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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung eines Bundesbeitrages für die Beschleunigung der Elektrifikation der schweizerischen Bundesbahnen.

(Vom 1. Juni 1923.)

Bei der Behandlung des Geschäftsberichtes und der Bechnuugeri der schweizerischen Bundesbahnen für das Jahr 1921 hat der Nationalrat am 3. Oktober 1922 folgendes Postulat seiner Bundesbahnkommission angenommen: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob es nicht im Interesse der allgemeinen Volkswirtschaft angezeigt wäre, zur Erreichung eines rascheren Taxabbaues den schweizerischen Bundesbahnen die Verluste von 30--40 Millionen, die dieselben durch den Kohlenpreisabbau erlitten haben, aus der allgemeinen Bundeskasse zurückzu vergüten.» Der an uns ergangenen Einladung zufolge haben wir die Angelegenheit m Benehmen ..mit der Generaldirektion der Bundesbahnen einer Prüfung Unterzogen und beehren uns nun, Ihnen gestützt auf deren Ergebnis folgenden Bericht und Antrag zu unterbreiten.

. I.

Wie vom Berichterstatter der Bundesbahnkommission bei der Begründung des Postulates im Nationalrat ausgeführt worden ist, hatten die Bundesbahnen während des Krieges und seither im Interesse der Allgemeinheit ganz ausserordentliehe Leistungen zu übernehmen und dafür Aufwendungen zu machen-, die heute schwer auf ihnen lasten.

Es sei zunächst daran erinnert, dass die Bundesbahnen im Laufe des Krieges, als die ausländischen Bahnen ihr Rollmaterial aus

358 militärischen Gründen zurückhielten und für die Einfuhr der für die Schweiz bestimmten Waren fast durchweg schweizerische Wagen gestellt werden mussten, ihren Wagenpark stark vermehrten, um die Versorgung unseres Landes sicherzustellen. Die beträchtlichen Kapitalaufwendungen für diese Wagenanschaffungen, die gerade in der Zeit der grössten Teuerung vorgenommen werden mussten, machen sich heute um so nachteiliger fühlbar, als das Wagenmaterial infolge des durch die allgemeine Wirtschaftskrisis bewirkten Verkehrsrückganges nur ungenügend ausgenützt werden kann.

Ferner haben die Bundesbahnen im Interesse der Allgemeinheit dadurch grosse Opfer gebracht, dass sie nach Eintritt des ausserprdentlichen Preissturzes auf dem Weltkoblenmarkte die rasche Aufhebung des Einfuhrmonopols der schweizerischen Kohlengenossenschaft ermöglichen halfen. Bekanntlich verfügte die Genossenschaft .zu dieser Zeit noch über bedeutende Kohlenvorräte, für die sieh keine Abnehmer mehr fanden. Die Bundesbahnen übernahmen dann einen beträchtlichen Teil dieser Vorräte, so dass die Liquidation der Kohlengenossenschaft durchgeführt und die Kohleneinfuhr freigegeben werden konnte. Damit erhielten alle jene Betriebe, die keine oder nur unbedeutende Kohlenvorräte angelegt hatten, die Möglichkeit, ihren Bedarf fortan zu den stark gesunkenen Weltmarktpreisen zu decken. Die Bundesbahnen dagegen, die auf die Sicherung eines ungestörten Betriebes Bedacht zu nehmen hatten und sich daher nicht der Gefahr plötzlicher grösster Knappheit aussetzen durften, hatten sich beim Eintritt des Preissturzes schon durch ihre eigenen Ankäufe reichlich eingedeckt und waren nach der Übernahme weiterer, bei der Kohlengenossenschaft überschüssig gewordener Mengen auf lange Zeit hinaus mit teuren Kohlen versehen. Sie haben dadurch, dass sie zur raschen Freigabe der Kohleneinfuhr mitgewirkt haben, der schweizerischen Volkswirtschaft einen Dienst geleistet, für den sie durch die Zuwendungen, die ihnen auf Grund ihrer Vereinbarungen mit der Kohlengenossenschaft und des Bundesbeschlusses vom 15. April 1921 betreffend die Verbilligung von Kohle und Torf zugeflossen sind, keinen genügenden Ausgleich erhalten haben. Ein ansehnlicher Teil dieser Zuschüsse wird den Bundesbahnen zudem dadurch wieder entzogen, dass sie auf ihren neuen Kohlenbezügen ganz in gleicher
Weise die Einfuhrabgabe zu entrichten haben wie die Verbraucher, denen durch die rasche Aufhebung des Einfuhrmonopols der Kohlengenossensohaft nur Vorteile entstanden sind. In welchem Masse die Bundesbahnen durch den Umstand belastet worden sind, dass sie zunächst sehr bedeutende Vorräte an teuren Kohlen aufzubrauchen hatten, bevor sie aus dem Sinken der Weltmarktpreise Vorteil ziehen konnten, erhellt daraus, dass sich der Durchschnitts-

359 preis für die verwendeten alten und neu zugekauften billigeren Kohlen für das Jahr 1922 für die Tonne noch auf Fr. 158. 42 stellt, gegenüber einem mittleren Weltmarktpreis von Fr. 65. Dieser Unterschied be'deutet für die Bundesbahnen einzig für das Jahr 1922 bei einem Kohlenverbrauch von rund 450,000 Tonnen eine Mehrbelastung des Betriebes von über 40 Millionen Franken mit der Wirkung, dass sich der für die Verzinsung und die Amortisation der Schulden zur Verfügung stehende Betriebsübersohuss um soviel niedriger stellt.

