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Bundesblatt 107. Jahrgang

Bern, den 26. Mai 1955

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer Teilamnestie für Höchstpreisüberschreitungen auf Schlachtschweinen (Vom 17. Mai 1955)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über die Amnestiegesuche betreffend die im Jahre 1948 begangenen kriegswirtschaftlichen Widerhandlungen gegen die Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine wie folgt zu berichten: I.

1. Im Interesse der Tiefhaltung der Kosten der Lebenshaltung und der Sicherstellung der Landesversorgung wurde während des Krieges 1989-1945 ein ausgedehntes System von Preis- und Margenvorschriften sowie von Bewirtschaftungsmassnahmen aufgebaut. So bestand bei Einstellung der Feindseligkeiten im Sommer 1945 eine Verfügung Nr. 440 A/44 vom 16. Februar 1944, die Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine enthielt. Diese Verfügung wurde am 18. Juni 1945 durch eine Verfügung Nr. 440 A/45 über Preise für Schlachtschweine folgenden Wortlauts abgelöst : 1. Für den Verkauf von Schlachtschweinen la werden mit Gültigkeit ab 19. Juni 1945 folgende Höchstpreise festgesetzt: A. Lebendgewichtpreise: a. Produzenten-Höchstpreise: Fr. 3,75 per kg ab Stall.

Fr. 3,80 per kg franko Empfangsstation, Schlachthaus oder Metzgerei bei Direktverkäufen an die Metzger .bzw. franko Verladestation bei Lieferung an die Händler.

Dieser Preis gilt bloss bei Lieferung von weniger als 10 Schweinen.

b. Händler-Höchstpreise (Lieferungen der Schweinehändler an die Metzgersohaft) : Fr. 3,85 per kg franko Empfangsstation, Schlachthaus oder Metzgerei.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. L 69

974 Die Lebendgewichtspreise verstehen sich für nüchtern gewogene Tiere, die eine Schlachtausbeute von mindestens 78 Prozent, auf dem Kaltgewicht berechnet, ergeben. Falls die Schweine gefüttert gewogen werden, ist ein Eingewicht von 4-6 Prozent in Abzug zu bringen. Sofern die Mindestschlachtausbeute von 78 Prozent nicht erreicht wird, ist dem Käufer ein entsprechender Preisnachlass zu gewähren.

B. Schlachtgewichtspreise: o. Produzentenpreise : Fr. 4,80 per kg ab Stall.

Fr. 4,86 per kg franko Empfangsstation, Schlachthaus oder Metzgerei bei Direktverkäufen an die Metzger bzw. franko Verladestation bei Lieferung an die Händler.

Dieser Preis gilt bloss bei Lieferung von weniger als 10 Schweinen.

b. Händlerpreis (Lieferungen der Schweinehändler an die Metzgerschaft): Fr. 4,93 per kg franko Empfangsstation, Schlachthaus oder Metzgerei.

2. In vorstehenden Händlerpreisen sind die Transportspesen eingeschlossen. Soweit diese jedoch 2% Rappen per kg Lebendgewicht bzw. 3 Rappen per kg Schlachtgewicht übersteigen, werden von der Sektion Fleisch und Schlachtvieh laut deren Weisungen Beiträge aus der bei ihr errichteten Preisausgleichskasse bewilligt. Soweit die Händler den Produzenten für Lieferungen franko Verladestation den Zuschlag von 5 Rappen per kg Lebendgewicht bzw. 6 Rappen per kg Schlachtgewicht bezahlen, sind sie befugt, dieses Betreffnis zu vorstehenden Händlerpreisen in Zuschlag zu bringen.

3. In Fällen, wo sich die Einschaltung eines Aufkäufers und eines detaillierenden Platzhändlers zwischen Produzenten und Metzgerschaft als wirtschaftlieh gerechtfertigt erweist, dürfen vorstehende Preise um maximal 5 Rappen per kg Lebendgewicht bzw. 6 Rappen per kg Schlachtgewicht erhöht werden. In diesem Falle ist die Totalmarge in angemessener Weise zwischen dem Aufkäufer und dem Platzhändler zu teilen.

4. Der Verkauf von Schlachtschweinen darf nur auf Grund des festgestellten Lebendoder Schlachtgewichtes erfolgen; der Überhaupthandel ist in jeder Form verboten.

5. Die bisherigen Preise für. Schweinefleisch, Schweinefett und Wurstwaren erfahren keine Änderung.

6. Widerhandlungen gegen diese Verfügung werden nach den Bestimmungen des' Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege bestraft.

7. Diese Verfügung tritt
am 19. Juni 1945 in Kraft. Gleichzeitig wird die Verfügung Nr. 440 A/44 aufgehoben.

Die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Verfügung eingetretenen Tatbestände werden auch fernerhin nach den bisherigen Bestimmungen beurteilt.

Zur Zeit des Erlasses der Verfügung Nr. 440 A/45 der Eidgenössischen Preiskontrollstelle stand die Verfügung Nr. 27 des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 27.Februar 1942 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln (AS 58, 199) in Kraft, die das Fleisch bestimmter Tiergattungen, u. a. auch das Schweinefleisch, der Rationierung unterstellte. Ausserdem wurde auf Grund der Verfügung Nr. 58 des KriegsErnährungs-Amtes vom 27. Mai 1942 über die Abgabe von Lebens- und Futtermitteln (AS 58, 497) eine Kontingentierung der Schlachtungen durchgeführt ;

975 die Metzger durften gemäss Artikel 2 Schlachtungen nur im Umfange des ihnen von der zuständigen Stelle zugeteilten Schlachtgewichts vornehmen.

Die Bewirtschaftungsmassnahmen bezweckten in erster Linie die gerechte Verteilung der bewirtschafteten Waren. Daneben hatten sie Auswirkungen auf die realisierbaren Preise. Diese Nebenwirkung erklärt sich aus dem Umstand, dass die genannten Massnahmen das Verhältnis von Angebot und Nachfrage beeinflussten. Die Kontingentierung beschränkte nämlich die Nachfrage der Metzger nach Schlachtschweinen und damit auch ihr Angebot an Schweinefleisch, während die Eationierung ausserdem eine Eeduktion der Nachfrage der Konsumenten nach Schweinefleisch bewirkte. Kontingentierung und Eationierung stellten daher - auch wenn dies nicht ihr Hauptzweck war - geeignete Mittel dar, um einen gewissen auf den wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten beruhenden Zwang zur Einhaltung der Höchstpreise auszuüben. Die Verwirklichung dieses Nebenzwecks hing jedoch davon ab, dass die Privaten die Bewirtschaftungsvorschriften wirklich einhielten, entweder freiwillig oder auf staatlichen Zwang hin ; auch noch so zweckmässige Bewirtschaftungsvorschriften verfehlen den von ihnen allenfalls angestrebten preispolitischen Nebenzweck, wenn sie wegen des Mangels an Disziplin der Beteiligten und des Versagens des staatlichen Zwangsapparates nicht befolgt werden. Tatsächlich kam es im Winter 1946/47 zu zahlreichen Überschreitungen der für Schlachtschweine geltenden Höchstpreise. In der Meinung, diese Widerhandlungen seien durch die Pestsetzung zu hoher Schlachtkontingente von den Behörden mitverursacht worden, verzichtete die Leitung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements auf die Durchführung eines Strafverfahrens.

