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Bundesratsbeschluss betreffend

die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Herrenkonfektionsindustrie " ' .

(Vom 7. Juli 1955)

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 3, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 über' die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art. l 1

Der im Anhang wiedergegebene Gesamtarbeitsvertrag vom 27. Dezember 1954 für die schweizerische Herrenkonfektionsindustrie wird allgemeinverbindlich erklärt, mit Ausnahme der kursiv gedruckten Bestimmungen.

2 Für den Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Vorschriften und vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

Art. 2 1

Dieser Bundesratsbeschluss gilt für das ganze Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

2 Er findet Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Atelier- und Heimarbeitsbetrieben, die Herrenkonfektion herstellen und mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen, einerseits und ihrem gesamten männlichen und weiblichen Betriebspersonal anderseits. Ausgenommen sind: a. Betriebe, die dem Gesamtarbeitsvertrag für die schweizerische Zivil-Herrenmaßschneiderei untersteben; b. Änderungsatelier von Detailgeschäften; c. öffentliche Unternehmungen (Zeughäuser) ;

196 d. Arbeitnehmer, die im Monatslohn angestellt sind ; deren Verdienst hat jedoch, auf die Stunde berechnet, mindestens den in § 8 des Gesamtarbeitsvertrages festgesetzten Löhnen zu entsprechen, sofern eine der dort erwähnten Tätigkeiten ausgeübt wird; e. Lehrlinge im Sinne des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung.

Art. 8 Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den vertragschliessenden Verbänden nicht angehören, können gegen Massnahmen dieser Verbände oder der im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehenen Organe beim Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Beschwerde führen.

Art. 4 Dieser Beschluss tritt mit seiner amtlichen Veröffentlichung in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 1956.

Bern, den T.Juli 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates,

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Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Vizekanzler : F. Weber

197 Anhang

Gesamtarbeitsvertrag für die schweizerische Herrenkonfektionsindustrie abgeschlossen am 27. Dezember 1954 zwischen dem Verband schweizerischer Herrenkonfektions-Industrieller, einerseits, und < dem Verband der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter der Schweiz, ; , ' .

dem Schweizerischen Verband christlicher Textil- und Bekleidungsarbeiter, ' · '· dem Schweizerischen Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter sowie ; · ! ' ' dem Landesverband freier Schweizer Arbeiter, anderseits.

I. Inkrafttreten, Geltungsdauer und Geltungsbereich Dieser Vertrag tritt auf I.Januar 1955 in Kraft. Sollte die Allgemeinverbindlicherklärung vom Bundesrat abgelehnt oder nicht für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft ausgesprochen werden, so wären sämtliche Vertragskontrahenten berechtigt, den Vertrag auf Ende des nächsten Kalendermonats mit einer Frist von 14 Tagen zu kündigen. Abgesehen von diesem Vorbehalt wird der Vertrag bis Ende 1957 fest abgeschlossen. Auf diesen ^Termin kann er von jeder Partei mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden. Erfolgt keine Kündigung, so gilt er jeweilen als um ein weiteres Jahr verlängert, mit gleichbleibender Kündigungsmöglichkeit.

Mit dem Kündigungsschreiben sind den Vertragspartnern die Abänderungsvorschläge bekanntzugeben. Sollte die Allgemeinverbindlicherklärung während der Vertragsdauer ablaufen und nicht erneuert werden, so kann der Vertrag beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 4 Monaten auf Ende eines Kalendermonates gekündigt werden.

Der Vertrag gilt für das Gebiet der ganzen Schweiz. Er findet Anwendung auf die Herrenkonfektion herstellenden Atelier- und Heimarbeitsbetriebe, die mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen. Ausgenommen sind: a. Betriebe, die dem Gesamtsarbeitsvertrag für die schweizerische ZivilHerrenmaßschneiderei unterstehen; b. Änderungsateliers von Detailgeschäften; c. öffentliche Betriebe (Zeughäuser).

