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Bundesblatt

75. Jahrgang,

Bern, den 4. Juli 1923.

Band II.

erscheint wöchentlich Preis 80 Franken im Jahr, 10 franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr, Eimrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli £ de. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay.

(Vom 26. Juni 1923.)

Im Laufe der Jahre hat die Schweiz mehrmals Veranlassung gehabt, sich an die Regierung der Republik Uruguay zu wenden, um die Verhaftung und Auslieferung von Personen zu erwirken, die in der Schweiz schwerer Verbrechen beschuldigt waren. Dabei hat sich jeweils gezeigt, dass Uruguay ohne das Bestehen eines Vertrages nicht geneigt war, zur Auslieferung verfolgter Personen Hand zu bieten. Um zu vermeiden, dass flüchtige Verbrecher, an deren Habhaftmachung unsern Behörden viel gelegen sein muss, in Uruguay ein Asyl finden, wo sie der schweizerischen Strafjustiz unerreichbar sind, hat der Bundesrat geglaubt, mit der uruguayanischen Republik einen Auslieferungsvertrag abschliessen zu sollen ohne Rücksicht darauf, dass die Auslieferungsfälle naturgemäss selten sind.

Schon im Jahre 1883 bemühte sieh der Bundesrat anlässlich eines konkreten Falles um das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den beiden Staaten. Es kam zur Aufstellung eines Entwurfes und zu gegenseitigen Verhandlungen, die sich bis ine Jahr 1888 hineinzogen, jedoch kein positives Resultat zeitigten.

Der zweite Versuch wurde im Jahre 1908 unternommen.

Der damalige schweizerische Ministerresident in Buenos Aires unterbreitete der uruguayaniachen Regierung ein neues Vertragsprojekt, dessen Text dem des im Jahre 1906 zwischen der Schweiz und Paraguay abgeschlossenen Auslieferungsvertrages entsprach.

Die von unserer Gesandtschaft unternommenen Schritte bewirkten, dass im Jahre 1915 die Regierung von Uruguay ihrerseits einen Bundesblatt. 75, Jahrg. Bd. U.

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eigenen Vertragsentwurf vorlegte. Im Frühjahr des folgenden Jahres wurde diesem Projekt ein abgeänderter schweizerischer Entwurf gegenübergestellt, dem der uruguayanische Vorschlag von 1915 als Grundlage diente. Hierauf blieb es wiederum einige Jahre still. Der Krieg und die durch ihn geschaffenen Erschwerungen des internationalen Verkehrs waren nicht geeignet, die Verhandlungen zu beschleunigen.

Anlaas zur dritten Phase der Unterhandlungen, welche dann endlich zum Abschluss des Vertrages führte, gab wiederum ein konkreter Fall, der die früher gemachten Erfahrungen bestätigte und uns davon überzeugte, dass ein schweizerisches Auslieferungsbegehren bei Uruguay, selbst wenn es sich um einen schweren Kriminalfall handelte, auf die grössten Schwierigkeiten stossen würde, solange ein Auslieferungsvertrag nicht bestand. Wir luden unsere Gesandtschaft in Buenos Aires im Jahre 1920 ein, neuerdings bei der uruguayanischen Regierung vorstellig zu werden und zu erwirken, dass unser Projekt aus dem Jahre 1916 beantwortet werde. Der neue Entwurf Uruguays kam uns anfangs Mai 1921 zu. Leider liess er viele unserer früheren, begründeterweise gestellten Vorschläge ausser acht, so dass wir uns veranlagst sahen, diesem uruguayanischen Entwurf von 1921 ein neues schweizerisches Gegenprojekt entgegenzustellen. Um die weitern Verhandlungen möglichst zu fördern, haben wir uns nicht darauf beschränkt, nur ein festes Vertragsprojekt vorzulegen. Vielmehr fügten wir dem Entwürfe eine Anzahl Eventualantrage bei, die unserer Gesandtschaft in Buenos Aires Spielraum für mündliche Unterhandlungen verschafften und ihr die Möglichkeit gaben, der Gegenpartei bis zu einer bestimmten Grenze entgegenzukommen.

Das System bewährte sich durchaus. Im Januar 1922 leiteten wir unsern neuesten Entwurf der Gesandtschaft in Buenos Aires zu und erhielten bereits anfangs Mai das von unserm Gesandten und der uruguayaniechen Regierung in Montevideo nach mündlichen Besprechungen gemeinsam ausgearbeitete Projekt, das sich, von ganz wenigen Punkten abgesehen, mit unserm letzten Vorschlage vom Januar 1922 deckte. Die noch bestehenden Differenzen wurden im Laufe des Jahres bereinigt, und am 27. Februar 1923 wurde der Vertrag in Montevideo von unserem dort akkreditierten Vertreter und dem uruguayanischen Minister des Äussern, unter Ratifikationsvorbehalt,
unterzeichnet.

Der Vertrag wurde in französischer und spanischer Sprache abgeschlossen; beide Texte gelten als Originale. Der nachstehend abgedruckte deutsche Text stellt eine hier angefertigte Übersetzung dar.

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Die Bestimmungen des Vertrages stehen mit dem schweizerischen Auslieferungsgesetz vom 22. Januar 1892 in Einklang, Einige Bestimmungen dieses Gesetzes haben im Vortrag fast wörtlich Aufnahme gefunden.

Im einzelnen ist zu dem Vertrage folgendes zu bemerken : 1. Materielles Auslieferungsrecht (Art. 1--8).

Art, l enthält die gegenseitige allgemeine Verpflichtung zur Auslieferung und bestimmt die Voraussetzungen, unter denen sie stattfinden soll. Er fordert, dass die Handlungen, wegen deren die Auslieferung verlangt wird, gemeinrechtlicher Natur und in beiden Teilen mit Strafe bedroht seien.

