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Bundesblatt

75. Jahrgang.

Beni, den 16. Mai 1923.

Band II,

Erscheint wöchentlich. Prêts 20 Franken im Jahr, 10 Franken int Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme-undaPostbestellungsgebühr"..

Einrückungsgebühr ; 60 Rappen dia Petitzeile odor deren Baum. -- Inserate franko an diBuchdruckereieStämpflilt Cie.e. in K e r n _ _

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Zu 1736

II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1923).

(Vom 15. Mai 1923.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 61. Eduard Trümpler, geb. 1888, Spengler und Taglöhner, zurzeit in der Strafanstalt Regensdorf (Zürich), 62. Eugen Biland, geb. 1896, Mechaniker, zurzeit in der Strafanstalt Lenzburg (Aargau).

(Sprengstoffverbrechen.)

61. Eduard T r ü m p l e r wurde am 2. September 1920 von der III. Kammer des Obergerichts des Kantons Zürich in Anwendung von Art. l des Sprengstoffgesetzes vom 12. April 1894, § 216 des Strafgesetzbuches für den Kanton Zürich und Art. l der bundesrätlichen Verordnung betreffend den Besitz, die Aufbewahrung und den Verkehr mit, Sprengmaterial vom 20. Mai 1919, verurteilt zu zehn Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung von 58 Tagen Untersuchungs- und Sicherheitsverhaft, Trümpler hat am 27. April 1920 nachts beim Feuerwehrhaus in Wädenswil eine mit Altorfit gefüllte Sprengpatrone auf die Schwelle der Haupttüre gelegt und mit einer Zündschnur zur Explosion gebracht. Das Haus war damals von einer Familie bewohnt, was Trümpler wusste. Verletzt wurde niemand, dagegen Schaden verursacht im schätzungsweisen Betrage von Fr. 1815.

Über den Verlauf des Strafverfahrens haben wir ausführlich berichtet aus Anlass des von Trümpler im November 1920 eingereichten Begnadigungsgesuches (Nr. l des Berichtes vom 80. September 1921, Bundesblatt 1921, IV, S. 394 ff.). Wir beantragton damals Bückweisung an den Bundesrat zwecks erneuter Vorlag© zu gegebener Zeit, was von der Bundesversammlung in der Herbstsession 1921 beschlossen wurde.

Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. II.

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Mit Eingabe vorn 4. März 1923 wiederholt Trümpler das Gesuch um Begna digung. Er geht davon aus, dass die in der Sache tätigen Strafbehörden einhellig der Auflassung gewesen seien, die gesetzliche Strafandrohung müsse, im vorliegenden Fall als Härte bezeichnet werden, und beruft sich auf die allgemeine Meinung, bei gutem V erhalten in-der Strafanstalt werde er die Begnadigung nach '2 bis G -Jahren erlangen. Unter Hinweis auf seine gute Aufführung in der Strafstalt hält er dafür, der Zeitpunkt für die Begnadigung sei nunmehr da.

Die Tat, die er im Bausch und Zorn verübt habe, bereue er: er wisse, dass ihn der Alkohol ins Zuchthaus gebracht habe, sehe ein. dass er mit dorn Trinken nicht weit komme, und werde sich nach der Begnadigung weiter halten können. Sein grösster "Wunsch sei. die schwergeprüften, betagten Eltern unterstützen zu können.

In den Akten befindet sich die Vernehmlassung der Beamtenkonferenz der StrafanstaltRegensdorf. Wir entnehmen dem Bericht, dass Trümpier in der Schreinerei beschäftigt wird ; sein Werkmeister schildert ihn als anstellig und zuverlässig. Der Anstaltsordnung habe Trümpier nie die geringstenSchwierigkeitenn bereitet. Er sei keineswegs bösartig oder ränkevoll, sondern eher ein. gutmütiger, durch den Alkohol entgleister Mensch, dein deshalb bei einer- Begnadigung die Auflage der Abstinenz gemacht werden sollte. Sein bisheriges Verhalten im Strafvollzug begründe die Überzeugung,dasss er das Verwerfliche seiner Tat voll einsehe, und sein ausgesprochenes Bestreben, die betagten Eltern fortan zu unterstützen, sei- keine Phrase, sondern guter "Wille, das Geschehene nach Möglichkeit gutzumachen.

Im Anschluss an diesen Bericht bringen wir zunächst die von den Behörden des Kantons Zürich anlässlich der ersten Gesuchsemreichung geltend gemachten Gesichtspunkte in Erinnerung: Das Obergericht sprach sich ohne nähere Abgrenzung für Herabsetzung der Zuchthausstrafe aus, wogegen die Staatsanwaltschaft und die Direktion der Justiz der Ansicht waren, dass in keinem Falle unter eine Strafzeit von drei J ahren, d. h. die Mindeststrafe wegen Brandstiftung, -gegangen werden sollte. Die Staatsanwaltschaft beantragte primär Herabsetzung bis zu fünf Jahren. Unserseits schlössen wir uns den Anträgen betreffend eine Mindeststrazeit von drei Jahren an, und die der Bundesversammlung vorgeschlagene
und zum Beschluss erhobene Bückweisung an den Bundesrat bezweckte lediglich, die Frage abzuklären, wie lange Trümpler über die drei Jahre hinaus in der Strafanstalt zurückzuhalten sei. Dabei gingen wir davon aus, dass in der Gesamtstrafe von zehn Jahren Zuchthaus, praktisch gesprochen, die drei Jahre als kantonalrechtliehe Quote der Gesamt .

strafe in Betracht kämen.

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Gestützt auf den Bericht der Beamtenkonferenz der Strafanstalt Regensdorf entschliessen wir uns heute, einer baldigen, bedingten Begnadigung Trümpiers das Wort zu reden. Wir beantragen, Trümpler Ende dieses Jahres aus der Strafanstalt zu entlassen. Hinwiederum sollte nur die bedingte Begnadigung gewahrt werden; ferner ist Trümpier u. E. unter Schutzaufsicht zu stellen und sollte in Form einer Bedingung die Weisung ergehen, dass er sich während der Probezeit geistiger Getränke enthalte. Die Gewährung dei bedingten Begnadigung erweist sich unter diesen Umständen als eine der bedingten Entlassung angenäherte Massnahme. Schliesslich erinnern wir noch an die Sonderregelung in Art. 7 des Sprengstoffgesetzes, wonach beim Zusammentreffen von Sprengstoffverbrechen mit Handlungen, welche unter das kantonale Strafrecht fallen, die letztern dem kantonalen Begnadigungsrecht unterstehen. Nach dem anlässlich unserer ersten Berichterstattung i. S. Trümpier Gesagten ist in derartigen Sprengstoff allen auf die frühere, im allgemeinen mit Hecht aufgehobene Praxis zurückzukommen, welche in Konkurrenzfällen, die zu einer Gesamtstraf e führten, dem Grundsätze nach Bund und Kanton als zur Begnadigung zuständig erachtete, jedoch die schwerste Strafandrohung als bestimmend erklärte für das Vorrecht, sich mit einer Begnadigungssache zuerst zu .befassen. Im Falle Trümpier sind die 10 Jahre Zuchthaus als Gesamtstrafe erkannt worden ; für die schliessliche Erledigung der Begnadigungsangelegenheit scheint uns jedoch letzten Endes massgebend zu sein, dass die Gesamtstrafe zugleich die nach dem- Sprengstoffgesetz zulässige Mindeststrafe ausmacht.

In diesem Umfang muss die Bundesversammlung zur Herabsetzung der Zuchthausstrafe zuständig sein. Einwendungen der kantonalen Begnadigungsbehörden gegen die von uns vorgeschlagene teilweise Begnadigung Trümplers sind übrigens schon deshalb nicht zu erwarten, weil wir der Stellungnahme der kantonalen Behörden Rechnun tragen und die Strafzeit, die Trümpier nach unserem Antrag zu verbüssen hat, mindestens dem entspricht, was nach den Verumständunge auf das in den 10 Jahren Zuchthaus mitgeahndete kantonalrechtliche Delikt der Brandstiftung entfällt.

Demgemäss stellen wir den A n t r a g : Bedingter Erlass der Zuchthausstrafe von Ende Dezember 1928 an, Auferlegung einer Probezeit von drei
Jahren, Stellung unter Schutzaufsicht während der Probezeit und besondere Hervorhebung der Bedingung, sich geistiger Getränke zu enthalten.

Vom Beschluss der Bundesversammlung ist dem Regierungsrat des Ivantons Zürich Mitteilung zu machen

1*8 62. Eugen Eiland wurde am 11. Dezember 1922 vom Kriminalgericht des Kantons Aargau in Anwendung von Art. l des Sprengstoffgesetzes vom 12. April 1894 in Verbindung mit kantonalrecht lichen Bestimmungen betreffend Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit und betreffend böswillige Eigentunisbeschädigung verurteilt zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren und 3 Monaten, nebst Einstellung in den bürgerlichen Ehren und Eechten auf die Dauer von 10 Jahren über die erkannte Strafzeit.

Biland, der sich im Verein mit andern in der Nacht'vom 10./11.

Oktober 1922 in Wettingen schwerer Störungen der öffentlichen Euhe und Sicherhei t und böswilliger Eigentumsbeschädigung schuldig machte, fällt in bundesrechtlicher Beziehung zur Last, durch Sprengstoff unter gewaltigem Knall einen Hydrantenstock zerstört zu haben. Obschon der Vorfall mit den andern Ruhestörungen, wie dem Abgeben scharfer Schüsse u. a. m., eine empfindliche Strafe rechtfertigt, ist zu sagen, dass die gesetzliche Mindeststrafe von 10 Jahren Zuchthaus einer eigentlichen Härte gleichkommt. --- Wir haben auf den Straff all bereits im Bericht über die Geschäftsführung des Bundesrates im Jahre 1922 hingewiesen und beigefügt, der Strafgesetzeritwuri, Art. 190 und Art. 34, Ziff. l,-kenne als Mindeststrafe l Jahr Zuchthaus (Geschäftsbericht, Abschnitt Bundesanwaltschaft, B, lit. c, Ziff. 6).

Bei dieser Sachlage und da das aargauische Kriminalgericht den Verurteilten, laut Urteilsdispositiv, der Bundesversammlung zur teilweisen Begnadigung empfiehlt, war es angezeigt, von der Möglichkeit in Art. 172 des Bundesstrafprozesses Gebrauch zu machen, wonach der Bundesrat von sich aus auf Begnadigung antragen kann, und das Begnadigungsverfahren von Amtes wegen einzuleiten.

in den Akten befinden sich ein Bericht des Gemeinderates Wettingen nebst beigegebenem Vorstrafenverzeichnis, eine Vernehmlassung der kantonalen Staatsanwaltschaft und Mitteilungen der Direktion der Strafanstalt Lenzburg.

Der Gemeinderat Wettingen schreibt, er könne eine Begnadigung Eilands heute nicht empfehlen. Eine derzeitige Begnadigung wäre nicht im Interesse des Bestraften; die Verbüssung einer Zuchthausstrafe von mindestens vier Jahren sei angemessen, einerseits zur Beruhigung der Bevölkerung, anderseits damit Biland einmal arbeiten und sich an ein geregeltes Leben gewöhnen
lerne. Er sei bis jetzt ein arbeitsscheuer Mensch gewesen und wäre voraussichtlich, wenn nicht diese Verurteilung erfolgt wäre, wegen arbeitsscheuen Lebenswandels in eine Zwangsarbeitsanstalt gesteckt worden. Seit Jahren habe er nicht gearbeitet, sondern von Schmuggel und Diebstahl gelebt ; es wird auf das Vorstrafenverzeichnis verwiesen, wonach

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Eiland iri den Jahren 1914 bis 1920 mit fünf, zum Teil längeren Freiheitsstrafen belastet ist. Biland ist ledig.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellt zunächst fest, die grundsätzliche Frage, ob eine teilweise Begnadigung überhaupt erfolgen solle, verlange keine besonderen Ausführungen; diesbezüglich wird auf die Haltung der Staatsanwaltschaft vor dem urteilenden Gericht verwiesen, wo die Empfehlung teilweiser Begnadigung zuhanden der Bundesversammlung bereits beantragt wurde. Nicht leicht zu entscheiden ist, wie weit die Begnadigung gehen solle.