Er gilt für sämtliches männliches und weibliches Betriebspersonal, mit Ausnahme der im Monatslohn fest angestellten Personen.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. II.

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II. Indexklausel Sofern der schweizerische Index der Kosten der Lebenshaltung gegenüber dem Stande von 171 um mehr als 5 Punkte steigen oder fallen sollte, kann jeder Vertragspartner neue Verhandlungen über eine Anpassung der Minimallöhne an den Stand der Teuerung verlangen.

TU. Aussergewöhnliche Schwierigkeiten Im Falle aussergeivöhnlicher Schwierigkeiten der Arbeitgeber, wie z.B.

Erschwerung des Exportes oder Überschwemmung des schweizerischen Marktes mit ausländischen Erzeugnissen, kann auf Wunsch des unterzeichneten Arbeitgeberverbandes auch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer über eine Anpassung dieses Vertrages verhandelt werden.

IV. Friedenspflicht Die Friedenspflicht wird beiderseits absolut gewährleistet. Im Falle von Differenzen ist der in diesem Vertrage vorgesehene Weg zu deren Behebung zu beschreiten. Mit den Mitgliedern des Verbandes schweizerischer Herrenkonfektions-Industrieller sollen keine separaten Kollektivverträge schlössen werden.

V. Verpflichtungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Arbeitszeit

Kündigung

§1 * Die ordentliche Arbeitszeit beträgt normalerweise 48 Stunden pro Woche.

2 Der Samstagnachmittag ist frei.

3 Überzeitarbeit ist möglichst zu vermeiden. Wo solche unumgänglich notwendig ist und eine im Einvernehmen mit der Mehrheit der beteiligten Arbeiterschaft eingeholte behördliche Bewilligung vorliegt, ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, die bewilligten Überstunden zu leisten.

§2 Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt während der Probezeit (14 Tage) einen Tag, nach Ablauf der Probezeit 14 Tage.

2 Die Kündigung kann, mit Ausnahme der Probezeit, nur auf Ende einer Woche erfolgen und muss schriftlich vorgenommen werden.

3 Die fristlose Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen im Sinne von Artikel 352 des Obligationenrechts bleibt vorbehalten.

Wo eine Betriebskommission besteht, soll dieselbe in der Eegel vorgängig einer solchen Massnahme konsultiert werden.

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§3 Die Betriebe werden in die folgenden vier Kategorien eingeteilt: Kategorie I : Alle nicht unter Kategorie II bis IV fallenden Betriebe.

Kategorie II : Betriebe mit mehr als 50 Arbeitskräften, sofern sie nicht in Kategorie III oder IV gehören. Diese Bestimmung findet im Tessin nur Anwendung auf Gross-Lugano.

Kategorie III: Betriebe in den Städten Biel, La Chaux-de-Fonds, Frauenfeld, Freiburg, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, Winterthur.

Kategorie IV: Betriebe in den Städten mit über 100000 Einwohnern: Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich.

2 Es werden folgende Mindeststundenlöhne einschliesslicb Teuerungszulagen festgesetzt : a. Manniicne A r b e i t s k r ä f t e : Kat. III Kat. I Kat. II Kat. IV Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Zuschneider im Stundenlohn (Schablonenzuschneider) . .

2.40 2.60 50 2.70 Ausschneider, Einrichter . . .

2.10 20 2.30 2.40 Schneider 2.20 2.40 30 2.50 Abbügler : aa. Großstücke 2.40 2.50 60 2.70 bb. Kleinstücke 2.10 30 2.20 2.40 Zwischenbügler 2.-- 2.10 20 2.30 Hilfsarbeiter 2.-- 2.10 2.20 2.30 ö. Weibliche Arbeitskräfte: Zuschneiderin im Stundenlohn.

