse gewesen sei.

Wir beantragen Abweisung.

80.

gericht Zürich zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuern von Fr. 80 für 1920 bis 1922 betreffend.

Huber ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er betätige sich seit längerer Zeit als Gartenarbeiter, sei jedoch in den zwei letzten Jahren häufig arbeitslos gewesen und dadurch in Rückstand geraten.

Den geschuldeten Restbetrag der Steuern werde er demnächst bezahlen können, ebenso die Steuern für 1923. Der Strafvollzug bringe ihn um seine derzeitige Anstellung.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich äussert sich in längerem Bericht. Für die Begnadigungsbehörde müsse massgebend sein, ob der Steuerpflichtige seiner Zahlungspflicht im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung genügt habe, was hier nicht der Fall sei. Huber habe seit 1920 keine Anstrengungen gemacht, seinen Verpflichtungen

243

nachzukommen, sondern erst unter dem Druck des Strafverfahrens mit Teilzahlungen begonnen. Nach den Verumständungen könnte es sich lediglich fragen, ob im Hinblick auf diese Teilzahlungen eine teilweise Begnadigung, die wiederum nur eine bedingte sein könnte, als angezeigt erscheine. Dies sei aber zu verneinen, weil Huber, ·der ledig und ohne Unterstützungspflichten sei, sich als Person erweise, der die Erfüllung der Steuerpflichten gegenüber Staat und Gemeinde keine grossen Sorgen bereite, sofern man sein Verhalten nicht geradezu als absichtlich renitent bezeichnen wolle. Besondere Milde sei nicht am Platze, weshalb Abweisung beantragt werde.

Die kantonale Direktion der Justiz beantragt ebenfalls Abweisung.

Wir beantragen ebenso Abweisung, in Erwägung, dass ähnliche Verhältnisse in Betracht kommen wie bei Wenger. In dem über Huber beschafften Polizeibericht wird bezeichnenderweise gesagt, -er gehöre zu denjenigen, die den letzten Eappen im Wirtshause verbrauchen.

81.

·der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu 2 Tagen ·Gefangenschaft, die Militärsteuer von Fr. 121. 50 für 1918 betreffend.

Hofmann ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Seine Eingabe vom 19. Juni 1922 haben die kantonalen Behörden der Bundesanwalt·schaft am 24. Oktober 1928 zu Kenntnis gebracht. Hofmann schreibt «r sei im Mai 1918 in Konkurs geraten und bis anfangs 1919, ferner während mehreren Monaten im Jahre 1922, ohne Verdienst gewesen; die von ihm nachgesuchte. Ermässigung der Steuer habe man abgelehnt. Unter Hinweis auf eine bevorstehende Anstellung versprach Hofmann in seinem Gesuch Begleichung der Steuerschuld bis Ende Juli 1922 und hob im übrigen die sonst ordnungsgemässe Bezahlung und das Fehlen von Vorstrafen hervor.

In Mitberichten, die zeitlich ein Jahr auseinander liegen, beantragen die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern Abweisung, die beiden letztern unter Hinweis auf die Tatsache, dass Hofmann trotz einer ganzen Beihe von Zahlungsversprechen bis zum 20. Oktober 1923 nicht einmal eine Teilzahlung geleistet habe.

Angesichts der unverantwortlichen Zahlungsverschleppung und der von den kantonalen Behörden dem Gesuchsteller in ausserordentlicher Langmut gewährten Stundungen beantragen wir ohne weiteres Abweisung. Es liegt auf der Hand, dass Hofmann mindestens Teilzahlungen hätte aufbringen können; eine Begnadigung

244 befürworten, hiesse hier in der Tat der Nachlässigkeit Tür und Tor öffnen.

82.

thurn), 83.

(Widerrechtlicher Bezug von Arbeitslosenunterstützung.)

Gestützt auf Art. 38, Ziff. 3, des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919/3. März 1922 betreffend Arbeitslosenunterstützung wurden verurteilt: 82.

Amtsgericht Solothurn-Lebern zu Fr. 100 Busse und Bückerstattung einer Summe von Fr. 989. 75.

Jeanneret erhielt in den Jahren 1921 und 1922 als Unterstützungbei gänzlicher Arbeitslosigkeit auf Grund seiner Angaben insgesamt Fr. 3113, währenddem er in dieser Zeit an verheimlichtem Nebenverdienst Fr. 989. 75 bezog.

Jeanneret stellt das Gesuch, es möchten ihm die Busse nebst Kosten in Gnaden erlassen und der Kantons- wie der Gemeindeanteil der zuviel bezogenen Arbeitslosenunterstützung aus dem kantonalen Krisenfonds bestritten werden. Die eidgenössische Begnadigungsbehörde hat sich einzig mit dem Erlass der Busse zu befassen.

Zur Begründung des Gesuches wird geschrieben, Jeanneret habeals Präsident der Arbeitslosenfürsorgekommission Bellach laut Kommissionsbeschluss von seinem, im übrigen, bekanntgegebenen Nebenverdienst zwei Arbeitstage für geleistete Fürsorgearbeiten in Abzug gebracht. Wie der Gesuchsteller bereits vor Gericht erklärt habe,, seien ihm die einschlägigen Unterstützungsbestimmungen nicht bekannt gewesen; ein rechtswidriges Verhalten habe Jeanneret nicht im Sinne gehabt. Da ihm das Gerichtsurteil auch die Unterstützung entzogen habe, sei er mit Frau und drei Kindern auf den gelegentlichen Verdienst als Taglöhner angewiesen und könne die von ihm geforderten Summen nicht aufbringen.

Das Handels-, Industrie- und Sozialversicherungs-Departement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung des Gesuches, da es sich Tim einen krassen Fall missbräuchlicher Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützungsgelder handle und die Stellung des Jeanneret als.

Gemeinderat und Präsident der Fürsorgekommission erschwerend in Betracht falle.

Wir beantragen aus denselben Erwägungen Abweisung.

245 88. E kammer des Obergerichts des Kantons Bern zu 10 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse.

Brand hat durch unrichtige Angaben, d. h. durch Verschweigen; des Arbeitslohnes seiner Ehefrau, die in einer Fabrik arbeitet, an Arbeitslosenunterstützung widerrechtlich Fr. 222. 70 bezogen.

Die ..oberinstanzlicbe Beurteilung erging auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin; erstinstanzlich war Brand zu Fr. 30 Bussa verurteilt worden. Die Eekursinstanz bezeichnet den Fall als schwer, insbesondere auch deshalb, weil sich Brand überdies Arbeiten im Dienste der Gemeinde Bern (Strassenwischen) zu entziehen suchte.

Brand ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er sei zu hart bestraft worden. Die Verbüssung der Freiheitsstrafe mache ihn neuerdings arbeitslos und erschwere ihm sein späteres Fortkommen.

Er sei sonst unbescholten, insbesondere ohne Vorstrafe. In der heutigen, schweren Zeit solle es nicht verumhöglicht werden, dass ein Familienvater, der bis anhin seine Pflichten erfüllt habe, der Arbeit nachgehen könne.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern bemerkt unter anderem, Brand wäre im Falle gesetzlicher Möglichkeit zweifellos der bedingte Straferlass zugebilligt worden. Wenn man dies berücksichtige, erscheine das oberinstanzliche Urteil als ziemlich hart. Die Gefängnisstrafe dürfe deshalb füglich teilweise erlassen werden; Brand sei mit drei Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse zur Genüge bestraft.

Der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes Bern beantragt Abweisung, weil Brand die Arbeitslosenfürsorge in arger Weise missbraucht, auch die ihm angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe. Seiner bisherigen Unbescholtenheit sei im oberinstanzlichen Urteil ausdrücklich Kechnung getragen.

Die kantonale Polizeidirektion hält einen Strafnachlass nicht für gerechtfertigt.

Obschon die Erledigung der Fälle Jeanneret und Brand ergibt, dass die Gerichtsbehörden in der Zumessung von Freiheitsstrafen verschieden vorgehen, beantragen auch wir, das Gesuch abzuweisen. Die scharfe Ahndung der einschlägigen Vergehen findet unsere Zustimmung und zudem kann es nicht Sache des Begnadigungsverfahrens sein, die Strafausmessung von Gerichten, die verschiedenen Kantonen angehören, ausgleichend zu beeinflussen, es sei denn, dass ein Begnadigungsfall dies geradezu zwingend nahe lege. Beachtet man, dass die kantonale Eekursinstanz
den Straffall Brand, unsere» Erachtens mit Eecht, als schweren Fall kennzeichnen will, so ist offenbar zu einer ausserordentlichen Massnahme der Begnadigungsbehörde kein Eaum.

246

84.

lingen (Schaffhausen), 85.

der, Bern.

(Übertretungen des Zoll- und Alkoholgesetzes.)

Vom Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement sind in Anwendung der Bundesgesetze vom 29. Juni 1900 über gebrannte Wasser und vom 28. Juni 1893 über.das Zollwesen bestraft worden: 84.

gemeinsam mit andern zu zwei Bussen. Nach Aufstellung der Zollverwaltung entfallen hiervon auf Sigg an eigenen Bussen die zwei Beträge von Fr. 233. 60 und Fr. 490. 56 und aus Solidarhaft für den unerreichbaren Ausländer Auer Fr. 449. 68, d. h. insgesamt Franken 1173.84.

Auer hat im Oktober 1921 von Gailingen aus in einem Sack ·eine grössere Anzahl Fläschchen mit kölnischem Wasser nach Dörflingen geschmuggelt, wo die Ware von Sigg abgenommen und einem gewissen Ottenheimer, Coiffeur in Zürich, zugeleitet wurde.

Sigg, der die Zollbusse von Fr. 233. 60 bezahlt hat, ersucht um Erlass der noch verbleibenden Beträge von Fr. 940. 24. Er habe sich von Ottenheimer überreden lassen, ohne die Tragweite seiner Handlungsweise zu überblicken. Ferner wird auf das sofortige Geständnis verwiesen und erklärt, die Bezahlung der an Bussen und aus Solidarhaft auferlegten Beträge sei ausgeschlossen. Ungerecht sei insbesondere die Haftung für den Ausländer Auer.

Die Zollbehörden, insbesondere die Oberzolldirektion, beantragen Abweisung. Zunächst wird betont, Sigg erkläre in den Gesuchsanbringen ausdrücklich, dass ihn Ottenheimer in die Angelegenheit hineingezogen habe. Im Strafverfahren habe er dies abgeleugnet; die nunmehrige Darstellung belaste Sigg deshalb in vermehrtem Masse, weil er in Wirklichkeit sowohl mit dem Schmuggler wie mit dem Bezüger der Ware in Verbindung gestanden und somit im Komplott keineswegs eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Sigg sei als lediger Mann und nach Erwerb und Vermögen nicht so gestellt, dass er die von ihm verlangten Beträge nicht aufbringen könne.

Da demnach besondere Kommiserationsgründe nicht vorliegen, besteht kein Anlass, von den Strafentscheiden des Finanz- und Zolldepartementes im Begnadigungswege abzugehen, weshalb wir b e a n t r a g e n , den Gesuchsteller abzuweisen.

247

85.

3. und 7. Mai 1923 mit Bussen von Fr. 959. 75, Fr. 278. 79 und Franken 53. 28.