Schliesslich ist noch auf die Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hinzuweisen, an denen sich die Bundesbahnen in den letzten Jahren in weitgehendem Masse durch die Ausführung von J^otstandsarbeiten beteiligten. Auch aus dieser Mitwirkung bei der Beschaffung neuer Arbeitsgelegenheiten ist den Bundesbahnen ungeachtet des ihnen auf Grund des Bundesbeschlusses vom 21. Oktober 1921 gewährten Zuschusses aus der allgemeinen Bundeskasse eine ausserordentliche Vermehrung ihrer Lasten erwachsen. Es darf nicht übersehen werden, dass die Legung zweiter Geleise, der Ersatz schienengleicher Strassenkreuzungen durch Über- oder Unterführungen, die Erweiterung von Stationen und ähnlichen Bauten, die zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung unternommen wurden, auch bei Subventionierung durch den Bund eine Vermehrung des Anlagekapitals und damit der Zinsenlast der Bundesbahnen mit sich bringen, ohne dass sie beim heutigen und dem in den nächsten Jahren zu erwartenden Verkehr eine damit im Verhältnis stehende Verminderung der Betriebsausgaben herbeizuführen vermöchten. Als Notstandsarbeiten müssen diese Bauten ausgeführt werden, bevor sie sich im Betrieb als nötig oder gar als lohnend erweisen. Je mehr ihre Zahl zunimmt, desto nachteiliger beeinflussen sie die Gewinn- und Veriustrechnung, da die Summe der vorläufig unproduktiven Kapitalaufwendungen immer mehr anschwillt.

Wie diese Ausführungen zeigen, ist das starke Anwachsen der Schuldenlast der Bundesbahnen zu einem beträchtlichen Teil Aufwendungen zuzuschreiben, die nicht durch die Bedürfnisse und Verhältnisse des Eisenbahnbetriebes diktiert wurden, sondern bezweckten, der Allgemeinheit auf einem dem Verkehrswesen zum Teil fremden Gebiete zu nützen. Gewiss waren diese Aufwendungen im allgemeinen Landesinteresse geboten. Je grössere Lasten
aber die Bundesbahnen für derartige Zwecke zu übernehmen haben, um so weniger vermögen sie ihrer eigentlichen Aufgabe, als Verkehrsanstalt den Interessen der nationalen Volkswirtschaft zu dienen, gerecht zu werden. Es darf nicht übersehen werden, dass die Bundesbahnen, deren Eechnungswesen vom übrigen Bechnungswesen des Bundes getrennt ist, sich

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selbst erhalten und aus eigenen Mitteln für die Verzinsung und die Amortisation der Eisenbahnschuld aufkommen sollen. Da die Erfüllung dieser Forderung von der Erzielung genügender Betriebsüberschüsse abhängt, sind die Bundesbahnen gezwungen, bei der Gewährung von Erleichterungen und Begünstigungen für den Verkehr, die eine Einnahmenverminderung nach sich ziehen, mit aller Vorsicht vorzugehen und um so mehr Zurückhaltung zu beobachten, je stärker ihre Lasten anwachsen. Diese Erwägungen führen ohne weiteres zu dem Schlüsse, dass es gerechtfertigt und vom Standpunkt der Volkswirtschaft aus geboten erscheint, den Bundesbahnen als Ausgleich für die Opfer, die sie für besondere, ausserhalb ihres eigentlichen Aufgabenkreises liegende Zwecke gebracht haben, eine Zuwendung aus der allgemeinen Bundeskasse zu gewähren.

Nach der Meinung der Bundesbahnkommission des Nationalrates wäre diese Zuwendung auf 80--40 Millionen Pranken zu bemessen und unmittelbar zur Erreichung eines rascheren Taxabbaues zu verwenden, Wir gestatten uns, hierzu folgendes zu bemerken: Auf Veranlassung unseres Eisenbahndepartementes haben die Bundesbahnen und die privaten Transportanstalten die Frage einer allgemeinen Herabsetzung ihrer Transporttaxen in den letzten Monaten eingehend geprüft. Es hat sich dabei ergeben, dass die für den Personenverkehr empfohlene Wiedereinführung von Hin- und Kuckfahrtsbilletten zu ermässigten Preisen, die Herabsetzung der Transporttaxen für die Beförderung von Gepäck, Gütern und lebenden Tieren und einige weitere Taxermässigungen für besondere Transportarten bei den Bundesbahnen im ganzen, ohne Berücksichtigung des zu erwartenden Mehrverkehrs, einen jährlichen Einnahmenausfall von über 40 Millionen Franken zur Folge hätten. Dabei sind die in Aussicht genommenen Ermässigungen so bemessen, dass sie kaum verringert werden können, wenn sie für den einzelnen überhaupt spürbar bleiben sollen. Obwohl damit gerechnet werden darf, dass; je nach der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage ein grösserer oder kleinerer Teil des Ausfalles durch Mehrverkehr ausgeglichen würde, so würde die Einbusse auch im günstigsten Falle noch immer einen derart hohen Betrag erreichen, dass die Generaldirektion und der Verwaltungsrat der Bundesbahnen zu dem Schlüsse gelangt sind, es könne die Durchführung der geplanten Massnahmen
erst in Aussicht genommen werden, wenn eine wesentliche Besserung der Verhältnisse eingetreten sei.

Nun würde allerdings der mit der allgemeinen Taxherabsetzung verbundene Einnahmenausfall durch die von der Bundesbahnkommission angeregte Zuwendung aus der allgemeinen Bundeskasse

361 iür das erste Jahr annähernd ausgeglichen. Es ist aber nicht daran zu denken, dass sich der Verkehr infolge des Taxabbaues selbst bei einer spürbaren Gesundung der Wirtschaftslage innerhalb Jahresfrist so weit beleben könnte, dass die gesamte Einnahrueneinbusse von diesem Zeitpunkte an durch Mehrverkehr kompensiert würde.

