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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Ergänzung des Bundesbeschlusses vom 15. Dezember 1920 betreffend die vom Weltpostkongress in Madrid festgesetzten Weltposttaxen.

(Vom 21. Dezember 1923.)

Die Postverwaltung wird das Finanzjahr 1923 mit Gewinn abschliessen. Sie bringt damit eine Defizitperiode von 9 Jahren zum Abschluss. Obwohl dies erst die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse im Posthaushalt bedeutet, knüpft sich daran doch die Hoffnung, dass es bei fortgesetzter Sparsamkeit und weiterer Zurückhaltung gegenüber neuen Ausgaben gelingen werde, einen langsamen Taxabbau in die Wege zu leiten, ohne das Gleichgewicht, neuerdings zu stören.

Der Entwurf zu einem Postverkehrsgesetz ermächtigt in Art. 64 den Bundesrat, die in jenem Gesetz enthaltenen Taxen herabzusetzen. Diese Vorschrift hat bereits die Zustimmung beider Bäte gefunden. Durch die gegenwärtige Vorlage wünschen wir den Bundesbeschluss vom 15. Dezember 1920 betreffend die Festsetzung der internationalen Taxen durch eine ähnliche Vorschrift zu ergänzen, um es dem Bundesrat zu ermöglichen, zu gegebener Zeit und im Kahmen des Weltpostvertrags auf einzelnen internationalen Taxen Ermässigungen eintreten zu lassen.

Zur Frage der Taxermässigung bei der Postverwaltung erlauben wir uns, bei diesem Anlasse folgendes auszuführen. Es ist ohne weiteres klar, dass die Taxen der internen Briefpost, die sich nur in den kleinen Beträgen von 5 bis 20 Ep. bewegen, nicht um einzelne Eappen ermässigt werden können. Eine Brieftaxe z. B. von 18 Ep. wäre äusser unpraktisch und kaum durchführbar. Die Ermässigung müsste mindestens 5 Eappen betragen. Eine solche Herabsetzung um ein volles Viertel einer Taxe, die den Hauptpfeiler der Einnahme der Postverwaltung bildet, würde aber einen Ausfall von schätzungsweise über 5 Millionen verursachen. Es ist noch nicht abzusehen,

639 ·wann die Postverwaltung eine solche Einbusse ohne neue Störung ihres finanziellen Gleichgewichts ertragen könnte. Eine so starke Ermässigung, die im Vergleich zur Vorkriegstaxe nurmehr einer Erhöhung dieser Haupttaxe urn 50 % gleichkäme, wäre bei den jetzigen allgemeinen Teuerungsverhältnissen, mit denen die Postverwaltung bei ihren Ausgaben gezwungenermassen rechnen muss, noch nicht begründet und um so weniger gerechtfertigt, als die Brieftaxe von 10 Kp. schon vor dem Kriege verhältnismässig etwas zu niedrig und nur durch Münzrücksichten auf diesen tiefen Stand gedrückt worden war. Eine Taxe von 12 Ep. würde dem Wertverhältnis besser entsprochen haben. Die internen Brieftaxen betrugen damals in Deutschland 10 Pf. = 12,5 Rp., in England l Penny = 10,5 Rp., in Holland 5 Cts. = 10,4 Rp., in Österreich 10 Heller = 10,s Rp., in Schweden, Norwegen und Dänemark 10 Öre = 13,8 Rp., in den Vereinigten Staaten von Amerika 2 Cts. = 10,4 Rp. Diesen Staaten gegenüber befanden sich die Länder der lateinischen Münzunion etwas im Nachteil. Italien hatte deshalb sein Briefporto auf 15 Cts. für je 15 g festgesetzt und auch Frankreich kannte bis 1910 eine interne Brieftaxe von 15 Cts., die nachher nur für Briefe bis 20g auf 10 Cts. herabgesetzt wurde. Die Tatsache, dass vor dem Krieg kein anderes Land gleich billige Taxen für den Brief verkehr im Inland aufwies wie die Schweiz, deutet an, dass die schweizerische Taxe damals unter Parität stand und etwas zu niedrig war.

Die schweizerischen Posttaxen werden heute im Vergleich mit ausländischen oft als zu hoch kritisiert. Es ist jedoch nicht angängig, bei solchen Vergleichen nur einzelne Taxen herauszugreifen, die im Ausland billiger sind als in der Schweiz, und die Taxen, bei denen das Umgekehrte zutrifft, mit Stillschweigen zu übergehen. So wird oft hervorgehoben, dass Grossbritannien seine Inlandsbrieftaxe bereits auf 1% Pence = 15,? Rp. ermässigt habe. Es wird aber dabei verschwiegen, dass diese Taxe nur für Briefe bis 2 Unzen Gewicht = 56,6 g gilt. Für jede weitern 2 Unzen ist % Penny mehr zu bezahlen, so dass z. B. ein Brief von 200 g 3 Pence =. 31,s Rp.

kostet, während in der Schweiz die Einheitstaxe von 20 Rp. bis 250 g gilt. Ausserdem hat im Ortskreis von 10 km, der 35 % des inländischen Briefverkehrs umfasst, die schweizerische Brieftaxe nie mehr als
10 Rp. betragen, während Grossbritannien eine solche ermässigte Taxe für den Nachbarverkehr überhaupt nicht kennt.