Mäder hat sich im Laufe des Jahres 1922 in gewerbsmässiger Weise mit Einfuhrschmuggel abgegeben.

Mäder ersucht um wesentliche Ermässigung des Betrages von insgesamt Fr. 1291. 82 und um Gewährung von Abschlagszahlungen.

Die Tilgung der Bussen in ihrem ganzen Umfang sei ihm unmöglich; -wenn die Zollverwaltung hinwiederum die bei Dritten beschlagjiahmten Gegenstände veräussere, so werde er den Dritteigentümern .haftbar. Der Gesuchsteller schreibt ferner, infolge einer Streitigkeit zwischen seiner damaligen Wohnsitz- und der Heimatgemeinde sei ·er seinerzeit anderthalb Jahre ohne Aufenthaltsbewilligung und ohne Arbeit gewesen. In dieser Lage habe er, um sich seinen Unterhalt zu beschaffen und bestehenden Zahlungspflichten zu genügen, mit Schmuggeln begonnen. Er bedaure die Gesetzesübertretungen.

Aus dem Bericht der Oberzolldirektion, die sich zur Sache eingehend äussert, entnehmen wir, dass eigene Zahlungen Mäders kaum in Betracht fallen. Die Zollverwaltung wird ihre Ansprüche durch Verwertung der Schmuggelware tilgen, die zum grössten Teil bei der Verwandtschaft Mäders beschlagnahmt wurde. Über Mäder «elbst liegt ein Polizeibericht vor, ferner sind Akten der kantonalen Armendirektion in Bern eingesehen worden. Danach muss gesagt werden, dass eine Begnadigung Mäders keineswegs nahegelegt wird.

Er ist wegen betrügerischen Konkurses vorbestraft und anderweitig schlecht beleumdet, insbesondere fällt ihm die Vernachlässigung seiner Pflichten als Familienhaupt zur Last. Die Schmuggeltätigkeit hat er in geriebener Weise und in beträchtlichem Umfang ausgeübt.

Wir beantragen mit der Oberzolldirektion Abweisung. Wie sich Mäder mit den Abnehmern der geschmuggelten Ware auseinandersetzen werde, mag ihm und den Beteiligten anheimgestellt bleiben.

86.

(Aargau), zurzeit im Kantonalgefängnis Frauenfeld (Thurgau), 87.

88.

89.

tingen (Thurgau), 90.

(Pulverregal- und Zollübertretung.)

248

In Anwendung der Bundesgesetze über das Pulverregal vom 30. April 1849 und über das Zollwesen vom 28. Juni 1893 nebst zudienenden Erlassen sind bestraft worden: 86.

a. durch Straf entscheide der Eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung vom 27. Oktober 1922 zu Fr. 16,700 und 13,500 Busse und vom 2. August 1923 zu Fr. 3150 Busse.

b. durch Strafentscheide des Eidgenössischen Zolldepartemente» vom 10. Januar 1923 zu Fr. 697. 50 und 1083. 25 Busse und vom 17. August 1923 zu Fr. 326. 25 Busse.

Die Strafentscheide ergingen in drei verschiedenen, unter sich weiter nicht zusammenhängenden Fällen von Munitionsschmuggel begangen im Winter 1921/22, im Mai, Juli und August 1922. Berner war der eigentliche Leiter der komplottmässigen Schmuggelunternehmungen, sei es, dass er sich selbst mit Schmuggeln befasste, in seinem Auftrag schmuggeln liess oder doch wissentlich Schmuggelware erwarb. In Betracht kommen sehr erhebliche Mengen von Flobertpatronen.

Berner ersucht mit Eingabe vom 30. August 1923, vom Kantonalgefängnis in Frauenfeld aus, um Freilassung sowie um Ermässigung der Bussen und Zahlungsstundung, soweit die Bussen noch ausstehen.

Er verweist zunächst darauf, dass er verheiratet sei ; seine kränkliche Frau und die Tochter müssten unverschuldet vieles entbehren, vielleicht sogar darben. Er bereue die Verfehlungen, deren Folgen er sich nicht bewusst gewesen sei. Berner hofft, durch Verwertung von Erfindungen wieder emporzukommen.

Über den Stand des Strafvollzuges und die Verhältnisse desGesuchstellers gibt die Oberzolldirektion eingehend Aufschluss.

Danach hatte Berner am 25. Oktober sechs Monate Umwandlungshaft hinter sich, d. h. es waren in jenem Zeitpunkt im Wege der Umwandlung die beiden grössten Bussenbeträge von Fr. 16,700 und 13,500 verbüsst. In ihrer Vernehmlassung vom 10. Oktober führt die Oberzolldirektion sodann aus, dass Berner für den Grossteil der obgenannten weitern Bussen mit fernem 6% Monaten Umwandlungshaft zu rechnen habe. Dem Gesuch um Zahlungsstundung und Bussenherabsetzung gegenüber wird beantragt, Berner bis Ende Jahres in Haft zu behalten, ihm dagegen die dann noch verbleibenden rund 4 Monate Umwandlungshaft gnadenhalber zu erlassen. Seinen Zahlungsversicherungen wird wenig Bedeutung zugemessen, hinwiederum erwogen, dass eine Umwandlungsstrafe von 12% Monaten eine grosse Härte bedeuten würde. Bei einer teilweisen Begnadigung

249 bleibe den ausgesprochenen Strafen ihre Wirkung gewahrt und werde zugleich die Schärfe der Umwandlungshaft gemildert.

Die Kriegsmaterialverwaltung verweist in ihrem Mitbericht vom 12. Oktober zunächst darauf, dass Berner mit seinen Machenschaften die fiskalischen Interessen des Bundes beträchtlich geschädigt und gleichzeitig eine Anzahl Leute zu den Gesetzesübertretungen verleitet habe. Im übrigen wird dem Antrag der Oberzolldirektion beigepflichtet; allenfalls sei der bedingte Erlass der Eeststrafe unter Auferlegung einer Probezeit angemessen.

Die Bundesanwaltschaft teilte den beteiligten Fiskalverwaltungen in ihrer Eigenschaft als Strafvollzugsbehörden in der Folge mit, dass sie ihren Erwägungen dem Grundsatze nach beistimmen könne.

Unserseits beantragen wir, Berner vom Tage .des Entscheides der Bundesversammlung an für den Best der Strafen bedingt zu begnadigen und ihm eine Probezeit von drei Jahren aufzuerlegen.

Die hohen Bussenbeträge sind auf die in der Tat auffällige Betriebsamkeit Berners zurückzuführen, der in dem einschlägigen Schmuggelunwesen eine führende Holle spielte und notwendigerweise zu scharfen Strafmassnahmen Anlass gab. Hinwiederum mag dem Gesuchsteller gegenüber berücksichtigt werden, dass die neuesten Strafentscheide vom 2. und 17. August 1923 Vergehen betreffen, die zeitlich weiter zurückliegen als ein Teil der mit den Entscheiden vom 27. Oktober 1922 und 10. Januar 1923 geahndeten Schmuggelhandlungen. Gnadenhalber kann mit andern Worten der Gesichtspunkt der Zusatzstrafe Verwendung finden und überdies, was bereits die Oberzolldirektion und die Kriegsmaterialverwaltung bemerken, noch in Betracht gezogen werden, dass Berner in Wirklichkeit schon seit Ende Januar dieses Jahres in Haft ist, indem er bis zum 25. April wegen Ausfuhrschmuggels in Konstanz im Gefängnis war.

87.

a. durch Strafentscheid der Kriegsmaterialverwaltung vom 27. Oktober 1922 gemeinsam mit andern zu Fr. 5400 Busse, 6. durch Strafentscheid des Zolldepartementes vom 10. Januar 1923 gemeinsam mit andern zu Fr. 1083. 25 Busse.

Für Oberholzer wird um teilweisen Erlass der Bussen ersucht.

Zunächst bezieht sich der Verfasser des Gesuches auf eine frühere Eingabe an die Zollverwaltung und macht ohne Begründung geltend, es liege eine strafrechtlich unzulässige Doppelbestrafung vor, indem nur eine Busse
hätte erkannt werden sollen. Weiterhin wird erklärt, Oberholzer wäre an sich bereit, die Bussen zu entrichten, jedoch falle es ihm ausserordentlich schwer, die ganze Summe auf-

250

zubringen. Er habe für Frau und zwei Kinder zu sorgen und befinde sich als Eeisender in abhängiger Stellung. Da die Geschäftslage und die Erwerbsmöglichkeit heute ungünstig seien, müsste unter dem Strafvollzug die ganze Familie leiden. Die Verfehlung Oberholzera sei nicht schwerer Art, auch sei Oberholzer gut beleumdet und ohn& Vorstrafen. In jedem andern Strafverfahren würde er als der Wohltat der bedingten Verurteilung würdig erklärt werden.

In den Akten befindet sich eine ausführliche Vernehmlassungder Zollkreisdirektion Schaffhausen, die auf Abweisung schliesst.

Die Oberzolldirektion beantragt ebenfalls Abweisung, da das Gesuch nicht genügend begründet sei. Einerseits hätten die Mitverurteilten an ihre Verpflichtungen im Wege von Teilzahlungen bzw. Umwandlungshaft erheblich abgetragen, anderseits ergebe sich weder aus den Strafakten noch den Gesuchsanbringen, dass sich Oberholzer in misslicher Lage befinde. Oberholzer wird an Bussen zirka Fr. 8250 begleichen müssen.

Wir beantragen im Anschluss an die Vorberichte Abweisung, weil Oberholzer aus reiner Gewinnsucht und nicht etwa in einer Notlage handelte und sein geriebenes Verhalten insbesondere auch im Laufe der Untersuchung eine besondere Bücksichtnahme keineswegs nahe legt.

88. und 89. A bestraft : a. beide durch Strafentscheid der Kriegsmaterialverwaltung vom 26. September 1922/2. Juni 1928 gemeinsam mit andern zu Fr. 9051. 08 Busse; b. beide durch Strafentscheid des Zolldepartementes vom 7. Oktober 1922/8. Juni 1923 gemeinsam mit andern zu Fr. 3181. 20 Busse; c. Seger überdies gesondert zu Fr. 420. 95 Pulverregalbusse und Fr. 142. 80 Zollbusse und dl. Blattner desgleichen zu Fr. 373.30 Pulverregalbusse und Fr. 34. 20 Zollbusse.

Die Strafentscheide betreffen einen komplottmässig betriebenen Munitionsschmuggel, wobei Seger im Einverständnis mit Blattner in Deutschland Munition erwarb, einschmuggeln und bei Blattner in Ermatingen unterbringen liess. Die unter c genannten Bussen ergingen, weil Seger ausserdem eine gewisse Menge Jagdmunition in fortgesetzter Weise persönlich eingeschmuggelt hatte; die unter d genannten Bussen, weil man bei Blattner ausser der den Strafentscheiden unter a zugrunde liegenden Munitionsmenge weitere Munition von frühern Schmuggelgängen her vorfand.

251 Sämtliche Munition, im. Werte von zirka Fr. 2600, ist beschlagnahmt worden.

Für Segef und Blattner wird um Erlass der Bussen ersucht.

Bei Seger, der Vater mehrerer Kinder sei und stets schwer gehabt habe, die Familie durchzubringen, liege die Veranlassung zu seiner Handlungsweise in den misslichen Verhältnissen. Die Bussenbeträge könne er nie bezahlen und laufe deshalb Gefahr, als fruchtlos gepfändeter Schuldner im Aktivbürgerrecht eingestellt zu werden.