Die Betriebsüberschüsse würden somit bei gleichbleibenden Betriebsausgaben im Verhältnis der Einnahmenverminderung zurückgehen und auch fernerhin zur Verzinsung und Amortisation der Schulden nicht genügen, so dass ein weiteres Anwachsen des Defizites unvermeidlich wäre. Angesichts dieser unerquicklichen Polgen, die ein allgemeiner Taxabbau nach sich ziehen würde, wenn man ihn allzu rasch und ohne die Garantie eines erst von einer gründlichen Neubelebung des Verkehrs zu erwartenden Ausgleiches durchführen müsste, erachtete es die Generaldirektion der Bundesbahnen für angezeigt, eine andere, sowohl den Interessen der Bundesbahnen als auch denjenigen der Allgemeinheit besser dienende Verwendung einer vom Bunde zu bewilligenden Zuwendung vorzuschlagen. Sie wies darauf hin, dass die weitere Ausführung von Notstandsarbeiten von der Art der bisherigen für die Bundesbahnen äusserst nachteilig wäre, da die dafür erforderlichen Kapitalaufwendungen so lange unproduktiv blieben, bis der Verkehr derart zugenommen hätte, dass die vorzeitig erstellten Bauten und Anlagen zu seiner Bewältigung wirklich nötig würden. Jede weitere durch derartige Kapitalaufwendungen verursachte Steigerung der Zinslasten bedeute auch ein neues Hindernis für eine baldige Herabsetzung der Transporttaxen. Das Ziel, unter Vermeidung der den bisherigen Notstandsarbeiten anhaftenden Nachteile auf Jahre hinaus vermehrte Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, lasse sich am zweckmässigsten durch eine Beschleunigung der Elektrifikation der Bundesbahnen erreichen.

Diese Massnahme, die allerdings nur mit Hilfe eines erheblich erhöhten Bundesbeitrages durchgeführt werden könnte, würde zugleich eine wirtschaftlichere Gestaltung des Betriebes ermöglichen und dadurch auch einer Verbilligung der Transportpreise die Wege ebnen.

Da das eidgenössische Arbeitsamt die Verwirklichung dieser Anregung im Interesse der vermehrten Arbeitsbeschaffung lebhaft befürwortete, erklärten wir uns, nach näherer Prüfung der Angelegenheit, grundsätzlich
damit einverstanden, dass der Gedanke weiter verfolgt werde.

Die Generaldirektion erstattete hierauf dem Verwaltungsrate über die Angelegenheit einen eingehenden Bericht, der mit dem Antrage schliesst:

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1. Der Verwaltungsrat erklärt sich damit einverstanden, das* die Elektrifizierung des Bundesbahnnetzes zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung im Sinne des von der Generaldirektion vorgelegten Programms beschleunigt werde, sofern aus den Mitteln des Bundes: ein Beitrag von 60 Millionen Franken geleistet wird.

2. Für die Durchführung dieses neuen Programms gewärtigt der Verwaltungsrat die weitern Anträge der Generaldirektion.

Der Verwaltungsrat hat diesem Antrage in seiner Sitzung vom 4. Mai 1923 zugestimmt.

II.

Wenn auch ein allmähliches Abflauen der Wirtschaftskrisis erwartet werden darf, so liisst sich doch über ihren künftigen Verlauf, der von der internationalen Entwicklung abhängt, nichts Bestimmtes voraussagen. Heute ist die Lage derart, dass wohl für einzelne Wirtschaftszweige eine leichte, hoffentlich nicht bloss vorübergehende Entspannung eingetreten, für andere aber keine merkliche Besserung, zum Teil sogar eine Verschlimmerung der Verhältnisse zu verzeichnen ist. Mit groseen Schwierigkeiten hat insbesondere die Industrie zu kämpfen, da der Export infolge des Tiefstandes der fremden Valuten und der geschwächten Kaufkraft der Völker überhaupt ausserordentlichen Hemmungen begegnet und das eigene Land für einen entsprechend vermehrten Absatz nicht aufnahmefähig ist. Unter den gegebenen Verhältnissen darf jedenfalls nur mit einer langsamen Besserung gerechnet werden, um so mehr, als neue Verwicklungen, wie sie die letzte Zeit gebracht bat, nicht geeignet sind, den ersehnten Aufschwung zu beschleunigen. An einen gänzlichen Abbau der Arbeitslosenfürsorge ist unter diesen Umständen einstweilen nicht zu denken. Es wird im Gegenteil noch weiterer Anstrengungen und neuer Opfer bedürfen, um ein Durchhalten bis zum Ende der Schwierigkeiten zu ermöglichen.

Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch vorzeitige Ausführung von Arbeiten und Aufträgen waren von allen Verwaltungsabteilungen und Betrieben des Bundes von Anfang an insbesondere die Bundesbahnen als grösstes Staatsunternehmen zur Mitwirkung berufen. Sie werden sich im allgemeinen Landesinteresse dazu bereitfinden müssen, zur Schaffung vermehrter Arbeitsgelegenheiten auch fernerhin Hand zu bieten, um so mehr, als.gerade diejenigen Zweige der Industrie und des Gewerbes, für die sie als Hauptabnehmer in Betracht kommen, noch immer schwer unter der wirtschaftlichen Depression leiden und voraussichtlich nicht mit einer raschen Besserung der Absatzverhältnisse rechnen dürfen.

