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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Festlegung der Landesgrenze im Rhein (Vom 8. Juli 1955)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des am 7. Mai 1955 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossenen Abkommens über die Festlegung der Landesgrenze im Ehein zu unterbreiten.

Der Verlauf der Grenze im Ehein zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein ist in Artikel 3 des Vertrages zwischen dem Kanton St. Gallen und dem Fürstentum vom 31. August 1847 «über die längs der beidseitigen Eheingrenze einzuhaltenden Ufer- und Wuhrlinien sowie über die Landesgrenze zwischen beiden Staaten» geregelt. Die Bestimmung lautet wie folgt: «Die Mitte vom Talweg des Eheins, das heisst die Mitte zwischen den beiderseits angenommenen Wuhrlinien gilt auch als Landesgrenze zwischen den beiden kontrahierenden Staaten.» Während zur Zeit des Abschlusses des Abkommens von 1847 der Grundsatz der Grenzziehung in der Mitte des Talweges allgemein gebräuchlich war, findet er heute, soweit überhaupt, nur noch für schiffbare Gewässer Anwendung.

Der Talweg - der tiefste Teil des Flussbettes - bildet eine infolge des Flusslaufes ausgesprochen bewegliche und veränderliche Linie; die auf diese Weise festgelegte Grenzlinie unterliegt deshalb häufigen Schwankungen. Diese Tatsache steht indessen im. Gegensatz zu der von der Schweiz vertretenen Auffassung, wonach die Grenze durch vertragliche Bestimmungen klar und ein-

155 deutig festgelegt werden soll. Übrigens ist der erwähnte Artikel 3 insofern widersprüchlich, als gleichzeitig die Mittellinie zwischen den Dämmen und die Mitte des Talweges als Grenzlinie bezeichnet werden. Auch .entspricht die in den Plänen zum Abkommen von 1847 enthaltene topographische Beschreibung nicht mehr dem heutigen Zustand. Die Verhältnisse an Ort und Stelle haben sich wegen der inzwischen vorgenommenen bedeutenden Eegulierungs- und Eindämmungsarbeiten erheblich verändert.

Diese Gründe haben die schweizerischen und liechtensteinischen Behörden veranlasst, nach einer befriedigenderen Lösung für die Festsetzung der-Orenze im Khein zu suchen. Zu diesem Zwecke haben sie zwei Delegationen ernannt, die am 6. und 7. Mai 1955 in Vaduz zusammentrafen und sich dort eindeutig im Sinne der Wünschbarkeit einer Grenzziehung auf Grund einer in der Flussmitte liegenden festen Linie aussprachen.

Das neue Abkommen sieht in Artikel l vor, dass von dem beim Ellhorn gelegenen Grenzpunkt im Ehein die Grenze der Flussmitte zwischen den beidseitigen parallel verlaufenden Hochwasserwuhren folgt. Von der Mündung des liechtensteinischen Binnenkanals an liegen die Dämme nicht mehr symmetrisch zum Fluss. Deshalb soll von dieser Einmündung an bis zum Zusammentreffen mit der schweizerisch-österreichischen Grenze (Dreiländerpunkt) die Landesgrenze durch die Mitte des sogenannten Mittelgerinnes des Eheins gebildet werden. Schliesslich wurde noch vereinbart, dass auf den Bheinbrücken die in der Flussmitte verlaufende Grenzlinie entsprechend markiert wird.

Artikel 2 sieht vor, dass die technischen Behörden der beiden Staaten mit den nötigen Arbeiten für die Festsetzung der Grenze und die Erstellung der beschreibenden Dokumentation, die einen integrierenden Vertragsbestandteil bilden, betraut werden.

Artikel 3 regelt die gleichmässige Kostenverteilung zwischen den beiden Staaten.

Gemäss Artikel 4 wird mit dem Inkrafttreten des Abkommens Artikel 3 des Vertrages zwischen dem Kanton St.Gallen und dem Fürstentum Liechtenstein vom 31. August 1847 ausser Kraft gesetzt.

Artikel 5 betrifft die Ratifikation und sieht ausserdem vor, dass die Ratifikationsurkunden in Bern ausgetauscht werden sollen.

Das Abkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein, das wir Ihnen zu unterbreiten die Ehre haben, ist unseres Erachtens in doppelter
Hinsicht vorteilhaft : einerseits regelt es auf rationelle Weise das Problem der Grenzziehung im Ehein zwischen den beiden Staaten: anderseits stellt es die logische Ergänzung des am 23. Dezember 1948 abgeschlossenen Vertrages über eine allgemeine Bevision der Landesgrenze im Abschnitt Bhein-Würznerhorn dar. Damit ist die gesamte schweizerisch-liechtensteinische Grenze durch Staatsverträge, die klare, den modernen Anschauungen über die Grenzfestlegung entsprechende Bestimmungen enthalten, geregelt.