Von der Auffassung dea Gemeinderates Wettingen, der den Strafzweck den Zwecken der Internierung in einer Zwangserziehungsanstalt gleichsetzen möchte, könne nicht wohl ausgegangen werden, sondern es sei unabhängig hiervon zu prüfen, eine wie lange Strafe für die Tat angemessen sei, die Biland strafbar machte. Biland habe in der Nacht vom 10./11. Oktober 1922 in Wettingen mit andern schweren Unfug gestiftet, die nächtliche Kühe auf arge Weise gestört und Eigentumsbeschädigungen begangen. Er sei der Anführer gewesen, habe den verwendeten Eevolver, die Munition, das Pulver und den Sprengstoff beschafft und sich bei den einzelnen Handlungen am meisten hervorgetan. Insbesondere sei er es, der den Hydrantenstock in die Luft gesprengt und dadurch die öffentliche Sicherheit in erheblichem Masse gefährdet habe. Die Mitbeteiligten seien wegen der kantonalrechtlichen Vergehen je nach der Bedeutung ihrer Betätigung von 3 Wochen Gefängnis bis zu 4 Monaten Zuchthaus bestraft worden; Biland habe demgegenüber eine schwerere Strafe verdient; dem stärkeren Grade der Betätigung sei aber voll Rechnung getragen, wenn die zu verbüssende Strafe auf l Jahr Zuchthaus angesetzt werde. Es müsse denn doch beachtet werden, dass eine andere Absicht als das Stiften von Unfug und die Störung der Nachtruhe nicht nachgewiesen sei; auch sei sich Biland über die Wirkung der Sprengung nicht ganz klar gewesen. In Wirklichkeit handle es sich um einen allerdings nicht leicht zu nehmenden Nachtbubenstreieh, bei dem glücklicherweise grösserer Schaden nicht entstanden sei. Mit Rücksicht auf diese Verumständungen wird beantragt, die Strafe Bilands durch Begnadigung bis zu einem Jahr Zuchthaus zu ermässigen.

Die Direktion der Strafanstalt Lenzburg enthält sich eines Antrages über die
Bemessung der Strafdauer, bemerkt aber immerhin, die Ausführungen der Staatsanwaltschaft dürften besser zutreffen als die vom Gemeinderat Wettingen beantragte Strafe von 4 Jahren, die zu den von Biland verübten «Lausbubereien» in keinem Verhältnis stehen würde. Wir entnehmen dem Berieht ausserdem, dass Biland, der seit 1914 ca. 3 Jahre inhaftiert war, sich längere Zeit gewerbs-

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mässig mit Schmuggeln abgegeben hat. Ferner teilen wir mit, dass Eiland die Strafe seit dein 12. Dezember 1922 verbüsst. .

Unserseits ziehen wir folgendes in Erwägung: Die Zuchthaus strafe von 10 Jahren und drei Monaten ist eine Gesamtstrafe, der gegenüber nach dem bei Trumpier Gesagten die eidgenössischen und die kantonalen Begnadigungsbehörden zuständig sind. Aus den von der kantonalen Staatsanwaltschaft angeführten Gründen rechtfertigt .sich eine weitgehende Ermässigung der Zuchthausstrafe. Dagegen beantragen wir im Hinblick auf das Vorleben Bilands. die Zahl der hier in Betracht kommenden strafbaren Handlungen und die Tatsache, dass er bei den Vorfällen geradezu als Rädelsführer tätig war, eine Zuchthausstrafe von 15 Monaten zu belassen, berechnet vorn 12. Dezember 1922. Ausserdem möchten wir auch hier die Begnadigung als Massnahme ausgestalten, die sich der bedingten Entlassung annähert.

Wir. beantragen bedingten Erlass der Zuchthausstrafe vorn 12. März 1924 an, Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren und Stellung unter Schutzaufsicht, Vom Beschluss der Bundesversammlung ist dem Regierungsrat des Kantons Aargau zuhanden des kantonalen Begnadigungsverfahrens Mitteilung zu machen.

63. Elise Rosé-Peter, gel:.. 1875, Ipsacb (Bern).

(Lebensmittelpolizei.)

63. Frau Elise B o sé wurde am 16. Januar 1923 vom Gerichtspräsidenten von Nidau in Anwendung von Art. 36 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensrnitteln und .Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 verurteilt zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 50 Busse.

Die von Frau Böse dem Milchhändler am 7. November 1922 von zwei Kühen gelieferte Morgenmilch enthielt einen Wasserzusatz von 8 %. Die Beschuldigte gestand, die Milch einige Male verwässert zu haben, Frau Böse ersucht, ihr die Gefängnisstrafe, allenfalls bedingt, zu erlassen. Gegen die Verurteilung sei an und für sich nichts einzuwenden, nur hätte die Gefängnisstrafe unterbleiben dürfen. Die Verurteilte sei ohne Vorstrafen und gut beleumdet; auch habe aie die Verfehlungen in einein Zustand der Verzweiflung begangen. Durch die längere Krankheit des Mannes seien die Eheleute in Not geraten.

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Der Gemeinderat von Ipsach befürwortet den bedingten Straferlass, ebenso der Amtsverweser von Nidau. Die Direktion des Innern des Kantons Bern bemerkt, dass die Milchverfälschungen sich in letzter Zeit vermehren, so dass eine scharfe Eepression am Platze sei. Trotz dieser allgemeinen Erwägung sei jedoch im vorliegenden Fall eine mildere Auffassung zulässig, indem Verschiedenes dafür spreche, die Gefängnisstrafe im Begnadigungswege zu erlassen. Die kantonale Polizeidirektion beantragt ihrerseits bedingte Begnadigung.

"Das eidg. Gesundheitsamt stellt zunächst fest, dass das ergangene Urteil mit den Anforderungen, die an die Beurteilung von Milchverfälschungen gestellt werden müssen, in Einklang stehe. Anderseits sei zuzugeben, dass die Urteilsfähigkeit und Willenskraft der Bestrafton durch die Krankheit des Mannes und durch eigene schwere Leiden habe geschwächt werden können, weshalb dem Antrag der bemischen Direktion des Innern beigetreten werde.

Aus denselben Erwägungen stellen wir den Antrag, die 3 Tage Gefängnis bedingt zu erlassen, eine Probezeit von 2 Jahren aufzuerlegen und als Bedingung besonders hervorzuheben, dass Frau Rosé sich während' dieser Zeit kein vorsätzliches Vergehen zuschulden kommen lasse.

64. Fritz Hutmacher, geb. 1888, gew. Landwirt in Steinibach, Flühli (Luzern), jetzt in Uster (Zürich).

(Forstpolizei.)

öl-. Frits; H u t m a c h e r wurde, gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 23. Februar 1917 betreffend Überwachung der Holzr nutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen und vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen in Verbindung mit kantonalen Ausführungserlassen wie folgt verurteilt: a. Vom Amtsgericht Entlebuch am 15. Februar 1921 zu Fr. 3640 Busse, durch Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 12. Juli 1921 ermässigt auf Fr. 3074.

6. Vom Amtsgericht Entlebuch am 21. Juli 1922 zu Fr. 857 Busse.

Hutmacher hat in den Jahren 1918---1920, als damaliger Eigentümer der Liegenschaft Füfischwand mit Waldungen in der Gemeinde Flühli, Holzschläge vorgenommen, die weit über die ihm erteilten Schlagbewilligungen hinausgehen. Den unter a genannten Urteilen liegt ein unbefugt geschlagenes Holzquantum von 182 ms, dem unter b genannten Urteil ein Quantum von 21 m8 zugrunde. Erschwerend fällt in Betracht, dass es sich bei der Liegenschaft Füfischwand um

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abschüssiges Gebiet am Ufer der Emme handelt, wo ein zu weitgehender Holzschlag besonders gefährlich werden kann. Ferner hat Hutmacher zu Täuschungszwecken verschiedene Tannen eigenmächtig mit dem Zeichen des Bannwartes versehen und trotz ausdrücklich mitgeteiltem Verbot weiter geholzt.

Für den Verurteilten, der inzwischen um seine Liegenschaft gekommen ist und heute in Uster in einer Käsehandlung arbeitet, stellt ein Bruder das Gesuch um Erlass der Bussen beziehungsweise der an ihre Stelle getretenen Umwandlungshaft. Hutmacher sei heute gänzlich mittellos; sein Geld, und fremdes dazu, habe er durch unglückliche Spekulation auf Füfischwand verloren. Mit seiner Frau und vier unerzogenen Kindern sei er auf seinen Verdienst angewiesen und könne die Familie nur notdürftig und mit fremder Unterstützimg ernähren. Die Bezahlung der Bussen sei völlig ausgeschlossen; mit dem Vollzug der Umwandlungsstrafe verliere er seine Anstellung, was den Euin der Familie zur notwendigen Folge haben müsste.

Man möge Hand bieten, um die Familie vor dem grössten Elend zu bewahren.

Der Gemeinderat von Flühli schreibt, wie aus dem Strafverfahren hervorgehe, lasse der Charakter Hutmachers sehr zu wünschen übrig; ausser den Zuwiderhandlungen gegen die Forstpolizeierlasse sei Nachteiliges nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt Abweisung, da Hutmacher die forstpolizeilichen Bestimmungen während langer Zeit in krasser Weise dolos übertreten habe, zum Teil entgegen einem besondern Abholzungsverbot. wobei er in einzelnen Fällen die Spuren der Abholzung durch künstliches Zudecken der Stockschnittflächen zu verwischen versucht habe.

Die eidg. Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei bemerkt zunächst, nach der Art der vorhandenen Verfehlungen erscheine der Bussenansatz von Fr. 17 per m 3 nicht als übersetzt. Insbesondere gelte dies für die Verurteilung vom 21. Juli 1922, die Holzscliläge betreffe, welche Hutmacher vorgenommen habe, obschon er wegen der ersten Zuwiderhandlungen bereits in Untersuchung stand. Im Hinblick auf die misslichen Verhältnisse des Bestraften wird immerhin beantragt, die erste Busse von Fr. 8094 auf Fr. 2184 herabzusetzen, d. h. den Bussenansatz von Fr. 17 um Fr. 5 zu ermässigen.

Unserseits machen wir der für Hutmacher eingereichten Eingabe gegenüber zunächst geltend, dass
man sich fragen könnte, ob darauf überhaupt einzutreten sei, da der Bestrafte selbst sich an der Gesuchseinreichung in keiner Weise beteiligt. In der Sache selbst steht einwandfrei fest, dass sich Hutmacher ein fortgesetztes Zuwiderhandeln gegen ihm bekannte Vorschriften zuschulden kommen

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liess ; die Verurteilungen sind demnach durchaus begründet. Nachdem der Mann infolge misslungener Spekulation um Hab und Gut gekommen ist und nach der glaubhaften Darstellung in den Gesuchsanhringen heute mittellos dasteht, ist im Grunde genommen die Präge zu beantworten, ob trotz den veränderten persönlichen Verhältnissen und dem Umstände, dass Hutmacher geradezu eine neue Existenz sich gründen musste, im Strafniass an den ergangenen Urteilen festgehalten werden solle. Dabei ist zu beachten, dass es sich letzten Endes um die Anordnung von Umwandlungshaft handelt. Unter diesen Umständen erweist sich eine Herabsetzung der Bussen, die immer noch Beträge von über Fr. 2500 belässt, als Massnahme, die der Erledigung der Sache keine neue Wendung zu geben vermag.

Einer weitergehenden Ermässigung der Bussen, etwa bis zu Fr. 1000, stellt sich hinwiederum die Erledigung anderer, ähnlich gearteter Straf fälle entgegen. Mit andernWorten, die Frage, in welchem Masse eine nachträgliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen eines Bestraften gnadenhalber berücksichtigt werden dürfe, erhebt; sich hier in besonders heikler Weise. Möglich wäre, die heute im Vordergrund stehende Umwandlungsstrafe bedingt zu erlassen ; jedoch scheint uns dies eine zu weitgehende Massnahme zu sein. Unter diesen Umständen muss es u. E. bei der Anordnung von Umwandlungshaft sein Bewenden haben; dagegen möchten wir der Feststellung Bechnung tragen, dass die zwei, formell voneinander unabhängig .ergangenen Verurteilungen fortgesetzte Handlungen betreffen. Wir möchten die beiden Strafen deshalb derart als Gesamtstrafe auffassen, dass den beiden Bussen eine Umwandlungshaft von drei Monaten entsprechen soll.

Antrag: Abweisung hinsichtlich der Bussen; für den Fall der Anordnung von Umwandlungshaft soll es bei 3 Monaten sein Bewenden haben.

65. Arthur Béguin, geb. 1864, pens. Eisenbahner, Chambrelien (Neuenburg).

(Jagdpolizei.)

65. Arthur Béguin wurde am 6. Dezember 1922 vom Polizeigericht von Boudry in Anwendung der Art. 6, lit. e, und 21, Ziffer 4, lit. / des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 und zudienenden kantonalen Jagdrechts verurteilt zu Fr. 50 Busse.

Béguin wurde gebüsst. wegen Hinausjagens vonWild aus einem Bannbezirk; während sich seine Hunde im Verlaufe der Jagd im Banngebiet herumtrieben, wartete Béguin schussbereit auf Wild,

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Béguin ersucht um Erläse der Busse. Seine Hunde hätten damals das Banngebiet in Verfolgung eines Fuchses betreten und nicht zurückgehalten werden können. Er gehe selten zur Jagd und sei kein Jagdfrevler. Die Anzeige sei vom Jagdaufseher nur erstattet worden, weil er, als neu angestellt, habe erbringen wollen, dass er jeweils auf dem Platze sei; eine Bestrafung habe er nicht bezweckt.

Das Polizeidepartement des Kantons Neuen bürg bemerkt, der Bestrafte wäre wohl bedingt verurteilt worden, wenn das Bundesreeht dies entsprechend dem kantonalen Eecht zugelassen hätte. Es sei dies ein Grund, der die gnadenweise Herabsetzung der Busse um die Hälfte befürworten lasse.