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Bei aller Bereitwilligkeit, weitere Opfer^zu bringen, halten die Bundesbahnen, wie wir bereits erwähnt haben, doch dafür, dass von der Ausführung weiterer Notstandsarbeiten von der Art der bisherigen abgesehen werden sollte, da damit die Ökonomie des Bundesbahnbetriebes allzusehr beeinträchtigt würde. Zieht man in Betracht, dass sich die Anlagekosten der Bundesbahnen infolge der als Notstandsarbeiten vorzeitig ausgeführten Bauten und Anlagen um ganz beträchtliche Summen erhöht haben, deren Verzinsung Aufwendungen erfordert, die zum Teil noch auf Jahre hinaus hätten erspart werden können, so muss man ohne weiteres zugeben, dass die Bedenken der Bahnverwaltung vollauf begründet sind. Wir sind daher ebenfalls der Ansicht, dass es sich für die Bundesbahnen empfiehlt, den bisher begangenen Weg zu verlassen und für die weitere Beschaffung vermehrter Arbeitsgelegenheiten Massnahmen zu ergreifen, die gleichzeitig geeignet sind, die Wirtschaftlichkeit des ganzen Betriebes zu heben.

Die einzige zweckmässige Lösung, die dieser Forderung entspricht, ist nach unserer Überzeugung in einer angemessenen Beschleunigung der Elektrifikation nach dem Vorschlage der Bundesbahnen zu finden. Für weite Kreise der Industrie, des Gewerbes und der arbeitenden Bevölkerung ergeben sich dabei auf Jahre hinaus vermehrte Arbeitsgelegenheiten. Bis zur Vollendung der Elektrifikationsarbeiten werden sich, wie wohl angenommen werden darf, die Verhältnisse so weit gebessert haben, dass es den in Betracht kommenden Wirtschaftszweigen möglich sein wird, etwa noch bestehende Schwierigkeiten ohne staatliche Hilfe zu überwinden. Die mit den bisherigen Notstandsarbeiten verbundenen Nachteile fallen bei der Arbeitsbeschaffung auf dem Wege einer Beschleunigung der Elektrifikation weg, da den hierfür nötigen finanziellen Aufwendungen, abgesehen von der Ausgabenverminderung infolge der Abnahme des Kohlenbedarfs, mittelbare und unmittelbare Ersparnisse im Betriebe gegenüberstehen, die verhältnismässig rasch eine wenn auch bescheidene Verzinsung der Anlagekosten ermöglichen werden.

Dazu kommt, dass die Vorteile des elektrischen Betriebes erst mit seiner Ausdehnung in vollem Umfange zur Geltung und Auswirkung gelangen können, so dass sich die Beschleunigung der Elektrifikation auch von diesem Gesichtspunkt aus nur empfiehlt. Wir werden uns im
übrigen in einem besondern Abschnitte noch näher über die Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes aussprechen.

Es darf in diesem Zusammenhang auch an die Unterstützung privater Eisenbahnen durch den Bund zum Zwecke der Einführung des elektrischen Betriebes erinnert werden. Auf Grund des Bundesgesetzes vom 2. Oktober 1919 wurden bis jetzt aus Bundesmitteln an acht Eisenbahngesellschaften Darlehen im Gesamtbetrage von nahezu

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20 Millionen Franken zu einem Verhältnis mässig niedrigen Zinsfusse und mit langer Amortisationsfrist gewährt. Mit dieser Hilfeleistung wurde die Einführung des elektrischen Betriebes auf einer Streckenlänge von rund 800 Bahnkilometern ermöglicht. Damit ist man dem Ziele, den Bahnbetrieb in der Schweiz aus seiner Abhängigkeit von den Kohlenlieferngen des Auslandes zu befreien, einen guten Schritt näher gekommen. Pur die beteiligten Landesteile bedeutet die Elektrifikation der bisherigen Dampfbahnen zudem eine wirksame Förderung ihrer Verkehrsinteressen.

Obwohl sich das genannte Gesetz nur auf die privaten Transportanstalten bezieht, sprechen doch die Gründe, die zu seinem Erlass geführt haben, angesichts der grossen wirtschafts- und verkehrspolitischen Interessen des ganzen Landes, die mit den Bundesbahnen verknüpft sind, in erhöhtem Grade auch für die Mithilfe des Bundes bei der Elektrifikation der Bundesbahnen.

III.

Zurzeit werden folgende Linien der Bundesbahnen elektrisch betrieben : Iselle-Brig-Sitten 75 km Dreiphasen-Wechselstrom aus dem 8. B. B.-Kraftwerk Massaboden Bern-Thun-Scherzligen 84 km Emphasen-Wechselstrom aus den Bernischen Kraftwerken Chiasso-Luzern 225 km Emphasen-Wechselstrom aus den Arth-Goldau-Zug 16 km S. B. B.-Kraftwerken Ritom, Immensee-Rothkreuz 7 km Amsteg und Gesehenen Luzern-Zürich 55 km Total 412 km Auf folgenden Linien sind die Elektrifikationsarbeiten in Ausführung begriffen: Luzern-Basel 92 km Einphasen-Wechselstrom aus den (Termin Anfang 1924) S. B. B.-Kraftwerken Ritom, Thalwil-Richterswil 15 km Amsteg und Göschenen und aus (Termin Anfang 1924) den Bernischen Kraftwerken Zürich-Bern 124 km (Termin Anfang 1926) Sitten-Lausanne 92 km Emphasen-Wechselstrom aus (Termin Ende 1923) dem S. B. B.-Kraftwerk Lausanne-Vallorbe und Barberine Yverdon 65 km (Termin Ende 1924) Total 388 km

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Ferner ist in Aussicht genommen worden, im Anschlüsse an die Linien Lausanne Vallorbe und Yverdon die Linien Genf-Renens {56 km) und Lausanne-Palézieux (21 km) zu elektrifizieren. Nach Vollendung der in Ausführung begriffenen und der für die nächste Zukunft vorgesehenen Elektrifikationsarbeiten wurde sich der elektrische Betrieb somit auf ein Netz von insgesamt 877 km Länge erstrecken.