In Art. 2 ist für die Festsetzung der Auslieferungsdelikte die Enumerationsmethode, die in allen andern von der Schweiz abgeschlossenen Auslieferungsverträgen angewendet wurde, beibehalten worden. In den 20 Nummern des Artikels dürften wohl alle Delikte berücksichtigt sein, deretwegen eine Auslieferung zwischen den beiden Staaten in praxi in Frage kommen kann.

,,Vorsatzliche Abtreibung" und ,,Bigamie", welche der zweite uruguayanische Entwurf fallen liess, wurden auf unsern Vorschlag hin wieder aufgenommen. Die ,,Blutschande" dagegen erklärte Uruguay mit Rücksicht auf seine Gesetzgebung nicht in den Katalog der Auslieferungsdelikte einreihen zu können. Unserem Begehren gemäss wurde die ,,Baraterie" wegen der Unklarheit dieses ~ Deliktsbegriffes fallen gelassen. In einer ganzen Reihe von Auslieferungsverträgen der Schweiz figuriert dieses Delikt, ohne dass es aber u. W. je Gegenstand eines Auslieferungsbegehrens geworden wäre. Wegen Versuch und Teilnahme, sowie wegen Begünstigung soll die Auslieferung ebenfalls stattfinden. Im Schlusssatz ist, wie in manchem andern Auslieferungsvertrag, die Beschränkung vorgesehen, dass die Auslieferung ausgeschlossen sein soll, wenn die schon erkannte Strafe weniger als l Jahr beträgt, oder, bei Angeschuldigten, wenn «die auf die eingeklagte Handlung gesetzlich zulässige Strafe nicht 2 Jahre Gefängnis erreicht, Schliesslich sieht der Art. 2 ausdrücklich vor, dass sich beide Staaten gegenseitig, unter Vorbehalt des Gegenrechts, die Auslieferung wegen im gegenwartigen Vertrage nicht vorgesehener Delikte gewähren können.

Die Art. 3 und 4 setzen die Fälle der Nichtauslieferung fest: 1. politisches Delikt, 2. Begehung der strafbaren Handlung im ersuchten Staate, 3. ne bis in idem, 4. Verjährung und 5. Nationale.

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In Art. 3, lit, d, ist als Neuerung hinsichtlich der Verjährung festgesetzt, dass diese durch die Stellung des Auslieferungsbegehrens, d. h. im Moment, in welchem das Begehren in den Besitz der Regierung des ersuchten Staates gelangt ist, als unterbrochen gilt.

Bei der Behandlung der Nationalen ist in Art, 4, Absatz l, bestimmt, dass deren Auslieferung nicht stattfinden soll, gleichgültig, ob sie die Staatsangehörigkeit des ersuchten Staates durch Abstammung oder Naturalisation erworben haben. Auch bei Naturalisation n a c h Begehung des Deliktes wird nicht ausgeliefert. Hinsichtlich unserer Rechtsauffassung zu dieser Frage dürfen wir auf den Geschäftsbericht für das Jahr 1921, Justizund Polizeidepartement, III. Polizeiabteilung, Seite 353, Ziffer 15, verweisen.

Als Äquivalent für die Nichtauslieferung der Nationalen verpflichtet Art. 4, Absatz 2, den Heimatstaat des Angeschuldigten, letztern auf Verlangen des andern Staates vor seine eigenen Gerichte xu ziehen. Der Grundsatz ne bis in idem bat im 3. Absatz einen dem Sinn und Geist von Art. 2 des Bundesgeeetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 adäquaten Ausdruck gefunden. Der vorliegende Auslieferungsvertrag ist einer der wenigen, welcher die Strafverfolgung der Nationalen an Stelle der Auslieferung, d. h. das sogenannte ,,stellvertretende StTafrechta, in verbindlicher Weise regelt.

Art. 5 erlaubt, unter gewissen Einschränkungen, dio Auslieferung auch für Delikte, die ausserhalb des ersuchenden Staates verübt worden sind.

Art. 6 handelt vom Grundsatz der Spezialitat der Auslieferung. Inhaltlich stimmt der Artikel mit den Vorschriften des Anslieferungsgesetzes von 1892 (Art. 7 und 8") überein. Soweit eine Durchbrechung des Prinzips vereinhart ist (Absätze 4 und 5), werden erhöhte Garantien, als sie bis jetzt üblich waren, verlangt, indem der Staat, an den ausgeliefert wurde, verpflichtet ist, den Nachweis für die ^in Kenntnis der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages11 gegebene - Einwilligung des Ausgelieferten in seine -Verfolgung wegen weiterer Auslieferungsdelikte und eventuell in seine Weiter li eferung an einen dritten Staat zu erbringen.

Art. 7 verbietet entsprechend der Vorschrift in Art. 9 unseres Auslieferungsgesetzes von 1892 die Stellung des Ausgelieferten vor ein Ausnahmegericht.

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Art. 8 knüpft die Auslieferung an die Bedingung, dass die Todesstrafe im ersuchenden Staate nicht zur Anwendung gelangen dürfe und in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werde.