Die eidg. Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schreibt, der Richter habe auf Grund der Strafuntersuchung festgestellt, dass der Tatbestand des Hinausjagens von Wild aus einem Bannbezirk vorliege. Es könne nun nicht Sache der Begnadigungsbehörde sein, auf Grand der im Begnadigungsgesuch gegebenen Darstellung zu entscheiden: anderweitige Begnadigungsgründe würden nicht geltend gemacht, weshalb Abweisung beantragt werde.

Da die Mindestbusse gesprochen wurde und Béguin, allerdings in geringfügiger Weise, wegen Übertretung des Jagdgesetzes vorbestraft ist, b e a n t r a g e n wir ebenfalls Abweisung.

66. Iwan Jacobsohn, geb. 1875, Kaufmann, aus Hamburg (Deutsch: lanci).

(Patenttaxengesetz.)

66. Iwan Jacob sohn wurde am 25. Januar 1928 vom Bezirksgericht. Borschach wegen fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen die Verordnung über die-Kontrolle der Ausländer, Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni i 892 und des kantonalen Gesetzes über den Markt verkehr und das Hausieren verurteilt zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat und Fr. 200 Basse, wovon Fr. 150 wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes.

Jacobsohn besuchte in Borschach Wiederverkauf er zur Aufnahme von Bestellungen auf Scheren, Basiermessern und Basierklingen, ohne im Besitze der unentgeltlich verabfolgten, grünen Ausweiskarte,zu sein. In einem der Geschäfte wurde der unter falschem Namen Beisende als der von der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen Betrugs und Urkundenfälschung steckbrieflich verfolgte Jacobsohn erkannt, weshalb er .in der Folge wegen Gebrauchs falscher Ausweispapiere zu

155 .einem Monat Gefängnis verurteilt wurde; weiterhin wurde er den Bundesbehörden zuhanden des Auslieferungsverfahrens bekanntgegeben, und ist am 23. Februar 1928 ausgeliefert worden.

Mit Eingabe vom 1. Februar an den Begierungsrat des Kantons St. drallen ersuchte Jacobsohn um Erlass der Hälfte der Gefängnisstrafe, soweit sie in jenem Zeitpunkt noch unverbüsst war, ferner um Erlass oder Ermässigung der beiden Bussen von Fr. 150 und 50 und der Kosten. Er schildert sich als deutschen Kriegsbeschädigten, der bei dem furchtbaren Kampf ums Dasein, wie er heute in Deutschland herrsche, aus Sorge um seine Familie vom geraden Wege abgewichen sei. Hinsichtlich der Bussenbeträge wird m längeren Ausführungen auf die Valutaverhältnisse eingetreten.

Das Gesuch ist hinsichtlich der Gefängnisstrafe gegenstandslos geworden, da der Strafvollzug zeitlich mit dein anhängig gemachten Auslieferungsverfahren zusammenfiel. Hinsichtlich der Busse von Fr. 150 wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes schreibt das Justizdepartemcnt des Kantons St1. Gallen, der' Strafvollzug sei hierin sistiert ; ferner wird mitgeteilt, dass der Betrag aus der Verwandtschaft Jacobsohns beim Bezirksamt Borschach hinterlegt wurde.

Wir bemerken /u dem Gesuch mit dor Plandelsabteilung, dass die vom Bezirksgericht Korschach erkannte Busse von Fr. 150 zwar über das in solchen Fällen übliche Strafmass weit hinausgeht. Die Handelsabteilung schreibt, die Nichtbezahlung der unentgeltlichen Ausweiskarte bedeute bloss die Unterlassung einer Formalität; eine Busse von Fr. 5 oder Fr. 10 wäre genügend gewesen. Im Hinblick auf die "Person des Verurteilten, der in den Akten zutreffend als Schwindler bezeichnet wird, sehen wir uns jedoch nicht veranlagst, einer Begnadigung das. Wort zu reden.

Antrag: Abweisung.

67. Fritz Ermel, geb. 1854, Hausierer, Zollbrück (Bern).

(Mass- und Gewichtspolizei.)

67. Fritz Ermel wurde am 81. Juli 1922 vom Gerichtspräsidenten von Signau in Anwendung von Art. 25 des Bundesgesetzes über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909 zu Fr. 50 Busse verurteilt.

Ermel verwendete beim Einkaufen von Lumpen und Schweinsborsten eine ungeeichte Federwage.

Für Ermel wird um Erlass oder doch Ermässigung der Busse ersucht, weil dem bald siebzigjährigen gebrechlichen Mann, der sein Brot äusserst kärglich durch Einsammeln von Lumpen und Hadern

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verdiene, zur Bezahlung der Busse das Geld fehle. Staat und Gemeinde müssten froh sein, dass er sich ohne dauernde Unterstützung durchbringe. Wenn auf dem Urteil beharrt werde, drohe ihm die Umwandlungshaft; müsse er diese verbüssen, so stecke er den Handel mit Lumpen auf und melde sich zur Unterstützung..

Der Gemeinderat von Büderswil und der Begierungsstatthalter von Signau befürworten das Gesuch, wogegen der urteilende Richter bemerkt, Ermel sei keineswegs so harmlos, wie er geschildert werde; trotz vielfacher Belehrung und jeweiliger Konfiskation der ungeeichten Federwage sei er nicht davon abzubringen, sich stets erneut mit einer solchen zu versehen.

Auf -Grund dieser Mitteilung und des Vorstrafenberichtes stellen.

wir mit der kantonalen Polizeidirektion den A n t r a g , das Gesuch abzuweisen.

68. Friedrich Huber, geb. 1900, Fuhrmann, Horneggstrasse 3, Zürich 8, 69. Ernst Zaugg, geb. 1901, Handlanger, Belp (Bern), 70. Max Jäggi, geb. 1898, Koch, Bern, 71. Adrian Huber, geb. 1893, Beisender, Ölten (Solothurn), 73. Ernst Müller, geb. 1891, Beisender, Binningen (Baselland-Schaft).

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung · des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vorn 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 68. Friedrich Huber, verurteilt am 22. Mai 1922 vom Bezirksgericht Zürich zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 51 für 1921 betreffend.

Den Urteilserwägungen entnehmen wir, dass Huber schuldig befunden und verurteilt wurde (an Erwägung, dass der Angeklagte als alleinstehender Mann mit einem jährlichen Einkommen von Fr. 8600 sehr gut imstande war, die Steuer zu bezahlen und sich seine Böswilligkeit und sein Leichtsinn auch daraus ergibt, dass er seinen Verdienst zum grossen Teil mit Wirtschafts- und Kinematographenbesuch durchbringt und auch von dem Anerbieten der Militärbehörde, die Militärsteuer mit Arbeiten in der Kaserne abzuverdienen, keinen Gebrauch gemacht hat)'.

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Das für Huber nunmehr eingereichte Begnadigungsgesuch enthält zunächst den Hinweis, dass Huber, der vom Kreiskommando Zürich den Straf behörden am 28. März 1922 zur Anzeige gebracht und am 6. April erstmals einvernommen wurde, die in Betracht kommende Steuer in Eaten vom 10. und 24. April beglichen hat. Ferner wird festgestellt, dass die Anklageerhebung am 9. Mai, die Verurteilung am 22. Mai 1922 erfolgte. Da, Huber den Militärpflichtersatz demnach dem richterlichen Urteil vorgängig getilgt hat, wird unter Berufung auf die feststehende Praxis der Bundesversammlung in derartigen Fällen um Erlass der Freiheitsstrafe ersucht. Auch abgesehen hiervon sei Huber einer Begnadigung würdig.

In den Akten befindet sich ein Polizeibericht vom 28. März 1928, ferner eine Vernehnilassung der Staatsanwaltschaft und der Direktioft der. Justiz des Kantons Zürich, Aus dem Polizeibericht entnehmen wir, dass die Lebensführung Hubers, der ledig und ohne Unterstützungspflichten ist, in der trier in Betracht kommenden Zeit ungeordnet war; dagegen soll er sich seit der Verurteilung und der im Jahre 1922 bestandenen Eekrutenschnle gebessert haben, so dass ihm heute ein -gutes Führungszeugnis ausgestellt werden kann.

Die Staatsanwaltschaft schreibt, angesichts der Tatsache, dass in einzelnen Kantonen im Falle der Entrichtung des Militärpflichtersatzes bis zur Urteilsfällung von einer Bestrafung überhaupt abgesehen werde, erscheine es im Interesse einer gleichmässigen Gesetzesairwendung und zur Vermeidung von Unbilligkeit als geboten, dass auch im vorliegenden Falle die Begnadigungsbehörde eine Korrektur des Bichterspruches vornehme. Huber wäre es allerdings sehr gut möglich gewesen, rechtzeitig zu bezahlen; wie wenig sich der Gesuchsteller auch sonst um seine Verpflichtungen als Steuerzahler kümmere, ergebe sich daraus, dass er bis heute sowohl die Staats- als die Gemeindesteuern für die Jahre 1921/22 schuldig geblieben sei. Wollte man daher bei der Beurteilung des Begnadigungsgesuches lediglich auf die Gründe abstellen, aus welchen die Bezahlung der Militärsteuer unterblieb, so müsste die Frage, ob Huber einer Begnadigung würdig sei, wohl verneint werden. Allein diesen Gründen könne angesichts des überwiegenden Interesses an einer gleichmässigen Behandlung der Fälle von schuldhafter Nichtentrichtung der Mihtärsteuer nur
nebensächliche Bedeutung beigemessen werden. Es wird deshalb Begnadigung beantragt.

Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich bemerkt, die Begnadigungspraxis der Bundesversammlung erscheine nicht über jeden Zweifel erhaben; sie widerspreche dem Zweck des Bundesgesetzes,

158 welches das schuldhafte, gemeinschädliche Verhalten des sich weigernden Steuerpflichtigen treffen wolle, und berge die Gefahr in sich, dass gleichgültige oder böswillige Steuerpflichtige nicht bezahlen, bis eine strafrechtliche Anklage erfolge. Da aber die Bundesversammlung ihre Praxis kaum ändern werde und Huber sich überdies nach neueren Erhebungen zu seinem Vorteil zu verändert haben scheine, schliesst sich die Direktion der Justiz dem Antrage der Staatsanwaltschaft au.

Unserseits ziehen wir folgendes in Erwägung: Die Tatsache, dass das Bundesgesetz in den Kantonen eine verschiedene Auslegung erfährt, haben wir schon bei früherem Anlasse festgestellt: wir verweisen auf unsere Ausführungen zu den Anträgen Nrn. 21--23 des I. Berichtes über Begnadigungsgesuche vom 10. Mai 1921, Bundesblatt 1921, III, S, .141 ff., und die dortigen Hinweise. Ob die Praxis der Zürcher Gerichte oder die ihr entgegenstehende anderer Kantone zutreffend sei, lassen wir heute dahingestellt; immerhin erwähnen wir als Äusserung der entgegengesetzten Praxis einen Entscheid des bernischen Obergerichtes (Polizeikammer) vom 18, Februar 1909, abgedruckt in der Zeitschrift des bemischen Juristenvereins 1910, S. 88 ff. Wir verweisen auch auf das der eidg, Steuerverwaltung erstattete Gutachten der Bundesanwaltschaft vom 18. März 1928 in denBegnadigungsakten., Mit Kreisschreiben vom 19. Juni 1905 und vom 5. August 1907 hat das eidg. Justiz- undPolizeidepartementt den Kantonsregierungen von der Begnadigungspraxis der Bundesversammlung Kenntnis gegeben ; dabei wurde die erwünschte Einheitlichkeit der Gerichtspraxis darin erblickt, dass von Bestrafung abgesehen werde, wenn der säumige Schuldner zahle, bevor das gerichtliche Urteil gesprochen werde. Der Inhalt des Kreisschreibens entspricht der Gesetzesauslegung derjenigen Gerichte, die davon ausgehen, dass die N i c h t e n t r i c h t u n g desMilitärpflichtersatzess einTatbestandsmerkmall des in Frage stehenden Vergehens sei. weshalb es bei erfolgender E n t r i c h t u n g an einer Voraussetzung des o b j e k t i v e n Tatbestandes und damit der Strafbarkeitfehle..

Unter diesen Umständen besteht jedenfalls im heutigen Zeitpunkt kein zwingender Grund, von der ständigen Praxis der Begnadigungsbehörde abzugehen; besonderen Verhältnissen kann insofern Rechnung getragen werden,
als sich Bundesrat und Bundesversammlung das Recht wahren, allenfalls lediglich von der b e d i n g t e n Begnadigung Gebrauch zu machen (Bundesblatt 1921, III, S. 141 ff.) ; der Vollständigkeit halber erwähnen wir auch heute den Fall Flockiger (Bundesblatt 1908, III, S. 880). als Einzelfall, wo die Wohltat der Begnadigung überhaupt verweigert wurde und Abweisung erfolgte.

159 In Sachen Huber b e a n t r a g e n wir deshalb bedingungslose Begnadigung, weil Huber, der im Jahre 1921 bei der sani tarischen Untersuchung für ein Jahr zurückgestellt wurde, heute militärdienstpflichtig ist. Er kommt somit voraussichtlich nicht mehr in den Fall, zum Militärpflichtersatz herangezogen zu werden; ferner ziehen wir in Betracht, dass die neueren Erhebungen über den Gesuchsteller günstiger lauten.