Für Blattner wird zunächst behauptet, die Schmuggelware sei ohne sein Wissen bei ihm untergebracht worden, und weiterhin angebracht, er habe durch Bankverluste sein Vermögen eingebüsst, weshalb die Durchführung des Strafvollzuges dieselbe Lage herbeiführe wie bei Seger.

Aus dem eingehenden Bericht der Zollkreisdirektion Schaffhausen, auf den wir verweisen, entnehmen wir zunächst, dass entgegen den Gesuchsanbringen kein Grund besteht, an der Miturheberschaft Blattners zu zweifeln. Hinwiederum ergibt sich, dass sowohl Blattner wie Seger sich bis in die jüngste Zeit eines guten Leumundes erfreuten, ferner wird als zutreffend bezeichnet, dass die vollständige Durchführung des Strafvollzuges ohne Zweifel den Ruin der beiden Bestraften bedeuten würde. Von einem gänzlichen Brlass der Bussen könne allerdings nicht die Rede sein, dagegen lasse sich befürworten, die beiden aus der Solidarhaft für zwei weitere Beteiligte zu entlassen, so dass unter gegenseitiger solidarischer Haftbarkeit Seger noch Fr. 8704. 82 und Blattner Fr. 3548. 57 zu tilgen hätten, was von ihnen erhältlich erscheine.

Die Kriegsmaterialverwaltung spricht sich in ihrer Vernehmlassung ebenfalls gegen eine gänzliche Begnadigung aus, kann sich dagegen dem Antrag auf Entlassung aus der Solidarhaft für die zwei weiteren Mitbeteiligten anschliessen. Dasselbe ist von der Oberzolldirektion zu sagen.

Wir beantragen teilweise Begnadigung im Sinne der Vorberichte.

90.

27. Dezember 1922 mit Fr. 286. 65 gebüsst.

Vetterli erwarb zirka 2000 Stück Flobert- und Pistolenmunition, von der er wusste, dass sie geschmuggelt war.

Vetterli, der Fr. 79. 85 bezahlt hat, ersucht um Ermässigung der Busse, mit dem Hinweis auf seine häufige Arbeitslosigkeit und ein eingetretenes Leiden, das eine kostspielige Operation notwendig mache. Er sei kein schlechter Mensch, und man möge ihm die Schande

252

der Umwandlungsstrafe ersparen. Die Munition habe er unbedachterweise erworben, auch habe er nicht etwa Handel getrieben, sondern sie selbst verschossen.

Das Gesuch und frühere Eingaben an die Kriegsmaterialverwaltung veranlassen diese zu den Bemerkungen, dass sich Vetterli über seine Beziehungen zum Munitionsschmuggel und die Verwendung der Munition widerspreche und dass jedenfalls die erkannte Busse in keiner Weise als übersetzt erscheine. Hinwiederum treffe nach den Berichten des Gemeindeammannamtes Wagenhausen und der Zollverwaltung zu, dass Vetterli häufig arbeitslos sei. Im Hinblick hierauf und auf die in den verschiedenen Gesuchen zutage tretende Mentalität des Gesuchstellers, der als etwas verworrener Mensch erscheint, wird vorgeschlagen, ihm angesichts der geleisteten Teilzahlung die Busse um die Hälfte zu ermässigen, so dass er noch Fr. 68. 48 zu entrichten hätte.

Wir beantragen teilweise Begnadigung im eben genannten Umfang.

91.

92. Jo 93.

arlberg) .

(Einfuhrschmuggel.)

Eidgenössischen Zolldepartementes vom S.Februar 1922 in Anwendung des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 28. Juni 1898 nebst zudienenden ' Erlassen insgesamt mit Fr. 1273.20 Busse bestraft worden.

H Warenschmuggels derart schuldig gemacht, dass sie unter verschiedenen Malen Waren von Höchst über den Bodensee nach Staad brachten, wo sie von einem gewissen Obi in Empfang genommen wurden.

Von den drei Blum stellt der Vater für sich und seine Söhne das Gesuch, die nach geleisteten Teilzahlungen verbleibenden Eestbussen im Betrage von Fr. 733. 83 zu «stornieren». Hierzu wird angebracht, die Schmuggelhandlungen seien aus Not begangen worden.

Der Gesuchsteller habe mit dem Sohne Johann den Weltkrieg mitgemacht, sei seit 1918 häufig arbeitslos und mit einer elfköpfigen Familie auf den Verdienst eines Sohnes angewiesen. Man möge ihn,

253 der ohnehin verschuldet sei, mit seiner kinderreichen Familie nicht ganz dem Ruin ausliefern.

In den Akten befindet sich ein Polizeibericht, worin gestützt auf die ergangenen Erhebungen beantragt wird, die Hälfte der noch ausstehenden Bussen unter Fristansetzung zur Bezahlung der Bestsumme zu erlassen. Die Angehörigen der Familie Blum werden als an sich achtbare und arbeitsame Leute bezeichnet; die wirtschaftlichen Verhältnisse sind bescheiden.

Die Oberzolldirektion schreibt, nach Berichten der Grenzorgane seien die Gesuchsanbringen richtig. Obschon es sich um einen Komplottschmuggel handle, könne ein Entgegenkommen befürwortet werden, da die vorhandenen Teilzahlungen bereits erhebliche Leistungen darstellten und der Zahlungswille der Bestraften anzuerkennen sei. Ferner wird auf die Erledigung der Begnadigungssache Obi, des eingangs genannten Mitbeteiligten, verwiesen, dem die Restbusse von der Bundesversammlung in der Dezembersession 1922 um die Hälfte ermässigt worden ist.

Aus denselben Erwägungen b e a n t r a g e n wir mit der Oberzolldirektion, die Bussen bis zu Fr. 300 zu ermässigen, in der Meinung, die Anordnung massig gehaltener Teilzahlungen solle den Vollzugsbehörden anheimgestellt werden.

94.

95.

(Schiebereien mit Silbergeld und Banknoten.)

1922 vom Obergericht des Kantons Schaffhausen, in Bestätigung des vom Kantonsgericht am 25. April ergangenen Urteils, gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend das Verbot der Einfuhr silberner Fünffrankenstücke der lateinischen Münzunion vom 4. Oktober 1920, Lunke überdies in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend das Verbot der Ausfuhr schweizerischer Banknoten vom 31. Mai 1918 wie folgt verurteilt worden: Lunke zu 6 Wochen Gefängnis und Fr. 500 Busse, Muser zu 3 Wochen Gefängnis und Fr. 500 Busse.

von Mitbeteiligten in grösserem Umfang den Schmuggel von Silbergeld. Lunke war der eigentliche Organisator des Komplottes,, das in der Folge in 9 Fällen zur Überweisung an das urteilende Gericht und zu 7 Verurteilungen führte. Er gewann die Geldgeber, die das Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. III.

21

254

zum Ankauf von Silbergeld im Ausland benötigte Kapital beschafften, ermittelte die Person, die 'die Schmuggelgänge ausführte und sorgte für den Absatz des geschmuggelten Silbergeldes.

Muser, der sich nach gerichtlicher Peststellung intensiv betätigte, übernahm allerlei kleinere Dienste und Gänge für die Hauptbeteiligten; sein Gasthof war der Mittelpunkt der Schmugglergesellschaft.

Von den Verurteilten reichten ihrer drei Begnadigungsgesuche ein. Das eine, das den Erlass oder doch die Ermässigung der Freiheitsstrafe und Strafaufschub bezweckte, gab Anlass zu einem eingehenden Meinungsaustausch zwischen der Bundesanwaltschaft und der Polizeidirektion des Kantons Schaffhausen und wurde schliesslich zurückgezogen. Für Lunke und Muser, die die Gefängnisstrafen verbüsst haben, wird um Erlass der Bussen ersucht.

Lunke, der während der ersten Kriegsjahre in Singen gearbeitet habe, sei durch die Valutaverhältnisse gezwungen worden, seine Stelle aufzugeben. Aus Not habe er sich auf den Export- und Importhandel geworfen, wie er an der Grenze üblich gewesen sei.

Ein für erlaubt erachtetes Tabakgeschäft habe ihm in der Folge deutscherseits eine Verurteilung zugezogen. Mittellos geworden und wegen der Verurteilung ausserstande, als Kaufmann eine Stelle zu finden, habe er hierauf den Silberschmuggel bewerkstelligt. Während der langen Untersuchungs- und während der Strafhaft sei seineFamilie auf fremde Hilfe angewiesen gewesen. Jetzt habe er in Zürich eine neue Existenz gegründet, die Tilgung der Busse sei ihm aber rein unmöglich. Die unter diesen Umständen drohende Umwandlungsstrafe müsste seine Familie neuerdings ins Unglück bringen.

Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Gesuchsanbringen selbst und ferner auf ein Schreiben, worin ein Bruder Lunkes die Begnadigung befürwortet.

Für Muser wird ausgeführt, infolge seiner Verdienst- und Vermögenslosigkeit sei er zur Begleichung der Busse ausserstande.

Sein Hotelgewerbe habe er, um den Konkurs zu vermeiden, verkaufen müssen; die Familie sei aufgelöst. Heute werde Muser von einem Bruder erhalten, in dessen Wirtschaftsbetrieb er die Stelle einesHausburschen versehe. Er müsse bei dieser Sachlage mit 50 Tagen Umwandlungsstrafe rechnen, was für den 57jährigen, in seiner Gesundheit geschwächten Mann eine übermässige Härte bedeuten würde.

Im Falle Lunke
beantragen das Obergericht des Kantons Schaffhausen und die kantonale Polizeidirektion Abweisung. Zur Begründung dieses Standpunktes wird auf die Urteilserwägungen ver-

255 wiesen. In Sachen Muser belegt ein eingehender Polizeibericht die Tatsache, dass Muser heute ein gebrochener Mann ist; ohne die Unterstützung eines Bruders müsste er dem öffentlichen Armenwesen zur Last fallen.

Gestützt auf Akten und Vorberichte beantragen wir: Bei Lunke Abweisung; sein schlechter Leumund und die Schwere seiner Verfehlungen stehen einer Begnadigung entgegen, wozu noch kommt, dass er sich auch in neuester Zeit von verbotenen Geschäften nicht fernhält, wie seine Verwicklung in einem zurzeit bei den kantonalen Strafbehörden hängigen Fiskalstraffall dartut. Bei Muser mag angesichts der immerhin beträchtlich geringeren Betätigung, der verbüssten Freiheitsstrafe und seines heutigen, ausserordentlich misslichen Zustandes Gnade für Eecht ergehen, weshalb wir den Erlass der Busse beantragen können.

96. J Mettlen (Thurgau), 97.

98.

len), zurzeit im Ausland, 99.

stanz (Baden), 100.

(Baden), 101.

102.

103.

104.

gau), 105.

(Baden).

' (Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 12. April 1918 sind verurteilt worden: 96. J vom Kantonsgericht St. Gallen zu 4 Wochen Gefängnis, Fr. 800 Busse und Fr. 90. 45 Wertersatz.

Ein erstes Begnadigungsgesuch Eberhardts wurde von der Bundesversammlung in der Dezembersession 1922 antragsgemäss

256 abgewiesen. Wir verweisen für unsere damaligen Ausführungen auf das Bundesblatt 1922, III, 635, b, wo wir insbesondere betonten, dass Eberhardt sich seit der Schmuggelstrafe neuerdings drei Freiheitsstrafen zugezogen habe.