Als Wegleitung für die zeitliche Durchführung der Elektrifikation der Bundesbahnen wurde im-Jahre 1918 ein Programm aufgestellt, das die Linien in drei Gruppen einteilte, wovon die erste im Zeitraum von 1919 bis 1928 elektrifiziert werden sollte. Das von der Generaldirektion der Bundesbahnen vorgelegte neue Programm für die beschleunigte Elektrifikation umfasst neben sämtlichen im Programm von 1918 in die erste Gruppe eingereihten Linien eine Anzahl Linien der zweiten Gruppe, für deren Auswahl die Grosse des Verkehrs, die Kohlenersparnis, der Zusammenhang mit den schon elektrifizierten Linien, die Möglichkeit einer zweckmässigen Ausnützung der elektrischen Lokomotiven und elektrisch geheizten Wagen, die Zuteilung zu den Depots und Reparaturwerkstätten, die Lage der Linien zu den Energiequellen und Hauptspeisepunkten, ein gewisser Ausgleich zwischen den einzelnen Landesteilen und dergleichen Erwägungen massgebend waren.

Die im neuen Programm vorgesehenen Abweichungen vom alten Programm ergeben sich aus folgender Übersicht: Baujahre nach dem Pronach dem neuen Linien gramm von 1918 Programm Sitten-Lausanne . , 1922/28 1922/28 Luzern-Basel 1922/24 1922/24 Lausanne- Vallorbe und Yverdon .

1923/24 1923/24 Thalwil-Richterswil 1923/24 1928/24 Zürich-Bern 1923/25 1928/25 Lausanne- Genf 1924/25 1924/25 Zürich-Winterthur 1928/29 1924/25 Zürich-Rapperswil . . . . . . .

1929/30 1925/26 Brig- Sitten (Umbau) . . . . . .

1927/28 1927 Brugg-Basel ' . . - , .

1925/26 1926/27 Winterthur-St. Gallen-Korschach .

1929/81 1926/27 Rothkreuz-Rupperswil und Brugg 1927/28 1926/27 Lausanne-Palezieux-Bern . . . .

1925/28 1925/27 Yverdon-Biel-Olten . . . .

1929/32 1925/27 Winterthur-Romanshorn-Rorschach 1981/32 1926/28 Zürich- Schaffhausen 1980/31 1927/28 Richterswil-Chur 1932/33 1927/28 Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. II.

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Die Generaldirektion der Bundesbahnen führt in ihrem Bericht an den Verwaltungsrat aus, dass das neue Programm dem Wesen und Zwecke der Beschleunigung nicht entspräche und den Erfolg gefährden könnte, wenn es eine zu grosse Anzahl Linien und zu viele Jahre umfassen würde. Sie gehe mît dem Vorschlage, die Elektrifikation so zu beschleunigen, dass bis Ende 1928 alle Linien elektrifiziert seien, auf denen der elektrische Betrieb nach dem Programm von 1918 bis etwa 1988 einzuführen wäre, bis an die Grenze des Möglichen da sich daraus für die nächsten sechs Jahre nahezu eine Verdoppelung der jährlichen Elektrifikationsausgaben ergebe. Die Durchführung des neuen Programms, mit der das elektrifizierte Netz auf etwa 1529 km anwachsen werde, erfordere, dass bis Ende 1928 jährlich etwa 190 km statt bloss 100 bis 110 dem elektrischen Betriebe übergeben würden. Bei einer weiteren Belastung des Programms würde die Erreichung des angestrebten Zweckes erschwert und das gute Gelingen des Werkes ernstlich gefährdet.

Die rechtzeitige Beschaffung der elektrischen Energie für die im neuen Programm enthaltenen Linien ist, wie der Bericht der Generaldirektion an den Verwaltungsrat der Bundesbahnen ausführlich darlegt, als gesichert zu betrachten.

Bei der Aufstellung des Elektrifikationsprogrammes von 1918 wurde damit gerechnet, dass sich schon in nächster Zeit sowohl in der Ostschweiz als in der Westschweiz der Bau eines neuen Kraftwerkes als nötig herausstellen werde. Diese Voraussicht hat sich jedoch nicht verwirklicht, da statt der erwarteten Verkehrszunahme infolge der allgemeinen wirtschaftlichen Depression ein Verkehrsrückgang eingetreten ist. So wie sich der Verkehr gestaltet hat und in den nächsten Jahren voraussichtlich entwickeln wird, liegt ein Bedürfnis für ein neues Kraftwerk in der Ostschweiz zurzeit nicht mehr vor. In der Westschweiz verfügen die Bundesbahnen über eine sehr vorteilhafte Energiequelle an der Barberine und am Trient.

Durch eine gewaltige Staumauer an der Barberine, die im Bau begriffen ist und m 2--3 Jahren vollendet sein kann, wird ein Seebecken von 87,5 Millionen Kubikmeter Nutzinhalt geschaffen. Der obere Teil der Gefällstufe Stausee-Rhoneebene wird durch das seiner Vollendung entgegengehende Kraftwerk bei Chatelard ausgenützt werden, das schon im kommenden Herbst die Energie für die
StreckeSitten-Lausanne liefern wird. Zur vollständigen Ausnützung der zur Verfügung stehenden Wasserkraft bedarf es noch des Aushaus der untern Gefällstufe mit dem Kraftwerk Vernayaz, das somit ein betriebswirtschaftlich unentbehrlicher. Teil des Barberinewerkes ist.