Mit Verfügung Nr. 7 vom 6. September 1947 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Tieren, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten (AS 63, 995) hob das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Fleischrationierung auf, weil insgesamt genügend frisches und eingefrorenes Fleisch für die Deckung der damaligen und voraussichtüch auch der künftigen Nachfrage zur Verfügung stand. Bestehen blieb vorläufig die weniger wirksame Bewirtschaftungsmassnahme der Kontingentierung der Schweineschlachtungen. Neu eingeführt wurde die Kontingentierung der Grossviehschlachtungen. Das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hob dann mit seiner Verfügung Nr. 8 vom 18.Februar 1948 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Tieren, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten (AS 1948, 88) die Kontingentierung der Schweineschlachtungen auf, nachdem es die Vertreter der Produzenten, Händler und Metzger konsultiert hatte. Von nun an konnte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Marktlage nur noch im Eahmen der tatsächlich gegebenen Möglichkeiten durch eine bestimmte Handhabung der Bestimmungen über die Beschränkung der Ein- und Ausfuhr oder durch Verbilligungsmassnahmen beeinflussen. Die Ausübung eines Zwanges zur Einhaltung der Höchstpreise wurde entsprechend erschwert.

Im Frühjahr 1948 wurde auch die Frage der Aufhebung der Höchstpreise für Schlachtschweine diskutiert. Diese Bestimmungen mussten aber angesichts

976 der Notwendigkeit der Tiefhaltung der Lebenskosten bestehen bleiben. Es sei daran erinnert, dass damals das sogenannte Stabilisierungsabkommen, die gemeinsame Erklärung der wirtschaftlichen Spitzenverbände zur Preis- und Lohnpolitik, in Kraft stand. Die Aufhebung der Höchstpreise wurde übrigens auch vom Sprecher des Verbandes schweizerischer Metzgermeister abgelehnt.

Ein Gesuch um Erhöhung der behördlich festgesetzten Schweinehöchstpreise wurde der Eidgenössischen Preiskontrollstelle erstmals Ende September 1948 eingereicht, und zwar seitens des Schweizerischen Milchkäuferverbandes.

Die Eidgenössische Preiskontrollstelle hatte vorher keinen Anlass, die Angemessenheit zu bezweifeln. Sie steht übrigens auch heute noch auf dem Standpunkt, die damaligen Höchstpreise hätten die Produktionskosten gedeckt.

Im Frühling 1948 stand verhältnismässig viel gefrorenes Fleisch zur Verfügung, das aus den Schlachtungen stammte, die im Dürrejahr 1947 durchgeführt werden mussten. Auch die Bestände an gefrorenem Schweinefleisch waren beträchtlich. Hingegen herrschte Knappheit an f r i s c h e m Fleisch von Grossvieh, weil von diesem infolge der Schlachtungen des Jahres 1947 nur kleine Mengen anfielen. Die Produktion frischen Schweinefleisches für die Marktversorgung nahm 1948 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 60 Prozent zu. Noch viel stärker stieg jedoch die Nachfrage nach frischem Schweinefleisch an. Das war teilweise eine natürliche Folge der Aufhebung der Bewirtschaftungsmassnahmen ; denn während des Krieges musste die Produktion an Schweinefleisch stärker als diejenige des Fleisches von Grossvieh eingeschränkt werden, und die Aufhebung dieser Beschränkungen begünstigte die Wiederherstellung des früheren Gleichgewichts. Hinzu kam, dass der Konsument das gefrorene Fleisch nicht mehr schätzte und der Metzger aus Konkurrenzgründen den Kunden frisches Fleisch anbieten wollte. Weil an frischem Grossviehfleisch nur kleine Mengen zur Verfügung standen, verlagerte der Konsument seine Nachfrage auf das eher erhältliche frische Schweinefleisch. Die Nachfrage nach diesem überstieg schliesslich das vorhandene Angebot.

Eine solche Entwicklung der Verhältnisse stellte nach den wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten des Marktes einen Anreiz zur Erhöhung der Preise der Schlachtschweine dar. Im April 1948 zeigten sich die
ersten Anzeichen einer Preiserhöhung. In der Folge erlagen Produzenten, Händler und Metzger der Versuchung, die geltenden Höchstpreise zu überschreiten. Die Widerhandlungen wurden immer zahlreicher und sie nahmen ein immer grösseres Ausmass an.

Die Entwicklung erreichte im Oktober 1948 ihren Höhepunkt. Nach Angaben der Schweizerischen Schweineverwertungsgenossenschaft erreichte der Produzentenpreis damals den Betrag über 4,40 Franken pro kg Lebendgewicht. Der geltende Höchstpreis betrug demgegenüber 3,75 Franken.

2. Zur Bekämpfung des immer mehr um sich greifenden Zerfalls der Disziplin fielen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht: Einmal konnten die Behörden versuchen, Angebot und Nachfrage zu beeinflussen und so zur Einhaltung der Höchstpreise beizutragen. In zweiter Linie standen die Mittel des Strafrechts und des Strafprozessrechts zur Verfügung; die Verwaltungsbehörden

977 und die Gerichte konnten versuchen, durch sofortige Einleitung von Strafverfahren, durch deren möglichst raschen Abschluss und durch Verhängung angemessener Strafen die Beteiligten von der künftigen Begehung von Widerhandlungen abzuschrecken.

a. Die am nächsten liegende Massnahme des Importes von Schlachtschweinen oder frischem Schweinefleisch war wegen des Mangels an Bezugsmöglichkeiten undurchführbar. Die Wiedereinführung der Fleischrationierung, · die die Nachfrage nach Schweinefleisch auf die Höhe des Angebots zurückgedämmt hätte, fiel ausser Betracht, da die kriegswirtschaftliche Organisation schon weitgehend abgebaut war. Eine erneute Kontingentierung der Schlachtungen, die keine Eeduktion der Nachfrage der Konsumenten bewirken konnte, versprach höchstens einen beschränkten Erfolg. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement zögerte zunächst mit dieser Massnahme, entschloss sich dann aber doch zu ihrer Anwenduug. Dies geschah durch die Verfügung Nr. 9 vom 23.September 1948 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Tieren, Fleisch, Fleischprodukten und tierischen Fetten (AS 1948, 1011). Das frühere System der behördlichen Zuteilung der Kontingente an die einzelnen Metzgereien und die Kontrolle durch die kantonalen Kriegswirtschaftsämter war wegen des Mangels an Personal nicht durchführbar. Die Sektion für Fleisch und Schlachtvieh des Kriegs-Ernährungs-Amtes musste den Metzgern die Weisung erteilen, die ihnen zustehenden Kontingente selber zu berechnen. Die Eegelung bewährte sich nicht, u. a. auch wegen des Mangels an Disziplin auf Seiten der Metzgerschaft. Durch die Verfügung Nr. 11 des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 6. Dezember 1948 (AS 1948,1176) wurde sie deshalb wieder aufgehoben. Die Behörden versuchten auch, die Nachfrage nach frischem Schweinefleisch auf das in grossen Mengen vorhandene Gefrierfleisch umzuleiten, indem sie dieses aus Mitteln der Preisausgleichskasse für Fleisch verbilligten. Die Metzger weigerten sich aber mehrheitlich, gefrorenes Schweinefleisch abzunehmen, so dass solches sogar ins Ausland verkauft werden musste.

b. Schon im April 1948 setzte sich der Chefstellvertreter der Eidgenössichen Preiskontrollstelle mit der Schweizerischen Schweineverwertungsgenossenschaft in Verbindung, um sie aufzufordern, die Mäster zur Einhaltung der
Höchstpreise zu mahnen. Diese Aufforderung wurde in der Folge in der Schweizerischen Milchzeitung publiziert. Am 27 .April 1948 erliess die Eidgenössische Preiskontrollstelle ein Kreisschreiben Nr. 302, welches die kantonalen Preiskontrollstellen orientierte und anwies, der vorauszusehenden Preisentwicklung mit allen Mitteln zu begegnen. (Es sei in diesem Zusammenhang daran .erinnert, dass es in erster Linie Sache der kantonalen Preiskontrollstellen war, festgestellte Preisverstösse beim Strafuntersuchungsdienst des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zur Anzeige zu bringen.)

