No 7

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Bundesblatt

75. Jahrgang.

Bern, den 14. Februar 1923.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cie. in Bern.

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Bundesbeschluss über

das Volksbegehren für die Wahrung der Volksrechte in der Zollfrage (Art. 29 derBundesverfassung).

(Vom 7. Februar 1923).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des Volksbegehrens über die Wahrung der Volksrechte in der Zollfrage (Art. 29 der Bundesverfassung), eines Berichtes des Bundesrates vom 28. Dezember 1922 sowie nach Kenntnisnahme seiner Erklärung, dass die Gesetzesvorlage betreffend den Zolltarif den Räten, wenn immer möglich, bis 1. Oktober 1923 unterbreitet werde; gestutzt auf Art. 121 ff. der Bundesverfassung und Art. 8 ff.

des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung, beschliesst: I.

Es wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet das Volksbegehren über die Wahrung der Volksrechte in der Zollfrage (Art. 29 der Bundesverfassung), das lautet wie folgt : ,,Art. 29 der Bundesverfassung erhält folgende Fassung: Bei Erhebung der Zölle müssen folgende Grundsätze beachtet werden : 1. Eingangsgebühren: a. Lebensmittel und andere zum nötigen Lebensbedarf erforderliche Gegenstände sind möglichst gering zu Bundesblatt. 75. Jahrg. Bd. I.

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taxieren ; b. ebenso die für die Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Stoffe; c. die Gegenstände des Luxus unterliegen den höchsten Taxen. Diese Grundsätze sind, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen, auch bei der Abschliessung von Handelsverträgen mit dem Auslande zu befolgen.

2. Allfällige Ausgangsgebühren sind möglichst massig festzusetzen.

3. Durch die Zollgesetzgebung sind zur Sicherung des Grenzund Marktverkehrs geeignete Bestimmungen zu treffen. Die Festsetzung der Eingangs- und Ausgangsgebühren erfolgt auf dem Wege der Bundesgesetzgebung. Dringliche Beschlüsse unter Ausschluss des Referendums sind hierbei nicht zulässig. Dem Bunde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter ausserordentlichen Umständen in Abweichung von vorstehenden Bestimmungen vorübergehend besondere Massnahmen zu treffen. Solche Massnahmen können vom Bundesrate erlassen und vorläufig in Kraft gesetzt werden, sind jedoch der Bundesversammlung sofort, oder wenn sie nicht versammelt ist, bei ihrem nächsten Zusammentritt zur nachträglichen Genehmigung zu unterbreiten. Werden die Massnahmen nicht innert drei Monaten seit ihrem Erlass genehmigt, so hat sie der Bundesrat sofort ausser Kraft zu setzen. Die Genehmigung durch die Bundesversammlung erfolgt in der Form eines nicht dringlichen Bundesbeschlusses. Wird ein solcher Bundesbeschluss in einer allfälligen Volksabstimmung verworfen, so hat der Bundesrat die besonderen Massnahmen beförderlich, spätestens innert drei Monaten nach dem ablehnenden Volksentscheid aufzuheben.

Art. 89, Absatz 2. erhält folgenden Zusatz: ,,Die in Artikel 29 vorgesehenen Bundesbeschlüsse dürfen nicht als dringlich erklärt werden."

Übergangsbestimmungen zu Art. 29. Der dringliche Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend vorläufige Abänderung des Zolltarifes, ebenso der auf Grund dieses Bundesbeschlusses abgeänderte Gebrauchstarif (Bundesratsbeschluss vom 8. Juni 1921) werden aufgehoben. Der abgeänderte Gebrauchstarif vom 8. Juni 1921 ist beförderlich, spätestens auf den 90. Tag nach dem Tage der Volksabstimmung, ausser Kraft zu setzen."

II.

Dem Volke und den Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

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III.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Bundesbeschlueses beauftragt.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 31. Januar 1923.

Der Präsident: J. Jenny.

Der Protokollführer: P.v.Ernst.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 7. Februar 1923.

Der Vizepräsident: Simon.

Der Protokollführer: Contât.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Aufnahme des vorstehenden Bundesbeschlusses ins Bundesblatt.

B e r n , den 7. Februar 1923.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler : Steiger.