Das Kraftwerk bei Chatelard, das ein Anlagekapital von rund 43 Mil-

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Honen Franken erfordert, vermag jährlich höchstens 60 Millionen kWh zu erzeugen. Mit seiner Ergänzung durch das Kraftwerk Vernayaz wird sich der Kostenaufwand auf 85 Millionen Pranken erhöhen, also ungefähr verdoppeln, wogegen aher die Energieerzeugung 230 Millionen kWh oder ungefähr das Vierfache betragen wird.

Die Kraftwerke Châtelard und Vernayaz werden mit den Kraftwerken am Gotthard zusammen den gesamten Energiebedarf aller bis zum Jahre 1928 elektrifizierten Linien annähernd zu decken vermögen. Soweit die Leistungsfähigkeit dieser Werke nicht ausreichen sollte, würde die fehlende Energie aus nicht den Bundesbahnen gehörenden Kraftwerken bezogen. Wie bekannt, wird heute schon die Linie Bern-Scherzligen von den Bernischen Kraftwerken mit Energie versorgt, und es ist vorgesehen, diese Versorgung auch auf die Strecke Berri-Herzogenbuchsee auszudehnen. Mit andern Kraftwerken stehen die Bundesbahnen wegen der Lieferung von Energie in Unterhandlung.

Soweit die Walliser Kraftwerke mehr Energie erzeugen, als für den Bahnbetrieb in der. Westschweiz erforderlich ist, soll der Überschuss durch die schweizerische Hochebene bis in die Zentral- und Ostschweiz geleitet werden. Auf diese Weise wird für den elektrischen Betrieb der Bundesbahnen eine Energieversorgungsbasis geschaffen, die an sämtliche bestehende, in Ausführung begriffene und künftig zu erstellende Kraftwerke anschliessen wird. Damit wird auch die sehr willkommene Möglichkeit einer gegenseitigen Unterstützung der verschiedenen Kraftwerkgruppen gegeben sein.

Die von der Walliser Kraftwerkgruppe gelieferte Energie wird sich trotz der Übertragung nach der Zentral- und Ostschweiz billiger stellen als der Bezug aus andern Kraftwerken. Der Grund liegt darin, dass das Vernayaz-Werk schon für sich eine vorteilhafte Energiequelle ist und zugleich auch der ^nergiepreis des Barberinewerkes günstig beeinflusst.

IV Über die bisherigen Erfahrungen beim elektrischen Betrieb und über dessen Wirtschaftlichkeit hat die Generaldirektion der Bundesbahnen ihrem Verwaltungsrat am 29. August 1922 einen eingehenden Bericht erstattet, aus dem wir folgende Stellen anführen: «Betriebstechnisch hat sich die elektrische Zugförderung bisher durchaus bewährt. Die gehegten Erwartungen wurden in mancher Hinsicht übertroffen. Die Störungen des Zugsverkehrs sind nicht häufiger
als beim Dampfbetrieb. Beisende und Personal empfinden den Wegfall des Bauches als grosse Annehmlichkeit und hygienischen Portschritt. Die Eeinhaltung des gesamten Eollmaterials wird wa-

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sentlich erleichtert, und die Lebensdauer aller bei einer Bahn so reichlich vorhandenen Eisenteile, wie Oberhau, Brücken, Perrondächer, Wagen und dergleichen verlängert. Die Leistung der Arbeiter, die den Unterhalt der Geleise in den Tunneln besorgen, hat erheblich zugenommen, -was sich namentlich auf der Gotthardlinie vorteilhaft geltend macht. Der freiere Ausblick von den Lokomotiven und die bessere Sichtbarkeit der Signale erhöhen die Betriebssicherheit. Die raschere Anfahrt der elektrischen Lokomotiven und die grösseren Fahrgeschwindigkeiten, die insbesondere auf Steigungen zu erreichen sind, ermöglichen sehr willkommene Verbesserungen des Fahrplans.» : «Die Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes im Vergleich zum Dampfbetrieb richtet sich in der Hauptsache nach dem Gestehungspreis des Brennmaterials für die Feuerung der Dampflokomotiven. FJS ist deshalb üblich, die Frage der Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes im Vergleich zum Dampfbetrieb nach der Höhe des Kohlenpreises zu beantworten, bei welchem sich die reinen Fahrdienstkosten mit Dampflokomotiven gleich hoch stellen wie diejenigen mit elektrischen Lokomotiven. Diesen Preis nennt man den «Paritätspreis» der Kohle. Ist für ein bestimmtes Netz und einen bestimmten Verkehr der Paritätspreis der Kohle bekannt und beträgt er beispielsweise Fr. 60, so bedeutet dies, dass auf diesem Netz und bei diesem Verkehr die. elektrische Zugförderung billiger ist als die Dampftraktion, sobald und solange die Kohle per Tonne franko Grenze teurer zu stehen kommt als Fr. 60, dass dagegen die elektrische Traktion teurer ist, sobald die Kohle billiger wird als Fr. 60.» «Der Paritätspreis der Kohle wird berechnet aus den Kosten der Verzinsung, Amortisation, Erneuerung und des Unterhaltes der Dampflokomotiven und der Mengen des von ihnen verbrauchten Brennmaterials, den Kosten der Verzinsung, Amortisation, Erneuerung und des Unterhaltes der elektrischen Lokomotiven, den Kosten der von diesen Lokomotiven verbrauchten elektrischen Energie, der Ersparnis an Personal für die Führung der elektrischen Lokomotiven im Vergleich zu den Dampflokomotiven, sowie aus den Kosten der beim elektrischen Betrieb nötigen Einrichtungen für die Heizung der Personenzüge. Der Paritätspreis ist somit keine feste Zahl, sondern wechselt je nach der Ausdehnung und dem
Längenprofil des Bahnnetzes und nach dem Verkehr. Er ändert sich auch nach der Länge der Übertragungsleitungen und der Zahl der nötigen Unterwerke, sowie nach den Gestehungskosten der von den Kraftwerken gelieferten elektrischen Energie. Von wesentlichem Einfluss ist sodann der in Rechnung gesetzte Zinsfuss, der vorsichtshalber zu 5 % angenommen

369 wurde. Ferner müssen bei der Berechnung des Paritätspreises die Kosten für Transport und Manipulation der Kohle von der Grenze bis auf -den Tender der Dampflokomotiven, Inbegriffen die vorgeschriebene halbjährige Lagerung der Kohle, berücksichtigt werden.