In den Monaten Mai und Juni 1948 erhielt die Eidgenössische Preiskontrollstelle keine Kenntnis von Preisüberschreitungen. Im Gegenteil wurde ihr in einer Eingabe der Genossenschaft Schweizerische Zentralstelle für Schlachtvieh-

978 Verwertung Brugg vom 16. Juni 1948 mitgeteilt, dass die Produzenten ein Absinken der Schweinepreise befürchteten. Wir zitieren folgenden Passus: Wie allgemein festgestellt werden kann, ist das Angebot .an inländischen Schlachtschweinen zunehmend, während anderseits der Bedarf in den nächsten Monaten eher zurückgehen wird. Deshalb muss vor allem im Hinblick auf die Abgabe von billigen Importschweinen mit einem ungebührlichen Preisdruck auf dem Inlandmarkt gerechnet werden.

Auch der Schweizerische Milchkäuferverband trat mit Schreiben vom 11. Juni 1948 für die Beibehaltung des Preisstandes ein. Am 12. Juli 1948 erhielt die Eidgenössische Preiskontrollstelle von der Firma Bell AG. folgende Mitteilung : Der Ordnung halber teilen wir Ihnen mit, dass wir zur Deckung unseres Bedarfes gezwungen sind, seit längerer Zeit die offiziellen Höchstpreise zu überzahlen. Seit der zweiten Woche Mai dieses Jahres sind Schweine zum Höchstpreis nicht mehr erhältlich.

In der vergangenen Woche haben wir 5,05 Pranken bis 5,07 Pranken pro kg Schlachtgewicht bezahlen müssen, für die laufende Woche vom 12.-17. Juli 5,07 Pranken bis 5,10 Pranken pro kg Schlachtgewicht.

Am gleichen Tag richtete die Eidgenössische Preiskontrollstelle ein Schreiben an die kantonale Preiskontrollstelle Zürich, wonach Kontrollenvorzunehmen und die hauptsächlichsten Lieferanten und Abnehmer zu melden seien. Eine gleiche Orientierung, verbunden mit der Weisung, gegebenenfalls gegen die Fehlbaren einzuschreiten, erging am 13. Juli an die Preiskontrollstellen St.Gallen, Frauenfeld und Zürich. Ebenfalls am 13. Juli 1948 gelangte die Eidgenössische Preiskontrollstelle an den Verband Schweizerischer Viehhändler und die Schweineverwertungsgenossenschaft, denen eröffnet wurde, dass die Preiskontrollbehörden der sich abzeichnenden Preisentwicklung durch besondere Massnahmen begegnen und die Preisüberschreitungen ahnden werden. Am 17.August erliess die Eidgenössische Preiskontrollstelle ihr Kreisschreiben Nr. 309, in dem sie die kantonalen Preiskontrollstellen aufforderte, der Erhöhung der Schlachtschweinepreise mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzuwirken und gegen Fehlbare mit rücksichtsloser Strenge einzuschreiten. Ein Schreiben vom 10. September 1948 endlich gab den interessierten Verbänden und Organisationen (Genossenschaft schweizerische Zentralstelle für Schlachtviehverwertung, Schweizerischer Milchkäuferverband, Schweineverwertungsgenossenschaft, Verband Schweizerischer Metzgermeister, Verband Schweizerischer Grosämetzgereien, Verband Schweizerischer Viehhändler) bekannt, dass gegen die an den Preisüberschreitungen Beteiligten mit aller Strenge vorgegangen werde.

3. Für die Beantwortung der Frage, in welcher Weise die Überschreitungen der Höchstpreise für Schlachtschweine im Jahre 1948 sich auf die Konsumentenpreise für Schweinefleisch auswirkten, geben die folgenden Statistiken Anhaltspunkte :

979 Statistik des Verbandes Schweizer Metzgermeister Schweine la (Fleischschweine) LG1) SG»)

Januar. .

Februar März . .

April . .

Mai Juni Juli . . .

August . .

September Oktober November Dezember

. .

. .

.

. .

.

. . .

3.90 3.90 3.87 3.87 3.89 3.90 3.91 3.94 4.03 4.13 4.27 4.23

4.97 4.96 4.94 4.93 4.96 4.98 4.99 5.03 5.14 5.26 5.45 5.37

Schweinefleisch frisch ohne Speck und Schwarten

Geräucherte Kippli und Schüfeli

Geräucherte Schweinsbrust

7.15 7.12 7.10 7.05 7.09 7.07 7.07 7.12 7.19 7.40 8.02 7.89

9.02 9.01 8.98 8.95 8.93 8.94 8.92 8.94 9.02 9.29 9..76 9.64

9.04 9.02 8.99 8.95 8.94 8.90 8.89 8.89 8.91 9.19 9.60 9.42

.

'

1 2

) Lebendgewicht.

) Schlachtgewicht.

Erhebungen des Biga Schweinefleisch frisches frisches geräuchert Carré mageres mageres m. Knochen Koteletten

Januar Februar. . . .

März April Mai . .

Juni Juli August September Oktober November. . . .

Dezember . .

7.28 7.30 7.30 7.32 7.29 7.25 7.28 7.28 7.41 7.59 8.15 7.83

9.08 9.08 9.06 9.09 9.09 9.09 9.04 9.04 9.11 9.20 9.53 9.08

9.07 9.11 9.11 9.10 9.16 9.16 9.16 9.16 9.28 9.53 10.11 9.69

Speck geräuchert mager

9.03 9.03 9.03 9.04 9.03 9.04 9.04 9.05 9.11 9.84 9.92 9.37

geräuchert fett

7.87 7.87 7.79 7.79 7.75 7.74 7.62 7.62 7.66 7.72 7.93 7.68

Während die Preise für die Schlachtschweine in der Zeit vom März bis Dktober 1948 sich insgesamt um 32 Rappen je kg Schlachtgewicht erhöhten, betrugen die Preissteigerungen für Frischfleisch mit Knochen + 30 Eappen ie kg und für geräucherten Magerspeck 81 Eappen je kg. Im November sodann erreichten sowohl die Preise für Schlachtschweine als die Fleischpreise den Kulminationspunkt, indem der Lebendgewichtspreis ab März um 51 Eappen je kg und u. a. der Preis für mageren, geräucherten Speck um rund 90 Eappen und für frisches, mageres Schweinefleisch mit Knochen um 85 Eappen je kg gestiegen war. Im Dezember 1948 setzte bei leicht weichenden Schlachtschweinepreisen - nicht zuletzt als Folge des im Zusammenhang mit den übrigen Preis-

980 erhöhungen für grosses Schlachtvieh und Fleisch anfangs Dezember ausgebrochenen Konsumentenstreiks - eine Rückbildung der Fleischpreise ein.