Eberhardt, der am 12. September 1923 zur Verbüssung einer Umwandlungsstrafe von 67 Tagen ins thurgauische Kantonalgefängnis abgeliefert wurde, wandte sich tags darauf mit einer Eingabe an den Bundespräsidenten, worin er neuerdings um Begnadigung ersuchte.

Die Organe der Zollverwaltung, insbesondere die Oberzolldirektion, äusserten sich einhellig in ablehnendem Sinne, und die Bundesanwaltschaft, welche die Vermittlung zwischen der eidgenössischen Begnadigungsinstanz und den Strafvollzugsbehörden besorgt, gelangte ihrerseits dazu, sich vom Standpunkte des Begnadigungsverfahrens gegen eine Unterbrechung des Strafvollzuges auszusprechen. In Übereinstimmung damit verfügte die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes am 28. September, es sei Eberhardt zur Kenntnis zu bringen, dass angesichts der Lage des Falles auf die Unterbrechung des Strafvollzuges nicht eingetreten werden könne. · Wir beantragen, von der Erledigung der Angelegenheit Kenntnis zu nehmen und auf das gegenstandslos gewordene Begnadigungsgesuch nicht einzutreten.

ö 97.

des Kantons Thurgau zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat und Fr. 2000 Busse.

Im Straffall Baggenbass und Mitbeteiligte betreffend Ausfuhrschmuggel, der die eidgenössischen Begnadigungsbehörden bereits beschäftigt hat (zu vgl. Bundesblatt 1920, V, 126, Anträge 115 bis 117), sagte der angeschuldigte und in der Folge verurteilte Franz Müller im Verhör vor der Zollbehörde aus, der heutige Gesuchsteller Weil habe ihn zum Ausschmuggeln von Uhren angestiftet. Sie hätten die Sache vor etwa drei Wochen besprochen; Weil habe damals Uhren nach Zeichnung bestellt und Müller daraufhin 29 Golduhren in Eeisegepäck versteckt nach Konstanz verschickt, wo Weil mit dem ihm übermittelten Gepäckschein sich das Gepäck und damit die Uhren beschafft habe.

Weil bestritt von jeher und bestreitet heute noch, sich irgendwie mit der Sache befasst zu haben. Müller seinerseits widerrief später wiederholt die gegen Weil erhobene Beschuldigung.

In der Folge wurde Weil zunächst vom Bezirksgericht Kreuzungen und dann auch vom Obergericht'des Kantons Thurgau verur-

257 teilt. Die erstmalige Aufhebung einer erstinstanzlichen Verurteilung durch die* Appellationsbehörde erfolgte lediglich aus dem formellen Grunde nicht richtig ergangener Ladung. Vorgängig dem heute zur Erörterung stehenden Rekursentscheid vom 23. Juni 1921 verfügte das Obergericht die erneute Abhörung Müllers und Weils.

Sowohl die erst- wie die oberinstanzliche Verurteilung Weils beruhen auf der Führung eines Indizienbeweises. Zusammenfassend ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, dass Weil als Berufsschmüggler eingeschätzt wird, der zu jener Gattung Leute gehörte, die im Ausland stets bereitstanden, um aus der Schweiz geschmuggelte Waren in Empfang zu nehmen; die den Weil belastenden Aussagen Müllers, eines im übrigen höchst fragwürdigen und schlecht beleumdeten Spekulanten, finden deshalb Verwertung, weil sie vor der Zollbehörde spontan erfolgten und ihr Widerruf auf das Eingreifen eines Konstanzer Eechtsagenten zurückgeführt wird, der den Gerichtsbehörden in der Beschaffung von Entlastungsbeweisen als Person ohne jede Gewissenhaftigkeit bekannt ist. Als Indizium wird ferner das Verhalten Weils herangezogen, der sich weder je den Untersuchungsbehörden noch den Gerichten gestellt habe, was dem schlechten Gewissen zuzuschreiben sei.

In gleichzeitigen Eingaben an den Bundesrat und die Oberzolldirektion wird für Weil das Gesuch gestellt, die Aufhebung der Verurteilung oder seine Begnadigung zu veranlassen. Hierzu wird neuerdings in ausführlicher Weise die Schuldlosigkeit Weils geltend gemacht und auf das Verhalten Müllers, bzw. die Vorgänge hinsichtlich des Widerrufs der ursprünglich belastenden Aussagen, näher eingetreten. Ferner wird geschrieben, bei den heutigen Verkehrsverhältnissen könne Weil die Geldbusse unmöglich aufbringen und schliesslich beigefügt, die Anverwandten Weils befänden sich alle in der Schweiz, und zwar als deren Bürger, auch hätten seine Vorfahren und der heutige Gesuchsteller selbst von jeher nur mit Schweizer Kaufleuten Handel getrieben.

Das Polizeidepartement des Kantons Thurgau beantragt demgegenüber, das Gesuch abzuweisen, und die Eidgenössische Oberzolldirektion spricht sich ebenso für Abweisung aus, wobei bemerkt wird, dass es nicht Sache des Begnadigungsverfahrens sein könne, ein Gerichtsurteil auf seine materielle Richtigkeit hin zu überprüfen.

Ferner sei
Weil sicherlich in der Lage gewesen, die Busse seinerzeit zu begleichen.

Unserseits bemerken wir zunächst, dass die eidgenössischen Begnadigungsbehörden in den letzten Jahren wiederholt zu erörtern hatten, inwieweit im Begnadigungswege zu Beweisfragen hinsichtlich

258

der Urheberschaft, der Schuldfrage oder des objektiven Straftatbestandes Stellung zu nehmen sei. Der Bundesrat vertrat hierbei regelmässig den Standpunkt, das Begnadigungsverfahren biete dem Grundsatze nach keine sichere Gewähr, über Beweiswürdigungsfragen zutreffender zu entscheiden, als dies in dem vermeintlich rechtsirrtümlichen Gerichtsurteil geschehen sei. Die in derartigen Fällen entsprechend der Natur des Begnadigungsverfahrens notwendigerweise geübte Zurückhaltung wäre demnach nur aufzugeben, wenn sich dies ausnahmsweise geradezu aufdrängt, wie bei grober Unrichtigkeit, unzweifelhaftem Irrtum oder Willkürlichkeit. Hinwiederum ist dem beizufügen, dass die Begnadigungsbehörde in einschlägigen Fällen mitunter in einem weitergehenden Umfange geneigt erscheint, zugunsten des Gesuchstellers zu entscheiden.

Jedoch erfolgt dies jeweils nicht mehr deshalb, weil die Art der gerichtlichen Beweisführung abgelehnt wird, sondern lediglich in Bejahung der Frage, ob der an sich begreifliche und verständliche Gerichtsentscheid nicht aus Billikeitserwägungen Anlass gebe, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Wir denken hier beispielsweise an Gesuchsteller (zu vgl. Bundesblatt 1921, V, 66 und dortige Hinweise), deren Begnadigung einem vielleicht doch nicht ganz befriedigenden Strafverfahren die möglicherweise vorhandene Härte nehmen wollte.

Was nun die heute zur Behandlung stehende Begnadigungssache Weil anbetrifft, so halten wir dafür, dass sie bei näherem Zusehen der Erledigung keine besondern Schwierigkeiten bereiten könne.

Wir erachten es nämlich nicht für notwendig, der Frage näher zu treten, ob in casu der Indizienbeweis richtig geführt worden sei oder nicht. Einmal ist darauf zu verweisen, dass das Obergericht des Kantons Thurgau feststellt, Weil habe sich jeweils mit allen erdenklichen Ausflüchten den Vorladungen zu entziehen versucht und sich weder je den Untersuchungsbehörden noch dem Gerichte gestellt.

Weil macht allerdings geltend, am 26. Januar 1921, d. h. am Urteilstermin, freiwillig vor dem Bezirksgericht Kreuzungen erschienen zu sein; der damals ergangene Entscheid besagt hierüber, dass er sich nie zu einem Verhör eingefunden habe, und jedenfalls hat er sich vor der kantonalen Appellationsinstanz beide Male nicht eingefunden.

Die Begnadigungsbehörde muss es unseres Erachtens unter diesen
Umständen von vornherein ablehnen, einem Gesuchsteller Gehör zu schenken, der sich den Straf behörden gegenüber in derart auffälliger und zu missbilligender Weise benommen hat. Hinzu kommt erst noch, dass Weil auch in anderer Beziehung als einer Begnadigung wenig würdig zu bezeichnen ist; ausser zwei Vorstrafen wegen Ausfuhrschmuggels belastet ihn eine Verurteilung durch das Bundes-

259

Strafgericht vom 11. April 1918, die verbotenen Nachrichtendienst betrifft und auf 5 Monate Gefängnis, Fr. 250 Busse und 2 Jahre Landesverweisung lautet.

Bei dieser Sachlage beantragen wir ohne weiteres Abweisung.

Flucht ins Ausland entzog, wird das Gesuch gestellt, die 4 Wochen Gefängnis und die noch ausstehenden Bussenbeträge, bzw. die an ihre Stelle getretenen Umwandlungsstrafen gänzlich oder doch bedingt zu erlassen, oder schliesslich die 4 Wochen Gefängnis gänzlich und die Bussen, unter Aufhebung der angeordneten Umwandlung, teilweise zu erlassen.

Hierzu wird angebracht, Osterwalder sei damals ein Opfer der kriegszeitlichen Erscheinungen gewesen. Er komme nicht in Betracht als gewohnheitsmässiger Spekulant, sondern als verführter Jugendlicher, der sich unter dem Einfluss seiner Umgebung und der Verhältnisse in den Grenzgegenden zu vereinzelten strafbaren Handlungen habe hinreissen lassen. Der Verfasser des Gesuches will die in Betracht kommenden Machenschaften nicht beschönigen, erachtet sie jedoch als mit den eingetretenen Folgen genügend gesühnt. Zunächst seien an die Busse vom 2. April 1919 Fr. 330 bezahlt, so dass noch Fr. 870 verbleiben; von der Busse vom 14. Dezember 1920 seien nur noch Fr. 179. 80 ausstehend. Ferner irre Osterwalder seit langer Zeit in der Welt herum, und es treffe ihn schwer, dass er infolge der vorhandenen Freiheitsstrafen der Heimat und den Angehörigen fern bleiben müsse. Deshalb ersuche er in erster Linie um ganzen oder doch bedingten Erlass der vier Wochen Gefängnis und der Umwandlungsstrafen, womit allenfalls die Weisung verbunden werden könnte, einen Teil der Bussen, vielleicht Fr. 300--400, in Baten noch zu entrichten. Zurzeit habe er ein Einkommen in deutscher Währung, was Zahlungen begreiflicherweise ausschliesse.

Das Bezirksgericht Zurzach beantragt im Hinblick darauf, dass Osterwalder rückfällig geworden ist, Abweisung. In den Akten befinden sich ausserdem mehrere Vernehmlassungen von Zollbehörden, auf die wir verweisen.