1.70 1.75 1.80 1.85 Ausschneiderin, Einrichterin. . 1.50 1.55 1.60 1.65 Maschinennäherin I (Grossstücke : Taschen, Kragen, Patten, Kantenstürzen, Kassur, Ärmeleinnähen (sofern nicht vorgeheftet) ; Kleinstucke : Hosentaschennäherin, Maschinenknopflocherin) l. 60 1.65 1.70 1.75 Maschinennäherin II (alle übrigen Arbeiten) 1.45 1.50 1 55 1.60 Abbüglerin l. 70 1 80 1.75 1.85 Zwischenbüglerin l. 50 1.55 1 60 1.65 Handnäherin I (Kragen, Kanten Kassur, Ärmeleinheften) . .

1 60 1.50 1.55 1.65 Handnäherin II (alle übrigen Arbeiten) 1.35 1 45 1.40 1.50 Hilfsarbeiterin 1.35 1.40 1.45 1.50 1

Lohn

200 Fournituren und Werkzeuge sind vom Arbeitgeber zu stellen. Sie dürfen auf keinen Fall mit den obgenannten Mindestansätzen verrechnet werden.

c. Sonderregelung. In der italienischen Schweiz, mit Ausnahme von Gross-Lugano, dürfen in Betrieben mit weniger als 50 vom Fabrikgesetz erfassten Arbeitnehmern die Mindeststundenlöhne gemäss Kategorie I um 7 Eappen reduziert werden. Keine Eeduktion erfahren die als absolute Minima geltenden Mindeststundenlöhne für die Zwischenbügler und Handnäherinnen II.

d. Wechsel in der Tätigkeit. Dauert ein betrieblich notwendiger und zumutbarer Wechsel in der zugeteilten Arbeit nicht mehr als 4 Wochen, so wird der Durchschnittslohn der bisherigen Tätigkeit garantiert, wenn er höher war als der Mindestlohn der neuen Tätigkeit. Nach 4 Wochen gilt der Lohn der neuen Tätigkeit.

Akkord-Arbeitnehmern, welche mit Mustern beschäftigt werden, ist ein Stundenlohn entsprechend dem Akkord-Durchschnitt der letzten 4 Zahltagsperioden zu vergüten.

e. Anlernzeit. Für die anzulernenden Arbeitnehmer gilt folgende Sonderregelung: als Anlernzeit gelten 6 Monate, wobei der Lohn für die ersten 3 Monate im Minimum 80%, für die zweiten 3 Monate der Anlernzeit 90% der Minimalansätze beträgt. Wenn vor Ablauf der Anlernzeit die Leistungen der Arbeitnehmer dies rechtfertigen, soll ·ihnen Gelegenheit gegeben werden, zu normalen Akkordansätzen zu arbeiten bzw. auf den Mindeststundenverdienst zu kommen. Bei Arbeiten am Fliessband oder im Schiebebandsystem beträgt die . Anlernzeit höchstens zwei Monate. Die vorgenannten Anlernzeiten fallen für gelernte Berufsarbeiter und -arbeiterinnen der Herren- und Knabenschneiderbranche mit Lehrabschluss weg.

/. Jugendliche .und Lehrlinge. Die Mindestlöhne für jugendliche männliche Arbeitnehmer bis zum vollendeten 17. Lebensjahr betragen 80 Prozent und bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 90 Prozent der unter lit. a, d und e genannten Ansätze. Die Entschädigung der Jugendlichen darf jedoch nicht weniger als 70 Prozent der Mindestansätze betragen (Anlernzeit).

Die Mindestlöhne für jugendliche weibliche Arbeitnehmer bis zum vollendeten 1-7. Lebensjahr betragen 80 Prozent, bis zum vollendeten 18.Lebensjahre 85 Prozent und bis zum vollendeten 19. Lebensjahr 90 Prozent der unter lit. b, d und e genannten Ansätze.

Die Entschädigung der Jugendlichen darf jedoch
nicht weniger als 70 Prozent der Minimalansätze betragen. Bisher bezahlte Löhne dürfen nicht reduziert werden.