4. Mit Verfügung Nr. 440 A/48 hob die Eidgenössische Preiskontrollstelle die Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine auf den 2. November 1948 hin auf. Ziffer 6 dieser Verfügung sah in Übereinstimmung mit Artikel 151, Absatz 2, des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege (BS 10, 850) vor, dass die bereits eingetretenen Tatbestände nach dem bisherigen Recht zu beurteilen seien; bereits begangene Widerhandlungen blieben strafbar. Am 2.November 1948 erliess der Bundesrat seinen Beschluss über die Produktion, Einfuhr und Verwertung von Tieren, Fleisch und Fleischwaren (AS 1948, 1082), der die bisherigen Höchstpreise durch sogenannte Richtpreise ersetzte.

Für das Jahr 1949 setzte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die nachstehenden Richtpreise fest : Für die Zeitspanne :

vom I.Januar 1949 bis 30.April 1949 . . . .

» 30.April 1949 bis 25.August 1949 . . . .

» 25.August 1949 bis 81.Dezember 1949. .

Richtpreise

3.80 3.75 3.40

Schwankungsbreite:

3.60 bis 4.-- 3.50 » 4.-- 3.15 » 3.65

Das ergibt für das Jahr 1949 einen Gesamtdurchschnitt von 3,65 Franken, der nach der Auffassung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements kostenmässig gerechtfertigt gewesen wäre. Im Laufe des Jahres 1949 sanken die Preise für Schlachtschweine stark. Im März/April 1949 erreichten sie den seinerzeitigen Höchstpreis. Später gingen sie bis auf Fr. 3.10 je kg Lebendgewicht zurück. Die von den Produzenten in Wirklichkeit gelösten Preise betrugen im Durchschnitt 3,45 Franken bis 3,47 Franken je kg.

5. Die Ermittlung der Widerhandlungen gegen die Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine war in erster Linie eine Aufgabe der kantonalen Preiskontrollstellen. Diese hatten ihre Anzeigen an den Strafuntersuchungsdienst zu richten. Die Eidgenössische Preiskontrollstelle verfügte nicht über die nötigen Hilfskräfte, um selber systematisch nach Widerhandlungen zu forschen. Beim Strafuntersuchungsdienst gingen nur 258 Anzeigen wegen in den Monaten Apri bis November 1948 begangener Überschreitungen der Schweinehöchstpreise ein.

Als die ersten Strafuntersuchungen eingeleitet wurden, ging aus Kreisen der Verzeigten das Begehren ein, auf die Durchführung der Strafverfolgung ganz allgemein zu verzichten, weil die begangenen Widerhandlungen durch ein unrichtiges Verhalten der Behörden und durch die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Jahres 1948 verursacht worden seien ; die durch die Widerhandlungen erzielten Gewinne seien durch den Preiszerfall des Jahres 1949 und durch eine zurückhaltende Anwendung staatlicher Preisstützungsmassnahmen kompensiert worden.

Der für die Durchführung der Strafuntersuchung zuständige Strafuntersuchungsdienst des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements-traf trotzdem

981 und zwar mit ausdrücklicher Zustimmung des Vorstehers des Eidgenössischen Volkswirtsehaftsdepartements, die sich aufdrängenden Vorkehren. Am S.Mai 1949 berichtete der Chef des Strafuntersuchungsdienstes dem Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, ein Beschuldigter hahe jede weitere Auskunft verweigert mit der Begründung, Herr Bundesrat Eubattel habe an einer Sitzung vom 29. April 1949 die Erklärung abgegeben, dass die Strafsachen nicht mehr weiter verfolgt und die Fehlbaren nicht dem Eichter überwiesen würden. Der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes antwortete dem Chef des Strafuntersuchungsdienstes noch am gleichen Tage wie folgt: «Je n'ai jamais fait pareille déclaration; j'ai simplement dit, à propos d'une prise en charge de porcs, que l'on pouvait considérer comme liquidée la question matérielle (compensation des prix trop élevés de septembre à décembre 1948 par les prix- inférieurs à la normale pratiqués lors de la prise en charge dont il s'agit). Il n'a jamais été question et il ne pouvait être question d'autre chose; les affaires pénales ont toujours été, et restent, étrangers à la discussion des problèmes économiques.» Ein Zirkular des Schweizerischen Schlachtviehproduzentenverbandes von Ende April 1949 an die bäuerlichen Mitglieder der Schweizerischen Genossenschaft für Schlachtvieh und Fleischversorgung führte folgendes aus : Bei dieser Gelegenheit möchten wir Sie noch kurz über den soeben gefallenen Entscheid bezüglich der Entlastung des Schweinemarktes orientieren. Die beiden Besprechungen vom 25. und 28. ds. bei Herrn Bundesrat Rubattel führten zu keiner Verständigung zwischen den Anträgen seitens der Vertreter der Verwerter- und Produzentenschaft. Nach der soeben von Herrn Stuber erhaltenen Mitteilung hat das Departement wie folgt entschieden : 1. Stützungspreise für Fleischschweine im Gewichte bis zu 125 kg 3,50 Pranken ab . Stall . . .

2. Für schwerere Schweine wird dagegen leider die Übernahmepflicht durch die Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh und Fleischversorgung abgelehnt . . .

3. Die bisherigen Durchschnitts- bzw. Höchst- und Mindestpreise von 3,80 Franken bzw. 4 Franken und 3,60 Franken sollen durch die getroffene Sonderregelung vorläufig nicht berührt werden.

4. Damit werden die früheren Preisüberbordungen vom letzten Herbst und Winter » als gesühnt betrachtet und es sollen die eingeleiteten Strafverfolgungen wieder eingestellt werden.

In der Sitzung der konsultativen Kommission für die Fleischversorgung vom G.Mai 1949 .erklärte auch der Vorsitzende, Herr Minister Feisst, der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements habe sich dahin geäussert, die Strafsachen seien erledigt. Herr Landis, Direktor der Abteilung für Landwirtschaft, stellte aber diesen Irrtum richtig, indem er ausführte (S. 28 des Protokolls) : Nach Auffassung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements handelt es sich hier um eine rein geldliche Kompensation und nicht um eine juristische Abgeltung der Vergehen. Darüber wird andernorts entschieden.

982 Verschiedene Interventionen veranlassten den Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, die Angelegenheit dem Bundesrat zu unterbreiten. Zu diesem Zwecke richtete der Generalsekretär des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements am 27. Juni 1949 an die Mitglieder des Bundesrates einen einlässlichen Bericht, in welchem er zusammenfassend feststellte, dass er nach dem Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege verpflichtet sei, alle Anzeigen zu prüfen und alle Fehlbaren, bei denen objektiv und subjektiv der Tatbestand einer kriegswirtschaftlichen Widerhandlung nachgewiesen und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen der kriegswirtschaftlichen Strafverfolgung gegeben seien, dem Eichter zu überweisen; eine Ausnahme könne nur dort gemacht werden, wo das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden könne.

Am 30. Juni 1949 richtete der Schweizerische Milchkäuferverband eine Eingabe an den Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, in welcher die Einleitung eines Strafverfahrens als ungerecht bezeichnet wurde.