Schliesslich benutzen wir den Anlass, zu bemerken, dassdie Kontroverse in der Auslegung des jetzigen Gesetzes in dem den Bäten zurzeit vorgelegten Gesetzesentwurf betreffend den Militärpflichtersatz ihre Lösung finden dürfte ; für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes kann auch eine allfällige Änderung der Begnadigungspraxis vorbehalten werden.

69. Ernst Z a u g g , verurteilt am 2. März 1928 vom Gerichtspräsidenten von Seftigen zu 4 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 81. 60 für 1922 betreffend.

Zaugg ersucht um Begnadigung. Laut Mitteilung des Sektionschefs von Belp hat er den Steuerbetrag in Baten vom 6. Februar und 1. März, somit der Beurteilung vorgängig, getilgt. Nach den Akten hatte er mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Verurteilung erging in Unkenntnis der Zahlungen.

Wir b e a n t r a g e n mit den kantonalen Behörden die gänzliche Begnadigung.

70. Max Jäggi, verurteilt am 12. Dezember 1921 vom Gerichtspräsidenten von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 37. 50 für 1919 betreffend.

Jäggi ersucht um Erlass oder Umwandlung der Gefängnisstrafe in Busse, da er die Militärsteuer nachträglich bezahlt habe und nicht vorbestraft sei.

Da die über Jäggi eingezogenen Erkundigungen günstig lauten er wird als unbescholtener, junger Mann bezeichnet, der einen durchaus guten Eindruck mache --, stellen wir mit den kantonalen Behörden den A n t r a g , Jäggi die Freiheitsstrafe bedingt zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren und Hervorhebung der Bedingung, dass er während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe, insbesondere nicht neuerdings die Entrichtung der Militärsteuer schuldhaft unterlasse.

71. Adrian Huber, verurteilt am 20. Dezember 1922 vom Amtsgericht Olton-Gösgen zu 4 Tagen Gefängnis, dio Militärsteuer von Fr. 57. 60 für 1922 betreffend.

160 Huber ersucht mit Schreiben vom 5. Februar 1928 um Begnadigung ; er habe Fr. 80 bezahlt und stelle baldige Begleichung in Aussicht.

Die rechtzeitige Entrichtung der Steuerschuld sei ihm nicht möglich gewesen; 9 Jahre lang habe er ordnungsgemäss bezahlt, heute jedoch sei er mit seiner Familie in Not, Mit Eingabe vom 24. März ersucht Huber weiterhin um Zahlungsaufschub, wiederum unter Hinweis auf seine Schuldenlast.

In den Akten befinden sich zwei Polizeiberichte, aus denen sich ergibt, dass Huber in bedrängter Lage ist ; von mehreren Gläubigern ist er kürzlich betrieben worden, wobei diese zu Verlust kamen.

Seine Lebensführung gebe zu Klagen weiter nicht Anlass; seinen Steuerpflichten könnte er jedoch bei besserem Fleiss in seinen Arbeitsstellen und bei sparsamerem Leben gut nachkommen. Huber weist aus dein Jahre 1918 wegen qualifizierten Betrugs eine grössere Freiheitsstrafe auf.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn nimmt Stellung in Vernehrnlassungen vom 19. Februar und 17. April 1928. Zunächst wird berichtet, die Verurteilung sei in Unkenntnis der zwei Tage vorher geleisteten Anzahlung von Fr. 30 ergangen; der Umstand, dass Huber im Jahre 1922 während 5 Monaten arbeitslos gewesen ist, sowie die Tatsache bestehender Krankheit während eines Monates, werden vermerkt, ebenso die im Jahre 1913 ergangene Freiheitsstrafe. Gestützt darauf beantragte das Pohzeidepartement am 19. Februar Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu einem Tag, unter der Voraussetzung, dass Huber die Restschuld bis zum 15, März tilge. Wie die nachträgliche Eingabe Hubers vom 24. März ergibt, hat er die Zahlungsfrist nicht innehalten können. In seinem Schreiben vom 17, April beantragt das Polizeidepartement deshalb, das Eintreten auf das Gesuch nicht mehr von der nachträglichen Tilgung der Eestschuld abhängig zu machen. Huber, der stark in Schulden stecke und gegenwärtig nicht einmal in fester Stellung sei, werde wohl kaum in absehbarer Zeit Zahlung leisten können. Eine gänzliche Abweisung werde nicht als gerechtfertigt erachtet, weil immerhin die der Verurteilung vorgängig erfolgte Teilzahlung bestehe. Der Erlass von einem oder zwei Tagen erscheine als angezeigt. Dor Gesuchsteller hat inzwischen am 27. April a. c. den Eestbetrag von Fr. 27.60 bezahlt.

Unserseits wollen wir zugunsten des Gesuchstellors berücksichtigen,
dass er nachweislich in bedrängten Verhältnissen war und noch ist. Unter diesen Umständen möchten wir, da die Vorstrafe ca.

10 Jahre zurückliegt, dorn Gesuchsteller die bedingte Begnadigung gewähren und b e a n t r a g e n dieselbe Erledigung wie bei Jäggi.

161 72. Ernst Müller, verurteilt am 8. März 1928 vom Polizeigericht von Ariesheim zu 9 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 189 für die Jahre 1914--18 und 1921 betreffend.

Müller ersucht um Begnadigung mit der Begründung, infolge von andauernder Arbeitslosigkeit, schlechtem Gesundheitszustand und Familienlasten ausserstande gewesen zu sein, rechtzeitig zu zahlen.

Soweit die Eingabe vom 81. März bezweckte, Strafaufschub zu erlangen, ist dem Gesuchsteller entsprochen worden ; die geltend gemachte neue Arbeitsstelle hat er somit antreten können.

Zum Begnadigungsgesuch selbst schreibt die Polizeidirektion des_ Kantons Basellandschaft, nach Einsicht der Akten und des Vorstrafenverzeichnisses halte sie dafür, dem Gesuch könne nicht entsprochen werden. Es scheine doch Gleichgültigkeit vorzuliegen; für den im Gesuche behaupteten geschwächten Gesundheitszustand liege ein ärztlicher Beleg nicht vor.

Im Anschluss an diese Stellungnahme bemerken wir zunächst, dass Müller aus den Jahren 1910--1920 zehn Vorstrafen aufweist, worunter eine Anzahl Freiheitsstrafen. Mit Urteil vom 20. März 1919 wurde er vom Polizeigericht Ariesheim wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuer zu 3 Tagen Gefängnis verurteilt ; das damals eingereichte Begnadigungsgesuch wies die Bundesversammlung antragsgemäss ab (Nr. 10 des Berichtes vom 7. November 1919, Bundesblatt 1919, V, S. 341/42).

Unter diesen Umständen erweckt Müller u. E. vom Gesichtspunkte der Begnadigung kein besonderes Interesse. Immerhin beantragen wir Ermässigung der Freiheitsstrafe von 9 bis zu 6 Tagen, Die Überprüfung des Urteils vom 8. März 1923 ergibt nämlich, dass der Gesuchsteller unter anderem auch wegen der Nichtentrichtung des Militärpfliohtersatzes für 1918 verurteilt wurde; diesbezüglich ist er aber bereits in dem oben genannten Entscheid vom 20. März 1919 verurteilt worden. Das Bundesgesetz bestimmt nun ausdrücklich, dass -wegen Nichtbezahlung des nämlichen Steuerbetrages nur einmal Strafe verhängt werden solle; mit unserem Antrag bringen wir die ·3 Tage Gefängnis vom 20, März 1919 in Abzug.

73. Franz Bergmann, geb. 1882, gew. Musiker, hernach Waffenhändler in Zürich, nunmehr ausser Landes, 74. Robert Heizmann, geb. 1891, Eisenhändler, St. Margrethen (St, Gallen), Bundesblatt. 75. Jahrg.

Bd. II,

12

162 75. Gottlieb Wacker, geb. 1876, Wirt, Staad (St. Gallen), 76. Karl Humpeier, geb. 1901, Handelsangestellter, Höchst (Vorarlberg), 77. Friedrich Neeser, geb. 1884, Bäckermeister, Güttingen (Thurgau), 78. Johann Portmann, geb. 1891, Agentur und Kommission, Dornbirn (Vorarlberg), 79. Friedrich Wiedersheim, geb. 1886, Kaufmann, Kreuzungen (Thurgau), 80. Rosa Kempter, geb. 1876, Näherin, Konstanz, 81. Emu Schilling, geb. 1888, 82. Franz Leuch, geb. 1898, 83. David Leuch, geb. 1899, 84. Alois Leuch, geb. 1908, alle Landwirte und Fischer in Landscblacht (Thurgau).

(Übertretung des Pulverregals und Zollgesetzes.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über das Pulverregal vom 30. April 1849 bzw. des Zollgesetzes vom 28. Juni 1893 und zudienender Erlasse sind gebüsst worden: 78, Frans; Bergmann, am 7. April 1922 von der eidgenössischen.

Kriegsmaterialverwaltung solidarisch mit dem. von ihm Angestifteten mit Fr. 7205, unter Nachlass eines Drittels wegen sofortiger Unterziehung, so dass verbleiben Fr. 4803. 30.

Bergmann Hess auf seine Rechnung 6900 Stück Flobertmunition über die Grenze schmuggeln. Zum Schmuggel waren insgesamt 15,000 Stück bestimmt.

Dem von Bergmann eingereichten Begnadigungsgesuch gegenüber beantragte der Bundesrat in Nr. 124 des II, Berichtes vorn 22. November 1922 (Bundesbl. 1922, III, 738) Abweisung; gemäss Antrag der Begnadigungskoinmission beschloss die Bundesversammlung in der Dezembersession Bückweisung an den Bundesrat. Die Begnadigungskommission äusserte sich in ihrem Bericht vom 29. November 1922 zu der Angelegenheit wie folgt: «Die von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung geübte Administrativjustiz wird Veranlassung zu einer grundsätzlichen Aussprache geben. Dies soll im Zusammenhang mit andern bevorstehenden derartigen Fällen geschehen. Im Falle Bergmann ist überdies eine neue Untersuchung im Gange, deren Resultat abzuwarten ist.»

163

Wir beehren uns, Ihnen heute die Angelegenheit mit nachstehenden Ausführungen neuerdings zu unterbreiten: Zunächst ist mitzuteilen, dase Bergmann inzwischen mit Strafentscheid der eidgenössischen Kriegsmaterial-Verwaltung vom 20. Dezember 1922 wegen Übertretung des Pulverregals wiederum gebüsst worden ißt; diesmal wurde auch die Ehefrau gebüsst, Bergmann ist beschuldigt, am 28. September 1922 10,000 Flobertrundkugelpatronen im Werte von Fr. 450 gekauft zu haben, obschon er wusste, dass sie widerrechtlich eingeführt waren. Er hat ferner nach Zusicherung, dass er jederzeit Munition abnehme, ebensolche Patronen im Werte von Fr. 900 in Verwahrung nehmen lassen; die Ehefrau hat 18,000 Patronen im Werte von Fr. 810 in Verwahrung genommen. Bergmann wurde mit Fr. 2700, die Ehefrau mit Fr. 405 gebüsst. Da eine Unterziehung nicht erfolgte, sind die Eheleute Bergmann mit drei weiteren Mitbeteiligten, worunter die, Eheleute Heizmann, am 19. Februar 1928 zur Beurteilung den kantonalen Strafbehorden überwiesen worden; das Urteil steht noch aus.

Über Bergmann sind inzwischen erneut polizeiliche Erhebungen angeordnet worden; wir verweisen anï den Zürcher Polizeibericht vom 6. Februar. Daraus ergibt sich, dass Bergmann im Januar seine Möbel und sein Waffenlager verkauft hat und mit seiner Ehefrau in seine Heimat, nach Sulzfeld in Bayern, verzogen ist.

Nach Auffassung der beteiligten Fiskalverwaltungen hat sich der Gesuchsteller mithin dem Strafvollzug durch Flucht entzogen.

Unter diesen Umständen ist der sistiert gewesene Strafvollzug an die Hand genommen worden; es handelt sich um die Verwertung der von Bergmann hinterlegten 8 Fernrohre'im Werte von ea. Fr. 800, sowie von 40 Jagdflinten im Werte von ca. Fr. 1400. Wir geben Ihnen hiervon Kenntnis und wiederholen gleichzeitig in der Begnadigtmgsangelegenheit unsern Abweisungsantrag.

74. EobertHeizmann, am 7. August 1922von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung mit Fr. 23,998. 75 gebüsst. Dieser Betrag setzt sich aus zwei Bussen zusammen ; die erste, in der Höhe von Franken 19,998.75, betrifft einen fortgesetzton Einfuhrschmuggel, begangen gemeinsam mit Kasimir Weiss, wobei Flobertkugel- und Flobertschrotpatronen im Werte von Fr. 8998.75 geschmuggelt wurden. Die aweite Busse, in der Höhe von Fr. 4000, bezieht sich auf den Schmuggel von Munition im Werte
von ca. Fr. 800, begangen von Heizmann und Karl Humpeler.