Uruguay stellte diese Bedingung schon in seinem ersten Entwurfe von 1915 auf. Sie wurde dann in unserem Gegenentwurfa von 1916 eliminiert. Im uruguayauischen Vertragsprojekt von 1921 tauchte sie indessen wieder auf. Uruguay erklärte, auf dieser Bestimmung beharren zu müssen, da sein Strafrecht die Todesstrafe nicht kenne. Wir schlugen dann in unserem Gegen·entwürfe von 1922 eine dem französisch-italienischen Ausliefermtgsabkommen betreffend Tunis von 1896 nachgebildete Kompromissformel vor, lautend : ^Les parties contractantes sont convenues que, si la peine de mort était prononcée en Suisse contre une personne extradée par le Gouvernement de l'Uruguay, l'attention de l'autorité compétente suisse serait appelée, d'une manière toute spéciale, en vue de l'instance en grâce pour la commutation de cette peine, sur l'état actuel de la législation en Uruguay à l'égard de la peine de mort."1 Die uruguayanische Regierung machte zunächst Miene, diesem Vorschlag zuzustimmen, beharrte dann aber unweigerlich auf ihrer ursprünglichen Bedingung, so dass wir nur die Wahl hatten, entweder diese Bedingung anzunehmen oder die Verhandlungen abzubrechen. Wir haben das erstere getan aus der Erwägung heraus, dass es immer noch besser sei, durch den Abschluss eines Vertrages die Möglichkeit zu schaffen, einen Mörder der schweizerischen Strafjustiz zuführen zu können, wenn schon die Todesstrafe an ihm hier nicht vollzogen werden könne, als ihm, weil Uruguay ohne Vertrag nicht auszuliefern geneigt ist, machtlos gegenüberstehen zu müssen und ihn im Zufluchtsstaate straflos zu wissen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass bei Nichtzustandekommon des Vertrages nicht nur derjenige, auf den die Todesstrafe angewendet werden konnte, in Uruguay vor der schweizerischen Strafjustiz sicher wäre, sondern auch jeder andere «ines schweren Verbrechens Bezichtigte oder Überführte. Wir fühlten uns im Punkte der Todesstrafe auch deshalb zum Nachgeben veranlasst, weil wir der einheitlichen Regelung der Frage der Todesstrafe in Uruguay keine einheitliche Lösung des Problems in der Schweiz entgegenzusetzen hatten, und schliesslich, weil in der Schweiz immerhin 11 Kantone und 4 Halbkantone, also die Mehrheit der eidgenössischen Stände, die Todesstrafe nicht mehr kennen und diese auch in den 8 Kantonen und 2

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Halbkantonen, wo sie seinerzeit wieder eingeführt wurde, nur ia äusserst seltenen Fällen noch zur Anwendung kommt. Wir sind der Auffassung, dass die Ausführungen des Bundesrates in seiner Botschaft zum schweizerisch-portugiesischen Auslieferungsvertrage vom 30. Oktober 1873, der hinsichtlich der Todesstrafe eine analoge Bestimmung wie der vorliegende Vertrag enthält (Bundesbl.

1873, Bd, 4, Seite 420 ff.), heute in noch vermehrtem Masse zu* treffen.

Gestützt auf die formelle Erklärung Uruguays, dass die Körperstrafe seiner Gesetzgebung unbekannt sei, verzichteten wir auf die Aufnahme einer dem Art. o des Auslieferungsgesetzes von 1892 entsprechenden Bestimmung.

2. Auslieferungsverfahren (Art. 9--14).

Art. 9 regelt die Übermittlung des Auslieferungsbegehrens und schreibt vor, welche Belege für die Erwirkung der Auslieferung beizubringen sind. In den meisten bisherigen Verträgen wird in ziemlich unbestimmter Weise verlangt, dass in den Auslieferungsbelegen Angaben über Art und Schwere des Deliktesenthalten sein sollen, oder gar nur, dass das Delikt sowie Ort und Zeit der Begehung ,,anzugeben1' seien. Dies hatte oft zur Folge, dass mangelhafte Tatbestände vorgelegt wurden, aus denen nicht entnommen werden konnte, ob die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des Deliktes vorlagen. Um die hieraus sich ergebenden Unzukömmlichkeiten zu vermeiden, verlangt der vorliegende Vertrag ausdrücklich die Vorlage einer ,,ausführlichen Darstellung der zur Last gelegten Straftat". Auf unser wiederholtes Verlangen ist auch zugestanden worden, dass die AuslieferuDgsbelege in französischer Sprache, oder mit einer französischen Übersetzung versehen, vorgelegt werden müssen.

Art. 10 bezieht sich auf die provisorische Verhaftung. Diese m u s s im ersuchten Staate vorgenommen werden, wenn bei der Stellung des Verhaftbegehrens auf die Existenz eines Urteils oder Haftbefehls hingewiesen werden kann und wenn dem Verfolgten ein im Vertrage vorgesehenes Delikt vorgeworfen wird. Die provisorische Haftdauer ist angesichts der grossen Entfernung auf 90 Tage festgesetzt. Ist das Auelieferungsbegehren innert dieser Frist nicht eingereicht worden, so kann der Verhaftete auf freien FUSS gesetzt werden. Für die provisorische Verhaftung ist der diplomatische Weg nicht ausdrucklich vorgeschrieben, doch werden die schweizerischen Behörden gut tun, sich der Vermittlung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes zu bedienen.

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Art, 11 setzt fest, dass die Prüfung des Auslieferungsbegehrens nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen des angesprochenen Staates erfolgt. Sofern das Auslieferungsbegehren formell oder materiell mit den Vorschriften des Vertrages nicht in Einklang steht, kann der ersuchte Staat Ergänzungen verlangen, die innert 90 Tagen beigebracht sein müssen. Wird dieser Vorschrift durch den ersuchenden Staat nicht genügt, so wird das Auslieferungsbegehren als dahingefallen betrachtet. Es kann für die nämliche Sache nicht erneuert werden.

Letzteres trifft nach Art. 14 ebenfalls zu, wenn 3 Monate nachdem der Auszuliefernde zur Verfügung des ansuchenden Staates gestellt wurde, dieser Staat den Abtransport nicht geregelt bzw. den Requirierten nicht übernommen hat.

Die Art, 12 und 13 behandeln in herkömmlicher Weise und in Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz über die Auslieferung von 1892, der erstere die Auslieferung des Requirierten, der im Zufluchtsstaate selbst noch in Strafuntersuchung steht, der letztere die Konkurrenz von Auslieferungsbegehren mehrerer Staaten.