Herr Bundesrat Eubattel erteilte daraufhin am 18. Juli 1949 dem Strafuntersuchungsdienst die Weisung, die Angelegenheit provisorisch, d. h. bis zum Entscheid des Bundesrates ruhen zu lassen.

Über die Frage, ob die weitere Strafverfolgung unterbleiben dürfe, wurde in der Folge ein Gutachten der Justizabteilung eingeholt. Diese führte am 20.März 1950 aus: Auf Grund der vorstehenden Ausführungen gelangen wir zusammenfassend zum Ergebnis, dass es nicht richtig wäre, aus Gründen der Staatsraison oder der Politik ganz allgemein auf die Durchführung von Strafverfahren zu verzichten. Ein Verzicht sollte nur in denjenigen Fällen erfolgen, die den Charakter leichter Widerhandlungen im Sinne des Artikels 84, Ziffer 4, des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 aufweisen. Die Präge, welche Widerhandlungen als leicht zu bewerten sind, sollte möglichst weitherzig beantwortet werden. Gründe, welche zum vorneherein alle in der Zeit vom April bis Oktober 1948 begangenen Widerhandlungen gegen dieHöchstpreisvorschriften für Schlachtschweine als leicht erscheinen liessen, liegen nicht vor.

Nachdem das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement am 10. Mai 1950 von- der Auffassung der Justizabteilung Kenntnis erlangt hatte, brachte dessen Vorsteher die Angelegenheit im Bundesrat zur Sprache. Dieser entschied am 19.Mai 1950 «d'émettre l'avis qu'il y a lieu de renoncer aux poursuites». Das Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements stellte sich auf den Standpunkt, dass diese blosse Meinungsäusserung nicht einer Weisung gleichkomme, weshalb sie ihm nicht erlaube, die Strafuntersuchung definitiv fallen zu lassen. Gemäss Artikel 84, Absatz l, des Bundesratsbeschlusses vom 17.Oktober 1944 könne es ein Verfahren nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen einstellen^ Voraussetzungen, die hier nicht erfüllt seien.

Am 17. August 1950 erliess dann der Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements die folgende Weisung: ,

983 1. Auf die strafrechtliche Weiterverfolgung der Vorzeigungen betreffend Preisüberschreitungen auf Schlachtschweinen, Heu und Stroh, begangen in den Jahren 1947/48, wird verzichtet. Neu eingehenden Anzeigen über gleiche Widerhandlungen ist keine Folge zu geben.

2. Die Abschreibung dieser Anzeigen erfolgt intern ohne weitere Benachrichtigung der Anzeigesteller oder der Beschuldigten.

Der Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements wies dabei auf die Tatsache hin, dass bereits früher in den folgenden ähnlichen Fällen eine Strafverfolgung unterblieben sei: Bin gegen rund 3500 Weinproduzenten des Wallis eingeleitetes Strafverfahren wegen Überschreitung der höchstzulässigen Weinpreise sei im Jahre 1944 nicht weitergeführt worden. Im Jahre 1945 habe man abgesehen von der Eröffnung von Strafuntersuchungen gegen 947 Betriebe des Gastwirtschaftsgewerbes, die Fleischpunktschulden besassen. Im Winter 1946/47 begangene Preisüberschreitungen auf Schlachtschweinen und Schweinefleisch hätten ebenfalls keine strafrechtliche Ahndung gefunden.

In der Folge kam der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements auf seine Weisung vom 17. August 1950 zurück, nachdem er in der Sitzung vom S.September 1950 die Angelegenheit erneut dem Bundesrat vorgelegt hatte. Anlässlich dieser Sitzung überliess der Bundesrat den Entscheid darüber, ob eine Strafuntersuchung durchzuführen sei oder nicht, endgültig dem Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements. Auf Grund einer neuen Prüfung der Eechts- und Sachlage gelangte dieser zur Überzeugung, dass es unerlässlich sei, wenigstens gegen die Hauptschuldigen eine Strafuntersuchung durchzuführen. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erteilte Weisung, alle jene Beschuldigten dem zuständigen Eichter zu überweisen, die die Höchstpreise insgesamt um Fr. 2000 oder mehr überschritten. Bei niedrigerem Deliktsbetrag war auf die Eröffnung der Untersuchung zu verzichten oder wo die Untersuchung bereits eröffnet war - das Verfahren einzustellen.

Überweisungen wurden in 165 Fällen verfügt. Das Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements überwies die Beschuldigten dem 1., 2., 8. und 7. kriegswirtschaftlichen Strafgericht. Dem letztern wurde die Beurteilung der sogenannten Tessiner Fälle übertragen. Das für das deutsche Sprachgebiet eingesetzte l. kriegswirtschaftliche Strafgericht hatte auch eine Anzahl von Beschuldigten zu beurteilen, die im französischen Sprachgebiet wohnhaft waren, deren Beurteilung aber gemäss Artikel 92 des Bundesratsbeschlusses vom 17.Oktober 1944 in die Zuständigkeit des deutschsprachigen Gerichts fiel, weil entweder ihre Widerhandlungen im deutschen Sprachgebiet verübt wurden oder
weil die zwar im französischen Sprachgebiet verübten Widerhandlungen Bestandteil eines Straffalles darstellten, der a-uch schwerere, in der deutschen Schweiz begangene Widerhandlungen umfasste.

6. Die Beschuldigten machten iin wesentlichen geltend, der Bundesrat habe eine «Amnestie» verfügt oder die Verfahren seien eingestellt worden. Durch die Verfolgung nur eines kleinen Bruchteils aller Beteiligten werde der Grundsatz der Eechtsgleichheit verletzt. Die Widerhandlungen seien nicht auf ein

984

Verschulden zurückzuführen, sondern auf einen Irrtum im Sachverhalt und auf die irrige rechtliche Vorstellung, die Höchstpreise seien wegen Nichtanwendung ausser Kraft getreten. Die Beschuldigten erklärten auch, aus einer Zwangslage heraus gehandelt zu haben, die von den Behörden durch die Aufhebung der Bewirtschaftungsvorschriften geschaffen worden sei. Den Behörden wurden ferner die zu niedrige Ansetzung der Höchstpreise und der Verzicht auf die Kontrolle der Preise für Jungschweine zum Vorwurf gemacht.

Die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte gelangten jedoch zur Auffassung, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Bestrafung der Beschuldigten erfüllt seien. Sie erklärten allerdings, dass die von den Behörden in den Jahren 1947 und 1948 befolgte Wirtschaftspolitik nicht jeder Kritik standhalte. Die Gerichte anerkannten auch, dass viele Beschuldigte ihre Widerhandlungen aus' einer gewissen Zwangslage heraus begingen. Diese liess aber doch die Einhaltung der Höchstpreisvorschriften nicht als unmöglich oder unzumutbar erscheinen. Die Gerichte lehnten namentlich die Argumentation ab, dass die Höchstpreisvorschriften nur bei gleichzeitiger Anwendung von Bewirtschaftungsmassnahmen durchführbar seien. Der Einwand der erfolgten Amnestie wurde mit dem Hinweis darauf widerlegt, dass weder das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement noch der Bundesrat zu einer solchen Massnahme zuständig gewesen wäre. Eine Einstellung des Verfahrens im Sinne des Artikels 84 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944, die nur unter ganz besonderen Voraussetzungen die Möglichkeit der Wiederaufnahme offengelassen hätte, lag nach der Auffassung der Gerichte nicht vor. Auch die von Beschuldigten aus dem französischen Sprachgebiet erhobene Einwendung der Unzuständigkeit erschien als unbegründet. Nach der Meinung der Gerichte war es allerdings nicht richtig, das Strafverfahren auf diejenigen Beschuldigten zu beschränken, die die Höchstpreise um 2000 Franken oder mehr überschritten.