Heizmann ersucht mit Eingabe vom 26. Oktober 1922 um Ermässigung der Bussen bis zu Fr. 1000. Zunächst bemerkt er, an gleichzeitig ergangenen Zollbussen, einfachem .Zollbetrag und Kosten Fr. 4848. 50 bezahlt zu haben. Die Begleichung der weiteren Fiskal-

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bussen sei für ihn ein Ding der Unmöglichkeit, indem der Gesarutbussenbetrag seine Leistungsfähigkeit bei weitem übersteige. Als Gewerbetreibender leide er furchtbar unter den Valutaverhältnissen; sein Verdienst sei so, dass er bei sehr sparsamem Haushalt mit seiner Familie kaum auskommen könne. Eine Abweisung des Gesuches bringe dem Fiskus kern Geld, dem Gesuchsteller aber Gefängnis.

In den Akten befindet sich ein Bericht der Kantonspolizei St.

Gallen, auf den wir hiermit Bezug nehmen.

Die eidgenössische Kriegsmaterialverwaltung beantragt Abweisung des Gesuches. Nach ihrem Bericht erscheint Heizmann als eigentlicher Organisator von Schmuggelunternehnmngen ; zu gleicher Zeit, da er das zur Erörterung stehende Begnadigungsgesuch einreichte, habe er sich einer neuen Übertretung des Pulverregals schuldig gemacht. Infolge der Machenschaften Heizmanns und anderer nehme der Munitiorrsschmuggel eine gewaltige Ausdehnung ; dadurch werde nicht nur der Fiskus schwer geschädigt, sondern auch die Geschäftsmoral der im legajen Munitionshandel tätigen Kreise in Mitleidenschaft gezogen.

Nach Überprüfung der Akten und Mitberichte halten wir dafür, die Angelegenheit sei zurzeit noch nicht spruchreif. Es ist für uns nicht unwesentlich, dass die erneute Übertretung des Pulverregals, die Heizmann zur Last gelegt wird, infolge Nichtunterziehung des Beschuldigten vom Mih'tärdepartement zur Beurteilung den kantonalen Straf behörden zugewiesen wurde. Da es sich-- anders als heute bei Bergmann -- um einen im Inland ansässigen Gewerbetreibenden handelt, möchten wir die Angelegenheit nicht kurzweg erledigen, sondern zunächst das Urteil in der neuesten Strafsache abwarten.

Wir bemerken aber schon jetzt, dass uns eine Abweisung des Gesuches von dem Gesichtspunkte aus erwägenswert erscheint, dass nicht auf der Eintreibung der auffällig hohen Busse beharrt werden soll, sondern ihre Umwandlung in drei Monate Gefängnis in den Vordergrund gerückt wird. Letzten Endes dürfte zutreffen, dass die Person Heizmanns vom Standpunkte des Begnadigungsverfahrens kein allzu grosses Interesse verdient. Es sei schon hier auf die hiernach folgenden Gesuchsanbringen von Humpeier verwiesen.

Wir stellen somit heute den Antrag, die Angelegenheit an den Bundesrat zurückzuweisen zwecks erneuter Vorlage zu gegebener Zeit.

75. Gottlieb Wacker,
wie'folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung am 7. August 1922 wegen Gehilf enschaft bei der von Heizmann und Weiss begangenen Pulverregalsübertretungen mit Fr. 7996.50, wobei die

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zu bezahlende Busse infolge Nachlasses eines Drittels Fr. 5381 ausmacht; b. vom eidgenössischen Zolldepartement am 28. Juni 1922 wegen gleichzeitiger Zollübertretung, gemeinsam mit Heizmann und Weiss, zu einer Busse im ISfachen Betrag des umgangenen Zolles, d, h. zu Fr. 5794. 20.

Wacker wurde verurteilt infolge der mit Weiss getroffenen Vereinbarung, wonach er Bäumlichkeiten seiner Wirtschaft in Staad zum Unterbringen von Waren zur Verfügung stellte, die Weiss in einer Gondel über den See her brachte. Es handelt sich um die geschmuggelte Munition, die in Paketen eingestellt und in der Folge von Heizmann oder Weiss abgeholt wurde.

Für Wacker wird ersucht, die ihm von der Kriegsmaterialverwaltung auferlegte Busse zu erlassen oder doch bis zu einem ganz geringen Betrag zu ermässigen. Wacker habe den Inhalt der Pakete nicht gekannt und sich auch nicht darum bekümmert; immerhin habe er, und so weit gehe sein Verschulden, mit der Möglichkeit gerechnet, dass es sich um Schmuggelware handle. Er sei aus dem Schmuggel nicht etwa gèwinnberechtigt geworden ; der einzige Vorteil aus seiner Gefälligkeit habe im Verkauf von ein paar halben Litern Wein an Heizmann und Weiss bestanden. Die Unterziehungserklärung Wackers belege seinen guten Willen; im übrigen habe er sich jedoch damit der Möglichkeit beraubt, die Angelegenheit an die Gerichte zu ziehen, wozu aller Anlass bestanden hätte, indem der Strafentscheid nicht nur ausserordentlich hart, sondern auch in rechtlicher Hinsicht sehr anfechtbar sei. In diesem Sinne wäre zu sagen, Wacker habe wohl mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass er sich an einer Zollübertretung beteilige, dagegen habe er vom Bestehen eines Pulverregals keine Ahnung gehabt. Die Kenntnis dieses Gesetzes könne ihm nicht zugemutet werden, da er nicht in der Schweiz aufgewachsen sei. Weiter wäre darauf hinzuweisen, dass das Pulverregalsgesetz einzig den Täter strafbar erkläre. Endlich scheine auch die Berechnung des Warenwertes, wie sie der Bussenbemessung zugrunde liege, anfechtbar; denn regalpflichtig sei nicht die Munition, sondern nur das als Treibmittel dienliche Pulver. Jedenfalls aber sei die Busse im Verhältnis zum Verschulden Wackers «ganz ungeheuerlich übersetzt»; dasselbe sei der Fall im Verhältnis zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit. Eine Bezahlung sei ausgeschlossen; die
Verbüssung von Umwandlungshaft aber wäre ihrerseits eine ausserordentliche Härte.

Der von den kantonalen Polizeibehörden über Wacker eingeholte Leumundsbericht lautet günstig. Er ist seit etwas mehr als Jahres-

166 frist Pächter der Wirtschaft und Badanstalt zum Anker in Staad. Der Betrieb dürfte, namentlich da Wacker in kinderloser Ehe lebt, ein genügendes Einkommen gewähren; jedoch handelt es sich um bescheidene Verhältnisse. Vermögen kommt nicht in Betracht, Auch der von der Oberzolldirektion beschaffte Bericht lautet günstig.

Die eidgenössische Kriegsmaterialverwaltung befürwortet gestützt auf die eben genannten Berichte Herabsetzung der Busse von Fr, 6881 auf Er. 1300, mit dem Bemerken, dieser Betrag entspreche ungefähr dem halben Wert der geschmuggelten Munition. Im Anschluss an diesen Bericht bemerken wir zunächst, dass u. E. kein Anlass vorliegt, im Begnadigungswege die Schuldfrage auf zuwerf en; einmal spricht das Pulverregalgesetz keineswegs vom «Täter», sondern von «Zuwiderhandlungen», wozu noch kommt, dass die Bestimmungen des Bundesstrafrechts über Teilnahme subsidiär Anwendung finden.

Dagegen mag nach den heute vorliegenden Berichten über den Gesuchsteller und angesichts der ihn nicht schwer belastenden Verumständnngen allerdings zugegeben werden, dass sich eine weitgehende Ermässigung der Busse rechtfertigt.

Wir beantragen dieselbe Ermässigung wie die KriegsmaterialVerwaltung: Herabsetzung der Busse von Fr. 5381 auf Fr. 1800.

76. Karl Humpeier, wie folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung am 7. August 1922 wegen der mit Heizmann begangenen Pulverregalsübertretungen zu Fr. 1600 Busse unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr. 1066. 65; b. vom eidgenössischen Zolldepartement am 28. Juni 1922 wegen gleichzeitiger Zollübertretimg, gemeinsam mit Heizmann und einem Dritten, zu einer Busse im ISfachen Betrag des umgangenen Zolles, d. h. zu Fr. 1887. 80,. unter Nachlass eines Neuntels im Betrage von Fr. 209. 70.

Humpeier hat auf Anstiften von Heizmann hin 45,000 Stück Bandzunder- und Flobertrundkugelpatronen eingeschmuggelt.

Er ersucht um Erlass der von der Kriegsmaterialverwaltung ausgesprochenen Busse und schreibt wörtlich: «Wie schon aus dem Urteile hervorgeht, bin ich zu dieser Handlung von Heizmann tatsächlich verleitet worden. Dem Heizmann mussten unter allen Umständen die Bestimmungen des eidgenössischen Pulverregals bekannt sein, trotzdem hat er mir vor der Handlung kein Wort von diesen Bestimmungen gesagt, und mir als Österreicher waren und konnten solche Bestimmungen nicht bekannt sein. Ich bedaure die gemachte Handlung ausserordentlich und hätte sie auch nicht begangen, wenn Heiz-

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mann nicht immer und immer wieder auf mich hereingeredet hätte.

Nur durch Versprechungen grosser Verdienste habe ich mich leider verleiten lassen.» Ferner erinnert der Gesuchsteller an die Österreichischen Valutaverhältnisse; die Summe von Fr. 1066. 65 sei für ihn unerschwinglich, da er nicht über Schweizert'ranken verfüge. Das hinterlegte Schweizergeld sei ihm von benachbarter Seite vorgeschossen worden.

In den Akten befindet sich eine Auskunft, nebst Leumundszeugnis, erstattet von der Gemeindevorstehung Höchst. Wir entnehmen ihr, dass Humpeier sich im Trödlereigewerbe seines Vaters betätigt und im Monat, in Franken umgerechnet, ca. Fr. 270 verdient ; er ist ledig und gut beleumdet.

Die eidgenössische Kriegsmaterialverwaltung beantragt in Würdigung der von Humpeier geltend gemachten Anbringen Herabsetzung der Busse um die Hälfte, d. h. bis zu Fr. 538. 35. Wir b e a n t r a g e n dieselbe Erledigung.

77. Friedrich Neeser, wie folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung am 26. Dezember 1922 zu einer Busse von Fr. 800, unter Nachlass eines Drittels, so dass'verbleiben Fr. 200; b. von der Direktion des II. Zollkreises am 29. Dezember 1922 zu einer Busse von Fr. 39. 60.

Anlässlich einer Untersuchung ist festgestellt worden, dass Neeser, Bäckermeister, in seinem Hause 1300 Stück Randfeuerpatronen ausländischer Herkunft aufbewahrte; vorher, nämlich im Laufe des Sommers 1922, hat er bereits 600 Stück der gleichen Munition einem Flobertschiessverein verkauft. Da es sich um Munition handelt, die nach Mitteilung der ausländischen Fabrik in den Jahren 1920 und 1921 hergestellt worden ist, währenddem der Beschuldigte über ihren Erwerb wenig glaubwürdige Angaben machte und behauptete, die Munition schon seit langen Jahren zu besitzen, legten die Kriegsmaterialverwaltung und die Kreiszolldirektion dem Beschuldigten zur Last, die Munition bèi seinen zahlreichen Grenzübertritten selbst eingeführt zu haben.

In einem an den Bundespräsidenten gerichteten Begnadigungsgesuch wiederholt Neeser seine früheren Anbringen über die Herkunft der Munition; er beteuert, nicht eine Patrone geschmuggelt zu haben.

Weiterhin schildert er seme Familien- und Erwerbsverhältnisse, wobei or geltend macht, durch Krisis und Krankheiten in Schulden geraten zu sein. Ferner versichert er, stets ehrlich gewesen zu sein, bezeichnet die Bussen als «wahnsinnig» und wirft die Frage auf, ob sein Name der Schande hingegeben werden solle.

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Die eidgenössische Oberzolldirektion und die Kriegsmaterialverwaltung beantragen unter einlässlicher Berichterstattung über Neeser, das Begnadigungsgesuch abzuweisen. Wenn wir diese Anträge übernehmen, so machen wir zunächst geltend, dass Neeser wegen verbotener Waffen- und Munitionseinfuhr seinerzeit vom Territorialkommando VII unter zwei. Malen gebüsst worden ist und weiterhin wegen Zollübertretungen drei Vorstrafen aufweist. Er steht somit keineswegs so harmlos da, wie er in den Gesuchsanbringen darzutun versucht; die Abfassung des Gesuches erweist sich gerade hierin und auch in andern Punkten als übertrieben und gesucht, so auch wenn Ton einer «wahnsinnigen» Busse die Rede ist. In Wirklichkeit sind die Bussen nicht hoch, auch kann auf Grund des Berichtes der Zollkreisdirektion von Schaffhauseri gesagt werden, dass sie nach den Verhältnissen, in denen Neeser lebt, für diesen durchaus erschwinglich sind.

Nachdem sich Neeser, nach vorheriger Besprechung mit einem Bechtsanwalt, entschlossen hat, von der Veranlassung des gerichtlichen Verfahrens abzusehen, bestehen keine zwingenden Gründe, unsererseits im Begnadigungswege auf die Tat- und Schuldfrage zurückzukommen. Wir beantragen unter diesen Umständen, das Gesuch mit Bezug auf die beiden Fiskalbussen abzuweisen.