Uruguay hat in seinen beiden Entwürfen die Aufnahme eines Artikels vorgeschlagen, der bestimmen sollte, dass, wenn der Verhaftete sieh mit der Auslieferung einverstanden erklärte, das Gericht diese ohne weiteres verfügen solle. Wir haben wiederholt betont, diese Bestimmung nicht annehmen zu können, weil die fremden Auslieferungsbegehren in der Schweiz von Amtes wegen gemäss Vertrag und Gesetz zu prüfen seien, ob sich der Requirierte mit der Auslieferung einverstanden erklärt habe oder nicht. Wir wiesen angesichts der Bestimmung von Art. 11, Abs. l, des vorliegenden Vertrages auch darauf hin, dass ein Artikel der vorgeschlagenen Art Überflüssig sei und erreichten, dass Uruguay auf die Aufnahme der Bestimmung verzichtete.

Desgleichen nahm Uruguay von der Aufnahme einer Bestimmung Abstand, wonach in jedem Falle der 'ersuchende Staat die Verantwortung für die Auelieferungshaft zu übernehmen habe.

Wir hielten auch diese Klausel weder für angezeigt, noch für notwendig.

Schliesslich bestand Uruguay auch nicht auf seinem Vorschlag hinsichtlich der Vereinbarung eines Artikels über die gegenseitige periodische Bekanntgabe der telegraphischen Schlüssel, um die Überwachung flüchtiger Verbrecher zu erleichtern.

596 8. Saehauslieferung. Transit. Auslieferungskosten (Art. 15--17).

Art. 15. Die Sachauslieferung umfasst die corpora delicti, sowie die als Beweisstücke dienenden Papiere und Gegenstände.

Die Erwirkung der Herausgabe von G-eld und Wertsachen ist demnach möglich, wenn ein Zusammenhang mit dem begangenen bzw. zur Last gelegten Delikt vorhanden ist und glaubhaft gemacht werden kann. Im Falle des Todes oder der Flucht des Requirierten soll die Sachauslieferung dennoch stattfinden. Die Rechte Dritter sind in üblicher Weise vorbehalten.

Art. 16. Das Transitbegehren muss in gleicher Weise wie das Auslieferungsbegehren anhängig gemacht werden. Die Durchlieferung wird auf die einfache Vorlage eines der in Art. 9 bezeichneten Dokumente bewilligt, wenn der Auszuliefernde nicht Angehöriger des ersuchten Staates ist, wenn es sich um ein im Vertrag vorgesehenes Delikt handelt und keiner der in Art. 3 stipulierten Ausschliessungsgründe zutrifft.

Die Prüfung des Transitbegehrens beschränkt sich auf diese Punkte und überlässt die einlassliche Prüfung, insbesondere des Tatbestandes, dem um die Auslieferung des Angeschuldigten selbst angesprochenen Staate.

Art. 17. Die Kostenfrage ist in herkömmlicher Weise geregelt.

4. Rechtshilfe in Strafsachen im engern Sinne (Art. 18--21).

Art. 18. Gerichtliche Requisitorien in strafrechtlichen Angelegenheiten werden zugelassen für Zeugenabhörungen oder Vornahme anderer Instruktion«-, nicht aber für Exekutionshandlungen. Die Rechtshilfe ist bei den Requisitorien beschränkt auf Straftaten, die im Deliktskatalog von Art. 2 aufgenommen worden sind. Die Übermittlung erfolgt auf diplomatischem Wege.

Eine Beglaubigung des richterlichen Brsuchsschreibens ist nicht nötig. Die Requisitorien von schweizerischer Seite müssen mit einer spanischen, diejenigen von urugayanischer Seite mit einer französischen Übersetzung versehen sein. Grundsätzlich ist Kostenfreiheit vereinbart, mit bestimmten Ausnahmen.

Art, 19 sieht das persönliche Erscheinen eines Zeugen vor den Gerichten des andern Landes vor und enthält Bestimmungen über den Schutz des Vorgeladenen im Lande, in dem er zu erscheinen hat.

Art. 20. Die Zustellung von gerichtlichen Akten in Strafsachen ist, im Gegensatz zu den Requisitorien (Art. 18), nicht nur zulässig, wenn ein im Vertrage vorgesehenes Delikt in Frage steht, sondern schlechtweg, wenn es sich bei dem Verfahren, das Anlass zur Zustellung gibt, um eine gemeinrechtliche Straftat

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handelt. Ausgenommen sind nur Zustellungen in Angelegenheiten politischer, militärischer und fiskalischer Natur. Bezieht sich das Zustellungsbegehren auf eine Handlung, die im ersuchten Staat überhaupt nicht strafbar ist, dann kann die Rechtshilfe ebenfalls abgelehnt werden. Die Übermittlung des Zustellungsbegehrens erfolgt auf diplomatischem Weg. Die zuzustellenden Akten brauchen nicht übersetzt zu werden, es genügt, dass von Seiten der diplomatischen Vertretung des ersuchenden Landes der Regierung des andern Staates bei der Übermittlung des Aktenstückes eine kurze Angabe über dessen Art und Inhalt gemacht wird.

Art. 2i enthalt die Verpflichtung zur gegenseitigen Mitteilung der gerichtlichen Verurteilungen, die im einen Land gegen Angehörige des andern Landes ergangen sind.