Soweit Jugendliche im Akkord, am Fliessband oder im Schiebebandsystem arbeiten, gelten für sie die normalen Ansätze.

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g.

h.

i.

k.

Nicht unter die Lohnvorschriften fallen die Lehrlinge, für die ein Lehrvertrag abgeschlossen worden ist.

.

Minderleistungsfähige. Arbeitskräfte, die bei gleichwertigen Verhältnissen dauernd mindestens 20 Prozent Minderleistungen auf weisen, müssen nicht nach den Mindestansätzen entlöhnt werden. Es ist dies den betreffenden Arbeitnehmern schriftlich mitzuteilen.

Arbeitnehmer im Monatslohn. Der Verdienstder im Monatslohn angestellten Arbeitnehmer hat, in Stundenlohn umgerechnet, mindestens den in lit. a und b festgesetzten Lohnansätzen zu entsprechen, sofern dort erwähnte Berufe.ausgeübt werden.

Lohnzuschläge. Überzeitarbeit wird mit 25 Prozent Zuschlag vom Gesamtlohn vergütet.

Für Schichtarbeit (von 5 bis 22 Uhr) wird ein Zuschlag von 20 Kappen pro Stunde entrichtet.

Hilfsarbeiten im Sinne von Artikel 178 und 179 der Verordnung über den Vollzug des Fabrikgesetzes sind nicht zuschlägspflichtig.

A k k o r d und Flies s arbeit. Die Akkordansätze sind für männliche un4 weibliche Arbeitnehmer die gleichen. Sie sind vor Übernahme der Arbeit bekanntzugeben. Die Ansätze müssen iso bemessen sein, dass bei angemessener Leistung ein entsprechender Mehrverdienst erreicht werden kann. Wenn innerhalb von zwei .aufeinanderfolgenden Zahltagsperioden mit Akkordarbeit der garantierte Stundenlohn nicht erreicht wird, erfolgt Aufzahlung für beide Zahltagsperioden auf der · Basis des Mindeststundenlohnes.

Für Arbeiten am Fliessband und im Schiebebandsystem wird ein Zuschlag von 10 Prozent auf dem Mindestlohn bewilligte : Unter Fliessband und Schiebebandsystem sind Arbeitssysteme zu verstehen, bei denen das Tempo durch mechanische'Einwirkung beeinflusst wird.

, . . ' ' . · §4 .

; Die Mindestlöhne gemäss § 3, lit. a und 6, werden für volleistungs- Dienstaiterszu aiS fähige Arbeitnehmer nach 5 Dienstjahren in der gleichen Firma um TM' 5 Kappen erhöht. Nach dem 10. Dienstjahr im gleichen Betriebe wird an Stelle der weiteren 5 Rappen Dienstalterszulage ein einmaliger Betrag, von 200 Franken als: Treueprämie ausbezahlt, nach dem 15. und 20. Dienstjahr wiederum je 200 Franken, nach dem 25. Dienstjahr 500 Franken und nach dem 30. Dienstjahr 200 Franken. Diese Bestimmung hat keine rückwirkende Kraft; dagegen müssen bis zum Inkrafttreten des neuen Vertragesdie vorgesehenen Erhölmngen auf den Mindestlöhnen gemäss dem alten Vertrag gewährt werden.

'· 2 Bei korrekter Auflösung des Dienstverhältnisses nach dem 10.

Dienstjahr wird dem Arbeitnehmer für jedes volle Dienstjahr der ange1

202 brochenen 5jährigen Dienstperiode eine Treueprämie von 40 Franken pro Jahr bezahlt.

3 Bereits eingeführte Dienstaltersgeschenke und -prämien können an die Treueprämie angerechnet werden.

; 4 Für die Berechnung der Dienstjahre sind die bei den Ferien massgebenden Bestimmungen anzuwenden. Dienstjahre vor dem erfüllten 18. Lebensjahr werden für die Berechnung nicht mitgezählt.