Dem wird entgegengehalten, dass dem englischen 1% Pennybrief heute das ganze britische Weltreich offen stehe, während in der Schweiz ein Brief für 20 Rp. nur innerhalb der Schweiz und nach dem Fürstentum Liechtenstein gesandt werden könne. Allerdings geniesst der britische Briefsender darin einen grossen Vorteil. Allein

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dieser beruht nicht auf einer wesentlichen Mehrleistung der britischen Post. Es ist allgemein bekannt, dass die Kosten der Beförderung eines Briefes ganz unwesentlich von der Entfernung, die zwischen Abgangs- und Bestimmungsort liegt, beeinflusst werden, solange wenigstens Grosstransportrnittel wie Eisenbahnen und Dampfer benutzt werden können. Die britische Post wird für einen Brief, der von England nach Canada oder Südafrika in direkten Kartenschlüssen gesandt wird, kaum mehr aufwenden müssen als die schweizerische für einen Brief von Genf nach Zermatt oder von Basel nach St. Moritz oder gar in eine abseits jeder Bahn- und Strassenverbindung liegende Berggegend, wobei eine mehrmalige Umleitung erforderlich ist.

Wenn Grossbritannien dem Briefsender den Vorteil eines grossen Postgebietes gewähren kann, so bietet die kleine Schweiz dafür dem Briefempfänger den Vorteil eines sehr engmaschigen Landbestellnetzes, wofür die schweizerische Postverwaltung sehr grosse Summen aufwenden rnuss. Namentlich aber wird übersehen, dass, wenn die Briefpost zurzeit in Grossbritannien alles in allem genommen vielleicht etwas billiger ist als in der Schweiz, dafür die Paketpost dort mit erheblich teurem Taxen arbeitet als die unsrige. Der Einheitstarif, zu dem Stücke ohne Rücksicht auf die Entfernung versandt werden können, gilt in diesem ersten Handelsstaat der Welt nur für Pakete bis 5 kg, in der Schweiz dagegen für Stücke bis 15kg. Ein 5-kg-Paket kostet in England Fr. 1. 57, während in der Schweiz hierfür nur 80 Bp. zu bezahlen sind. Ferner ist Grossbritannien bisher dem internationalen Poststückvertrag nicht beigetreten, weil es höhere Taxanteile erheben will, als diese Vertragsunion, der die Schweiz längst angehört, zulässt.

In welchem Umfang ein Abbau auf den internen schweizerischen Posttaxen möglich sein wird, lässt sich übrigens erst beurteilen, wenn einmal das neue Postverkehrsgesetz in Kraft getreten ist und die Auswirkung der neuen Taxordnung, die dieses Gesetz bringen soll, ermessen werden kann.

Gegenüber allen Wünschen nach Taxabbau muss sodann immer wieder betont werden, dass die Gewinne der Postregie zu den verfassungsmässigen Finanzquellen des Bundes gehören und dass hierauf auch für die Zukunft nicht verzichtet werden kann. Die Erfahrung lehrt ferner mit aller Eindringlichkeit, dass die Postverwaltung,
angesichts der Abhängigkeit ihrer Einnahmen von der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur, in guten Jahren auch einen angemessenen Reservefonds äufnen sollte, um daraus in Kriesenzeiten wenigstens den ersten Rückschlag ausgleichen zu können, so dass nicht die eidgenössische Staatsrechnung durch jedes Defizit der Postregie sofort in Mitleidenschaft gezogen wird.