78. Johann P o r t m a n n , von der eidgenössischen Kriegsmaterial Verwaltung am 9, Mai 1922 mit Fr. 900 gebüsst, unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr. 600.

Portmann versuchte. 5000 Stück Flobertmunition in den Kleidern versteckt in die Schweiz einzuführen.

Er ersucht um Erlass der Busse und bemerkt zunächst, er sei Schweizerbürger, -wohne zeitlebens im Vorarlbergischen und habe für 8 Kinder zu sorgen; er beziehe keinen festen Gehalt, sondern sie auf Vermittlungen angewiesen: Die Fr. 600 betrügen in Kronen eine Summe, die er auf Jahre hinaus nicht begleichen könne.

Das Zollamt Monstein befürwortet das Gesuch, da Portmann ohne Vorstrafen sei. Die in derselben Sache ergangene Zollbusse von Fr. 54 und den einfachen Zollbetrag hat Portmann beglichen. Die Zolldirektion in Chur halt Herabsetzung der Busse bis zu einem Drittel für angebracht.

Mit der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung beantragen wir Ermässigung der Busse uni die Hälfte.

79. Friedrich Wiedersheim, wie folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltiing solidarisch mit andern KU einer Busse von Fr. 10,020 unter Nachlass eines Drittels, so dass an gemeinsamer Busse verbleiben Fr; 6680;

169 b. vom eidgenössischen Zolldepartement solidarisch mit andern zu einer Busse im Betrage von Fr. 1046. 75, unter Nachlass eines Drittels, so dass an gemeinsamer Busse verbleiben Fr. 697. 50.

80. Uosa Kempter, wie folgt gebüsst: a. von der Kriegsmaterialverwaltuug zu einer Busse von Fr, 835, unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr. 556. 70; b. vom Zolldepartement zu einer Busse von Fr. 232. 50, unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr, 155.

81--84. Emil Schilling, Franz Leuch, David Leuch, Alois L euch, wie folgt gebüsst: a. von der Kriegsmaterialverwaltuug, gemeinsam mit einem Fünften, zu einer Busse von Fr. 6680, unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr. 4458. 85; b. vom Zolldepartement zu einer Busse von Fr. 1743, 75, unter Nachlass eines Drittels, so dass verbleiben Fr, 1162. 50.

Die unter Nrn. 79--84 Genannten sind in dieselbe Angelegenheit betreffend Pulverregals- und Zollübertrotung verwickelt; auf Grund der Akten und der Strafentscheide des Zolldepartementes vom 10. Januar 1923 und der Kriegsmaterialvenvaltung vom 17. Oktober 1922 ergibt sich: In Betracht kommt ein zwischen Wiedersheim, einem Konstanzer .Munitionslieferanten und einem unermittelt gebliebenen Dritten verabredeter fortgesetzter Munitionsschmuggel. Die Ware wurde von Ernst Halder, einem deutschen Fischer von Staad bei Konstanz, über den Bodensee geschmuggelt, d. h. Halder übergab sie zum Teil in der Seemitte, zum Teil am schweizerischen Ufer den Fischern Schilling und Leuch, Diese hinwiederum gaben die Munition weiter an Wiedersheim in Kreuzungen, der sie seinerseits im Auftrage des Konstanzer Lieferanten nach Müllheim verbrachte und daselbst einem ihm angeblich Unbekannten übergab. Den schriftlichen Verkehr zwischen Wiedersheim und den Konstanzer Lieferanten vermittelte B osa Kempter. Es handelt sich um 33,000 Stück Flobertpatronen.

Zur Behandlung stehen nunmehr folgende Begnadigungsgesuche : Nr. 79. Wiedersheim ersucht, ihm die Bussen ganz oder ssum gröesten Teil zu erlassen. Hierzu bringt er an, in der Angelegenheit eine ganz untergeordnete Rolle gespielt zu haben, indem er gegen einen Botenlohn von ca. Fr. 100 lediglich Mittelmann gewesen sei.

Zu den Machenschaften habe ihn die Not veranlasst ; 25 Jahre habe er in Deutschland gelebt und in Weil eine eigene Eisenhandlung betrieben.

Im Jahre 1919 hätten ihn die Verhältnisse in Deutschland gezwungen,

170 in die Heimat zurückzukehren. In der Folge habe sich die damals vorhandene Aussicht, mit einem Brüder ein Geschäft zu betreiben, zerschlagen. Jetzt suche er seine Familie mit Vertretungen durchzubringen, sei aber in grosse Bedrängnis geraten. Die Bussenbeträge könne er unmöglich aufbringen; es drohe ihm die Umwandlungshaft und damit der Ruin der Familie.

Sowohl die Oberzolldirektion wie die Kriegsmaterialverwaltung beantragen Abweisung, da Wiedersheim keine besondere Nachsicht verdiene. Eine Begleichung der Bussen werde zwar kaum zu erwarten sein, indem die über Wiedersheim eingezogenen Erkundigungen seine misslichen Verhältnisse bestätigten; mit dem Bekanntwerden seiner Schieber- und Schmugglergeschäfte habe er das Vertrauen der Leute verloren. -- Weiterhin wird hervorgehoben, Wiedersheim hätte durch Nennung seiner Abnehmer die Sachlage wesentlich zu seinen Gunsten beeinflussen können, er habe dies aber abgelehnt.

Wir b e a n t r a g e n auf Grund dieser Stellungnahmen Abweisung zurzeit ; sollte es zur Anordnung der Umwaudlungshaf t kommen, so .liesse sich noch immer prüfen, ob ihm allenfalls diese teilweise erlassen werden kann.

Nr. 80. Rosa K e m p t e r ersucht um Erlass der Bussen. Die "Vermittlung der Briefe sei nicht Gehilfenschaftshandlung, auch komme nur ein einziger Brief in Betracht, den sie, ohne sich um den Inhalt zu kümmern, aus Gefälligkeit besorgt habe. Die Unterziehungserklärung habe sie lediglich unterschrieben, weil ihr gesagt worden sei, andernfalls werde sie bis zur Abgabe der Unterschrift in Haft gesetzt.

Km Bekräftigung ihrer Anbringen gibt sie eine Versicherung an Eidesstatt ab. Ferner wird gesagt, die Gesuchstellerin sei eine arme, vermögenslose Frau, die für 4 Kinder sorgen müsse und als Näherin von der Hand in den Mund lebe.

Die Oberzolldirektion und die Kriegsraaterialvervvaltung sprechen sich auch hier für Abweisung aus. In tatbeständlicher Hinsicht bemerkt die Zollverwaltung, der Umstand, dass sich die Bestrafte bei ihrer Gehilfentätigkeit eines körperlichen Gebrechens bedient habe -- indem sie den beschlagnahmten Brief im Lederrohr ihres künstlichen Fusses versteckt mit sich trug --, falle erschwerend in Betracht. Auch sei die nachträgliche Behauptung, bloss einen Brief vermittelt zu haben, unrichtig, ebenso die Angabe, die Unterzeichnung des Strafprotokolls
sei unter Androhung der Inhaftsetzung erlangt worden; für Einzelheiten verweisen wir auf den Bericht selbst. Die ausgefällten Bussen seien mässig gehalten; angesichts des derzeitigen Markknrses werde die Gesuchstellerin' zwar nicht zahlen können. Die tatsächliche Wirkung der Strafentscheide werde unter diesen Umständen darin

171 bestehen, dass die Bestrafte, um der Umwandlungshaft zu entgehen, unser Land bis auf weiteres nicht mehr betrete; wenn solche Elemente ferngehalten würden, sei dies aber nur von Vorteil.

Die Kriegsmaterialverwaltung schreibt, der gänzliche 'Erlass der Busse komme von vornherein nicht in Frage ; bei den vorhandenen Valutaverhältnissen bestehe die geltend gemachte Zahlungsunfähigkeit aber auch bei einer teilweisen Begnadigung. Anderweitige Begnadigungsgründe würden überhaupt nicht geltend gemacht.

Gestützt auf diese Berichte beantragen wir auch hier Abweisung zurzeit, in der Meinung, dass der Gesuchstellerin allenfalls nach Verlauf einer gewissen Zeit eine teilweise Begnadigung gewährt werden könnte.

Nrn. 81--84. Für Schilling und die drei Brüder Leuch wird um Erlass der wegen Übertretung des Pulverregals erkannten gemeinsamen Busse von Fr. 4458. 35 ersucht. Sie hätten aus reiner Gutherzigkeit gegenüber dem deutschen Fischer Halder mitgewirkt und ein einziges Mal 1000 Mark, d.h. bei den damaligen Kursen 2 bis 3 Fr., erhalten. Ferner wird das sofortige Geständnis hervorgehoben und weiterhin gesagt, die Busseneintreibung bzw. die drohende TJmwandlungshaft würde die Leute geradezu ruinieren. -- Die Zollbusse haben sie bezahlt; jedoch mussten sie hierzu ein Darlehen aufnehmen.

Die Zollverwaltung hat über die Gesuchsteller eingehende Erhebungen veranlagst, die durchweg günstig lauten. Die Leute leben in einfachen, aber ordentlichen Verhältnissen; auf Grund der eingeholten Erkundigungen darf gesagt werden, dass auch die Begleichung der noch zur Erörterung stehenden Busse nicht schlechterdings unmöglich erscheint. Die Kriegsmaterialverwaltung beurteilt die Gesuchsteller als fleissige, wohlbeleumdete Männer, die mehr aus Gutmütigkeit als aus niederen Interessen mitgemacht hätten. Dazu komme, dass erst durch ihr Geständnis die Überführung der Hauptbeteiligten möglich geworden sei. Da die Mitbeteiligten ferner kaum zur Begleichung der Bussen verhalten werden könnten, seien dio heutigen Gesuchatelier die eigentlichen «Leidtragenden». Es wird Herabsetzung der Busse von Fr. 4458. 85 bis zu 2000 beantragt.

In Erwägung, dass die Gesuchsteller die Zöllbusse von Fr. 1162. 50 bereits entrichtet haben, beantragen wir Herabsetzung der von der Kriegsmaterialverwaltung erkannten Busse bis zu Fr. 1000, nebst Aufhebung der Solidarhaft für Halder.

172

85. Laurenz Frei, geb. 1877, Sticker, Diepoldsau (St. Gallen),

86. Kreszenz Mozet, Pflegerin, Zug.

(Einfuhrschmuggel.)

In Anwendung des Zollgesetzes vom 28. .Juni 1893 und zudienender Erlasse sind gebüsst worden: 85. Laurenz Frei, am 2. Mai 1921 vom eidgenössischen Zolldepartement mit Fr, 878. 84, d. h. dem einfachen Betrag des umgangenen Zolles unter Nachlass eines Dritteiis wegen sofortiger Unterziehung, Ausserdem hat Frei ein Viertel des umgangenen Zolles, nämlich Fr. 140, zu zahlen; mit den Kosten belaufen sich seine Verpflichtungen auf Fr. 541. 44.

Frei beteiligte sich in der Nacht vom 4./5. April 1921 an einem Schmuggel von 14 Schweinen (Ferkel), die er und ein anderer mit einem Schiff am österreichischen Ufer abholten.

Er ersucht um Erlass der ganzen Zollbusse, da er ausserstande sei,.zu zahlen; auch die ihm zugebilligten Eatenzahlungen von Fr. 50 monatlich könne er nicht aufbringen, ohne seine Familie in vermehrte Not zu versetzen. Er habe für Frau und 6 unerwachsene Kinder zu sorgen, sei seit Ausbruch der Stickereikrisis nahezu beständig arbeitslos und beziehe die Arbeitslosenunterstützung.

Das Gemeindeammannamt von Diepoldsau bescheinigt die Richtigkeit der Gesuchsanbringen ; die Familie lebe in äusserst ärmlichen Verhältnissen, Der Leumund wird als gut bezeichnet, hinwiederum eine militärgerichtliche Verurteilung vom 28. August 1918 wegen Versuchs der Anstiftung zu Dienstverletzung und wegen Ehrverletzung und eine weitere Verurteilung vom 3. Juni 1919 wegen Ausfuhrschmuggels bekanntgegeben; in beiden Fällen kommen Gefängnisstrafen in Betracht.

Wesentlich im Hinblick auf diese Vorstrafen beantragt die Oberzolldirektion mit den ihr unterstellten Zöllbehörden, Frei abzuweisen.

Wir beantragen aus derselben Erwägung Abweisung; eine Herabsetzung der Busse könnte sich höchstens damit rechtfertigen lassen, dass damit in Wirklichkeit die bevorstehende Umwandlungshaift ermässigt würde, Den Kommiserationsgründen stehen aber die beiden Vorstrafen entgegen.

8G. Kreszenz Mozet, am ü. November 1922 von der Zolldirektion Schaffhausen mit Fr. 67. 20 gebüsst.

173

Die Busse erging wegen Versuchs, die Verzollung eines Eeisekoffers zu umgehen. Die Bestrafte ersucht um Begnadigung. Um Busse und Zollbetrag zu bezahlen, müsse sie nahezu den Verdienst von zwei Monaten hergeben ; ferner habe sie ihre Mutter zu unterstützen.