Uruguay befürwortete in seinen beiden Entwürfen die Vereinbarung des folgenden, zu dieser Gruppe gehörenden Artikels : ,,Zwecks Erleichterung der zur Ermittlung und Verhaftung flüchtiger Verbrecher unternommenen Schritte können Polizeiagenten und selbst bevollmächtigte Privatdetektive ins andere Land entsendet werden, um im Einverständnis mit der lokalen Polizei zu handeln, welch letztere sie aber lediglich in ihrer Tätigkeit zu unterstützen haben. Ihr Eingreifen ist den Weisungen der Behörden des ersuchten Staates oder des Transitstaates untergeordnet.tt Trotzdem nach der wiedergegebenen Fassung des uruguayanischen Vorschlages die entsendeten Polizeiagenten nicht ermächtigt werden sollten, im andern Lande selbständige Beweiserhebungen vorzunehmen, scheuten wir uns, der Konsequenzen wegen, dennoch, uns vertraglich zu binden. Wir Hessen der uruguayanischen Regierung unsere ablehnende Haltung erklären, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass wir unter Vorbehalt des Gegenrechts, von~Fall zu Fall, jedoch ohne vertragliche Verpflichtung, bereit seien, gehörig legitimierte uruguayanische Polizeiagenten zur Erleichterung der Fahndung nach Verbrechern in der Schweiz zuzulassen, wenn deren Ankunft uns rechtzeitig zum voraus gemeldet werde und die Agenten sich verpflichten, sich jeder selbständigen Untersuohungs- und Vollzugshandlung auf schweizerischem Gebiete zu enthalten.

5. Schlussbestimmungen.

Ari. 22 enthält Vorschriften über die Ratifikation, die Dauer und die Kündigung des Vertrages.

598 Indem wir Ihnen hiernach den Vertrag unterbreiten, beantragen wir, Sie mochten ihm durch Annahme des mitfolgenden Beschlussesentwurfes die Ratifikation erteilen.

B e r n , den 26. Juni 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Scheurer.

Der Bundeskanzler: Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay abgeschlossenen Auslieferungsvertrages vom 27. Februar 1923.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 26. Juni 1923, in Anwendung von Art. 85, Ziffer 5, und Art. 89, Abs. 3, der Bundesverfassung, beschliesst: Art. 1. Dem zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay unterm 27. Februar 1923 abgeschlossenen Auslieferungsvertrage wird die Genehmigung erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat ist beauftragt, diesen Beschluss nach Ablauf der Referendumsfrist in Wirksamkeit zu setzen.

599 Deutsche Übersetzung.

Auslieferungsvertrag zwischen

der Schweiz und der Republik Uruguay.

(Vom 27. Februar 19230 Der schweizerische Bundesrat und

Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Uruguay haben zur Erleichterung einer gleichmäßigen, raschen und wirksamen Justizpflege und Verbrechensverfolgung den Abschluss eines Vertrages über die Auslieferung von Verbrechern, sowie über die Regelung gewisser, damit zusammenhängender Fragen als zweckmässig erachtet und als ihre Bevollmächtigten ernannt: Der schweizerische Bundesrat Herrn Dr. jur. Karl Egger, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei seiner Exzellenz, dem Präsidenten der Republik Uruguay, Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Uruguay Herrn Dr. jur. Juan Antonio Buero, seinen Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten, welche nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Artikel vereinbart haben: Art. 1.

Die hohen vertragsschliessenden Teile verpflichten sieb, nach Massgabe der in den nachstehenden Artikeln aufgestellten Vorschriften sich gegenseitig die von den zuständigen Behörden des einen der beiden Staaten als Täter oder Teilnehmer einer der in Art. 2 aufgeführten Handlung verfolgten oder verurteilten und auf dem Gebiete des andern Staates sich aufhaltenden Personen auszuliefern, wenn immer die ihnen zur Last gelegten Handlungen als gemeinrechtliche Gesetzesverletzungen, sowohl nach dem Rechte des Zufluchtsortes, als nach dem des ersuchenden Staates strafbar sind.

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Art. 2.

Die strafbaren Handlungen, für welche die Auslieferung gewahrt werden soll, sind folgende : 1. Tötung, umfassend Mord, Totschlag, Elternmord, Kindesmord, Vergiftung ; 2. vorsätzliche Abtreibung der Leibesfrucht ; 3. absichtliche Korperverletzung, welche den Tod oder einen bleibenden Nachteil, dauernde Arbeitsunfähigkeit oder eine schwere Verstümmelung eines Gliedes oder Organes des Körpers verursacht hat; 4. Notzucht, gewalttätiger Angriff auf die Schamhaftigkeit, Kuppelei ; 5. mit oder ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit von Kindern beider Geschlechter unter 14 Jahren; 6. Doppelehe ; 7. Menschenraub und widerrechtliche Gefangenhaltung von Personen, Unterdrückung des Personenstandes, Unterschiebung von Kindern; 8. Aussetzung und bösliches Verlassen von Kindern oder hilflosen Personen, Entführung von Minderjährigen; 9. Fälschung oder Verfälschung von Münzen oder Papiergeld, von Banknoten oder andern Kreditpapieren mit gesetzlichem Kurs, von Aktien und andern Wertpapieren, die der Staat, Körperschaften, Gesellschaften oder Einzelpersonen ausgegeben haben; Fälschung oder Verfälschung von Postwertzeichen, Stempeln, Marken oder Siegeln des Staates oder öffentlicher Stellen ; betrügerischer Gebrauch der gefälschten oder verfälschten Gegenstände der genannten Art; Einführung, Ausgabe oder Inverkehrbringen derselben in betrügerischer Absicht; betrügerischer Gebrauch oder Missbrauch von Siegeln, Stempeln und Marken; 10. Fälschung von öffentlichen oder privaten Urkunden, Verfälschung von amtlichen Urkunden oder atier Art Handelspapieren ; betrügerischer Gebrauch solcher gefälschter oder verfälschter Urkunden; Unterschlagung von Urkunden; 11. falsches Zeugnis, Verleitung von Zeugen zu falscher Aussage, Meineid in Zivil- und Strafsachen; 12. Bestechung von öffentlichen Beamten; 13. Veruntreuung im Amte oder Unterschlagung öffentlicher Gelder; Erpressung, verübt durch Beamte oder Verwalter;

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14. vorsätzliche Brandstiftung; Missbrauch von Sprengstoffen; 15. vorsätzliche Handlungen, welche die Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen, Dampfschiffen, Postwagen, elektrischen Apparaten oder Leitungen (Telegraphen und Telephone) und die Gefahrdung ihres Betriebes bewirken können ; 16. Raub, Erpressung, Diebstahl, Hehlerei ; 17. Seerauberei, vorsätzliche Handlungen, welche das Sinken, die Strandung, die Zerstörung, Unbrauchbarmachung oder Beschädigung eines Schiffes bewirken, sofern dabei eine Gefahr für andere Menschen entstehen kann; 18. Betrug; 19. Veruntreuung und Unterschlagung; 20. betrügerischer Bankerott.