§5 Kinderaiiage ! Für jedes Kind von in den Betrieben beschäftigten Arbeitnehmern wird bis zum zurückgelegten 16. Altersjahr eine Zulage von 16 Franken pro Kind und Monat ausbezahlt.

2 Wenn der Mann einer arbeitenden Frau voll erwerbsfähig ist, bekommt die Ehefrau keine Kinderzulage. Die Mütter unehelicher Kinder sowie geschiedene Frauen werden den Ehegatten gleichgestellt, sofern die Mutter in der Hauptsache allein für den Unterhalt der Kinder aufkommt.

3 In Kantonen, in denen gesetzliche Vorschriften über die Ausrichtung von Kinderzulagen bestehen, findet dieser Paragraph keine Anwendung.

§6

Ferien

l

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Ferientage. Es werden pro Kalenderjahr gewährt: im .l.bis 4. Dienstjahr im gleichen Betrieb'.

6 Werktage Ferien 9 Werktage Ferien im 5. bis 9. Dienstjahr im gleichen Betrieb .

im 10. bis 19. Dienstjahr im gleichen Betrieb .

12 Werktage Ferien im 20. und den folgenden Dienstjahren im glei18 Werktage Ferien chen Betrieb 2 Bei Betriebsferien bis längstens zwei Wochen muss ausser der Vergütung des individuellen Ferienanspruches keine weitere Entschädigung ausgerichtet werden. Die Betriebsferien sind spätestens 3 Wochen zum voraus durch Anschlag in der Fabrik den Arbeitnehmern bekanntzugeben.

Arbeitnehmer mit kürzeren Ferienansprüchen sollen auf Wunsch nach Möglichkeit im Betriebe beschäftigt werden. Sie müssen diesen Wunsch jedoch spätestens 14 Tage vor Beginn der Ferien der Betriebsleitung anmelden. Solche Arbeitnehmer können für Rénovations-, Aufräumungs-, Eeinigungs-, Lager-, Muster- und ähnliche Arbeiten beschäftigt werden.

3 Jugendliche bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr haben Anspruch auf 12 Werktage bezahlte Ferien.

4 Als Stichtag gilt der erste Januar. Erfolgt der Eintritt während des. Kalenderjahres, so hat der Arbeitnehmer im Eintrittsjahr Anspruch auf Ferienvergütung entsprechend der im Betriebe verbrachten Zeit.

203 5

In die Ferien fallende Feiertage' gelten als Ferien. Immerhin bleibt der in diesem Vertrage zugesicherte Anspruch auf Entschädigung für : 6 bezahlte Feiertage gewahrt.

'..

6 Die Berechnung der Ferienvergiitung erfolgt:auf Grund:des Durchschnitts-Stundenverdienstes während der letzten drei Monate. Pro Ferientag wird der Lohn für 8 Stunden vergütet.

7 Bei der Berechnung der Ferien sind frühere Dienstjahre beim gleichen Arbeitgeber zu berücksichtigen, sofern der Unterbruch nicht länger als drei Jahre gedauert hat.

8 Die Festsetzung der Ferien erfolgt durch den Arbeitgeber. Sie werden in die Zwischensaison verlegt. Begründete Wünsche der Arbeitnehmer sollen berücksichtigt werden, sofern der Betrieb dies gestattet.

9 Eine Übertragung der Ferien von einem Jahr ins andere ist ohne Einverständnis des Arbeitgebers nicht zulässig. Für Nichtbenützung der Ferien wird keine Entschädigung gewährt.

10 Die Ferien dürfen nicht zu Arbeitsleistungen verwendet werden, welche die Erholung beeinträchtigen können. Arbeitnehmer, die während der Ferien Berufsarbeit zu Erwerbszwecken verrichten, gehen ;der Ferienvergütung verlustig.

