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Bundesratsbeschluss betreffend

die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Goldleisten- und Rahmenindustrie (Vom 17. März 1955)

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 8, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1948 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst :

Art. l Die im Anhang wiedergegebenen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 15. Januar 1955 für die schweizerische Goldleisten- und Rahmenindustrie sowie die Zusatzvereinbarung vom 7.Februar 1955 über die Kontrolle werden allgemeinverbindlich erklärt.

2 Pur den Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Vorschriften und vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

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Art. 2 Dieser Beschluss gilt für das ganze Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

2 Er findet Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Unternehmungen, die Kehlleisten, fertige Goldleisten, Bilder- und Photorahmen herstellen und mindestens drei Arbeitnehmer beschäftigen einerseits sowie ihren gelernten, angelernten und ungelernten Arbeitnehmern anderseits.

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Art. 3 Die gemäss Zusatzvereinbarung über die Kontrolle eingehenden Beträge von 25 Prozent der Nachzahlungen sind zur Deckung der Kosten der Allgemeinverbindlicherklärung" sowie für die Kontrolle über die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen zu verwenden.

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575 2

Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit kann jederzeit in die Kasse der paritätischen Kommission der Goldleisten- und Bahmenindustrie Einsicht nehmen und kontrollieren lassen, ob die Nachzahlungen den Arbeitern richtig überwiesen werden und ob die 25 Prozent der Nachzahlungen ausschliesslich für die vorgeschriebenen Zwecke Verwendung finden.

Art.4 Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den vertragschliessenden Verbänden nicht angehören, können gegen Massnahmen dieser "Verbände oder der im Gesamtarbeitsvertrag und in der Zusatzvereinbarung über die Kontrolle vorgesehenen Organe beim Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Beschwerde führen.

Art. 5 Dieser Beschluss tritt mit seiner amtlichen Veröffentlichung in Kraft und gilt bis zum 81. Dezember 1956.

Bern, den 17.März 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Max Petitpierre 2046

Der Bundeskanzler : Ch. Oser

576 Anhang

Gesamtarbeitsvertrag für die

schweizerische Goldleisten- und Rahmenindustrie abgeschlossen am 15. Januar 1955 zwischen

dem Verband der schweizerischen Goldleisten- und Eahmenfabrikanten, einerseits, und dem Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband sowie dem Christlichen Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz, anderseits.

Allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen Ziff. l Arbeitszeit

Die normale Arbeitszeit beträgt 48 Stunden in der Woche. Die Einteilung bleibt den einzelnen Unternehmungen überlassen; in der Regel soll jedoch eine Mittagspause von wenigstens einer Stunde eingehalten werden.

Ziff. 2

Aufräumungsarbeiten

1 Das Aufräumen des Arbeitsplatzes und das Versorgen des Werkzeuges haben innerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen, sofern diese Verrichtungen dem betreffenden einzelnen Arbeitnehmer obliegen.

2 Die übrigen allgemeinen Aufräumungsarbeiten können von Handlangern und Hilfsarbeitern ausserhalb der Arbeitszeit verrichtet werden und sind nicht zuschlagspflichtig.

Ziff. 3 Lohn

1

Die Mindestlöhne sind für jede Unternehmung wie folgt festgesetzt : pro Stunde Fr.

a.

b.

c.

d'.

e.

/.

für Berufs- und Facharbeiter für angelernte Arbeiter für Handlanger und Hilfsarbeiter für Anfänger für angelernte Arbeiterinnen für Handlangerinnen und Hilfsarbeiterinnen, welche das 18. Altersjahr erreicht haben g. für Arbeiter und Arbeiterinnen unter 18 Jahren, nach einer Anlernzeit von zwei Monaten

1.51 1.26 1.04 -.54 -.87 -.71 -.50

577 2 Zu diesen Mindestlöhnen kommen die um 5 Kappen erhöhten Teuerungszulagen. Diese betragen insgesamt : 92 Rappen pro Stunde für alle Arbeiter über 18 Jahren ; 89 Rappen pro Stunde für alle Arbeiterinnen über 20 Jahren ; 85 Rappen pro Stunde für alle Arbeiter unter 18 Jahren und alle Arbeiterinnen unter 20 Jahren.

