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Botschaft dee

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Erwerbung eines Flugfeldes bei Bellinzona.

(Vom 28, April 1923.)

In der Nähe des zum Waffenplatz von Bellinzona gehörenden Exerzierfeldes, bloss durch ein Strassenstück getrennt, befindet sich ein flaches Feld, der sog. Prato Lorenzi, der seit 1920 dank den Bemühungen des Comitato Aviatorio in Bellinzona und der dortigen Gemeindebehörde als Start- und Landungsplatz für Flugzeuge benützt werden konnte, gegen Entrichtung einer jährlichen Miete und Vergütung des durch diese Benützung verursachten Landschadens. Für die Unterbringung von Flugzeugen ist auch ein Schuppen vom eidgenössischen Flugplatz Dübendorf nach Bellinzona versetzt und auf dem Prato Lorenzi aufgestellt worden.

Der bisherige Zustand, der als Provisorium genügen mochte, laset sich nicht weiter aufrecht erhalten. Der Vertrag mit der Eigentümerin der Liegenschaft ist auf Ende März abgelaufen, so dass eine neue Ordnung getroffen werden muss.

Das Naheliegendste wäre eine Verlängerung des Vertrages.

In diesem Sinne ist denn auch verhandelt worden, leider ohne Erfolg. Die Eigentümerin verlangte eine ganz wesentliche Erhöhung der jährlichen Entschädigung neben der Vergütung des Landschadens und stellt eine Anzahl andere Bedingungen, durch welche die Benützung des Platzes für den Flugdienst stark beeinträchtigt und eine Verwendung als Übungsplatz für die in Bellinzona diensttuenden Truppen ausgeschlossen wird. Unter diesen Umständen lässt sich kein Zustand schaffen, bei dem die Bedürfnisse des Luftverkehrs und der Truppenausbildung in befriedigender Weise erfüllt werden können.

Es kann sich infolgedessen nur darum handeln, entweder auf den Flugplatz Bellinzona zu verzichten oder den nötigen Grundbesitz zu Eigentum zu erwerben.

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Da es sich dabei um eine nicht unwesentliche Ausgabe handelt, drängt sich vorerst und erneut die Prüfung der Frage auf, ob es unumgänglich notwendig sei, im' Tessin einen Flugplatz einzurichten und ferner, ob der sog. Prato Lorenzi wirklich allein in Betracht falle.

In dieser Hinsicht liegt die Sache folgendermassen : Dass, militärisch gesprochen, der Flugdienst eine unbedingte Notwendigkeit für una ist, liegt auf der Hand; deswegen haben die Räte" dafür in den letzten Jahren auch immer wachsende Kredite zur Verfügung gestellt. Bei unsern Verhältnissen ist es im weitern klar, dass für unsere Flieger die Alpen kein Hindernis bilden dürfen. Jeder unserer Leute, der ein militärisches Flugzeug führen will, muss damit rechnen, das Alpengebiet zu überfliegen und muss imstande sein, allen dabei sich ergebenden Schwierigkeiten Herr zu werden. Wie in andern Gebieten der militärischen Tätigkeit, steht unsere Armee auch hier vor besondern Aufgaben ; wollen wir aber zum gewollten Ergebnis kommen, so müssen wir die Ausbildung entsprechend anordnen und durchführen, mit andern Worten, unsere Flieger müssen Gelegenheit bekommen, den Flug über das Alpengebiet gründlich zu erlernen und immer wieder zu üben. Zu diesem Zweck ist es unbedingt notwendig, auf der Südseite unserer Alpen Landungsmögliohkeiten zu schaffen, und eine von ihnen zum allermindesten muss im Tessin eingerichtet werden.

Zum gleichen Ergebnis kommt man vom Standpunkt der zivilen Luftschiffahrt aus. Auch sie wird darauf Bedacht nehmen müssen, das ganze Land zu berühren. Die erste Voraussetzung zur Erreichung dieses Zieles besteht aber in der Schaffung von Flugplätzen. Es gilt dies namentlich für diejenigen Gebiete, die, wie der Kanton Tessin, filr das Flugzeug verbaltnismässig schwer zugänglich sind. Diese Schwierigkeit darf uns aber nicht veranlassen, auf den Verkehr durch die Luft mit ihnen zu verzichten.