In den vorbezeichneten strafbaren Handlungen sind der Versuch und die Begünstigung, sofern sie nach der Gesetzgebungder beiden Länder strafbar sind, Inbegriffen, Durch die Aufstellung der vorstehend genannten Delikts* gattungen werden die vertragsschliessenden Teile nicht gehindert, unter Vorbehalt des Gegenrechts die Auslieferung von verfolgten oder verurteilten Personen wegen anderer Handlungen zu verlangen und zu gewähren, vorausgesetzt, dass die Gesetzgebung des ersuchten Staates dem nicht entgegensteht.

Die Auslieferung findet nicht statt: a. bei Verurteilten, wenn die Gesamtdauer der ausgesprochenen Strafen weniger als l Jahr Gefängnis beträgt ; b, bei Angeschuldigten, wenn das Hóchstmass der auf die eingeklagte Handlung angedrohten Strafe sowohl nach dem Recht des ersuchenden wie des ersuchten Staates weniger als 2 Jahre Gefängnis 'beträgt.

Art. 3.

Die Auslieferung findet nicht statt: a. wegen politischer Straftaten oder Handlungen, welche mit solchen im Zusammenhang stehen ; b. wenn die Straftat auf dem Gebiete des ersuchten Staates begangen worden ist-, c. wenn dem Auslieferungsbegehren die gleiche Gesetzesverlötzung zugrunde liegt, für welche die beanspruchte Person im ersuchenden Staate bereits abgeurteilt, bestraft oder freigesprochen worden ist ;

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a. wenn die Strafverfolgung oder die Strafvollatreckung, von der letzten richterlichen Handlung oder der Verurteilung an gerechnet, nach der Gesetzgebung des ersuchten und des ersuchenden Staates verjährt ist, bevor das Verhafts- oder Auslieferungsbegehren der Regierung des angegangenen Staates zugekommen ist.

Art. 4.

Die vertragsschliessenden Teile verpflichten sich, die eigenen Angehörigen, seien sie es durch Geburt oder Einbürgerung, selbst dann nicht auszuliefern, wenn die Einbürgerung nach Begehung der strafbaren Handlung erlangt worden sein sollte.

Die Behörden des Begehungsstaates können solchenfalls die strafbare Handlung unter Vorlage der Beweisakten den Behörden des Heimatstaates zur Anzeige bringen, welche die verfolgte Person vor ihre eigenen Gerichte ziehen werden.

Eine zweite Verfolgung findet im Staat, in welchem die strafbare Handlung verübt wurde, nicht statt, wenn die verfolgte Person im Heimatstaate freigesprochen oder rechtskräftig verurteilt wurde und, in letzterem Fall, die Strafe verbüsst oder Verjährung eingetreten ist.

Art. 5.

Wenn die strafbare Handlung, welche den Gegenstand des Auslieferungsbegehrens gebildet hat, ausserhalb des Gebietes des ersuchenden Staates verübt wurde, so ist dem Begehren unter Vorbehalt von Art. 3, lit. b, zu entsprechen, wenn die Gesetze der vertragsschliessenden Teile die Strafverfolgung solcher im Ausland begangener Handlungen zulassen.

Art. 6.

Die Person, deren Auslieferung gewährt wurde, darf für vor der Auslieferung begangene Gesetzesverletzungen oder damit im Zusammenhang stehende Handlungen nur verfolgt oder bestraft werden, wenn der Auslieferungsstaat hierzu seine Zustimmung erteilt und Straftaten in Frage kommen, die in Art. 2 vorgesehen sind.

Die Regierung des Auslieferungsstaates kann die Vorlage der in Art. 9 erwähnten Dokumente verlangen.

Die ausgelieferte Person darf nicht ohne das Einverständnis der Regierung dieses Landes an einen dritten Staat weitergeliefert werden, der die Person wegen anderer Straftaten beansprucht, als jene, für die ihre Auslieferung gewährt wurde.

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Diese Einschränkungen kommen nicht zur Geltung: 1. wenn der Ausgelieferte, in Kenntnis der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages, sieh ausdrücklich mit seiner Verfolgung und Bestrafung wegen einer früher begangenen und im Auslieferungsbegehren nicht erwähnten Straftat einverstanden erklärt; 2. wenn er in die Weiterlieferung an einen dritten Staat einwilligt ; 3. wenn er im verurteilenden Staate drei Monate verbleibt vom Tage an gerechnet, da er seine Strafe erstanden hat oder ihm diese durch Begnadigung erlassen und er in Frei* heit gesetzt wurde, oder wenn er in der Folge auf das Gebiet dieses Staates zurückkehren sollte.

In den unter Ziffer l und 2 des vorstehenden Absatzes genannten Fällen muss das Original oder eine beglaubigte Abschrift der Zustimmungserklärung der ausgelieferten Person der Regierung des Auslieferungsstaates unterbreitet werden.

Art. 7.

Die Auslieferung wird nur unter der Bedingung bewilligt, dass der Auszuliefernde nicht vor ein Ausnahmegericht gestellt werde.

Art. 8.

Die vertragsschliessenden Teile sind übereingekommen, die Auslieferung einer Person, auf welche die Todesstrafe anwendbar ist, nur unter der Bedingung der Umwandlung dieser Strafe in eine Freiheitsstrafe zu gewähren.

Art. 9.

