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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erhöhung des Einfuhrzolles auf Benzin und Benzol zu motorischen Zwecken.

(Vom 17. Dezember 1923.)

Der von unserer Expertenkommission ausgearbeitete Entwurf au einem neuen Generalzolltarif wird gegenwärtig mit den verschiedenen daran interessierten Wirtschaftsgruppen durchberaten.

Der bereinigte Entwurf wird im Laufe des Jahres 1924 den eidgenössischen Räten vorgelegt werden können. Dagegen wird naturgemäss noch eine geraume Zeit verstreichen, bis der neue Tarif, der auch als Unterlage für den Abschluss der neuen Handelsverträge zu dienen hat, als Gebrauchstarif in Wirksamkeit gesetzt werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt wird gemäss Bundesbeschluss vom 26. April 1923 der gegenwärtige Gebrauchstarif in Kraft bleiben.

Durch Beschluss vom 18. Februar 1921 hat die Bundesversammlung den Bundesrat ermächtigt, den damals gültigen Gebrauchstarif zu modifizieren, insbesondere um ihn den veränderten Wirtschaftsverhältnissen anzupassen. Dem in diesem Sinne revidierten Gebrauchstarif vom 8. Juni 1921 haben die Bäte mit Beschluss vom 19. Oktober 1921 die Genehmigung erteilt. Derselbe blieb aber in seinen Ansätzen nicht unberührt.

Eine Anzahl derselben sind durch die seither abgeschlossenen Handelsverträge mit Spanien und Italien reduziert worden; die Ansätze einiger anderer Positionen wurden auf autonomem Wege, teils als vorübergehende, teils als dauernde Massnahme herabgesetzt, um den Veränderungen der Wirtschaftslage zu folgen.

Von diesen Abänderungen wurde jeweilen in Gemässheit von Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 18. Februar 1921 den eidgenössischen Räten im Geschäftsbericht Kenntnis gegeben.

543 Unterm 7. Dezember 1923 hat der Bundesrat beschlossen, aus Gründen fiskalischer Natur den Einfuhrzoll für Benzin und Benzol zu motorischen Zwecken von Fr. 10 auf Fr. 20 per 100 kg brutto zu erhöhen.

Indem wir besondern Wünschen Rechnung tragen, wollen wir über diese Zollerhöhung gesondert Bericht erstatten.

Die Gründe, die den Bundesrat zu diesem Beschluss ver·anlassten, sind folgende: . Die Ansätze der meisten Positionen des Gebrauchstarifs wurden gestützt auf wirtschaftliche Erwägungen festgesetzt im Sinne eines Kompromisses der widerstreitenden Interessen. Zum Teil sind diese Positionen durch vertragliche Abmachungen mit dem Auslande gebunden und können nicht autonom heraufgesetzt werden. Daneben weist der Tarif jedoch auch eine Anzahl Positionen auf, denen kein wirtschaftspolitischer, sondern lediglich ein fiskalischer Charakter zukommt (Finanzzölle). Indessen wurden anlässlieh der Tarifrevision von 1921 auch die für diese Fiskalpositionen aufzustellenden Ansätze sorgfältig geprüft; eine Abänderung derselben müsste auf Schwierigkeiten stossen. Eine Ausnahme macht die Position für Benzin und Benzol zu motorischen Zwecken.

Im Generaltarif von 1902 war für Benzin ein Finanzzoll von Fr. l per 100 kg vorgesehen. Diese kleine Gebühr erklärte sich aus dem Umstände, dass die Einfuhr von Benzin damals unbedeutend war und die finanzielle Lage der Eidgenossenschaft es gestattete, auf eine fiskalische Belastung dieses Produktes zu verzichten. Von diesem Zeitpunkt an bewegte sich die Benzineinfuhr in stets steigender Richtung. Sie beträgt gegenwärtig jährlich mehr als 400,000 q gegenüber 85,000 q im Jahre 1906.

Als nach dem Kriege die rasche Revision des Zolltarifs sich aufdrängte, in einem Momente, wo der Eidgenossenschaft alle verfügbaren Finanzquellen erschlossen werden mussten, wurde es als selbstverständlich betrachtet, dass nun auch von einer fiskalischen Belastung des Benzins und Benzols zu motorischen Zwecken nicht mehr Umgang genommen werden könne. Der Ansatz für diese Brennstoffe wurde daher im Gebrauchstarif von 1921 auf Fr. 10 per 100 kg brutto erhöht. Dieser erhöhte Zoll hat, wie die Statistik beweist, die Entwicklung des Automobilverkehrs in keiner Weise gehemmt.