Den Berechnungen liegt im weitem die Annahme zugrunde, dass bei gleicher Leistung an Stelle von 100 Dampflokomotiven 85 elektrische Lokomotiven nötig sind und dass die Unterhaltskostender elektrischen Lokomotiven per Lokomotivkilometer 75 % derjenigen der Dampflokomotiven betragen. Diese beiden Annahmen stützen sich nicht ausschliesslich auf eigene Erfahrungen, da der Unterhalt unserer elektrischen Lokomotiven infolge des nachträglichen Anbringens von Verbesserungen bisher noch wesentlich mehr kostete und einen höhern Bestand an ausser Dienst stehenden Lokomotiven erforderte, als nach den Erfahrungen anderer Bahnen und den bis jetzt bei uns in dieser Hinsicht erzielten Fortschritten für die Zukunft zu erwarten ist.» · «Um die Berechnungen nicht zu umständlich zu gestalten, blieb unberücksichtigt, dass mit der Änderung der Kohlenpreise in der Eegel auch eine entsprechende Änderung der ganzen Konjunktur, der Konmaterialpreise, der Löhne und des Zinsfusses und folglich auch der Bau- und Betriebskosten eintritt. Ferner kommen im Paritätspreis der Kohle alle diejenigen Vorteile des elektrischen Betriebes nicht zum Ausdruck, die sich heute noch nicht ziffermässig angeben lassen.

Hierzu gehören u. a. die Ersparnisse im Bahnunterhalt, die leichtere Beinhaltimg des Eollmaterials, die Verkürzung der Fahrzeiten, die erhöhte Leistungsfähigkeit der Bahn, die grössere Annehmlichkeit für die Beisenden und damit auch die allgemeine Steigerung der Konkurrenzfähigkeit.» Gestützt auf die in diesen Ausführungen bezeichneten Annahmen und Voraussetzungen .hat die Generaldirektion der Bundesbahnen über die Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes auf dem nach dem neuen Programm zu elektrifizierenden, 1529 km umfassenden Netz Untersuchungen angestellt, die zu den gleichen Ergebnissen geführt haben wie die frühern Berechnungen. Es hat sich wiederum gezeigt, dass der elektrische Betrieb von dem Zeitpunkte an, wo der Verkehr des Jahres 1918 wieder erreicht sein wird, bei einem Kapitalzins von 5 % nicht teurer zu stehen kommt als der Dampfbetrieb bei einem
Kohlenpreis von Fr. 60 pro Tonne franko Schweizergrenze. Bei einem Kapitalzins von 4 % statt 5 % würde der Paritätskohlenpreis bei "gleichen Verkehrsmengen von Fr. 60 auf Fr. 52 sinken. Je mehr der Verkehr zunimmt, desto vorteilhafter wird der elektrische Betrieb, indem der Paritätskohlenpreis mit jeder Ver-

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mehrung des Verkehrs um 4 % durchschnittlich um etwa Fr. l zurückgeht. Es ist beizufügen, dass bei der Bestimmung dieser Paritätskohlenpreise die Kosten der Elektrifikation der Gotthardlinie um etwa 60 Millionen Franken unter dem wirklichen Betrage in Rechnung gestellt worden sind. Um so viel niedriger wäre nämlich die Gotthardelektriükation zu stehen gekommen, wenn es angegangen wäre, sie statt zur Zeit der grössten Teuerung zu den heutigen Preisen durchzuführen. Zur richtigen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der künftigen Aufwendungen für die Elektrifikation ist es unerlässlich, den ungünstigen Einfluss der ausserordentlichen Verteuerung der Gotthardelektrifikation aus der Eechnung auszuschalten, da diese sonst zu Trugschlüssen führen würde. Anderseits muss hervorgehoben werden, dass die den Untersuchungen zugrunde liegenden Annahmen und Voraussetzungen eher zugunsten des Dampfbetriebes wirken, da sie alle jene Vorteile des elektrischen Betriebes unberücksichtigt lassen, die überhaupt nicht oder wenigstens heute noch nicht mit Zahlen angegeben werden können.

Die Generaldirektion der Bundesbahnen berechnet die Kosten der Elektrifizierung des nach dem neuen Programm 1529 km umfassenden Netzes auf ungefähr 760 Millionen Franken. Davon entfallen 520 Millionen auf die Kraftwerke, die Unterwerke, die Übertragungsleitungen und die elektrische Ausrüstung der Bahn nebst den zugehörigen Änderungen bei den Überbauten und in den Tunneln und an den Schwachstromanlagen und 240 Millionen auf das Eollmaterial.

Bis Ende 1922 sind von diesen Summen 310 Millionen, wovon 90 Millionen für Eollmaterial, ausgegeben worden. Zum Bestbetrag von 450 Millionen sind noch weitere 20 Millionen hinzuzurechnen für die Verstärkung oder den Umbau von Brücken.

Da das Netz von 1529km fünf Jahre früher elektrifiziert sein soll, als das Programm von 1918 vorsah, so erhöhen sich die durchschnittlichen Jahreskosten von ungefähr 48 auf etwa 79 Millionen Franken, wovon 58 Millionen auf die festen Anlagen und 26 Millionen auf das Eollmaterial entfallen.