11 Bei Auflösung des Dienstverhältnisses werden die Ferientage entsprechend der im Austrittsjahr im Betriebe verbrachten Zeit vergütet.

Sofern eine Entlassung aus wichtigen Gründen im Sinne von Artikel 352 des Obligationenrechts erfolgt oder das Dienstverhältnis vom Arbeitnehmer vor Ablauf der ersten 6 Dienstmonate aufgelöst wird, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Ferien., Zuviel bezogene: Ferientage können bei der letzten Abrechnung:in Abzug gebracht werden.

12 Absenzen wegen Krankheit oder Unfall von zusammen mehr als zwei Monaten sowie Militärdienst, soweit es sich nicht um obligatorische Wiederholungskürse oder die Eekrutenschule als Eekrut handelt, können an die Ferien angerechnet werden mit einem Zwölftel pro weiteren Monat Absenz. Für Wöchnerinnen werden Arbeitsunterbrechungen bis zu acht Wochen nicht als Absenz angerechnet.

13 Für Arbeitnehmer, welche dauernd nicht 80 Prozent der normalen Arbeitszeit erfüllen, können die Ferien entsprechend gekürzt werden.

Sonderregelung: Für den Kanton Tessin gilt an Stelle dieses Paragraphen, das kantonale Arbeitsgesetz vom 11.Mai 1953, unter dem Vorbehalt jedoch der Gewährung von 18 Ferientagen vom 20. Dienstjahr an im gleichen Betrieb.

1

; , .

F ; Pro Jahr werden den Arbeitnehmern höchstens 6 auf einen Ârbeits-

tag fallende Feiertage zum Mindeststundenansatz von 8 Stunden bezahlt.

Feiertage

204 2

Die Wahl der vergüteten Feiertage steht den Arbeitgebern frei. Sie sollen den örtlichen Verhältnissen angepasst und den Arbeitnehmern zum voraus bekanntgegeben werden.

3 Die Vergütung der Feiertage erfolgt dann, wenn der Arbeitnehmer am Tage vor und nach dem bezahlten Feiertag nach Stundenplan gearbeitet hat (Sonntage, Feiertage und bewilligter Urlaub ausgenommen).

Bezahlte Urlaube

§8 Bezahlte Urlaube werden zum Mindeststundenlohn-Ansatz und entsprechend der ausfallenden Arbeitszeit in folgenden Fällen gewährt: bei Todesfall des Gatten, eigener Kinder, der Eltern, Schwiegereltern und Geschwister, die in Hausgemeinschaft lebten . .

3 Tage bei Todesfall der Eltern, Schwiegereltern oder Geschwister . .

l Tag bei persönlicher Trauung 2 Tage . bei Geburt eigener Kinder l Tag bei Rekrutierung und militärischer Inspektion . l/2 Tag, gegebenenfalls l Tag 2 Die Vergütung der Urlaubstage erfolgt dann, wenn der Arbeitnehmer am Tage vor und nach dem bezahlten Urlaub nach Stundenplan gearbeitet hat (Sonntage, Feiertage und bewilligter Urlaub ausgenommen).

e sicheriîn en

1

§9 * ^*e Mitgliedschaft bei einer Arbeitslosen-Versicherungskasse ist für jeden versicherungsfähigen Arbeitnehmer obligatorisch. Dies gilt für Arbeitnehmer, die keinem vertragschliessenden Verband angehören nur insoweit, als sie die Möglichkeit haben, sich einer öffentlichen Kasse anzuschliessen.

2 Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle zu versichern. Die Prämien der Versicherung gegen Nichtbetriebsunfälle gehen zu Lasten der Arbeitnehmer.