3 Die Mindestlöhne für Handlangerinnen und Hilfsarbeiterinnen haben Gültigkeit nach Ablauf einer Anlernzeit von drei Monaten.

* Als Berufs- und Facharbeiter gelten diejenigen Arbeiter, welche qualifizierte Arbeit in der Leisten- oder Rahmenfabrikation verrichten und selbständig arbeiten können.

5 Als angelernte Arbeiter gelten diejenigen Arbeiter, die Berufs- oder Facharbeit verrichten, nicht mehr Anfänger sind, die Qualifikation des Berufs- oder Facharbeiters jedoch noch nicht erreicht haben. Als Anfänger gelten diejenigen Arbeiter, die in die Berufsarbeiten eingeführt ·werden, das Alter von 20 Jahren noch nicht erreicht haben und noch nicht zwei Jahre im Betriebe tätig sind.

6 Als angelernte Arbeiterinnen gelten diejenigen Arbeiterinnen, welche Berufs- oder Facharbeit verrichten.

7 Schwächliche und minderleistungsfähige Arbeitnehmer fallen bezüglich der Mindestlohnansetzung ausser Betracht; sie haben dagegen Anspruch auf die volle Teuerungszulage ihrer Kategorie.

8 Für Arbeitnehmer, die im Akkord beschäftigt werden, wird der Stundenlohn garantiert; massgebend ist der Durchschnittslohn zweier aufeinanderfolgender Zahltagsperioden.

Ziff. 4 Für Überstunden, für Nachtarbeit sowie für Arbeiten an Sonntagen, Lohnzuschläge gesetzlichen Feiertagen und an Samstagnachmittagen werden folgende Lohnzuschläge bezahlt : für Überstunden und Arbeit an Samstagnachmittagen .

25 % für Nachtarbeit 50% für Sonntagsarbeit und Arbeit an gesetzlichen Feiertagen 100% Ziff. 5 Die Lohnzahlung erfolgt regelmässig alle 14 Tage, jedoch nicht an Lohnzahlung einem Samstag und soll bei Arbeitsschluss beendet sein. Als Standgeld dürfen nicht mehr als drei Taglöhne zurückbehalten werden.

Ziff. 6 Die Arbeitnehmer haben je nach Dienstalter Anspruch auf bezahlte Ferien. Die bezahlten Ferien betragen nach Ablauf 1

Ferien

578 des 1. Dienstjähr es 6 Arbeitstage des 5. Dienstjahres 9 Arbeitstage des 10. Dienstjahres 12 Arbeitstage des 16. Dienstjahres, jedoch erst nach Zurücklegung des 40. Altersjahres 15 Arbeitstage 2 Ein Ferientag wird zu 8 Stunden bezahlt. Für die Berechnung der Ferienentschädigung ist das durchschnittliche Lohnbetreffnis der zwei oder drei letzten Zahltagsperioden vor dem Ferienantritt massgebend.

3 Als Stichtag für die Berechnung der Dienstjahre gilt der 30. Juni.

Arbeitnehmer, die mindestens drei Monate in der Unternehmung beschäftigt sind, haben schon im ersten Dienstjahr Anspruch auf bezahlte Ferien, und zwar auf einen halben Tag pro Monat der Beschäftigungsdauer.

4 Bei Auflösung des Dienstverhältnisses hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ferien pro rata vom 1. Juli an.

5 Bei Betriebseinschränkung oder bei Arbeitsausfall durch Selbstverschulden von mehr als zwei Monaten besteht nur ein Anspruch pro rata auf Ferien.

6 Eine Barentschädigung an Stelle von Ferien ist nicht gestattet.

Shcwarzarbeit

Bezahlte Feiertage

Ziff. 7 Es ist dem Arbeitnehmer untersagt, während seiner Frei- oder Ferienzeit Berufsarbeiten für Dritte auszuführen.

Ziff. 8 Die Arbeitgeber sind gegenüber ihren Arbeitnehmern zur Entschädigung von jährlich sechs Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, verpflichtet.