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Es geht aus diesen Betrachtungen hervor, dass die Frage des Taxabbaues bei der Postverwaltung nur mit der grössten Vorsicht angeschnitten werden darf. Vorläufig kann es sich daher nur um Massnahmen von geringer Tragweite handeln, die sich aus besondern Gründen etwa aufdrängen könnten. Eine solche Möglichkeit liegt auf internationalem Gebiet. Im Vordergrund steht hier die Frage der Herabsetzung der internationalen Postkartentaxe von 25 auf 20 Kp. Diese Ermässigung um 1/s würde wahrscheinlich die Versendung von Ansichtskarten nach dem Ausland etwas befruchten, so dass der Taxausfall, der auf Fr. 700,000 berechnet wird, möglicherweise zu einem Teil wieder eingebracht würde, ohne dass diese Verkehrszunahme eine spürbare Ausgabenvermebrung im Gefolge hätte. Die Steigerung des Versandes von Ansichtspostkarten nach dem Ausland liegt im Interesse der Propaganda für unser Land. Die Ermässigung würde insofern auch eine willkommene Vereinfachung bringen, als dann, wie vor dem Krieg, die Taxen für den Inlandsbrief und für die Auslandspostkarte wieder übereinstimmten und für beide das gleiche Wertzeichen verwendet werden könnte.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfes und benützen gerne den Anlass, Sie wiederholt unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 21. Dezember 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Seheurer.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Ergänzung des Bundesbeschlusses über die vom Weltpostkongress in Madrid festgesetzten Weltposttaxen vom 15. Dezember 1920.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 1928, in Anwendung von Art. 85, Ziff. 5, der Bundesverfassung, beschliesst : Der Bundesbeschluss betreffend die vom Weltpostkongress in Madrid festgesetzten Weltposttaxen vom 15. Dezember 1920 wird durch folgende Bestimmung ergänzt: IIbis.

Der Bundesrat kann die unter II aufgeführten Taxen im Bäumen des Weltpostvertrages herabsetzen.

643 Beilage

Bundesbeschluss betreffend

die vom Weltpostkongress in Madrid festgesetzten Weltposttaxen.

(Vom 15. Dezember 1920.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1920; in Anwendung von Art. 85, Ziff. 5, der Bundesverfassung, beschliesst: I.

Vorgängig der endgültigen Batifikation der am Weltpostkongress in Madrid abgeschlossenen Verträge und Übereinkommen wird folgenden darin enthaltenen Taxbestimmungen die Genehmigung erteilt: a. den Art. 6, § 1; Art. 7, §§ 2 und 3; Art. 8, §§ l und 2; Art. 11, §§ l und 2; Art. 12; Art. 13, § 2; Art. 15, §§ l und 2; Art. 30 und den Art. II und III des Schlussprotokolls des Weltpostvertrages ; 6. dem Art, 2, § 1; Art. 5, § 1; Art. 7, § 1; Art. 8, §§ l und 2; und Art. 18, § l, des Übereinkommens betreffend den Austausch von Briefen und Schachteln mit Wertangabe; c. dem Art. 3 und dem Schlussprotokoll des Übereinkommens betreffend den Postanweisungsdienst; d. den Art. 3, 5, §§ l, 2, 3 und 6; Art. 6, 7, 8, §§ l und 2; Art, 12 und 24, § l, des Vertrages betreffend die Auswechslung von Poststücken ; e. -den Art. 5, § l ; Art. 7, 8 und 10 des Übereinkommens betreffend den Dienst der Einzugsmandate.

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IL Innerhalb des Rahmens der in Art. 6, § l, und Art. 7, §§ 2 und 3, des Weltpostvertrages und der in Art. 5, §§ l, 2, 8 und 6, des Poststückvertrages festgesetzten Höchsttaxen werden die von der schweizerischen Postverwaltung zu beziehenden Weltposttaxen festgesetzt auf 40 Bp. für einen Brief bis 20 g, 20 » » je weitere 20 g; 25 » » eine einfache Postkarte, 50 » » eine Postkarte mit bezahlter Antwort; 10 » » je 50 g Drucksachen; 5 » » 500 g Blindenschrift; 10 » » je 50 g Geschäftspapiere, mindestens aber auf 40 Rp.; 10 » » je 50 g Warenmuster, mindestens aber auf 20 Bp.; 40 » » die Einschreibung; 40 » » einen Rückschein; 50 » » ein Poststück von l kg Gewicht | Taxanteil der 80 » » » » » 5 » » (Schweiz als AuE150 » » » » » 10 » » [gäbe- oder BeJ Stimmungsland.

III.

Dieser Bundesbeschluss wird bezüglich der unter Abschnitt II von der Bundesversammlung festgesetzten Taxen als dringlich erklärt.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung der Bestimmungen dieses Beschlusses beauftragt. Er setzt den Zeitpunkt von deren Inkrafttreten fest und erlässt die hierfür nötigen Verordnungen.

Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 8. Dezember 1920.

Der Präsident: Garbani-Nerini.

Der Protokollführer: Steiger.

Also beschlossen vom Ständerate, Bern, den 15. Dezember 1920.

Der Präsident: Dr. J. Baumann.

Der Protokollführer: Kaeslin.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Ergänzung des Bundesbeschlusses vom 15. Dezember 1920 betreffend die vom Weltpostkongress in Madrid festgesetzten Weltposttaxen. (Vom 21. Dezember 1923.)

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26.12.1923

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