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Volksabstimmung vom 15. April 1923 über

das Initiativbegehren betreffend die Abänderung des Art. 29 und die Ergänzung des Art. 89 der Bundesverfassung (Zollinitiative).

Die Zentralstelle für die Durchführung der Zollinitiative hat dem Bundesrate am 22. März 1922 ein von 151,321 Schweizerbürgern, deren Stimmberechtigung amtlich beglaubigt ist, unterzeichnetes Initiativbegehren betreffend die Abänderung des Art. 29 und die Ergänzung des Art. 89 der Bundesverfassung eingereicht.

Das Initiativbegehren hat folgenden Wortlaut: ,,Art. 29 der Bundesverfassung erhält folgende Fassung : Bei Erhebung der Zölle müssen folgende Grundsätze beachtet werden: 1. Eingangsgebühren: a. Lebensmittel und andere zum nötigen Lebensbedarf erforderliche Gegenstände sind möglichst gering zu taxieren ; b. ebenso die für die Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Stoffe; o. die Gegenstände des Luxus unterliegen den höchsten Taxen.

Diese Grundsätze sind, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen, auch bei der Abschliessung von Handelsverträgen mit dem Auslande zu befolgen.

2. Allfällige Ausgangsgebühren sind möglichst massig festzusetzen.

3. Durch die Zollgesetzgebung sind zur Sicherung des Grenz- und Marktverkehrs geeignete Bestimmungen zu treffen.

Die Festsetzung der Eingangs- und Ausgaugsgebühren erfolgt auf dem Wege der Bundesgesetzgebung. Dringliche Beschlüsse unter Ausschluss des Referendums sind hierbei nicht zulässig.

Dem Bunde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter ausserordentlichen Umständen in Abweichung von vorstehenden Bestimmungen vorübergehend besondere Massnahmen zu treffen.

Solche Massnahmen können vom Bundesrate erlassen und vorläufig in Kraft gesetzt werden, sind jedoch der Bundesversammlung sofort, oder wenn sie nicht versammelt ist, bei

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ihrem nächsten Zusammentritt zur nachträglichen Genehmigung zu unterbreiten. Werden die Massnahmen nicht innert. drei Monaten seit ihrem Erlass genehmigt, so hat sie der Bundesrat sofort ausser Kraft zu setzen. -- Die Genehmigung durch die Bundesversammlung erfolgt in der Form eines nicht dringlichen Bundesbeschlusses. Wird ein solcher Bundesbeschluss in einer allfälligen Volksabstimmung verworfen, so hat der Bundesrat die besondern Massnahmen beförderlich, spätestens innert drei Monaten nach dem ablehnenden Volksentscheid, aufzuheben.

Art. 89, Absatz 2, erhält folgenden Zusatz : ,,Die in Artikel 29 vorgesehenen Bundesbeschlüsse dürfen nicht als dringlich erklärt werden.tt Übergangsbestimmung zu Art. 29 : Der dringliche Bundes" beschluss vom 18. Februar 1921 betreffend vorläufige Abänderung des Zolltarifs, ebenso der auf Grund dieses Bundesbeschlusses abgeänderte Gebrauchstarif (Bundesratsbeschluss vom 8. Juni 1921) werden aufgehoben. Der abgeänderte Gebrauchstarif vom 8. Juni 1921 ist beförderlich, spätestens auf den 90. Tag nach dem Tage der Volksabstimmung, ausser Kraft zu setzen."·

Das Begehren ist gemäss gesetzlicher Vorschrift an die Bundesversammlung weitergeleitet worden. Unterm 31. Januar/7. Februar 1923 hat die Bundesversammlung beschlossen, das Initiativbegehren dem Volke und den Ständen mit dem Antrage auf Verwerfung zur Abstimmung vorzulegen.

Wer nun die vorgeschlagene Verfassungsänderung bzw. Ergänzung annehmen will, hat mit ,,Ja", wer sie dagegen im Sinne des Antrages der Bundesversammlung verwerfen will, hat mit ,,Nein" zu stimmen.

B e r n , den 13. Februar 1923.

Im Auftrage des Schweiz. Bundesrates: Die Bundeskanzlei.

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Bundesbeschluss über das Volksbegehren für die Wahrung der Volksrechte in der Zollfrage (Art. 29 der Bundesverfassung). (Vom 7. Februar 1923).

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14.02.1923

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