Die Oberzolldirektion beantragt aus grundsätzlichen Erwägungen Abweisung und verweist insbesondere auf die Vernehmlassungen der beteiligten Zollorgane, wonach es sich um eine vorsätzliche Verfehlung handle. Dem Bericht des Zollamtsvorstandes in ßomanshorn ist insbesondere zu entnehmen, dass der in Deutschland gekaufte Reisekoffer zur Täuschung der Zollorgane mit einer Postetikette Chur versehen war. Der Bestraften ist übrigens nachträglich die Einfuhrbewilligung erteilt worden, was bereits ein Entgegenkommen bedeutet.

Im Hinblick auf die in derartigen Fällen von Zollumgehung geübte Praxis der Zollbehörden beantragen wir Abweisung.

87. Placidus Berther, geb. 1874, Kaufmann, z. Z. in Wiesbaden, 88. Berta Lang, Ehefrau des frühern Milchhändlers in Kurzrickenbach, jetsit in Hölzlers (Bayern), 89. Ulrich Eggmann, geb. 1865, Gärtner, Uttwil (Thurgau), 90. Rudolf Schädler, geb. 1881, Zimmermann, Triesenberg (Liechtenstein), 91. Marie Fasold, geb. 1888, Kinobesitzerin, Konstanz (Baden).

(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 12. April 1918 sind verurteilt worden: 87. Placidus Berther, am 1. März 1919 und am 4. September 1919, beidemal vom Obergericht des Kantons Thurgau, verurteilt zu Gefängnisstrafen von 4*/a und 2 Monaten und Bussen im Betrage von Fr. 7000, wozu aus den Jahren 1916--1918 eine Reihe von Straf-, entscheiden der Zollbehörden kommen.

Über Berther, der sich als gewerbsmässiger Lieferant von Schmuggelwaren sattsam bekannt machte, haben wir einlässlich berichtet in Nr. 76 des II. Berichtes vom 2. Dezember 1919 (Bundesblatt 1919, V, S. 691 und 699 ff.); nachdem ein früher eingereichtes Begnadigungsgesuch zurückgezogen worden war, hat die Bundesversammlung ein zweites Gesuch in der Februarsession 1920 antragsgemäss abgewiesen.

Berther, der sich seinerzeit dem Strafvollzug entzogen hat, so dass die Freiheitsstrafen noch unverbüsst sind und an Bussen und

174 Wertersatz über Fr. 6000 ausstehen, macht der Zollverwaltung von Wiesbaden aus den Vorschlag, Fr. 1000 zu bezahlen, vorausgesetzt, dass die verbleibenden Bussenbeträge ihm erlassen würden. Er erklärt, was richtig sein mag, schon diese Summe bedeute bei seinen derzeitigen Verhältnissen ein ganz ausserordentliches Opfer; ferner beruft er sich auf eine angeblich erfolgte frühere Teilzahlung von Fr. 1000.

Gestützt auf unsere früheren Ausführungen stellen wir demgegenüber mit der Oberzoll direktion und der Zollkreisdirektion Schaffhausen den A n t r a g , das Gestich abzuweisen. Nach seinem Vorleben und angesichts der seinerzeitigen Flucht erachten wir den Gesuchsteller auch heute als einer Begnadigung nicht würdig: übrigens werden die verschiedenen Strafvollzugsverfahren im Jahre 1924 ihre Erledigung im Wege der Strafvollstreckungsverjährung finden. Mit der Annahme einer Teilzahlung würde der Fiskus zwar voraussichtlich einen Betrag erlangen, der ihm mit eintretender Verjährung verloren geht; für einen Gnadenakt kann dies aber nicht ausschlaggebend sein.

88. Berta Laug, verurteilt am 14. April 1919 vom Bezirksgericht Kreuzungen zu 20 Tagen Gefängnis und Fr. 1000 Busse.

Frau Lang war mit ihrem Ehemann in eine weitverzweigte Schmuggelorganisation verwickelt ; die Angelegenheit ist der Bundesversammlung bereits anlässlich von Begnadigungsgesuchen Mitverurteilter bekanntgegeben worden; ein Mitverurteilter war der oben genannte Berther.

Frau Lang ersucht um Erlass von Freiheitsstrafe und Busse; sie sei damals gestützt auf unrichtige Angaben eines Grenzwächters unschuldig verurteilt worden. In Kurzrickenbach bei Kreuzungen lebe ihre betagte Mutter, die sie unbehindert besuchen möchte.

Mit den Zollbehörden beantragen wir auch hier Abweisung, in der Meinung, es solle Frau Lang sich entweder zum Strafvollzug stellen oder aber bis zu der im Jahre 1924 eintretenden Strafvollstreckungverjährung ausser Landes bleiben. Die von der Zollverwaltung über die Familie Lang eingeholten Berichte lauten nicht günstig; im Zusammenhang mit den Gesuchsanbringen mag erwähnt werden, dass ein Sohn der Gesuchstellerin seiner Grossmutter in Kurzrickenbach im Laufe des letzten Jahres Fr. 8000 entwendet hat und heute in Frauenfeld im Gefängnis sitzt. Völlig unbegründet ist die heutige Behauptung der Gesuchstellerin, damals
zu Unrecht verurteilt worden zu sein, · 89. Ulrich Eggmann verurteilt am 9. September 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu 3 Monaten Gefängnis und Fr. 2500 Busse, sowie zu Einstellung im Aktivbürgerrecht für 2 Jahre.

175

Eggmann war im August 1917 der Organisator eines GarnschmuggelVersuches.

¥ür Eggmann wird, um Erlass. der Restbusse von Fr. 490 ersucht und hierfür auf seine bedeutenden Teilzahlungen und die heutige missliche Lage Bezug genommen. Er müsse gewärtigen, die Restbusse im Wege der Umwandlungshaft zu tilgen. Man möge den veränderten Verhältnissen und dem langen Zeitraum seit Begehung des Schmuggelversuches Rechnung tragen und berücksichtigen, dass Eggmann infolge seiner Bestrafung um sein Ansehen gekommen sei und das Amt eines Gemcinderates verwirkt habe.

Die Berichte der Zollbehörden lauten ungünstig. Unter anderem wird gesagt, es könnte in der Gegend nicht verstanden werden, das* derjenige, der in Uttwil geradezu als Förderer des Schmuggelunwesens bekannt sei und andere zum Schmuggel verlockt habe, nachträglich zum Teil begnadigt würde.

Mit der Zollkreisdirektion Schaffhausen und der Oberzolldirektion beantragen wir Abweisung; nach den verschiedenen Berichten handelt es sich um eine Person, die vom Gesichtspunkte einer Begnadigung wenig Beachtung verdient. Sollte es wirklich zur Umwandlungshaft kommen, so mag Eggmann sich damit begnügen, dass ihm heute der Umrechnungssatz von Fr, 10 statt 5 zugute kommt, 90. Rudolf Schädler, verurteilt am 31. März 1920 vom Kreis gericht Chur zu Fr. 700 Busse und Einziehung der gemachten Gewinne in der Höhe von 8770 Kronen, wovon 7500 beim Gericht deponiert waren, während 1220 in Fr. 256. 20 umgerechnet wurden.

In einer weitverzweigten Schmuggelorganisation machte Schädler im Jahre 1918 bei vier Schmuggelgängen mit.

Für Schädler wird um Erlass der verbleibenden Fr. 247. 20 nachgesucht, da ihm weitere Ratenzahlungen nicht möglich seien. Der Verdienst lange knapp zum Unterhalt der Familie; an gutem Willen fehle es ihm gewiss nicht.

.

Die von der Gemeindevorstehung Triesenberg beschafften Auskünfte lauten zugunsten Schädlers; ferner sind die angehörten Zollorgane einhellig der Auffassung, der Gesuchsteller habe den redlichen Willen gezeigt, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Unter diesen Umständen beantragen wir Erlass der Restsumme.

91. Marie Fasold, am 30. Oktober 1919 bzw. 21. Februar 1920 von der Oberzolldirektion mit Fr. 4000 gebüsst.

Marie Fasold betrieb im Jahre 1918 in fortgesetzter Weise den Schmuggel von Silberuhren; in Betracht kommen ca. 170 Stück, dit>sie an die Grenze brachte, nach Konstanz schmuggeln liess und dort in Empfang nahm.

176

Heute ersucht sie um Erlass der Restbusse. Aus den Berichten der Zollverwaltung ergibt sich, dass sie Fr. 1750 abbezahlt hat. Hinzu kommt die beträchtliche Einbusse, welche die Gesuchstellerin an einer im Juni 1919 in der Höhe von 20,000 Mark geleisteten Barhinterlage erleidet; beim damaligen Kurs wären Busse und Kosten vollauf gedeckt gewesen.

Unter diesen Umstanden b e a n t r a g e n wir mit der Oberzolldirektion, die Best busse von Fr. 2250 zu erlassen. Die Markhinterlage, die im Februar einen Wert von Fr. 8. 60 hatte, wird verrechnet.

92. Giacinto Ferotti, geb. 1896, Kaufmann, zurzeit im Bezirksgefängnis Horgen (Zürich).

(Kriegswucher und Ausfuhrschinuggel.)

92. Giacinto P er o t ti ist wie folgt verurteilt worden: a. vom Obergericht des Kantons Zürich am 2, Oktober 1919 wegen Kriegswuchers zu 2 Wochen Gefängnis und Fr. 8000 Busse; fc. vom Obergoricht des Kautons Sehaffhausen am 12. Oktober 1920 wegen Ausfuhrschmuggels zu 6 Wochen Gefängnis und Fr. 1000 Busse.

e. von der eidgenössischen Oberzolldirektion am 12. November 1920 zu Fr. 3000 Busse.

Wie die den Begnadigungsakten beigelegten Urteile ergeben, war Perotti im Jahre 1917 in einer ausgedehnten Schmuggelorganisation, die an der Schaffhausergrenze wirkte, in bedeutendem Umfang Lieferant von Schmuggelware. Es handelt sich um entklauselte SSS-Ware, nämlich um Pfeffer und Mandeln, deren Beschaffung durch Perotti sich als Machenschaften eines Schiebers dartut. Den gleichen Stempel tragen die Kriegswuchergeschäfte, wie sie näher im Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich aufgeführt sind ; hier machte sich Perotti neben seinem Vater strafbar.

Für Perotti, der vom6. Julil920bis zum!9. Januar 1923 in Begensdorf eine in Anwendung kantonalrechtlicher Strafbestimmungen ergangene Arbeitshausstrafe erstand und heute auf Anrechnung der oben genannten Bussen die Uinwandlungsstrafen verbüsst, wird um Erlass eines Teils der Gefängnisstrafen ersucht. Die Bezahlung der Bussen sei dem Gesuchsteller und seiner in Italien wohnhaften Familie unmöglich. Heute seien die Umwandlungsstrafen besonders drückend, weil es sich uni ehemalige Fiskaldelikte ohne grosse Bedeutung handle, die derzeit gar keine Delikte mehr seien. Die Strafen hätten keinen Zweck mehr, sie seien lediglich eine Belastung für den Staat-

177 lichen Fiskus. Perotti sei durch schwurgerichtliches Urteil lebenslänglich des Landes verwiesen worden; die Schweiz werde somit von dem unerwünschten Ausländer endgültig befreit. Schliesslich wird gesagt, die Familie sei bereit, Fr. 1000 aufzuwenden, sofern damit die Strafzeit verkürzt werde, und beigefügt, in Italien werde Perotti sofort eine Anstellung finden, um seinen in Not geratenen Angehörigen eine Stütze sein zu können.

Von den Zollbehörden, die zu den Strafen wegen Ausfuhrschmuggels Stellung nehmen, befürwortet die Zollkreisdirektion Schaffhausen den ganzen oder teilweisen Erlass, da die Schmuggelware nicht unbedingt notwendige Bedarfsartikel betroffen habe, Perotti ohnehin seit mehr als 21/3 Jahren in Strafhaft sei und die längere Inhaftierung nur den Staat belaste. Die Oberzolldirektion beantragt Ermässigung bis auf l oder 2 Monate.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, der sich die kantonale Direktion der Justiz anschliesst, beantragt Abweisung; soweit die vom Zürcher Obergericht beurteilte Kriegswuchersache in Betracht kommt.

Unserseits beantragen wir in ganzem Umfang Abweisung.

Wie die Strafurteile und besonders deutlich die Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ergibt, handelt es sich bei Perotti um einen jener Kriegsspekulanten, die eine ausserordentlich grosse Menge anfechtbarer Geschäfte aller Art betrieben, persönlich ein ausschweifendes Leben führten und denen nur mit Mühe das Handwerk gelegt werden konnte. Die lange Arbeitshausstrafe, die Wechselfälschungen betrifft, vermag ihrerseits nicht dazu beizutragen, eine Ermässigung der anderweitigen Strafen nahezulegen.

Was die Umwandlungsstrafen anbelangt, so mag es dabei sein Bewenden haben, dass Perotti heute ohnehin das Umwandlungsgesetz vom 1. Juli 1922 zugute kommt.

93. Josef Hausherr, geb. 1876, Landwirt, 94.' Josef Waltenspühl, geb. 1867, Wirt, beide in Rottenschwil (Aargau).

(Agiohandel mit Goldmünzen.)