Kann nun im gegenwärtigen Momente, wo der Bund zur Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes in seinem Haushalt nach neuen Einnahmequellen zu suchen gezwungen ist, der Einfuhr-

544 zoll auf Benzin und Benzol zu motorischen Zwecken erhöht werden?

Wir glaubten, die Frage in bejahendem Sinne beantworten zu.

können. Hierbei ist zu bemerken, dass Benzin zu industriellen Zwecken unter eine andere Tarifnummer fällt, deren Ansatz Fr. l per 100 kg beträgt. Industriebenzin wird also von der Zollerhöhung nicht betroffen.

Seit 1921, d.h. seit Festsetzung des Benzinzolles auf Fr. 10 hat sich die Lage in dem Sinne geändert, dass die damaligen ·Benzinpreise ganz erheblich gesunken sind. Diese Preise, die 1906 Fr. 23 per 100 kg netto betrugen, stiegen im Jahre 1918 auf Fr. 123 die 100 kg ; sie gingen in der Folge zurück auf Fr. 93 im Jahre 1920, auf Fr. 74 im Jahre 1921 und auf Fr. 51. 50 im Jahre 1923. Es sind dies Durchschnittspreise, die natürlich etwas variieren, je nachdem es sich um Leichtbenzin, Mittelbenzin oder Schwerbenzin handelt. Obige Skala zeigt immerhin, dass der Benzinpreis von 1923 kaum noch 2/s desjenigen von 1921 beträgt. Auch unter Hinzurechnung der Zollerhöhung auf Fr. 20 bleibt der gegenwärtige Inlandspreis für Motorbenzin immer noch wesentlich unter demjenigen von 1921 mit einem Zollansafcze von Fr. 10.

Vergleicht man den neuen Zollansatz von Fr. 20 mit den Einfuhrabgaben, welchen Benzin und Benzol in unseren Nachbarländern unterliegen, die diese Brennstoffe ebenfalls nicht selbst produzieren, so ergibt sich, dass der schweizerische Zoll keineswegs als übermässig hoch bezeichnet werden kann. Beispielsweise werden in Frankreich auf Benzin ein Einfuhrzoll, eine Ausgleichungs- und eine Verteilungsgebühr, eine sogenannte innere Abgabe sowie eine Umsatzsteuer erhoben. Diese Abgaben erreichen ein Total von über Fr. 43 (französische Währung) per hl, was bei einem spezifischen Gewicht von durchschnittlich 0,720 einen Zoll von mehr als französische Franken 59 per q netto ausmacht.

In Italien beträgt der Einfuhrzoll 24 Goldliren per 100 kg. Trotz diesen Abgaben weisen die beiden Länder eine blühende Automobilindustrie und einen nicht minder entwickelten Automobilverkehr auf.

Es ist richtig, dass ein bedeutender Teil des eingeführten Benzins und Benzols zu motorischen Zwecken nicht nur für den Automobil-Touristenverkehr, sondern zu Warentransporten (Lastwagenverkehr) verwendet wird. Aber es darf hier nicht ausser acht gelassen werden, dass der Benzinverbrauch der modernen Motoren so gering ist, dass trotz der Zollerhöhung die Überlegenheit dieser Transportart gewahrt bleibt.

545 Die Wirkung der Zollerhöhung wechselt je nach der Art des Motors. Die Mehrbelastung wird für leichtere Wagen nur 60--70 Rappen per 100 km ausmachen. Für Lastwagen werden die Mehrkosten durchschnittlich Fr. 3 per 100 km betragen, was mit Rücksicht auf die Distanz und die Anzahl der beförderten Personen bzw. Menge der Waren nicht allzuschwer ins Gewicht fällt. Es darf hier ausdrücklich erwähnt werden, dass wir nicht alle Automobile und Automobiltransporte als Luxus taxieren, der besonders hoch zu belasten wäre.

Dagegen werden wir nachstehend beweisen, dass trotz der Zollerhöhung auf Benzin die Besteuerung des Automobilwesens in unserem Lande weit unter derjenigen unserer Nachbarländer bleibt.