Unserseits beantragen wir mit der Eidgenössischen Oberzolldirektion, das Gesuch im heutigen Zeitpunkt abzuweisen. Es steht

260 fest, dass sich Osterwalder seinerzeit um die gegen ihn anhängig gemachten Strafverfahren wenig kümmerte und schliesslich die Flucht ins Ausland vorzog. In derartigen Fällen haben wir regelmässig Abweisung beantragt, in der Meinung, ein Verurteilter solle sich zunächst den Strafvollzugsbehörden stellen. Dies ist auch im Falle Osterwalder angemessen, insbesondere wenn beachtet wird, dass er aus freien Stücken an die Bussentilgung nichts beigetragen hat. Die verrechneten Teilbeträge ergeben sich aus der Verwendung verfallener Hinterlagen.

99.

Obergericht des Kantons Thurgau zu 3 Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse und 3 Jahren Landesverweisung.

Anna Zimmermann gab sich in den Jahren 1917 und 1918 in fortgesetzter Weise mit dem Ausfuhrschmuggel ab.

Frau Zimmermann, geb. Toggenburger, eine gebürtige Schweizerin, die durch inzwischen wegen eigenen Verschuldens geschiedene Ehe Badenserin geworden ist, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe.

Dem Strafvollzug habe sie sich seinerzeit durch Flucht entzogen, um ihre damals noch in der Lehre stehenden beiden Söhne nicht ratlos und ohne Mittel im Stiche zu lassen. Seit der im Jahre 1920 eingetretenen Ehescheidung stehe sie allein da; ihre Angehörigen seien sämtliche in der Schweiz und man möge ihr nunmehr die Bückkehr in das Heimatland ebenfalls ermöglichen. Die Busse werde sie dann ratenweise begleichen.

Die Oberzolldirektion hält dafür, abgesehen davon, dass gegenüber flüchtig gewordenen Verurteilten eine Begnadigung grundsätzlich nicht stattfinden sollte, liege im vorliegenden Falle auch nicht ein Grund vor, der Gesuchstellerin zu entsprechen.

Unter Hinweis auf die Vernehmlassungen der Zollbehörden beantragen wir ebenso Abweisung. Es handelt sich um eine notorische Schmugglerin aus den Kriegsjahren, die infolge ihrer Machenschaften um ihren guten Euf gekommen ist und als einer Begnadigung wenig würdig bezeichnet werden muss. Wie bei Osterwalder steht nach ständiger Übung der Begnadigungsbehörde einem Erlass der Strafen auch hier die Flucht von vornherein entgegen ; die Gesuchstellerin mag die im Jahre 1924 eintretende Verjährung der Strafvollstreckung abwarten.

100. M genössischen Oberzolldirektion vom 16. August 1918 mit Fr. 2000 gebüsst.

M und Pfeffer im Werte von zirka Fr. 17,000 ausschmuggeln.

261 Frau Kaufmann stellt das Gesuch um Ermässigung der Busse.

Infolge unheilbarer Geisteskrankheit ihres Mannes und eingetretener Vermögenslosigkeit sei sie darauf angewiesen, mit Nähen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da sie ihre alte Mutter und ein kleines Kind erhalten müsse, komme sie nirgends hin und gehe deshalb darauf aus, in der Schweiz eine Anstellung zu finden. Man möge die seinerzeitige Verwertung einer ihr zugestandenen Forderung in Betracht ziehen und ihr weiterhin zugute halten, dass sie in einem Schmuggelstraffall, der zu einer grössern Busse führte, zur Aufklärung beigetragen habe.

Aus den Berichten der Zollbehörden, auf die wir Bezug nehmen, geht zunächst hervor, dass die Schilderung der persönlichen Verhältnisse zutreffen dürfte. Im übrigen wird insbesondere die bedeutende Tätigkeit der Gesuchstellerin in dem in Betracht kommenden Schmuggelfall hervorgehoben und dann namentlich deshalb Abweisung beantragt, weil kein Grund bestehe, zweifelhaften Elementen von der Art der Gesuchstellerin das Wiederbetreten der Schweiz zu ermöglichen. Von der Busse sind noch Fr. 1900 ausstehend, die am 12. August 1919 in Freiheitsstrafe umgewandelt wurden; die Gesuchstellerin hätte demnach heute 3 Monate Gefängnis zu verbüssen.

Aus den von den Zollbehörden geltend gemachten Erwägungen beantragen wir ebenso Abweisung und verweisen hierbei auf die im nächsten Jahre eintretende Verjährung der Strafvollstreckung.

101. Jo vom Obergericht des Kantons Thurgau zu einer Woche Gefängnis und Fr. 500 Busse.

Baumgartner war im Jahre 1918 in einem Fall von Ausfuhrschmuggel Vermittler von Schmuggelware.

Baumgartner, der die Gefängnisstrafe verbüsst und ratenweise Fr. 300 abbezahlt hat, ersucht unter Hinweis auf die Begnadigungsßraxis der Bundesversammlung in einschlägigen Straffällen um Erlass der Eestbusse. Zu den damaligen Machenschaften habe ihn die Not und die Sorge für die Familie getrieben. Auch heute sei er in ärmlichen Verhältnissen; die Teilzahlungen habe er nur unter grossen Anstrengungen und Entbehrungen aufgebracht.

Die Zollbehörden beantragen, dem Gesuchsteller im Hinblick auf die verbüsste Gefängnisstrafe, den an den Tag gelegten ZahluogswilJen und die nachweislich vorhandenen schlechten Verdienstverhältnisse zu entsprechen.

Wir beantragen ebenso den Erlass der Eestbusse.

262

102. und 103.

1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau, jene zu 6 Monaten Gefängnis, abzüglich der Haft vom 2. August bis 22. September 1918, und Fr. 2000 Busse, dieser zu l Jahr Gefängnis, abzüglich der Haft vom 2. August bis 3. Dezember 1918, und Fr. 3000 Busse.

Die Eheleute Komplott mit andern dem Ausfuhrschmuggel ob; der in Betracht kommende Schmuggelfall, über den wir, drei Gesuchstellerinnen betreffend, bereits im Jahre 1920 berichtet haben, erregte im Zeitpunkte seiner Entdeckung einiges Aufsehen. Es handelt sich um die Herstellung und Benutzung eines unterirdischen Schmuggelganges zwischen Häusern an der Grenzstrasse in Kreuzungen und der Schwedenschanz jenseits der Landesgrenze. Von der Familie Führer betätigte sich ausser den stark beteiligten Eheleuten auch einer der Söhne.

Die Eheleute strafen durch die Flucht entzogen; die Bussen und Kosten sind laut Mitteilung der Zollbehörden beglichen, indem hierzu ein seinerzeit von Frau Mit Schreiben vom 9. Oktober 1923 gelangt ein Bruder der Frau Führer an die Bundesbehörden mit dem Ersuchen, seine Schwester zu begnadigen. Die Eheleute Führer seien nach ihrer Flucht ins Ausland in Armut und Elend geraten. J Halt verloren und die Frau, nach gröbster Behandlung, buchstäblich dem Schicksal überlassen. Sie habe sich in der Folge von ihrem Manne getrennt und in Mannheim niedergelassen, sei aber auch dort der Not anheimgefallen. Von ihren drei Söhnen vernachlässigt, im Ausland im Elend, habe die schwergeprüfte Frau nur einen Wunsch, in ihre Heimat zurückkehren zu können.

F ihr Schreiben, worin sie gleichzeitig auch für den von ihr getrenntlebenden Ehemann um Erlass der Freiheitsstrafe ersucht, verschafft den Eindruck, dass die Gesuchstellerin sich in einer geradezu erbärmlichen Lage befindet.

Angesichts des in den beiden Eingaben behaupteten kläglichen Zustandes der trotzdem sie sich bis heute dem Strafvollzug entzogen hat, Strafaufschub zu gewähren sei, um ihr die unbeschwerte Betretung unseres Landes zu ermöglichen. Dem Ehemanne gegenüber, der im Straffall erheblicher belastet ist, selbst nicht um Begnadigung nachsucht und dessen Begnadigung kaum angezeigt wäre, erhob sich die Frage von vornherein nicht. Aus grundsätzlichen Erwägungen wurde jedoch

263

von der Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes daran festgehalten, dass sich Frau Führer zunächst freiwillig zum Strafantritt zu stellen habe, und im übrigen sofortige Prüfung der Angelegenheit in Aussicht genommen. Im Zeitpunkt unserer Berichterstattung ist die Angelegenheit in der Schwebe; sollte sich dass eine weitgehende Ermässigung der Freiheitsstrafe, d. h. etwa bis zu zwei Monaten, beantragt werden kann. Für einen Gnadenakt spricht sich insbesondere auch die Oberzolldirektion aus, auf deren Vèrnehmlassung und beigelegten Berichte wir Bezug nehmen.

Zurzeit beantragen wir in beiden Fällen Abweisung; neu eintretende Umstände werden wir berücksichtigen und in zweckdienlicher Weise zu Ihrer Kenntnis bringen. Schliesslich bemerken wir noch, dass der Bruder der Gesuchstellerin am 26. Oktober von der Auffassung der Strafvollzugsbehörden verständigt worden ist.

104.

Gefängnis und Fr. 500 Busse, sowie Einstellung im Aktivbürgerrecht für zwei Jahre, am 6. Mai 1919 zu 4 Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse und Einstellung im Aktivbürgerrecht für weitere 2 Jahre, beidemal vom Bezirksgericht Diessenhofèn.

schäftigt; wir verweisen auf unsere eingehenden Berichte vom 2. Dezember 1919, Antrag 88, und vom 29. Oktober 1920, Antrag 40, Bundesblatt 1919, V, 705, und 1920, IV, 499. Die Bundesversammlung hat Itel nach Verbüssung der Gefängnisstrafe von 3 Monaten in der Februarsession 1920 mit Bezug auf die zweite Gefängnisstrafe von 4 Monaten bedingt begnadigt unter Auferlegung einer Bewährungszeit von 2 Jahren. Das spätere Gesuch, die Begnadigung auf die Verpflichtungen an Bussen, Wertersatz und Solidarhaft auszudehnen, führte in der Dezembersession 1920 antragsgemäss zur Eückweisung des Gesuches an den Bundesrat zwecks erneuter Vorlage zu gegebener Zeit.

Heute wird für des Strafvollzuges hat sich seit der Dezembersession 1920 lediglich darin geändert, dass Itel kurz vor der Einreichung des jetzigen Gesuches eine Teilzahlung von Fr. 100 leistete. Er schuldet nach Verrechnung einer Kaution von Fr. 500 und der Teilzahlung von Fr. 100 heute an Bussen noch Fr. 1900 und weitere Fr. 327. 85 aus Solidarhaft, Wertersatz- und Kostenpflicht. Das Gesuch um Erlass der Bestbusse wird damit begründet, dass Itel als Maurermeister mit geringer Verdienstmöglichkeit und schweren Familienlasten, wozu noch das Missgeschick des Brandes einer neu errichteten Scheune

264

komme, ausserstande sei, seine Verpflichtungen zu tilgen. Die drohende Umwandlungshaft werde die Familie der öffentlichen Fürsorge aufbürden. Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Eingabe selbst.

Die Oberzolldirektion beantragt in längerer Stellungnahme, Itel für den Best der Verpflichtungen nunmehr gänzlich zu begnadigen.