Um jedoch einen Ausgleich zu schaffen, gingen die Gerichte bei der Verhängung der Sanktionen von der Fiktion aus, die Preisüberschreitungen seien in den überwiesenen Fällen um 2000 Franken niedriger ausgefallen, als es in Wirklichkeit zutraf. So wurde z. B. bei einem widerrechtlichen Gewinn von 8000 Franken
nur ein Betrag von 1000 Franken abgeschöpft. Nicht unerwähnt sei, dass bereits das Generalsekretariat in seinen Anträgen durch eine entsprechend niedrige Ansetzung der Busse u. a. auch der Tatsache Rechnung getragen hat, dass bei Preisüberschreitungen von weniger als 2000 Franken auf eine Überweisung verzichtet worden ist. Ferner wurden ganz allgemein die besonderen Umstände, unter denen die Beschuldigten die Höchstpreise überschritten, als Strafminderungsgründe anerkannt. Eine Abschöpfung widerrechtlicher Gewinne erfolgte nur gegenüber den Produzenten. In den Verfahren gegen die Händler und Metzger verzichteten die Gerichte auf diese Massnahme, da die Gewinne, die die Beschuldigten beim Verkauf der Ware erzielten, durch Verluste kompensiert wurden, die sie beim Ankauf erlitten hatten. An Strafen wurden durchwegs nur Bussen und nicht auch Gefängnisstrafen ausgesprochen. Die von den erstinstanzlichen Gerichten verhängte Höchstbusse betrug 18 000 Franken bei einer Preisüber-

985 schreitung von ca. 170 000 Franken. Die Anwendung der bei Preisüberschreitungen sonst normalen Strafansätze hätte eine viel höhere Busse ergeben. Die Urteile wurden nicht in das Strafregister eingetragen.

Von den durch das 1. und 2. kriegswirtschaftliche Strafgericht Verurteilten appellierten die meisten an das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht.

Auch dieses bejahte in allen Fällen die Verschuldensfrage. Es legte jedoch den Strafminderungsgründen im allgemeinen ein etwas grösseres Gewicht bei als die Gerichte der 1. Instanz, was im allgemeinen eine Herabsetzung der Strafen zur Folge hatte. Im oben angeführten schwersten Fall reduzierte es die dem Beschuldigten auferlegte Busse von 13 000 Franken auf 10 000 Franken.

7. Am 28. September 1953 stellte Herr Nationalrat Egger folgende kleine Anfrage : Von den kriegswirtschaftlichen Gerichten wurden in den Jahren 1951 und 1952 Urteile gefällt, die sich auf Verletzungen der Preisvorschriften für Schlachtschweine in den Monaten April bis Oktober 1948 bezogen. Der Bundesrat wird um Auskunft darüber ersucht, warum die Aburteilung dieser Fälle so spät erfolgt ist und wie er sich zum Vorwurf der betroffenen Kreise stellt, die zuständigen Stellen der Bundesverwaltung trügen eine Mitschuld an den vorgekommenen Verfehlungen.

Der Bundesrat antwortete am 20. November 1953 wie folgt : Die ersten Strafanzeigen wegen Preisüberschreitungen beim Kauf und Verkauf von Schlachtschweinen, begangen in der Zeit vom April bis Ende Oktober 1948, sind dem Strafuntersuchungsdienst sowie dem Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Ende 1948 anfangs 1949 zugekommen. Die Strafuntersuchungen wurden sofort anhand genommen, jedoch später wieder unterbrochen, da das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement sich darüber auszusprechen hatte, ob eine Verfolgung der begangenen Widerhandlungen Platz greifen sollte. Die Angelegenheit wurde nachher dem Bundesrat unterbreitet ; dieser fällte seinen endgültigen Entscheid im September 1950 in der Weise, dass er es dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement überliess, die ihm als zweokmässig erscheinende Lösung zu treffen.

Daraufhin wurden die Verfahren gegen die Hauptbeschuldigten weitergeführt. Die erstinstanzliche Beurteilung erfolgte im Laufe des Jahres 1951, während das kriegswirtschaftliche
Strafappellationsgericht auf Appellation der Verurteilten hin letztinstanzlich in der zweiten Hälfte 1952 seine Urteile fällte.

Schon in den kriegswirtschaftlichen Strafverfahren ist von Seiten der Beschuldigten die Einwendung erhoben worden, die Behörden trügen infolge unzweckmässiger Bewirtschaftungsmassnahmen eine Mitschuld an den vorgekommenen Verfehlungen.

Das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht hat demgegenüber in seinen Urteilen festgestellt, dass die Eidgenössische Preiskontrollstelle dem ständigen Ansteigen der Preise nicht untätig zusah, sondern Massnahmen getroffen habe, um der PreisHausse Einhalt zu gebieten. Wenn dieses Ziel nicht erreicht wurde, so sei dies auf die Disziplinlosigkeit der beteiligten Kreise zurückzuführen.

Mehrere Verurteilte haben in bezug auf die gesprochenen Urteile nicht etwa Begnadigungsgesuche, sondern Amnestiebegehren eingereicht. Die eidgenössischen Bäte werden somit bei der Behandlung dieser Begehren zur ganzen Präge noch Stellung nehmen können.

8. Am 25. Juli 1953 reichte Eechtsanwalt Dr. Werner Guldimann in Zürich im Namen von 12 Verurteilten den eidgenössischen Bäten ein Amnestiegesuch ein. Die Gesuchsteller bitten «um Amnestie in dem Sinn, dass die von den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten wegen der im Jahre 1948 vorgekommenen

986 Überschreitungen der Höchstpreise für Schlachtschweine ausgesprochenen Strafen aufgehoben und im Strafregister gelöscht und die von den Verurteilten bezahlten Bussen und Gerichtskosten zurückerstattet werden».

Am 11. und 17. September 1953 gelangte Eechtsanwalt Dr. E. Hirzel in Lausanne im Namen von 52 Verurteilten mit einem Amnestiegesuch an die eidgenössischen Eäte. Dr. Hirzel stellt die gleichen Begehren wie Dr. Guldimann, beantragt aber überdies auch die Eückerstattung der abgeschöpften widerrechtlichen Vorteile.

Mit Eingabe vom 4. Januar 1954 ersuchte auch Fürsprecher Dr.UrsTh. Eoth in Burgdorf namens eines Verurteilten um Gewährung der Amnestie.