Das Auslieferungsbegehren ist auf diplomatischem Weg oder, in Ermangelung diplomatischer Agenten, durch den im Range höchststehenden Konsul des ersuchenden Staates oder, wenn kein Konsul vorhanden ist, direkt von Regierung zu Regierung zu stellen.

Dem AuslieferuBgsbegehren ist, wenn es sich um einen Verurteilten handelt, das Original oder eine beglaubigte Abschrift des ergangenen Urteils, oder bei Angeschuldigten ein von der zuständigen Behörde erlassener Haftbefehl, enthaltend eine ausfuhrliche Darstellung der zur Last gelegten Straftat und den Zeitpunkt ihrer Begehung, beizugeben.

Diese Schriftstücke sind, wenn sie in spanischer, deutscher oder italienischer Sprache abgefaaat sind, von einer französischen

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Übersetzung begleitet und im Original oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen. Wird das Auslieferungsbegehren auf diplomatischem "Weg gestellt, so ist eine konsularische Beglaubigung nicht nötig.

Dem Auslieferungsbegehren sind alle zur Identifizierung der beanspruchten Person nötigen Aufklärungen und Schriftstücke, sowie eine Abschrift der im ersuchenden Staat auf die eingeklagte Handlung anwendbaren Strafbestimmungen beizulegen.

Handelt es sich um die Auslieferung eines entwichenen Strafgefangenen, so ist die Vorlage eines von der zuständigen Verwaltungsbehörde erlassenen Schriftstückes erforderlich, das eine Wiedergabe des ergangenen Urteils, die Urteilsnotifikation an diese Verwaltungsbehörde, die zur Anwendung gelangten strafgesetzlichen Bestimmungen, sowie Angaben über die Dauer der noch zu erstellenden Strafe, den Zeitpunkt und die Verumständungen der Flucht und die erforderlichen Auskünfte über die Identität der beanspruchten Person enthält.

Art. 10.

In dringenden Fällen können die vcrtragsschliessenden Teile durch die Post oder den Telegraphen die vorläufige administrative Festnahme des Verfolgten uud die Beschlagnahme der mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Gegenstände verlangen ; einem solchen Begehren ist immer stattzugeben, wenn das Vorhandensein eines Urteils oder eines Haftbefehls geltend gemacht werden kann und wenn es sich um eine in Art. 2 vorgesehene Straftat handelt.

Die Verhaftung findet in den Formen und gemäss den gesetzlichen Bestimmungen des ersuchten Landes statt ; die Haft, sofern sie nicht aus andern Gründen weiterzudauern hat, wird aufgehoben, wenn 90 Tage nach ihrem Beginn dem ersuchten Staat die in Art. 9 erwähnten Schriftstücke nicht zugekommen sind.

Art. 11.

Die Prüfung des Auslieferungsbegehrens und die Bewilligung der Auslieferung richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen des ersuchten Staates.

Erachtet dieser das Auslieferungsbegehren formell oder materiell als mit den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages nicht im Einklang stehend, so kann er vom ersuchenden Staate alle zur Aufklärung notwendigen Auskünfte und Ergänzungen verlangen, worauf er über das Auslieferungsbegehrcn entscheidet.

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Sind die ergänzenden Auskünfte dem ersuchten Staate nicht innert 90 Tagen vom Zeitpunkt des Ersuchens an gerechnet zugekommen, so kann die beanspruchte Person freigelassen werden. Sie kann aus dem Grunde, der zu dem Auslieferungsbegehren Anlass gab, nicht neuerdings verhaftet werden.

Art. 12.

Die beanspruchte Person, welche im Zufluchtsstaate verfolgt wird oder dort eine Strafe verbüsst, die ihr wegen einer andern als der das Auslieferungsbegehren begründenden Straftat auferlegt wurde, wird erst nach Fällung des rechtskräftigen Urteils ausgeliefert, und im Falle der Verurteilung, nachdem die Strafe verbüsst oder durch Begnadigung erlassen wurde.

Die von der beanspruchten Person allfällig eingegangenen privatrechtlichen Verbindlichkeiten können die Auslieferung nicht hindern.

Art. 13.

Wenn die auf Grund des gegenwärtigen Vertrages beanspruchte Person noch von einer oder mehreren andern Regierungeu für in ihren Ländern verübte Straftaten verlangt wird, so wird die Auslieferung demjenigen Staate gewährt werden, auf dessen Gebiet die schwerste Straftat begangen wurde, und bei gleicher Schwere demjenigen, der das Auslieferungsbegehren zuerst gestellt hat.

- Art. 14.

Wenn innert drei Monaten seit dem Tage, an dem die beanspruchte Person dem ersuchenden Staate zur Verfügung gestellt wurde, dieser die Übernahme nicht geregelt hat, so wird der Verfolgte freigelassen und kann wegen des nämlichen Grundes nicht neuerdings verhaftet werden.

Art. 15.

Alle aus der strafbaren Handlung herrührenden oder zu ihrer Verubung verwendeten Gegenstände, sowie die als Beweisstücke dienlichen Papiere oder andern, durch das Eingreifen der Behörden bei der beanspruchten Person oder bei Dritten gefundenen oder beschlagnahmten Gegenstände sind der ersuchenden Behörde aushinzugeben.

Die Übergabe hat selbst dann stattzufinden, wenn die Auslieferung infolge des Todes oder der Flucht des Verfolgten nicht erfolgen kann.

Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. II.

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Die Rechte Dritter au den in Betracht kommenden Gegenständen bleiben vorbehalten; diese sind ihnen nach Beendigung des Prozesses kostenfrei zurückzustellen.

Art. 16.

Die Durchlieferung einer durch einen dritten Staat an den andern Vertragsstaat auszuliefernden Person durch das Gebiet eines der vertragsschliessenden Teile wird auf die einfache, in Original oder beglaubigter Abschrift erfolgte Vorlage eines der in Art. 9 bezeichneten Schriftstücke gewährt, sofern der Verfolgte nicht Angehöriger des Transitstaates ist, die das Auslieferungsbegehren begründende Handlung im gegenwärtigen Vertrage vorgesehen ist und nicht unter die in Art. 3 festgesetzten Ausnahmen fallt.