Auch unserseits erachten wir im heutigen Zeitpunkt weitgehendes Entgegenkommen als zulässig. Immerhin befürworten wir nicht den gänzlichen Erlass, sondern b e a n t r a g e n Ermässigung der Eestbeträge bis auf Fr. 400; danach hätte gesamt auferlegten Summen von zirka Fr. 2800 in Wirklichkeit Fr. 1000 getilgt. Die Stellungnahme zu dem heutigen Gesuch hängt unseres Erachtens lediglich davon ab, wie man die wirtschaftlichen Verhältnisse Itels einschätzt; von den verschiedenen amtlichen Stellungnahmen halten wir diejenige für zutreffend, die dahingeht, Itel müsse in Wirklichkeit doch über Mittel verfügen. Der Bau eines Wohnhauses und einer Scheune in letzter Zeit wird zwar in den Gesuchsanbringen damit begründet, dass Itel mit Hilfe von Verwandten und unter Inanspruchnahme staatlicher Subventionen gebaut habe; letzten Endes, "mag dies gänzlich zutreffen oder nicht, ist aber für die Gesuchserledigung ausschlaggebend, dass auch mit einer Entsprechung in unserem Sinne der Gesuchsteller in weitgehender Weise begnadigt wird. Die Geschichte der drei von Itel eingelegten Begnadigungsgesuche bildet hierfür einen sprechenden Beweis.

105.

direktion vom 28. Juni 1920 mit Fr. 2000 gebüsst unter solidarischer Haftbarkeit für Wertersatzanteile bis zu Fr. 5500.

licher Weise an komplottmässigem Ausfuhrschmuggel beteiligt.

Er ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der Strafe bis zu einem Betrag, der ihm Tilgung in Eatenzahlungen ermögliche.

Hierzu wird insbesondere auf den eingetretenen Marksturz, den daherigen schlechten Geschäftsgang und grössere, innerhalb der Familie notwendig gewordene Aufwendungen Bezug genommen.

Die Zolldirektion Schaffhausen beantragt in eingehender Vernehmlassung Abweisung, ebenso die Oberzolldirektion.

Da sich aus dem Bericht der Zollverwaltung ergibt, dass wegen Ausfuhrschmuggels zweimal vorbestraft ist, wobei er es in diesen Fällen zur Verjährung der Strafvollstreckung kommen Hess, ohne an die Strafen irgendeine Teilzahlung zu leisten, und die über Winkler eingeholten Auskünfte zu einem besondern Entgegenkommen

265 nicht Anlass geben, beantragen wir ebenfalls, das Gesuch abzuweisen. Winkler soll zunächst im Wege von Teilzahlungen, die ihm zugegébenermassen möglich sind, seinen guten Willen an den Tag legen.

106.

·(Lebensmittelpolizei.)

des Obergerichts des Kantons Bern gestützt auf die Art. 36 und 37 des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 und eine der zudienenden Verordnungen zu 3 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Die ihm erstinstanzlich ausserdem auferlegte Busse von Fr. 300 wurde nicht aufrecht erhalten, weil Ledermann durch die Angelegenheit, insbesondere an bezahlten Entschädigungen, bereits erhebliche Einbussen erlitten habe.

Ledermann hat in der Zeit vom 8. bis 20. Januar 1922 die der Käsereigenossenschait Uetendorf gelieferte Milch wiederholt mit Wasser vermischt.

Für Ledermann wird um Erlass der Gefängnisstrafe nachgesucht mit dem Hinweis, die bernische Eekursinstanz hätte ihm zweifellos den bedingten Straferlass gewährt, wenn dies rechtlich möglieh gewesen wäre, auch sei der Verurteilte von Gerichtsmitgliedern auf den Begnadigungsweg verwiesen worden. Ledermann sei bis dahin unbescholten gewesen und weise insbesondere keine Vorstrafe auf.

Der Gemeinderat von Uetendorf bemerkt, in der Gemeinde gebe Ledermann zu keinen Klagen Anlass ; jedoch seien seit seiner Aburteilung gegen ihn neuerdings Strafanzeigen erfolgt.

Der Regierungsstatthalter von Thun nimmt Bezug auf zwei neuere Verurteilungen Ledermanns, wovon die erste vom 24. Februar 1923 wegen Verfälschung eines Gesundheitsscheines und Verwendung desselben auf 8 Tage Gefängnis und Fr. 50 Busse, die zweite vom 8. September 1923 auf Fr. 20 Busse lautet.

Die Direktionen des Innern und der Polizei des Kantons Bern beantragen aus den bereits in unsern Anträgen 7--10 des I. Berichtes vom 2. November 1923 mitgeteilten grundsätzlichen Erwägungen Abweisung.

Wir beantragen ebenso Abweisung. Zunächst handelt es sich, wie die erst- und oberinstanzlichen Urteilsmotive ergeben, um schwere Verfehlungen; die in den eben genannten Anträgen 7--10

266

des I. Berichtes geltend gemachten Gesichtspunkte treffen deshalb auch hier zu. Ferner erweisen die neuerdings notwendig gewordenen Bestrafungen Ledermanns unzweideutig, dass die Gewährung der bedingten Begnadigung hier keineswegs am Platze wäre.

107.

(Bewirkung eines unrichtigen Ursprungszeugnisses und Verwendung desselben.)

in Anwendung des Bundesratsbeschlusses über Ursprungsausweise vom 30. August 1918 zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse verurteilt worden.

Streuli hat als Materialverwalter der Ventilator A.-G. in Stäfa zuhanden der Zürcher Handelskammer, zwecks Erlangung eines Ursprungszeugnisses, ein Formular Fabrikationserklärung ausgefüllt und von den Firmaleitern unterschreiben lassen, worin für die aufgeführten Waren (biegsame Metallrohre) die schweizerische Herkunft bezeugt wurde. In Wirklichkeit handelte es sich um deutsche Ware, welche die Firma mit dem in der Folge von der Handelskammer ausgestellten Ursprungszeugnis nach Frankreich einzuführen versuchte; die Sendung, die aus Stuttgart stammte und von Schaffhausen her mit Zollgeleitschein zur Ausfuhr nach Basel gelangte, wurde vom schweizerischen Hauptzollamt näher untersucht, was dann die Entdeckung der missbräuchlichen Machenschaften nach sich zog. Das Strafverfahren wurde ursprünglich auch gegen dio Leiter der Ventilator A.-G. geführt, jedoch diesen gegenüber wegen Fehlens der rechtswidrigen Absicht eingestellt. Sie machten geltend, die ihnen von Streuli vorgelegte Fabrikationserklärung, wie so viele andere, unterschrieben zu haben, ohne deren Inhalt nachzuprüfen. Die Verurteilung Streuiis erfolgte in Anwendung von Art. 28, Absatz l, des Bundesratsbeschlusses, wonach mit Zuchthaus und Busse oder mit Gefängnis und Busse bestraft wird, wer durch Täuschung bewirkt, dass das Organ einer zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen befugten Stelle in dem Zeugnis eine rechtliche Tatsache unrichtig beurkundet, und von Art. 26, Absatz l, wonach bestraft wird, wer ein unrichtiges Ursprungszeugnis zur Täuschung gebraucht. Gemäss Art. 20 ist die kürzeste Dauer der Gefängnisstrafe acht Tage. Zum Strafmass äusserte sich das urteilende Gericht wie folgt: «Da es sich um ein leichtes Vergehen handelt, rechtfertigt es sich, auf das Minimum der gesetzlich zulässigen Strafe, nämlich acht Tage Gefängnis und

267 Fr. 100 Busse, zu erkennen. Es erscheint zudem dieses Strafminimum in keinem Verhältnis zu dem geringfügigen Delikt des heute 32jährigen, unbescholtenen Angeklagten zu stehen. Für den Bichter besteht nur die Möglichkeit, den Angeklagten auf den Weg des Begnadigungsgesuches zu verweisen, da er an den gesetzlichen Strafrahmen gebunden ist.» Für Streuli, der .die Busse bezahlt hat, wird um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht. Die längere Eingabe, auf die wir verweisen, macht insbesondere folgende Gesichtspunkte geltend: Streuli, der einen unbescholtenen Leumund gemesse und von seinen Arbeitgebern sehr günstig beurteilt werde, habe in der Sache lediglich aus Geschäftsinteresse gehandelt und irgendwelche persönliche Vorteile nicht verfolgt. Er habe im Grunde genommen nichts anderes bezweckt als eine. Umgehung der französischen Zollgesetzgebung, die für Schweizerware einen niedrigem Zollansatz habe als für die entsprechende deutsche Ware. Der Ausspruch einer Gefängnisstrafe sei bei den vorhandenen persönlichen und sachlichen Verumständungen eine Härte ; sowohl die Bezirksanwaltschaft in ihrem Antrag, wie das urteilende Gericht seien an die Mindeststrafe gebunden gewesen. Die Härte liege in den Strafandrohungen des Bundesratsbeschlusses über Ursprungsausweise, die in den Jahren der Kriegswirtschaft allenfalls berechtigt gewesen, jedoch heute von den Zeitereignissen überholt seien. Als unbescholtener, nicht vorbestrafter Familienvater rechne der Verurteilte bestimmt auf Begnadigung.

In den Akten befindet sich eine Empfehlung des Gesuchstellers durch die Ventilator A.-G., nebst der Erklärung, die Firma verpflichte sich, nach ausgesprochener Begnadigung Fr. 150 für einen wohltätigen, vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zu bestimmenden Zweck zu leisten, was vom Verfasser des Gesuches als Sühnopfer bezeichnet wird. Dem über Streuli eingeholten Polizeibericht entnehmen wir, dass der seit 1914 verheiratete Gesuchsteller Vater dreier Kinder ist und einen durchaus guten Leumund geniesst ; er gehört in Stäfa dem Vorstand der Methodistengemeinde an.

Zu dem Gesuch nehmen Stellung die Zürcher Handelskammer, der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie Vereins, die Zürcher Staatsanwaltschaft, die Direktion der Justiz des Kantons Zürich und die Handelsabteilung des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Zürcher Handelskammer den vorliegenden Straffall als sprechendes Beispiel für die Unzweckmässigkeit der einschlägigen Strafbestimmungen erachtet. Verfehlungen auf dem Gebiete des Zeugniswesens seien in die Kategorie der

268

Fiskalvergehen einzureihen und mit Geldstrafen zu ahnden. Diese Auffassung habe die Handelskammer nach Kriegsschluss veranlagst, auf rasche Eevision des Ursprungszeugniswesens zu drängen. Es erscheine als durchaus unbillig, dass der Materialverwalter der Ventilator A.-G., der nicht einmal die Prokura besitze und die inhaltlich unwahren Dokumente nicht unterschrieben habe, einzig zu büssen habe. Die Gefängnisstrafe sollte ihm erspart werden ; bei der heutigen Sachlage müsse die Tatsache der einzig verbleibenden und durchaus ungenügenden Busse von bloss Fr. 100 in den Kauf genommen werden.

Der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins äussert sich in ausführlicher Vernehmlassung in ähnlicher Weise.