Die Gesuchsteller machen im wesentlichen geltend, die Verwaltung habe bei der Bewirtschaftung des Fleisches und bei der Handhabung der Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine Fehler begangen, die mit den fraglichen Widerhandlungen in einem gewissen Kausalzusammenhang stehen. Zu beanstanden sei vor allem die Tatsache, dass die Behörden die erwähnten Höchstpreisvorschriften in Kraft belassen, aber nicht genügend wirksam für deren Einhaltung gesorgt haben. Eine Höchstpreisvorschrift lasse sich nur dann zuverlässig durchsetzen, wenn ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage bestehe oder nötigenfalls durch geeignete Bewirtschaftungsmassnahmen geschaffen werde. Hinsichtlich der Schlachtschweine sei ein solches Gleichgewicht seinerzeit durch die Fleischrationierung und die Schweinekontingentierung gewährleistet worden. Diese Massnahmen seien aber am G.September 1947 und am IS.Februar 1948 dahingefallen. In der Folge habe die Nachfrage nach Schweinefleisch zugenommen, ohne dass das Angebot entsprechend gestiegen wäre. Das habe notwendigerweise eine Erhöhung der Schweinepreise bewirkt. Die Höchstpreise seien zwar nicht gegenüber den Konsumenten, sonst aber in allen Handels· stufen ganz allgemein überschritten worden. Dies sei keineswegs aus Gewinnsucht geschehen, sondern als Folge der Entwicklung des Marktes. Die Verurteilten haben aus einer eigentlichen Zwangslage heraus gehandelt. Die Händler und Metzger haben die geltenden Preise überschreiten müssen, um überhaupt die von ihnen benötigte Ware zu erhalten; die Produzenten seien deshalb zu Preisüberschreitungen 'gezwungen worden, weil die von den Behörden festgesetzten Höchstpreise die
Gestehungskosten nicht gedeckt haben. Die Eidgenössische Preiskontrollstelle habe es namentlich unterlassen, der Erhöhung der Preise der Jungschweine durch Preisvorschriften entgegenzuwirken. Die von den Produzenten, Händlern und Metzgern begangenen Widerhandlungen seien zunächst toleriert worden. Die Eidgenössische Preiskontrollstelle habe wohl schriftlich zur Einhaltung der Bestimmungen gemahnt und mit der Durchführung von Strafverfahren gedroht. Sie sei aber untätig geblieben und habe mündlich zugegeben, der Entwicklung machtlos gegenüberzustehen. Unter den Marktbeteiligten sei der Eindruck entstanden, die Höchstpreisvorschriften würden überhaupt nicht mehr geltendes Eecht darstellen. Seitens der Aufkäufer der Schweizerischen Schweineverwertungsgenossenschaft, die allgemeine Inter-

987 essen vertrete und deren Leitung politischen Kreisen des Bundes nahe stehe, sei denn auch rundweg erklärt worden, die Schweinehöchstpreise seien auch nach der Auffassung der Behörden nicht mehr zu beachten. Die nachher dann doch durchgeführte kriegswirtschaftliche Strafuntersuchung habe nur die ca. 150 Fälle mit einem Deliktsbetrag von 2000 Franken und darüber erfasst; in Tausenden oder Zehntausenden von Fällen mit kleineren Deliktsbeträgen sei die Strafverfolgung unterblieben, und zwar unabhängig von der Frage des Verschuldens.

Diese Abgrenzung erscheine als willkürlich. Das Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements habe ferner insofern in rechtlicher und politischer Hinsicht einen Fehler begangen, als es im Kanton Waadt wohnhafte Beschuldigte den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten der deutschen Schweiz überwiesen habe. Wie bei der Einleitung der Strafverfahren sei auch bei der gerichtlichen Beurteilung der Grundsatz der Eechtsgleichheit verletzt worden; das für die italienisch sprechende Schweiz zuständige 7.kriegswirtschaftliche Strafgericht habe die Beschuldigten nur zu symbolisch gemeinten Bagatellbussen verurteilt, während die von den anderen Gerichten der ersten Instanz und die vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht verhängten Sanktionen als schwer erscheinen.

Weiter führen die Gesuchsteller aus, die im Jahre 1948 begangenen Widerhandlungen seien durch den nachfolgenden Preiszerfall auf dem Schweinemarkt kompensiert worden. Aus diesem Grunde und auch mit Rücksicht auf die Verhältnisse zur Zeit der Widerhandlungen habe der Bundesrat im Frühjahr 1949 die Zusage erteilt, dass die Strafverfolgung unterbleibe. Diese Haltung der Behörden habe eine der Grundlagen für das Verständigungswerk der damaligen Neuordnung des Vieh- und Fleischmarktes dargestellt. Die später gleichwohl verfügte Eröffnung der Strafuntersuchung verletze ein behördliches Versprechen und den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Staat sei in Zukunft vielleicht auf die gutwillige Mitwirkung der Verurteilten bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben angewiesen. Die staatspolitische Klugheit gebiete, durch die Gewährung der nachgesuchten Amnestie das verletzte Rechtsgefühl wieder herzustellen und die Bitterkeit zu beheben, die bei den Verurteilten zurückgeblieben sei.

Seinen Antrag,
die Amnestie auch auf die Abschöpfung der widerrechtlichen Vorteile auszudehnen, begründete Dr. Hirzel mit dem Hinweis darauf, dass diese Massnahme in Artikel 10 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege (BS 10, 850) nur fakultativ vorgesehen sei. Im Falle ihrer Anordnung müsse sie aber das rechtliche Schicksal der Bussen teilen ; denn die Bussen und die Massnahme der Abschöpfung seien Bestandteile der gleichen Urteile und praktisch von gleicher finanzieller Auswirkung. Wäre die Abschöpfung widerrechtlicher Vorteile von der Amnestie ausgeschlossen, dann würden die von dieser Massnahme betroffenen Verurteilten ohne sachlichen Grund schlechter als die anderen gestellt, denen gegenüber der Richter auf die Abschöpfung verzichtete, denen er dafür aber eine entsprechend höhere Busse auferlegte, die nun in ganzem

988 Umfang der Amnestie teilhaftig werden könne. Abgesehen davon sei die Abschöpfung ungerechtfertigt, weil niemand die zulässigen Verdienstmargen überschritten habe.

Am 22. Januar 1954 erklärte Dr. Guldimann, dass ein weiterer Verurteilter sich dem Amnestiegesuch anschliesse. Ein Verurteilter zog sein Gesuch zurück.

II.

Die Frage nach Begriff, Voraussetzungen, Gegenstand und Wirkungen der Amnestie haben wir in unserem Bericht vom G.Mai 1955 betreffend die Widerhandlungen gegen die Vorschriften über die Landesversorgung mit inländischem Heu und Emd beantwortet. Wir gestatten uns, der Einfachheit halber auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.

III.

1. Die Gesuchsteller beantragen den Verzicht auf die Vollstreckung kriegswirtschaftlicher Strafurteile. Der Antrag wird nicht nur zugunsten der Gesuchsteller, sondern aller Personen eingereicht, die in der Zeit vom April bis November 1948 Widerhandlungen gegen die Höchstpreisvorschriften für Schlachtschweine begingen. Diese Widerhandlungen werden durch ein gemeinsames generelles Merkmal bezeichnet. Der Staat soll nach der Meinung der Petenteu aus Gründen des öffentlichen Wohls auf die Strafvollstreckung verzichten. Es liegen somit nicht Begnadigungsgesuche, sondern Amnestiebegehren vor.

Der Erfolg dieser Begehren muss von der Beantwortung der Frage abhängen, ob wichtige Gründe des öffentlichen Interesses für die Gewährung der Amnestie sprechen und ob diesen Gründen mehr Gewicht zukommt als dem Interesse am normalen Gang der Justiz und an der gleichmässigen Vollstreckung der von den Kriegswirtschaftsgerichten ausgesprochenen Strafen.