156 Das vorliegende Abkommen ist seiner Natur entsprechend von unbeschränkter Dauer und damit nicht kündbar. Es ist deshalb dem Staatsvertragsreferendum gemäss Artikel 89, Absatz 3, der Bundesverfassung zu unterstellen.

Indem wir hoffen, dass Sie dem beigelegten Beschlussesentwurf zustimmen, versichern wir Sie, Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern/den 8. Juli 1955.

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Vizekanzler: F.Weber

157 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Festlegung der Landesgrenze im Rhein

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, det Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. Juli 1955, beschliesst :.

Artikel l Das am 7. Mai 1955 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossene Abkommen über die Festlegung der Landesgrenze im Ehein wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.



Artikel 2

:

Dieser. Beschluss untersteht den Bestimmungen von Artikel 89, Absatz 3, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung der Staatsverträge unter das Eeferendum.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. II.

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158 Originaltext

Abkommen zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Festlegung der Landesgrenze im Rhein

Der Schweizerische B u n d e s r a t

und Seine Durchlaucht der Regierende Fürst von Liechtenstein, in Anbetracht der bisher unvollständigen staatsvertraglichen Grundlagen, vom Wunsche geleitet, die Landesgrenze im Ehein festzulegen, haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Abkommen abzuschliessen.

Sie haben zu ihren Bevollmächtigen ernannt : Der Schweizerische B u n d e s r a t : Herrn Simon Bertschmann, Direktor der Eidgenössischen Landestopographie, Seine Durchlaucht der Eegierende Fürst von Liechtenstein, Herrn Alexander Frick, fürstlicher Begieiungschef, die nach gegenseitiger Bekanntgabe ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart haben :

' Art. l Vom Grenzpunkt Liechtenstein-Graubünden-St.Gallen beim Ellhorn bis zur Mündung des liechtensteinischen Binnenkanals wird die Landesgrenze im Ehein durch die Mittellinie zwischen den beidseitigen Hochwasserwuhren gebildet.

Von der Mündung des liechtensteinischen Binnenkanals bis zum Dreiländerpunkt Liechtenstein-Schweiz-Österreich bildet die Mitte des sogenannten Mittelgerinnes des Eheins die Landesgrenze.

Auf den Eheinbrücken wird die Landesgrenze so kenntlich gemacht, dass sie mit der Grenzlinie im Ehein übereinstimmt.

159 Art. 2 Mit der technischen Festlegung und der Erstellung der Dokumentation für die Landesgrenze im Bhein werden das Kantonale Meliorations- und Vermessungsamt St. Gallen und das Fürstlich liechtensteinische Landesgeometeramt beauftragt, denen folgende Aufgaben übertragen werden: a. Festlegung und Vermessung der in Artikel l, Absatz l und 2, beschriebenen Grenze im Ehein; fr. Absteckung, Vermessung und Kennzeichnung durch Grenzbolzen und Grenztafeln der in Artikel l, Absatz 3, beschriebenen Grenze auf den Eheinbrücken; c. Erstellung der Dokumentation mit Tabellen, Plänen und Beschreibungen, die ergänzende Bestandteile des vorliegenden Abkommens bilden werden.

Art. 3 Die Kosten für die Festlegung der Grenze und für die Dokumentation gemäss Artikel 2, lit. a, b und c werden von den beiden Staaten je zur Hälfte getragen. Dagegen übernimmt jeder Staat für sich die Auslagen seiner Delegationsmitglieder.

Art. 4 Mit dem Inkraftreten dieses Abkommens wird Artikel 3 des Vertrages zwischen dem Kanton St. Gallen und dem Fürstentum Liechtenstein über die längs der beidseitigen Eheingrenze einzuhaltenden Ufer- und Wuhrlinieh, sowie über die Landesgrenze zwischen beiden Staaten, vom 31. August 1847, ausser Kraft gesetzt.

Art. 5 Das vorliegende Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden. Am Tage dieses Austausches tritt das Abkommen in Kraft.

!

Geschehen in Vaduz, in doppelter Ausfertigung, am 7. Mai 1955.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft : (gez.) Bertschmann

·

Für das Fürstentum Liechtenstein : (gez.) A. Frick

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Festlegung der Landesgrenze im Rhein (Vom 8. Juli 1955)

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1955

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6891

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14.07.1955

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