Die Freiheitsstrafe wird als ausserordentlich hart bezeichnet. Es wird bedauert, dass das urteilende Gericht den von der Bezirksanwaltschaft, neben der Freiheitsstrafe, gestellten Antrag auf Fr. 500 Busse nicht übernommen habe ; denn diesfalls wäre die Begnadigung wesentlich leichter zu empfehlen. Dass die Busse von Fr, 100, für sich betrachtet, überhaupt keine Strafe wäre, indem die Firma diesen Betrag ohne weiteres auf sich nehmen würde, wird ebenfalls festgestellt. Die Vernehmlassung des Vorortes geht schliesslich dahin, bei einer Würdigung des Falles nach seiner rein rechtlichen Seite falle es nicht leicht, die Begnadigung zu beantragen, anderseits könnten die subjektiven Verumständungen des Falles doch nicht ganz ausser acht gelassen werden: als Begnadigungsgrund massgebend sei die noch nicht zur Wirkung gelangte, aber in Angriff genommene Eevision des in den Strafandrohungen als mangelhaft empfundenen geltenden Eechts. Da unter einem revidierten Eecht hier von einer Freiheitsstrafe kaum die Eede sein könnte, würde die in Würdigung der subjektiven Verhältnisse des Falles eintretende Begnadigung für die weitere Befolgung der massgebenden Vorschriften keine Gefahr bilden.

Den eingehenden Ausführungen des I. Staatsanwaltes des Kantons Zürich entnehmen wir zunächst den Hinweis, Streuli habe sich vielleicht über die Tragweite seines Tuns nicht genügend Eechenschaft abgelegt; es sei kaum anzunehmen, dass er bei Vergegenwärtigung der einschlägigen Strafandrohungen sich lediglich aus Geschäftsinteresse der Gefahr einer Freiheitsstrafe ausgesetzt hätte. Sein Vorgehen trage eher den Charakter
einer unüberlegten Tat als einer absichtlichen Zuwiderhandlung gegen den Bundesratsbeschluss. Auf Grund dieser und einer Eeihe anderer Erwägungen wird der gänzliche Erlass der Freiheitsstrafe unter entsprechender Erhöhung der Busse oder aber der bedingte Erlass beantragt.

269 Die kantonale Direktion der Justiz beantragt den bedingten Erlass der Freiheitsstrafe und Auferlegung einer fünfjährigen Probezeit, unter Belassung der Busse.

Die Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes kann einem Gnadenakt nur zustimmen unter der Voraussetzung wesentlicher Erhöhung der Busse; eine Gesamt busse in der Höhe von etwa Fr. 1000 sei durchaus angemessen. Hierzu wird geschrieben: «Strenge Strafbestimmungen wurden seinerzeit als eine unerlässliche Garantie für die Zuverlässigkeit der schweizerischen Ursprungszeugnisse angesehen. Auf diesem Boden muss man auch heute noch stehen, da nach wie vor der reelle schweizerische Export das grossie Interesse daran hat, dass den betrügerischen Handlungen auf dem Gebiete des Ursprungszeugniswesens unnachsichtlich entgegengetreten wird. Wenn fremde Waren missbräuchlich als schweizerische deklariert werden, so wird einerseits unsere Exportindustrie in ihrem Absatz geschädigt und anderseits das Vertrauen der ausländischen Zollbehörden in unsere Zeugnisse untergraben. In einem Falle vorsätzlichen Betruges, wie der vorliegende, darf daher nicht vor der Anwendung des Gesetzes zurückgeschreckt werden.» Ferner wird zutreffend darauf hingewiesen, dass trotz der vorliegenden Realkonkurrenz zweier Delikte (Veranlassung zur Ausstellung eines falschen Ursprungszeugnisses und Verwendung dieses Zeugnisses) auf das Minimum der gesetzlichen Strafe erkannt worden sei.

Unserseits erachten wir folgende Erwägungen als für die Begnadigungsbehörde ausschlaggebend: Zunächst ist nicht zu verkennen, dass es sich bei Streuli um ein missbräuchliches Verhalten handelt, das mit aller Schärfe abgelehnt werden muss, insofern das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des schweizerischen Ursprungszeugnisses aufrecht erhalten werden soll. Wir wiederholen hier das von der Handelsabteilung Gesagte. Sodann steht fest, dass das Verhalten der Vertreter der Ventilator A.-G., nicht bloss Streuiis, in' dieser Angelegenheit wenig befriedigt; gerade deshalb ist es auch stossend, dass sich der verhältnismässig subalterne Materialverwalter der Firma einzig, und zwar in einer seine Person zweifellos stark berührenden Art, strafrechtlich zu verantworten hat. . Die Begnadigungsbehörde hat sich jedoch mit den Ergebnissen des kantonalen Strafverfahrens abzufinden; wenn aber
bei der Erledigung des Begnadigungsfalles Gewicht auf die Eevision der vorhandenen Strafbestimmungen gelegt werden soll, so mag dies gleichzeitig na'c'h der weitern Eichtung hin geschehen, dass die Leiter einer Firma inskünftig in derartigen Fällen auch wegen fahrlässigen Verhaltens zur Verantwortung zu ziehen seien. Im übrigen sehen wir davon ab, den Gründen Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

22

270

für und wider eine Begnadigung bis ins einzelne nachzugehen; sie werden in den oben genannten Vernehmlassungen zur Genüge erörtert. Massgebend für uns ist, dass der allein bestrafte Streuli in der Angelegenheit gewissennassen zu schlecht weggekommen ist; die praktisch nächstliegende Lösung, die Gesellschaft neben ihrem untergeordneten Organ mit einer empfindlichen Geldstrafe zu belegen,, lässt sich aber im Begnadigungswege nicht erreichen.

Unter diesen Umständen fassen wir unsere Stellungnahme dahin zusammen, dass Streuli gegenüber ein Gnadenakt angemessen sei.

Den ganzen Erlass der Freiheitsstrafe können wir allerdings nicht befürworten. Von den Möglichkeiten der teilweisen Begnadigung, nämlich Herabsetzung der Gefängnisstrafe, Umwandlung derselben in Geldbusse, oder bedingte Begnadigung, bevorzugen wir nach der ganzen Lage des Falles die letztgenannte und entschliessen uns zu dem.

A n t r a g , Streuli die Gefängnisstrafe von 8 Tagen unter Auferlegungeiner Probezeit von drei Jahren und Hervorhebung der Bedingung, dass er sich während der Probezeit kein erneutes vorsätzliches Vergehen zuschulden kommen lasse, bedingt zu begnadigen.

Die bedingte Begnadigung erachten wir insbesondere deshalb aiszulässig, weil die in Angriff genommene Revision des Bundesratsbeschlusses über Ursprungsausweise für die hier in Betracht kommenden Straftatbestände Freiheitsstrafe und Busse in Verbindung oder a l t e r n a t i v vorsieht.

108.

g (Kriegswucher, Höchstpreisüberschreitungen usw.)

gericht Zürich, zweite und dritte Abteilung, in zwei getrennt geführten Strafverfahren wie folgt verurteilt worden: a. in Anwendung von Art. l, lit. c, des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen, und des Bundesratsbeschlusses vom 30. September 1916 betreffend den Verkehr in Eohbaumwolle usw. in Verbindung mit den zudienenden Departementsverfügungen zu l Monat Gefängnis und Fr. 10,000 Busse.

6. in Anwendung desselben Bundesratsbeschlusses vom 30. September 1916 in Verbindung mit den zudienenden Departementsverfügungen zu Fr. 12,000 Busse.

Osterwalder hat in den Jahren 1917 und 1918 als Mitinhaber einer Firma in Zürich die zu Kontrollzwecken der Baumwollzentrale;

271 gegenüber zu erfüllenden Vorschriften in fortgesetzter Weise missaehtet, im Verkehr mit Baumwollprodukten die vorgeschriebenen Höchstpreise in einer grossen Zahl von Geschäften überschritten und ausserdem im Kettenhandel Waren zum Teil der bestimmungsgemässen Verwendung vorenthalten.

Osterwalder, der sich dem Strafvollzug durch Flucht entzogen hatte, wurde am 30. Juni 1923 in Basel verhaftet und den Zürcher Behörden zugeführt. Er verbüsst zurzeit die in zwei Gefängnisstrafen von je drei Monaten umgewandelten beiden Bussen ; die Umwandlungshaft geht Ende Januar 1924 zu Ende. Den an den Begierungsrat des Kantons Zürich und an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement im Juli und August eingereichten Gesuchen Osterwalders um Begnadigung und Unterbrechung des Strafvollzuges hat die kantonale Vollzugsbehörde, soweit es sich um den Strafvollzug handelt im Einverständnis mit der Bundesanwaltschaft keine Folge gegeben.

Osterwalder macht geltend, sein früher bedeutendes Vermögen heute verloren zu haben. Zurzeit sei er Vertreter einer Firma und könne sich mit seiner Familie in Deutschland kaum durchschlagen; während seiner Haftzeit müsse die Familie die Hilfe der Verwandtschaft in Anspruch nehmen. Mit den seelischen Leiden und den finanziellen Einbussen glaube er seine Verfehlungen genügend gesühnt zu haben. Als Schweizerbürger, der 40jährig geworden sei, ohne sich eine militärische oder bürgerliche Strafe zuzuziehen, möge man ihm hinsichtlich des Bussenverhaftes entgegenkommen; für den Fall einer teilweisen Begnadigung stellte er Eatenzahlungen in Aussicht.

Unserseits ziehen wir, unter Hinweis auf den am 17. August gestellten Abweisungsantrag der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und den spätem Meinungsaustausch zwischen der kantonalen Direktion der Justiz und der Bundesanwaltschaft, heute folgendes in Erwägung: Das Begnadigungsgesuch Osterwalders betrifft nach seinem Wortlaut einzig die Busse von Fr. 12,000, die Osterwalder am 28. Oktober im Wege der Umwandlungshaft getilgt hat. Es könnte deshalb die Frage aufgeworfen werden, ob bei diesem Stande der Angelegenheit das Gesuch durch Nichteintreten zu erledigen sei.

Nun ergibt aber die Prüfung der beiden Straffälle, dass Osterwalder zweckmässigerweise in einem Verfahren hätte beurteilt werden sollen ; die am gleichen Tag ergangenen zwei
Verurteilungen betreffen Machenschaften derselben Art, die als fortgesetzte Vergehen zu einer Gesamtstrafe hätten führen können. Unter diesen Umständen behandeln wir die beiden Angelegenheiten im Begnadigungswege als Ganzes.

Was sodann die persönliche Seite des Falles anbetrifft, so erweckte Osterwalder zunächst deshalb wenig Interesse, weil er sich

272 trotz zugegebener früherer Vermöglichkeit in keiner Weise um die Eegelung seiner Angelegenheiten bekümmert, sondern die Flucht vorgezogen hatte. Er betätigte sich zudem auch seither nicht einwandfrei, was der Umstand belegt, dass er in zwei Fällen im Ausland wegen Betrugs in Untersuchung gestanden ist. Bei dieser Sachlage, und weil die Strafen ergangen waren unter dem ausdrücklichen Hinweis auf die Schwere der Verfehlungen, die grosse Warenmenge, ihren erheblichen Wert und den entsprechend beträchtlichen Gewinn, war und ist es noch heute gegeben, die Erledigung der Begnadigungssache nicht durch Unterbrechung des Strafvollzuges zu präjudizieren.