Die Durchlieferung hat auf schnellstem Wege, unter Aufsicht von Polizeiagenten des ersuchten Landes und auf Kosten des ersuchenden Staates stattzufinden.

Art. 17.

Die durch die Haft, den Unterhalt und den Transport der auszuliefernden Person, sowie die durch die Verwahrung und den Transport der gemäss Art. 15 auszufolgenden oder zurückzugebenden Gegenstände entstehenden Kosten sind, soweit sie innerhalb des Gebietes des einzelnen Vcrtragsstaates entstehen, von diesem Staate zu tragen.

Die Transport- und andern'Kosten auf den Gebieten der Zwischenstaaten fallen dem ersuchenden Lande zur Last.

Art. 18.

Wenn in einem Strafverfahren wegen einer in Art. 2 erwähnten Straftat eine der beiden Regierungen die Einvernahme von im andern Staate wohnenden Zeugen, oder die Vornahme irgendwelcher anderen Untersuchuugshandlungen für notwendig erachtet, so ist zu diesem Zwecke auf den in Art, 9 vorgesehenen Wegen ein Ersuchsschreiben einzusenden, dem gemfiss den Gesetzen des ersuchton Landes beförderlichst Folge zu geben ist.

Die Ersuchsschreiben und die Begleitakten sind, wenn die Ersuchen in der Schweiz vollzogen werden sollen, mit einer französischen, wenn sie in Uruguay vollzogen werden sollen, mit einer spanisehen Übersetzung zu versehen.

Werden diese Aktenstücke auf diplomatischem Wege übermittelt, so ist eine konsularische Beglaubigung nicht notwendig.

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Die Vertragsstaaten verzichten auf jede Vergütung der ihnen aas dem Vollzug der Ersuchfflchreiben erwachsenden Kosten, sofern es sich nicht um Auslagen für Gutachten krimineller, kommerzieller oder medizinischer Natur handelt.

Ebensowenig kann eine Ersatzforderung Platz greifen für die Kosten gerichtlicher Handlungen, die von den Beamten eines der Vertragsstaaten freiwillig zur Verfolgung oder Feststellung von Straftaten vorgenommen werden^ welche auf ihrem Gebiete von einem Ausländer begangen wurden, der nachher in seinem Heimatstaate zur Verantwortung gezogen wird.

Art. 19.

Wenn in einer Strafsache wegen eines in Art. 2 aufgezählten Deliktes das persönliche Erscheinen eines Zeugen als notwendig oder zweckmässig erachtet wird, so wird die Regierung des Aufenthaltsstaates ihn einladen, der ihm zugestellten Vorladung Folge zu leisten. Kommt er der Ladung nach, so wird ihm die Regierung des ersuchenden Staates vom Zeitpunkt seiner Abreise an die Reiseund Aufenthaltskosten gemäss den in dem Lande, wo er erscheinen soll, geltenden Tarifen vergüten, wenn sie sich nicht für verpflichtet erachtet, dem Zeugen eine höhere Entschädigung auszurichten.

Keine Person, welcher Staatsangehörigkeit sie auch sein mag, die, in einem der beiden Länder als Zeuge vorgeladen, freiwillig vor don Gerichten des andern Landes erschienen ist, darf daselbst wegen strafbarer Handlungen, oder zwecks Vollzugs zivilrechtlicher, krimineller oder korrektioneller Urteile, die vor ihrem Weggang aus dem ersuchten Lande ergangen sind, noch endlich unter dem Vorwand der Mitschuld an den den Gegenstand dee Prozesses, in dem sie als Zeuge auftritt, bildenden Handlungen verfolgt oder verhaftet werden.

Art. 20.

Wenn in einer nicht politischen, militärischen oder fiskalischen Strafsache die eine der beiden Regierungen die Zustellung eines Prozessaktes oder eines Urteils an eine im andern Lande wohnende Person für nötig erachtet, so wird ihr das Aktenstück durch den zuständigen Beamten zugestellt; das Original des Aktenstückes, begleitet von der Zustellungsbescheinigung, wird an die ersuchende Regierung zurückgesandt, ohne dass irgendwelche Kosten berechnet werden dürfen.

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Die zuzustellenden Aktenstücke können in der Sprache der ersuchenden Behörde abgefasst sein. Jedoch soll der Regierung des ersuchten Staates, in deren Landessprache oder in französischer Sprache, bei der Übermittlung dee Aktenstückes dessen Inhalt erwähnt werden.

Art. 21.

Die vertragsschliessenden Teile verpflichten sich zur gegenseitigen Mitteilung der Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen jeder Art, die von den Gerichten des einen der vertragsschliessenden Staaten gegen Angehörige des andern Landes ausgesprochen worden sind. Diese Mitteilung erfolgt auf diplomatischem Wege durch Übersendung eines Auszugs aus dem rechtskräftig gewordenen Urteile, Art. 22.

Der gegenwärtige Vertrag ist gemass der Verfassung und den Gesetzen jedes der beiden vertragsschliessenden Länder zu ratifizieren und tritt sechs Wochen nach Austausch der Ratifikationsurkunden, welcher sobald als möglich in Bern stattfinden soll, in Kraft.

Die Dauer des Vertrages ist unbegrenzt; jeder vertragschliessende Teil hat das Recht, ihn in irgendwelchem Zeitpunkt zu kundigen ; die Kündigung tritt sechs Monate nach ihrer Mitteilung in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag errichtet und ihn mit ihren Unterschriften und Siegeln versehen.

Also geschehen in Montevideo, den siebenuudzwanzigsten Februar tausend neunhundert und dreiundzwanzig.

gez. Egger.

gez. J. A. Bnero.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay. (Vom 26. Juni 1923.)

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