3 Jeder versicherungsfähige Arbeitnehmer ist verpflichtet, einer Krankentaggeldversicherung anzugehören, die mindestens folgende Leistungen garantiert: Jugendliche 4 Franken Taggeld Frauen 4 Franken Taggeld Ledige Männer l 6 Franken Taggeld Verheiratete Männer 10 Franken Taggeld 4

An àie Prämien für diese Mindestleistungen bezahlt die Firma den definitiv angestellten Arbeitnehmern 50 Prozent. Die Auszahlung kann entweder in der Weise geschehen, dass der Arbeitgeber seinen Beitrag mit demjenigen des Arbeitnehmers direkt der Krankenkasse überweist, indem er dem

1

:

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letzteren seinen Anteil vom Lohn abzieht, oder in der Weise, dass der Prämienbetrag jeweilen mit dem Zahltag dem Arbeitnehmer ausgerichtet wird, sofern von diesem eine .entsprechende Quittung der Krankenkasse vorgewiesen wird.

5 Durch diesen Beitrag des Arbeitgebers an die Krankentaggeldversicherung sind die Ansprüche des Arbeitnehmers aus Artikel 335 des Obligationenrechts, soweit ihm solche gemäss Gesetz und Gerichtspraxis zustehen, abgegolten.

6 Wo :ein Betrieb mit einer Krankenkasse eine Kollektivversicherung . abschliessen will, soll er dies nur mit einer vom Bund anerkannten Krankenkasse tun..

§ 10

·

:

Die in § 14 vorgesehene Paritätische Kommission oder die von ihr bestellten Organe können Kontrollen über die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen in den einzelnen Betrieben vornehmen. Die Betriebsinhaber sind verpflichtet, den Kontrollorganen Einsicht zu geben in die in Betracht kommenden Unterlagen.

Kontrolle

· · · ' ' · · §n Die Koalitionsfreiheit "wird beidseitig gewährleistet. Einem Arbeit- Koalitionsrecht nehmer darf aus der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Gewerkschaft kein Nachteil erwachsen.

-.'

:

:

· § 12

·

Im Bestreben, den im Interesse aller liegenden Arbeitsfrieden zu wahren, FriaiempfiMt verpflichten sich die unterzeichneten Vertragskontrahenten, Meinungsverschiedenheiten und allfällige Streitigkeiten nach Treu und Glauben gegenseitig abzuklären, ^nach den Bestimmungen dieses Vertrages zu erledigen zu siichen und für ,die ganze Dauer unbedingten Frieden zu wahren. Infolgedessen gelten jegliche Massnahmen wie Sperre, Streik oder Aussperrung als ausgeschlossen. Dies auch bei allfälligen Streitigkeiten über Fragen des Arbeitsverhältnisses, die durch diesen Vertrag nicht berührt werden.

'

§ 13

Bei Meinungsverschiedenheiten über Fragen des Arbeitsverhältnisses soll, gleichgültig, ob der Vertrag eine Eegelung dafür vorsieht oder nicht, folgendes Verfahren beobachtet werden : , ; 1. In erster Linie sind die Differenzen im Betriebe selbst zu behandeln und wenn möglich zu lösen. Wo eine Arbeiterkommission, besteht, soll diese, wenn notwendig, beigezogen werden. .

,' 2. Falls keine gütliche Verständigung im Betriebe möglich ist, wird die Angelegenheit in der Regel den Verbandsinstanzen zur Abklärung, und Schlichtung unterbreitet.

,

Differenzen

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3. Kann durch diese Verhandlungen keine Einigung herbeigeführt werden, so wird die Frage der gemäss § 14 bestellten Paritätischen Kommission so rasch als möglich zur Schlichtung unterbreitet. Handelt es sich um eine F.rage untergeordneter Bedeutung, so soll unverzüglich von den beiden Präsidenten unter Zuzug von Vertretern der Firma und des beteiligten Arbeitnehmerverbandes ein Beilegungsversuch unternommen werden.