Immerhin möchten wir nicht so weit gehen und gänzliche Abweisung beantragen. Zwar kommt Osterwalder bereits zugut, dass er auf Grund des Umwandlungsgesetzes · vom 1. Juli 1922 an Stelle beider Bässen von Fr. 12,000 und 10,000 zwei Gefängnisstrafen von lediglich je drei Monaten zu verbüssen hätte. Wenn wir trotzdem einem teilweisen Erlass der zweiten Umwandlungsstrafe das Wort reden, so erfolgt dies zunächst, um derart nachträglich ein Ergebnis herbeizuführen, das ungefähr dem entsprechen kann, was mit dem Ausspruch einer Gesamtstrafe erreichbar gewesen wäre. Bei einer Verkürzung der Haft wird zudem den offenbar heute misslichen Verhältnissen Osterwalders, und namentlich seiner Familie, etwelche Bechnung getragen.

Wir beantragen, Osterwalder vom Tage des Entscheides der Bundesversammlung für den Best der Umwandlungsstrafe zu begnadigen.

109.

fabrik in Lotzwil, heute in Aeschi (Bern).

(Missbräuchliches Herstellen und Vertreiben von Düngmitteln.)

J von Signau in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 22. Dezember 1917 betreffend Förderung und Überwachung der Herstellung und dés Vertriebs von Düngmitteln usw. und die zudienende Departementsverfügung vom 7. Januar 1918 zu 10 Tagen Gefängnis und Fr. 300 Busse verurteilt worden.

Johann Bamseier, der wegen gleichartiger Verfehlungen seinerzeit von der Eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle zu Bussen von Fr. 200 und 500, vom Gerichtspräsidenten von Aarwangen am 14. August 1919 zu Fr. 1200 Busse und am 8. Juli 1920 zu 5 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse verurteilt worden ist, hat sich im März 1920 und weiterhin von Ende Juni 1920 bis anfangs 1922 neuerdings in fortgesetzter Weise gegen die Bestimmungen der

273

obgenannten Erlasse vergangen, indem er in seiner Fabrik in Lotzwil Dünge- und Futtermittel gewerbsmässig herstellte, ohne die hierzu benötigte Bewilligung zu besitzen, und die vorhandenen Vorschriften über den Verkehr mit den betreffenden Produkten in hohem Masse missachtete. Durch seine unreellen Geschäftspraktiken, wobei er insbesondere auch Waren unter unrichtiger, irreführender Bezeichnung in den Verkehr brachte, hat Eamseier in landwirtschaftlichen Kreisen grossen Schaden gestiftet.

Eamseier, der in letzter Zeit dem von ihm jahrelang geleiteten Betrieb nicht mehr vorgestanden ist und heute in Aeschi eine Lehrerstelle innehat, ersucht um Erlass von Gefängnisstrafe und Busse.

Er beruft sich auf eine angebliche Empfehlung des kantonalen Staatsanwaltes, verweist auf den unglücklichen Ausgang des Fabrikationsunternehmens, das unlängst in Konkurs geraten ist und Bamseier in Schulden gestürzt hat, auf seine misslichen Familienverhältnisse und insbesondere die Gefahr, bei Verbüssung der Freiheitsstrafe um seine gegenwärtige Anstellung zu kommen. Da er nun alles verloren habe, viel Kummer und ungerechtfertigte Angriffe habe erdulden müssen, und seine Frau und die sechs Kinder in grosser Not seien, möge man ihm entgegenkommen. Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Eingabe selbst.

In den Akten befindet sich ausserdem eine persönliche Zuschrift der Ehefrau des Gesuchstellers.

Der Regierungsstatthalter von Signau, der in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Gerichtspräsident das in Betracht kommende Urteil gefällt hat, berichtigt die Eingabe in verschiedenen Punkten und bemerkt namentlich, das Urteil sei unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse Eamseiers sehr milde ausgefallen. Der Vertreter des Eidgenössischen Erhährungsamtes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Auch wir können uns, angesichts der Urteilserwägungen und des Inhalts der verschiedenen Vernehmlassungen, zu einem Antrag auf Begnadigung nicht entschliessen. Von vornherein könnte es sich höchstens um den bedingten Erlass der Freiheitsstrafe handeln, aber auch dies fällt ausser Betracht, wenn die oben genannten Vorstrafen berücksichtigt werden, wozu erst noch kommt, dass eine Eamseier im Jahre 1918 gewährte bedingte Verurteilung diesen nicht abgehalten hat, in fortgesetzter Weise ein
Geschäftsgebaren an den Tag zu legen, das vom Eichter zutreffend als unreell und schädlich bezeichnet wird. Bei dieser Sachlage müssen die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers zurücktreten.

Wir beantragen Abweisung.

274 110.

(Preiswucher.)

kammer des Obergerichts des Kantons Bern in Anwendung der Verordnung gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen vom 10. August 1914 und des zudienenden Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916 zu Fr. 1000 Busse verurteilt, weil er in einem typischen Kettenhandel mit Kaffee im Jahre 1916, wo er die S. S. S.-Klausel fallen liess, einen übermässigen Gewinn erzielte.

Für Gerber, dessen erstes Begnadigungsgesuch in der Dezembersession 1922 antragsgemäss abgewiesen wurde (Antrag 49 des I. Berichtes vom 27. Oktober 1922, Bundesblatt III, 617) und der inzwischen ratenweise Fr. 500 abbezahlt hat, wird um Erlass der verbleibenden Fr. 500 ersucht. Der Gesuchsteller habe die Katenzahlungen nur unter den grössten Anstrengungen aufgebracht. Als Annoncenacquisiteur sei Gerber auf Provisionen angewiesen und verdiene wenig, auch habe er beträchtliche Familienlasten. Er müsse bei seinen Verhältnissen mit 80 Tagen Umwandlungshaft rechnen, was nach Bezahlung der einen Bussenhälfte eine ungerechtfertigte Härte wäre. Man möge berücksichtigen, dass die ihm zur Last gelegten Kriegsgeschäfte sieben Jahre zurücklägen.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern befürwortet den Erlass der Kestsumme hauptsächlich mit Rücksicht auf die Familie. Dabei wird jedoch erklärt, Gerber gemesse keinen unbescholtenen Leumund; die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern hat Gerber am 27. Juni 1923 wegen Pfandunterschlagung zu drei Monaten Korrektionshaus verurteilt und ihm die Strafe unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren bedingt erlassen. Der Kegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beantragen Erlass eines Viertels der Gesamtsumme, so dass Gerber noch Fr. 250 zu zahlen hätte. Angesichts der erwähnten Verurteilung vom 27. Juni 1923 könne der gänzliche Erlass der noch geschuldeten Bussenhälfte nicht beantragt werden.

Unserseits ziehen wir in Erwägung, dass die Person Gerbers eine Begnadigung nicht besonders nahelegt. Immerhin ist glaubhaft, dass er in engen Verhältnissen lebt und mag berücksichtigt werden, dass ihm die Beschaffung der bezahlten Fr. 500 bereits erhebliche Mühe machte. Angesichts der erneuten Verurteilung können wir jedoch, in Zustimmung zur kantonalen Polizeidirektion, ebenfalls nicht den gänzlichen Erlass der verbleibenden Fr. 500 befürworten, sondern beantragen lediglich den Erlass eines Viertels der Gesamtsumme, mithin von Fr. 250.

275

111.

(Kettenhandel.)

Anwendung von Art. l, lit. c, des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen zu Fr. 500 Busse verurteilt worden.

Breton war, laut Urteilserwägungen aet. 445/446, in ein Kettenhandelsgeschäft verwickelt, das 80 kg Gummi betraf.

In seinem Gesuch um Begnadigung wiederholt Breton, damals ·den Machenschaften zweier Händler zum Opfer gefallen za sein.

Ferner schreibt er, als Handlanger, der mit seinem Taglohn für Frau und drei Kinder sorgen müsse, könne er die Busse unmöglich aufbringen; die ihm drohende Umwandlungsstrafe bringe die Familie ins Elend.

Nach dem Bericht der Genfer Polizeibehörden trifft es zu, dass Breton in bescheidenen Verhältnissen lebt; die Familie ist gut beleumdet, Breton selbst ohne Vorstrafen von Belang. Der Kegierungs·statthalter von Biel befürwortet die Begnadigung.

Da nach den Akten lediglich ein vereinzelt stehender Kettenhandel in Betracht kommt, Breton nach dem Polizeibericht anderweitig nicht belastet ist und die Umwandlung der ganzen Strafe die Familie in missliche Verhältnisse versetzen würde, mag ein teil·weiser Erlass der Busse gewährt werden.

Wir b e a n t r a g e n Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 100.

112. J (Zinnverkauf ohne Bewilligung.)

Joseph Gyr wurde am 18. November 1919 von der III. Kammer des Obergerichts des Kantons Zürich in Anwendung der Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 3. April 1918 betreffend Bestandesaufnahme von Metallen, deren Gewinnung und Verarbeitung, sowie den Handel mit solchen (A. S., n. F., XXXIV, 401) zu Fr. 500 Busse verurteilt. In Betracht kommt die Angelegenheit Arlejewsky und Mitbeteiligte, die im Begnadigungswege aus Anlass von Gesuchen der Eiva Arlejewsky und des Hans Stutz bereits eingehend erörtert worden ist. Wir verweisen hierfür auf die Anträge U und 12 im Bericht vom 1. April 1921; unsere damaligen Abweisungsanträge sind in der Junisession 1921 von der Bundesversammlung übernommen worden (Bundesblatt 1921, I, 535 ff.).

276

Gyr wurde verurteilt, weil er einen grössern Posten Zinn, den er aus Zinnstaniol, Staniolkräze und Syphonköpfen gewonnen hatte,,, verkaufte, ohne die nach damaliger Vorschrift notwendige Verkaufsbewilligung eingeholt zu haben.

Gyr ersucht um Erlass der Busse. In der längern Eingabe wird seine damalige gewerbliche Tätigkeit, die Verarbeitung von Altmetallen usw. geschildert und behauptet, Gyr sei den Verkaufsvorschriften regelmässig nachgekommen. Die Tätigkeit Gyrs, die in den Jahren der Kriegswirtschaft volkswirtschaftlich nützlich gewesen sei,, habe ihn in der Folge zum Konkursiten gemacht und zudem noch um die Gesundheit gebracht. Nach dem über Gyr beschafften Polizeibericht geniesst der Gesuchsteller keinen einwandfreien Leumund; auffällig sind insbesondere mehrere Strafuntersuchungen, die im Jahre 1922 wegen Betrugs gegen Gyr anhängig waren. Die Bezirksanwaltschaft Zürich, die kantonale Staatsanwaltschaft und die Direktion der Justiz desKantons Zürich beantragen Abweisung. Zunächst wird von der Bezirksanwaltschaft als gänzlich unverständlich bezeichnet, dass die Verurteilung Gyrs nicht längstens im Wege des Strafvollzuges erledigt sei. Ferner wird betont, soweit die Gesuchsanbringen eine materielle Korrektur des obergerichtlichen Urteils bezweckten, könne darauf im Begnadigungswege nicht eingetreten werden. Nachdem frühere Gesuche von Mitverurteilten abgewiesen worden seien, liege nicht die geringste Veranlassung vor, hier nun Begnadigung eintreten zu lassen, um so mehr, als Gyr keine einwandfreie Person sei.

Aus denselben Erwägungen beantragen wir ebenfalls Abweisung.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen; Hochachtung.

B e r n , den 16. November 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräside"nt: Scheurer.

Der Bundeskanzler : Steiger.

-^o-tf

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1923). (Vom 16. November 1923.)

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48

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1786

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21.11.1923

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