2 Die Feiertage, für die eine Entschädigung bezahlt werden soll, sind im voraus durch Verständigung zwischen Arbeitgeber und Belegschaft festzusetzen.

3 Als Feiertagsentschädigung kommen im allgemeinen folgende Pauschalansätze zur Auszahlung: a. an verheiratete Arbeiter 18 Franken b. an ledige Arbeiter und alle Arbeiterinnen, die das 20. Altersjahr erreicht haben 12 Franken G. an ledige Arbeiter und Arbeiterinnen unter 20 Jahren 8 Franken 4 Im Maximum wird der tatsächliche Lohnausfall vergütet, den der Arbeitnehmer bei Annahme normaler Arbeitszeit am betreffenden Tage erleidet. Die Feiertagsentschädigung ist den Arbeitnehmern jeweils mit dem laufenden Zahltag auszurichten.

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579 Ziff. 9 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine Krankengeld Versicherung abzuschliessen.

2 Der Arbeitgeber bezahlt dem Arbeitnehmer einen Beitrag an die Prämie der Krankengeldversicherung, und zwar -wöchentlich Fr. 1.80 allen Arbeitern, die das 20. Altersjahr erreicht haben, und die mit der Minimalprämie von Fr. 2.70 pro Woche versichert sind ; Fr. 1.60 allen Arbeiterinnen und Arbeitern unter 20 Jahren, die mit der Minimalprämie von Fr. 2.40 pro Woche versichert sind.

3 Der Arbeitgeber ist berechtigt, vor der Auszahlung des Prämienbeitrages vom Arbeitnehmer den Ausweis über die abgeschlossene Krankengeldversicherung zu verlangen.

4 Bei betriebseigenen anerkannten Krankenversicherungen kann an die Stelle der Ausrichtung von Prämienbeiträgen die Leistung an die eigene Kasse treten. Diese Leistung hat mindestens den Prämienbeiträgen gemäss Absatz 2 zu entsprechen.

6 Durch die Beitragsleistung werden die Arbeitgeber von den Verpflichtungen aus Artikel 335 des Obligationenrechts befreit.

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Ziff. 10 Den Arbeitnehmern werden folgende Entschädigungen entrichtet : l /z Tagesentschädigung bei militärischer Inspektion ; l Tagesentschädigung bei Todesfall des Ehegatten, der Eltern oder eigener Kinder; l Tagesentschädigung bei Geburt eigener, ehelicher Kinder.

2 Die Entschädigung richtet sich nach dem Lohnausfall.

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Ziff. 11 Die Kündigungsfrist beträgt 14 Tage, auch bei überjährigem Dienstverhältnis. Die Kündigung muss auf einen Zahltag oder Samstag erfolgen.

2 Die ersten zwei Wochen nach Arbeitsantritt gelten als Probezeit, während der das Arbeitsverhältnis jederzeit gelöst werden kann.

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KrankengeldVersicherung

Abaenzentschädigung

580 Zusatzvereinbarung vom 7. Februar 1955 über die Kontrolle Die von den vertragschliessenden Verbänden eingesetzte Paritätische Kommission der Goldleisten- und Bahmenindustrie kann Kontrollen über die Einhaltung der Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages durchführen.

Falls die dem Arbeitnehmer geschuldeten geldlichen Leistungen nicht erbracht oder bezahlte freie Tage nicht gewährt worden sind, hat der Arbeitgeber diese sofort nachzubezahlen oder nachzugewähren.

Nachzahlungen an die Arbeitnehmer haben in die Kasse der Paritätischen Kommission zu erfolgen und werden von dieser an die Anspruchsberechtigten weitergeleitet.

Überdies hat der Arbeitgeber an die Kasse der Paritätischen Kommission eine Konventionalstrafe in der Höhe von 25 Prozent der geschuldeten Nachzahlungen zu leisten. Zum Inkasso und, wenn nötig, zur rechtlichen Geltendmachung der Konventionalstrafen sind die vertragschliessenden Verbände berechtigt, die diese für die Paritätische Kommission als anspruchsberechtigt einziehen.

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Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Goldleisten- und Rahmenindustrie (Vom 17.

März 1955)

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31.03.1955

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