98. und 94. Josef Hausherr und Josef Waltenspühl wurden am 17. Mai 1922 vom Bezirksgericht Muri in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend Verbot des Agiohandels mit Gold- und Silbermünzen vom 18. März 1915 zu Bussen verurteilt, nämlich Hausherr zu Fr. 1250 und Waltenspühl zu Fr. 1800. Mit Entscheid vom 8. September 1922 erhöhte das Obergericht des Kantons Aargau die Bundesblatt. 75. Jahrg.

Bd. II.

13

178

beiden Bussen, so dass Hausherr nunmehr zu Fr. 1800, Waltenspühl zu Fr. 2200 Busse verurteilt ist ; ausser dem oben genannten Bundesratsbeschluss brachte das Obergericht auch den Bundesratsbesluss betreffend Ausdehnung des Agiohandels vom 9. Juli 1918 zur Anwendung.

In tatbeständlicher Hinsicht ergibt sich, dass Hausherr und Waltenspühl anfangs 1919 in fortgesetzter Weise Goldmünzen in grösserer Zahl zu einem den Nennwert übersteigenden Preis veräussert haben ; die Einzelheiten des Tatbestandes ergeben sieh aus dem erstinstanzlichen Urteil, act. 81.

· Für die Verurteilten wird, wie vor den Gerichtsbehörden, heute im Begnadigungswege um Herabsetzung der Bussen ersucht. Für die Anbringen der längern Gesuche, die sich als eigentliche Verteidigungsschriften darstellen, verweisen wir in erster Linie auf die Eingaben selbst. Zusammenfassend teilen wir daraus folgendes mit: Es wird gesagt, die Gesuchsteller hatten nicht im Bewusstsein der Bechtswidrigkeit gehandelt; sie hätten geglaubt, durch die Art des in Betracht kommenden Goldagiohandels erwachse dem Lande kein Schaden, so dass sie schlimmstenfalls eine zwar formell zu Recht bestehende, aber materiell unnütze und unzweckmässige Vorschrift überträten. Die Gerichte hätten im Strafmass die Auffassung zur Geltung gebracht, die Bussen müssten die erzielten Gewinne bedeutend übersteigen ; dabei seien aber die Gewinne zu hoch berechnet worden.

Weiterhin wird ausgeführt, die gemachten Gewinne seien überhaupt nicht ausschlaggebend, weil sich die allgemeine Einstellung zu den einschlägigen Verboten und die Zeitverhältnisse geändert hätten.

Über die persönlichen Verhältnisse Hausherrs wird gesagt, er sei ein Landwirt mit kleinem Gewerbe und wenig Beinvermögen ; er habe Mühe, den Unterhalt der grossen Familie und die Schuldzinsen aufzubringen. Entweder komme er bei Eintreibung der Busse in Konkurs oder müsse mit Umwandlungsstrafe gerechnet werden.

Für Waltenspühl wird bemerkt, er sei zwar bis zum Ausbruch des Weltkrieges vorwärtsgekommen, jedoch sei es von da an mit ihm zurückgegangen, namentlich auch infolge von Krankheitsfällen in der Familie. Die Mobilisation habe ihn schwer geschädigt, indem ihm ein Dienstpferd ümgestanden sei; aus einem formellen Grunde bestehe zwar keine rechtliche Schadenersatzpflicht des Bundes, wohl aber könne der damalige Verlust
von Fr. 1800 heute durch gnadenweisen Nachlass der in Betracht kommenden Busse «kompensiert» werden.

Auch von Waltenspühl wird behauptet, es sei fraglich, ob er die hohe Busse überhaupt aufbringen könne.

Bei Hausherr bescheinigt der Bezirksamtmann von Muri, dase die Gesuchsanbringen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.

179

Nach den Angaben des Bezirksgerichtes Muri lebt Hausherr in bescheidenen Verhältnissen; der Gemeiuderat Rottenschwil bestätigt, dass sich der Gesuchsteller längere Zeit ärztlich behandeln lassen musste, ebenso längere Zeit ein Kind krank und überdies Unglück im Stall hatte. Das Begnadigungsgesuch wird vom Gemeinderat und Bezirksamtmann empfohlen.

Dieselbe Haltung nimmt der Gemoinderat Bottenschwil dem für Waltenspühl verfassten Gesuche gegenüber ein. Das Bezirksgericht Muri schreibt, die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse seien gut.

Zu den Gesuchen nimmt das eidgenössische Finanzdepartement eingehend Stellung. Unter Hinweis auf diese Vernehmlassung bemerken wir noch folgendes : Das Obergericht des Kantons Aargau hat die erstinstanzlich erkannten Bussen angemessen erhöht in Hinblick auf die mehrmalige Wiederholung der verbotenen Handlungen und auf die bedeutenden Beträge veräusserten Goldes. In Würdigung der Verhältnisse, wie sie sieh aus den Akten ergeben, ist von vornherein zu sagen, dass sich aus rechtlichen Gesichtspunkten an der Art der Strafausmessung keineswegs rütteln lässt. Es kann sich deshalb auch nicht darum handeln, die ergangenen Urteile im Begnadigungswege ,zu «korrigieren»; wohl aber ist zu untersuchen, ob aus Billigkeitserwägungen eine gewisse Herabsetzung der Bussen vorgenommen werden könne. Das eidgenössische Finanzdepartement gelangt in Würdigung der über die Gesuchsteller ergangenen Berichte dazu, das Vorliegen von Kommiserationsgründen bei Waltenspühl zu verneinen und deshalb diesem Gesuchsteller gegenüber Abweisung zu beantragen. Bei Hausherr dagegen wird Herabsetzung der Busse um die Hälfte, mithin bis zu Fr. 900, beantragt, da bei seinen Verhältnissen glaubwürdig sei, dass ihn die Busse von Fr. 1800 in besonders hohem Masse belaste und 'die Notwendigkeit ihrer Umwandlung in Freiheitsstrafe denkbar sei.

Unserseits beantragen wir aus denselben Erwägungen bei Waltenspühl Abweisung, bei Hausherr Ermässigung bis zu Fr. 1000; dabei möchten wir mit dem Finanzdepartement noch bemerken, dass der Hinweis, es handle sich bei den übertretenen Bestimmungen um unnütze und unzweckmässige Vorschriften, als durchaus unangebracht bezeichnet werden muss. Er fällt aber nicht den Gesuchstellern, sondern dem Verfasser der Eingaben zur Last.

95. Matthias Sehmitt, geb. 1880, Elektriker, 96. Berta Sehmitt, geb. 1891, Ehefrau des Matthias, beide in Kreuzungen (Thurgau), 97. Katharina Prasch, geb. 1886, Fabrikarbeiterin, Kreuzungen.

(Silberschmuggel.)

180 Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend das Verbot der Einfuhr silberner Fünffrankenstücke der lateinischen Münzunion vom 4. Oktober 1920 wurden verurteilt; 95. und 96, Die Eheleuto Schmitt, am 81. Januar 1923 vom Bezirksgericht Kreuzungen, nämlich Matthias Schmitt zu 3 Wochen Gefängnis und Fr. 2000 Busse, Berta Schmitt zu 2 Wochen Gefängnis und Fr. 500 Busse.

Das urteilende Gericht ging davon aus, dass der Mitverurteilte Angst, der für ca. Fr. 84,000 silberne Fünf frankenstücke einschmuggelte, diese v on Matthias Schmitt, der in Konstanz ein Installationsgeschäft betreibt, jedoch in Kreuzungen wohnt, bezogen hatte. Frau Schmitt, die ihrerseits ratenweise bis zu Fr. 5000 Silbergeld einschmuggelte, besorgte das Beinigen des Geldes und war, ebenso wie ihr Mann, tätig bei Abwicklung der Umwechsluugsgeschäfte.

Das für die Eheleute Schmitt eingereichte Gesuch um gänzlichen Erlass der Freiheitsstrafen und Bussen erweist sich als Eingabe, die der Begründung nach vielleicht als Eechtsmittel an die obere Gerichtsbehörde zweckdienlich gewesen wäre, jedoch unter keinen Umständen geeignet ist, im Begnadigungswege vorbehaltlos überprüft zu werden.

Es kann schlechterdings nicht angängig sein, dass ein Verurteilter, der, wie Matthias Schmitt, durch einen Advokaten verbeiständigt ist, auf die Möglichkeit des Bechtsmittelweges leichthin verzichtet, um dann im Begnadigungswege mit einer Eingabe aufzutreten, die sich in massgebenden Punkten als reine ürteilskritik, als ïàtbestandsund Beweiswürdigung darstellt. In einem derartigen Vorgehen liegt u. E. mindestens eine Verkennung des Begnadigungsverfahrens.

Wir begnügen uns deshalb, auf das längere Begnadigungsgesuch zu verweisen, lehnen es aber ausdrücklich ab, unter den vorhandenen Umständen uns mit seinem Inhalt auseinanderzusetzen, soweit damit das ergangene Urteil als materiell unrichtig dargetan werden soll. Im übrigen wird im Gesuch auf folgende Kommiserationsgründe hingewiesen : Matthias Schmitt, der sich bis anhin des besten Leumunds erfreut habe, lebe in misslichen Verhältnissen. EJ.' betreibe sein Geschäft in Konstanz, lebe aber mit der Familie in Kreuzungen; derart sei er darauf angewiesen, den Lebensunterhalt der Familie" mit seinem Markverdienst zu bestreiten. Es herrsche. Not, namentlich da Frau Schmitt stets kränklieh sei und für vier
kleine Kinder gesorgt werden müsse. Die Verbüssung der Freiheitsstrafen -- sowohl der 8 Wochen wie der Umwandlungshalt, denn die Busse könne er nicht aufbringen--bedeute den Buin der Leute.

181 Was Frau Schmit anbetrifft, so wird ihr Geständnis hervorgehoben, auf die Notlage der Familie und den Krankheitszustand der Gesuchstellerin vorwiesen und gesagt, der von ihr insgesamt erzielte Gewinn dürfte 300 Fr. nicht übersteigen.

In den Akten befindet sich ein ausführlicher Polizeibericht über die Eheleute Schmitt, nebst Vernehmlassungen des Bezirksamtes Kreuzungen und des Polizeidepartementes des Kantons Thurgau, Die kantonalen Behörden befürworten, Frau Schmitt gänzlich, Matthias Schmitt teilweise zu begnadigen. Aus dem Bericht des Bezirksamtes Kreuzungen teilen wir mit, dass von Matthias Schmitt gesagt wird, er scheine denn doch nicht so harmlos zu sein, wie er jetzt dargestellt werde. Zutreffend wird sodann auf die Erledigung der Begnadigungsfälle Huwiler und Isler verwiesen, die wegen gleichartiger Vergehen verurteilt und in der Dezembersession 1922 nach Antrag teilweise begnadigt wurden (Nrn. 150--152 des II. Berichtes vom 22. Novomb"1922, Bundesbl. 1922, III, S. 751), Aus ähnlichen Erwägungen wie in Sachen Huwiler und Isler . b e a n t r a g e n wir folgende Erledigung: bei.beiden Eheleuten seien die Gefängnisstrafen unter Auferlegung einer Probezeit von 8 Jahren bedingt zu erlassen, wobei als Bedingung besonders hervorzuheben wäre, dass sie sich innerhalb der Probezeit nicht neuerdings ein vorsätzliches Vergehen zuschulden kommen lassen; bei Matthias Schmitt sei die Busse von Fr. 2000 bis zu Fr. 1000, bei Frau Schmit bis zu Fr. 200 zu ermässigen.

97. Katharina Fräsen, verurteilt am 20. Juni 1922 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu einer Woche Gefängnis und Fr. 500 Busse.

Frau Frasch wurde mit einem Mitverurteilten in einem berufsund gewerbsmässigen Schmuggelkomplott verurteilt ; sie kaufte Ende Januar in Konstanz Fünffrankenstücke zusammen, die dann vom .

Mitbeteiligten eingeschmuggelt und der Frau Frasch wieder ausgehändigt wurden. Es handelt sich nach den Urteilen um Schmuggler von Profession.

Für Frau Frasch, die die Gefängnisstrafe verbüsst hat, wird um Erlass der Busse ersucht, da ihr die Verbüssung von Umwandlungshaft drohe. Die Handlungen, die sie bereue, habe sie aus Not begangen. In längeren Ausführungen werden sodann die Lebensverhältnisse der Gesuchstellerin in ihr möglichst günstiger Weise bekanntgegeben.

Wenn wir demgegenüber mit dem Bezirksamt Kreuzungen und dem Polizeidepartement des Kantons Thurgau ohne weiteres b e a u -

182 tragen, das Gesuch abzuweisen, so geschieht dies auf Grund der über die Gesuchstell erin beschafften Auskunft; unter Zugrundelegung des betreffenden amtlichen Berichtes erscheint die Gesuchstellerin nach ihrem Vorleben als einer .Begnadigung unwürdig.

Genehmigen Hochachtung.

Sie die

Versicherung

unserer vollkommenen

B e r n , den 15. Mai 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Scheurer.

Der Bundeskanzler : Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1923). (Vom 15. Mai 1923.)

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20

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16.05.1923

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145-182

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