Die Generaldirektion der Bundesbahnen verfügt zurzeit noch über unausgenützte Kredite im Gesamtbetrage von rund 110 Millionen Pranken, so dass für die Durchführung des Programms für die beschleunigte Elektrifikation noch neue Kredite im Gesamtbetrage von 360 Millionen Franken erforderlich sind.

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Wie wir bereits ausgeführt haben, stellen die Bundesbahnen das Gesuch, der Bund möchte sich an den durch die Beschleunigung derElektrifikation bedingten Mehraufwendungen mit einem Beitrage von 60 Millionen Franken aus der allgemeinen Bundeskasse beteiligen.

Wir glauben mit unsern Ausführungen dargetan zu haben, dass es sich aus Gründen verschiedener Art empfiehlt, diesem Gesuche zu entsprechen.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Beschleunigung der Elektrifikation des Bundesbahnnetzes wie kaum eine andere Massnahme geeignet ist, wichtigen Zweigen der Industrie und des Gewerbes über die Schwierigkeiten der Krisenzeit hinwegzuhelfen.

Es braucht nicht besonders betont zu werden, dass die Bundesbahnen im Hinblick auf den Zweck der Massnahme bei der Vergebung von Arbeiten durchweg die Angebote der Industrie und des Gewerbes des eigenen Landes berücksichtigen werden, soweit nicht gegenüber den Angeboten der ausländischen Konkurrenz Preisunterschiede bestehen, die nicht in den Verhältnissen begründet sind.

Von den 470 Millionen Franken, die für die Durchführung der beschleunigten Elektrifikation in den nächsten sechs Jahren auf zuwenden sein werden, entfallen ungefähr 25 % auf die Beschaffung von Materialien aus dem Auslande. Die übrigen 75 % bleiben als Löhne und Gehalte, Mieten, allgemeine Unkosten, Gewinnanteile usw. im Lande. Es darf daher wohl gesagt werden, dass es sich um ein Werk handelt, das weitesten Kreisen Verdienst und. Nutzen zu bringen vermag.

Die Förderung der Elektrifikation des Bundesbahnnetzes durch die Gewährung eines Bundesbeitrages rechtfertigt sich auch im Hinblick darauf, dass die Bundesbahnen in den letzten Jahren auch ausserhalb ihres eigentlichen Aufgabenkreises dem Lande wertvolle Dienste geleistet haben. Bei Vergleichen zwischen den Bundesbahnen und andern staatlichen oder privaten Eisenbahnverwaltungen vergisst die Öffentlichkeit in der Eegel, dass den Bundesbahnen aus den erwähnten Leistungen grosse Lasten erwachsen sind. Sie ist dann leicht versucht, die unbefriedigende finanzielle Lage des Unternehmens und vor allem die hohen Taxen ohne weiteres dem Staatsbetriebe zuzuschreiben.

Welche Bedeutung der Massnahme sodann hinsichtlich unserer Befreiung aus der Abhängigkeit von den Kohlenlieferungen des Auslandes zukommt, erhellt daraus, dass ihre Durchführung den Bundesbahnen gestatten wird, bei einem Verkehr wie er im Jahre 1913 zu bewältigen war,, jährlich 450--500,000 Tonnen Kohle zu sparen.

372 Was das Ausmass des Bundesbeitrages anbelangt, so halten wir eine Zuwendung von 60 Millionen Franken im Hinblick auf das mit der Massnahme angestrebte Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sowie in Anbetracht der schweren Lasten, die den Bundesbahnen aus ihren im allgemeinen Landesinteresse übernommenen Leistungen bereits erwachsen sind, für angemessen. Die genannte Zuwendung, die zu einer Verminderung der Lastenposten der Gewinn- und Verlustrechnung führen -wird, macht nicht ganz 8 % der Gesamtkosten aus, die für die Elektrifizierung der Hauptlinien des Bundesbahnnetzes nötig sind und erreicht etwa 13 % der .in den nächsten Jahren hierfür erforderlichen Aufwendungen. Sie kommt nur ungefähr dem Zinsbetrage gleich, den die .Bundesbahnen bis zum Jahre 1938 weniger aufzubringen hätten, wenn von einer Beschleunigung der Elektrifikation abgesehen würde.

Es erscheint zweckmässig die Verteilung des Gesamtbetrages auf die einzelnen Jahre nicht zum voraus festzusetzen, sondern es dem Bundesrate zu überlassen, die Hohe der Jahresraten jeweilcn nach den Verhältnissen und Bedürfnissen zu bemessen.

Gestützt auf diese Ausführungen, womit wir das vom Nationalrat am 3. Oktober 1922 angenommene Postulat seiner Bundesbahnkommission als erledigt betrachten, beantragen wir Ihnen, den beiliegenden Entwurf zum Beschluss zu erheben und diesen als nicht allgemein verbindlich sofort in Kraft zu erklären.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 1. Juni 1923.

Im Namen des schweizer. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Chuard.

Der Bundeskanzler: Steiger.

373 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Gewährung eines Bundesbeitrages für die Beschleunigung der Elektrifikation der schweizerischen Bundesbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 1. Juni 1298, beschliesst : Art. 1. Den schweizerischen Bundesbahnen wird für die beschleunigte Durchführung der Elektrifikation ihrer Linien ein Bundesbeitrag von 60 Millionen Franken verabfolgt.

Art, 2. Der Beitrag ist in sechs jährlichen Baten auszurichten, deren Höhe vom Bundesrat bestimmt wird.

Art. 3. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung eines Bundesbeitrages für die Beschleunigung der Elektrifikation der schweizerischen Bundesbahnen. (Vom 1. Juni 1923.)

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1923

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06.06.1923

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