Entspricht es ganz allgemein unserer Auffassung, dass wir die Beziehungen und Verbindungen zwischen allen Teilen unseres Landes so eng als möglich gestalten, so gilt dieser Grundsatz in hervorragendem Masse für den Luftverkehr mit dem Tessin. Wenn wir daran denken, dass es möglich ist, in weniger als einer Stunde aus der Gegend von Zürich oder aus derjenigen von Bern nach Bellinzona zu fliegen, so wird ohne weiteres klar, welche vor kurzer Zeit noch ungeahnten Möglichkeiten sich da für die Zukunft bieten.

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Wir glauben, dass aus diesen wenigen Betrachtungen sich der unabweisbare Schluss für die Notwendigkeit ergibt, im Tessin einen Flugplatz einzurichten.

Die durchgeführten Untersuchungen haben aber auch ergeben, dass die Gegend von Bellinzona weitaus in erster Linie in Betracht fällt und dass in dieser Gegend die in Frage stehende Liegenschaft, der sog. Prato Lorenzi, allein den Anforderungen entspricht, die an einen Landungsplatz gestellt werden müssen.

Wir sind infolgedessen auf ihn angewiesen und können ihn nicht durch ein anderswo gelegenes Grundstück ersetzen.

Wie eingangs erwähnt, liegt der Prato Lorenzi in unmittelbarer Nähe des heutigen Exerzierplatzes von ßellinzona. Dieser bietet nur sehr ungenügend Raum für die Ausbildung. Wird der Prato Lorenzi erworben, so kann er mit grossem Vorteil auch von den in Bellinzona liegenden Rekruten- und Kaderschulen benützt werden, die erst damit den nötigen Platz für ihre Übungen gewinnen.

Man kann sich fragen, ob es nicht am Platze wäre, dass dur Kanton Tessin oder die Gemeinde Bellinzona das Grundstück erwerben würde. Wir haben denn auch mit der Gemeinde in dieser Richtung verhandelt, haben uns aber überzeugen müssen, dass eine derartige Lösung unter den heutigen Verhältnissen nicht möglich ist. Es bleibt also nichts anderes übrig, als dass der Bund als Käufer auftritt und in Bellinzona einen Flugplatz, d. h.

einen Waffenplatz für die Fliegertruppen, schafft, -der zugleich eine sehr erwünschte Erweiterung des dortigen Exerzierfeldes darstellt und der gleichzeitig dem zivilen Verkehr zu dienen bestimmt ist, wie das ja auch für die übrigen Flugplätze, namentlich für denjenigen von Dubendorf, zutrifft.

Das in Betracht kommende Grundstück hat einen Halt von rund 130,000 m a ; dio Grundsteuerschatzung beträgt 60 Rappon für den m2. Als Preis ergibt sich nach unsern Untersuchungen und nach den Berichten der Behörden von Bellinzona, die mit der Sachlage aufs genaueste vertraut sind, höchstens der Betrag von Fr. l bis 1.10 für den m 2 ; die Kosten der Erwerbung belaufen sich also auf Fr. 140--150,000, wozu noch die Kosten des Ankaufes kommen.

Wir haben auf dieser Grundlage mit der Eigentümerin verhandelt. Eioe Einigung war aber nicht möglich, weil eine Forderung von Fr. 3 für den m2 gestellt wurde, die sowohl nach unserer Anschauung als nach derjenigen der Ortsbehörden um ein Mehrfaches übersetzt und deshalb unannehmbar ist. Es bleibt

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unter diesen Umständen kein anderer Weg, als derjenige der zwangsweisen Enteignung unter Festsetzung des Kaufpreises durch Richterspruch.

Bevor wir diesen Weg beschreiten können, müssen wir von der Bundesversammlung die grundsätzliche Zustimmung zur Erwerbung und den entsprechenden Kredit erhalten.

Wir unterbreiten Ihnen infolgedessen den im nachfolgenden Entwurfe enthaltenen Bundesbeschluss zur Annahme.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. April 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Scheurer.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreuend

Ankauf eines Flugfeldes in Bellinzona.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 28. April 1923, beschliesst: Art. 1. Dem Bundesrat wird für die Erwerbung des Flugfeldes in Bellinzona (Prato Lorenzi) ein Kredit von Fr. 155,000 bewilligt.

Art. 2. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Erwerbung eines Flugfeldes bei Bellinzona. (Vom 28. April 1923.)

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1923

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02.05.1923

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