Dann ist hervorzuheben, dass die Schweiz hauptsächlich Leichtbenzin einfuhrt, was dartut, dass das für die Lastwagen verwendete Schwerbenzin nur einen geringen Teil des Konsums ausmacht.

Aus den kantonalen Automobilkontrollen ergibt sich denn auch, dass gegenwärtig in der Schweiz 16,697 Personenwagen verkehren und nur 5746 Lastwagen. Demnach kann die Zollerhöhung auf Benzin für den Handel und die Industrie nicht die Folgen, zfitigen, die man befürchtet, sondern diese Erhöhung wird vorab diejenige Verkehrsart treffen, die diese Tarifänderung am leichtesten ertragen kann.

Da die Einfuhr von · Benzin und Benzol gegenwärtig über 400,000 q netto per Jahr beträgt, so kann die aus der Zollerhöhung resultierende Mehreinnahme auf zirka 4,s Millionen per Jahr berechnet werden.

Wir glauben daher, dass diese absolut notwendige Mehr·einnahme, die naturgemäss gewisse Privatinteressen berührt, keinen schädigenden Einfluss auf die allgemeine Volkswirtschaft ausüben wird.

Zieht man lediglich die Wirkung der Massnahme auf die Motorfahrzeuge in Betracht, für welche das Benzin als Triebkraft dient, so kann von einer übermässigen Belastung dieser Fahrzeuge und einer daherigen Schädigung der Volkswirtschaft auch dann nicht gesprochen werden, wenn man die Steuern in Rechnung stellt, welche die Kantone auf den Automobilen und Motorrädern erheben. Der Ertrag dieser Steuern hat allerdings in den letzten Jahren eine Steigerung erfahren, die zu einem Teile auf eine Erhöhung der kantonalen Ansätze, zum andern auf die Zunahme der Zahl der Fahrzeuge zurückzuführen ist.

Die fiskalische Belastung der Automobile und Motorfahrräder in der Schweiz darf auch im Verhältnis zu den meisten andern

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Ländern als eine geringfügige bezeichnet werden. Neben den Abgaben auf dem Benzin, von welchen weiter oben schon gesprochen worden ist, erheben eine Anzahl Länder spezielle kräftige Automobilsteuern. Diese letzteren betragen : in England . . . .

1921/22 F r . 279,000,000 1922/23 ., 315,000,000 in Frankreich . . .

1920 .', 63,500,000 1921 !, 102,300,000 1922 123,300,000 fl in Italien gemäss Budget 1923/24 L. 65,600,000 ., Belgien ,, ,, 1924 Fr. 25,000,000 Rechnet man zu diesen Zahlen die Belastung in der Form von Umsatzsteuer und allgemeiner Luxussteuer, die auch das Automobil erfasst, so ergibt sich, dass die Gesamtbesteuerung des Automobilwesens in unsern Nachbarländern viel grösser ist als in der Schweiz. So schätzt man die jährliche Steuereinnahme auf dem Automobil in Frankreich auf einen Betrag von über 400,000,000 Franken.

Wir möchten übrigens erklärend beifügen, dass, wenn bei der heutigen Situation die höhere Zollbelastuug des Benzins zugunsten des Bundesfiskus als solche geboten ist, damit die Frage nicht präjudiziert sein soll, wie in Zukunft Benzin und andere Betriebsmittel herangezogen werden sollen zur Lösung der Automobilstrassenfrage im Sinne von Art. 55 des gegenwärtig den Räten vorgelegten Entwurfes eines Automobilgesetzes.

Endlich machen wir darauf aufmerksam, dass nach unserm Zolltarifgesetz die Zölle auf dem Bruttogewicht der Waren erhoben werden. Flüssigkeiten, die in Reservoirwagen zur Einfuhr gelangen, unterliegen daher einem Tarazuschlag. Dieser Tarazuscblag, der für Benzin 20 % des Nettogewichts betrug, ist durch Verfügung des Zolldepartements auf 15 °/o herabgesetzt worden, was einer Zollreduktion von Fr. l per 100 kg entspricht.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 17. Dezember 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Scheurer.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erhöhung des Einfuhrzolles auf Benzin und Benzol zu motorischen Zwecken. (Vom 17. Dezember 1923.)

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