4. Misslingt dieser Beilegungsversuch, oder handelt es sich um eine grössere oder grundsätzliche Frage, so ist die Angelegenheit der gesamten Paritätischen Kommission zu unterbreiten. Die Paritätische Kommission muss innert drei Wochen nach Eingang eines entsprechenden Begehrens eingeladen werden.

5. Kommt in der Paritätischen Kommission kein Mehrheitsbeschluss zustande, so sind die Parteien berechtigt, ein gemäss §15 zu konsultierendes Schiedsgericht anzurufen.

§14 Paritätische Kommission

1

Es wird eine Paritätische Kommission gebildet, bestehend aus gleichviel Vertretern der Gewerkschaften und des Verbandes Schweizerischer Herrenkonfektions-Industrieller.

2 Diese Paritätische Kommission versammelt sich sooft die Verhältnisse dies erfordern oder einer der vertragsschliessenden Verbände dies verlangt.

3 Die Paritätische Kommission wird durch das Sekretariat des Verbandes Schweizerischer Herrenkonfektions-Industrieller einberufen. In der Einladung zu einer Sitzung sind die zu behandelnden Traktanden anzugeben.

Den Vorsitz führt abwechslungsweise ein Vertreter der Gewerkschaften und ein Vertreter des Verbandes schweizerischer Herrenkonfektions-Industrieller.

4 Beschlüsse können nur mit einer Zweidrittelsmehrheit sämtlicher Mitglieder der Paritätischen Kommission gefasst werden.

§15

SchMsgervM

1

Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall in der Weise konstituiert, dass jede der beteiligten Parteien je ein bis zwei Schiedsrichter bestellt und die beiden Schiedsrichter gemeinsam einen Obmann wählen.

2 Bestellt eine Partei auf schriftliche Aufforderung der ändern ihren Schiedsrichter nicht innert 10 Tagen, oder können sich die Schiedsrichter nicht innert 10 Tagen auf die Person des Obmannes einigen, so sind die betreffenden Schiedsrichter bsw. der Obmann durch den Präsidenten des Schweizerischen Bundesgerichtes zu ernennen.

3 Dem Schiedsgericht darf keine Person angehören, die Organ der vertragsschliessenden Verbände ist oder in einem am Konflikt beteiligten Betrieb arbeitet.

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Das Schiedsgericht tagt an dem vom Obmann bezeichneten Ort. Das Verfahren ist grundsätzlich mündlich. Es kann vom Obmann höchstens, eine schriftliche Klagebegründung und Klagebeantwortung zugelassen werden.

Dafür ist den Parteien eine nicht erstreckbare Frist von höchstens 14 Tagen einzuräumen. Die erste mündliche. Verhandlung des Schiedsgerichts muss innerhalb 4 Wochen nach Ernennung des Obmannes stattfinden.

5 Der Obmann bestimmt, welche kantonale Zivilprozessordnung auf die übrigen Verfahrensfragen anwendbar ist. Es ist ihm freigestellt, vor Einleitung des eigentlichen Verfahrens eine Verhandlung zur formlosen Abklärung und eventuellen gütlichen Erledigung der Angelegenheit einzuberufen. Diese Verhandlung findet ohne Mitwirkung der andern Schiedsrichter statt. In materieller Beziehung hat das Schiedsgericht schweizerisches Zivilrecht anzuwenden.

6 Bevor das Schiedsgericht seinen Entscheid fällt, soll es einen Versuch zur gütlichen Beilegung des Konfliktes unternehmen. Die Entscheidungen des Schiedsgerichts sind endgültig und können mit ordentlichen Bechtsmitteln nicht angefochten werden.

, ' Die vertragschliessenden Parteien kommen überein, während der Dauer der Einigungsverhandlungen und des Schiedsgerichtsverfahrens alles zu unterlassen, was zu einer Verschärfung des Konfliktes führen könnte.

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Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Herrenkonfektionsindustrie (Vom 7. Juli 1955)

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29

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.07.1955

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195-207

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10 039 096

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