Wie im Falle der Heuhöchstpreise stellt sich auch hier die Frage, ob den Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, beim Erlass und bei der Anwendung der geltenden Vorschriften und namentlich bei der Durchführung der hier in Frage stehenden Strafverfahren Fehler unterlaufen sind und ob aus diesem oder einem anderen Grund im Interesse des öffentlichen Wohls die nachgesuchte Amnestie ganz oder teilweise zu gewähren ist.

2. Wenn die Gesuchsteller den im Jahre 1949 auf dem Schweinemarkt eingetretenen Preiszerfall zur Begründung ihres Amnestiegesuches anführen, dann gehen sie offenbar von der Erwägung aus, die Strafvollstreckung erscheine als unbillig, nachdem die Verurteilten bereits in Form geschäftlicher Verluste infolge des Preiszerfalls Nachteile erlitten. Die Amnestie ist jedoch nicht an die Voraussetzung des Vorliegens von Billigkeitsgründen geknüpft, sondern sie darf nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gewährt werden. Es ist unerfindlich, weshalb das öffentliche Interesse es notwendig machen könnte, einem Verurteilten die Strafe zu erlassen, weil er nach der Begehung der Widerhandlung

989 ungünstige Geschäfte tätigte. Das Interesse an einem solchen Verzicht auf die Vollstreckung wäre rein privater Natur.

Durch die strafrechtliche Verfolgung der Preisüberschreitungen sind den Beschuldigten zweifellos Unannehmlichkeiten entstanden und es mag wohl auch eine gewisse Beunruhigung eingetreten sein. Das ist aber eine normale Auswirkung fast jeder Strafverfolgung, da eine solche in den wenigsten Fällen leicht genommen wird. Es müsste sich um eine besonders starke, weit verbreitete und eine wichtige öffentliche Interessen gefährdende Beunruhigung handeln, damit sie eine genügende Voraussetzung für die Gewährung einer Amnestie darstellen könnte. Das trifft indessen nicht zu.

Der Bundesrat lehnt die Auffassung der Gesuchsteller ab, dass die Amnestie eine notwendige Massnahme darstellen könnte, mit der sich der Bund die gutwillige M i t a r b e i t der Schweineproduzenten, Händler und Metzger für den Fall einer künftigen Kriegswirtschaft sichern müsste. Eine solche Mitarbeit könnte der Staat grundsätzlich nicht durch den Verzicht auf die Erfüllung der ihm im Bereiche der Justiz obliegenden Aufgaben erkaufen. Abgesehen davon besteht kein Grund zur Annahme, dass im Falle eines neuen staatlichen Notstandes die Produzentenschaft oder der Handel die Erfüllung der gegenüber dem Lande bestehenden Pflichten von der Art der Behandlung der vorliegenden Gesuche abhängig machen würde. Sollte dies trotzdem zutreffen, dann ständen dem Bund zweifellos die nötigen rechtlichen und tatsächlichen Mittel zur Verfügung, um die Erfüllung seiner Aufgaben in anderer Weise sicherzustellen.

8. In bezug auf die von den Gesuchstellern behaupteten Fehler der Belörden sind drei verschiedene Fragen auseinanderzuhalten, nämlich die ?ragen, 1. ob Fehler wirklich begangen wurden, 2. ob tatsächlich die Möglichieit besteht, sie durch eine Amnestie wieder gutzumachen, und 3. ob die Wiedergutmachung auf dem Wege der Amnestie sich sachlich rechtfertigt.

o. Sind den Behörden beim Erlass oder bei der A n w e n d u n g der hier massgebenden Bestimmungen und besonders bei der D u r c h f ü h r u n g des S t r a f v e r f a h r e n s Fehler u n t e r l a u f e n , die als Gründe für die Gewährung einer Amnestie in Betracht f a l l e n iönnten ?

aa. Den Behörden wird zunächst vorgeworfen, es unterlassen zu haben, mit Eilfe von
Bewirtschaf tungsmassnahmen für die Tiefhaltung der Schweinepreise zu sorgen.

Die von den Gesuchstellern geäusserte Meinung, die Höchstpreisvorschriften sollten mit Massnahmen der Bewirtschaftung verbunden werden, beruht offenbar auf dem Gedanken, dass der Staat die Einhaltung der von ihm aufgestellten Verhaltensnormen nach Möglichkeit erzwingen muss und sich nicht darauf beschränken darf, begangene Widerhandlungen festzustellen und durch den Strafrichter ahnden zu lassen. Für die Verwirklichung des Rechts stellt die Erzwingung in der Tat eine primäre Aufgabe dar, und die Strafe hat lediglich eine Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. I.

70

990 Ersatzfunktion dort zu erfüllen, wo es tatsächlich unmöglich ist oder wo es sich aus irgendeinem Grund nicht rechtfertigt, die Erzwingung der Eechtspflichten von vorneherein sicherzustellen.

Vom Standpunkt der Eechtsverwirklichung aus betrachtet, ist die Durchführung von Bewirtschaftungsmassnahmen an sich wünschbar, wenn sie Angebot und Nachfrage in der Weise beeinflussen, dass eine Art von Zwang zur Einhaltung der Höchstpreisvorschriften entsteht. Anderseits ist zu beachten, dass jede Bewirtschaftung einen mehr oder weniger grossen Aufwand an Mitteln erfordert und regelmässig auch weiter in die wirtschaftliche Freiheit des Privaten eingreift als eine blosse Höchstpreis Vorschrift. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, kann man sich fragen, ob es sich im Jahre 1948 noch gerechtfertigt hätte, gewissermassen zur Erzwingung der aus den Schweinehöchstpreisen sich ergebenden Pflichten die Eationierung des Fleisches oder die Kontingentierung der Schlachtungen durchzuführen und dabei nicht nur den erforderlichen organisatorischen Aufwand, sondern auch weitgehende Eingriffe in die wirtschaftliche Freiheit in Kauf zu nehmen.

Man kann den Behörden kaum einen Vorwurf machen, weil sie diese Frage in bezug auf die Fleischrationierung verneinten und sich nur zögernd zur Wiedereinführung der Kontingentierung entschlossen. Die Kationierung des Fleisches wäre im Jahre 1948 technisch gar nicht mehr durchführbar gewesen, und die öffentliche Meinung, die ganz allgemein einen möglichst raschen und weitgehenden Abbau der Kriegswirtschaft verlangte, hätte die Wiedereinsetzung der bereits abgebauten Rationierungsstellen nicht gebilligt. Die Aufhebung der genannten Bewirtschaftungsmassnahmen erfolgte übrigens seinerzeit nicht gegen den Willen der Produzenten, Händler und Metzger, sondern im Einverständnis mit ihren massgebenden Organisationen.

Zu beachten ist auch, dass das Bestehen von Bewirtschaftungsvorschriften allein nicht zuverlässig die Einhaltung der Höchstpreise bewirkt. Die Bewirtschaftungsvorschriften stellen nur im Falle ihrer Befolgung geeignete Mittel zur Beeinflussung der Preise dar. Die Wirksamkeit der Bewirtschaftung hängt wie die Befolgung der Preisvorschriften - weitgehend von der Disziplin der beteiligten Kreise ab. Nur wenn die Beteiligten den Vorschriften entsprechend das Angebot der fraglichen
Waren auf den Stand der Nachfrage erhöhen oder die Nachfrage auf den Stand des Angebotes herabsetzen, sinken die Preise auf ein angemessenes Niveau. Besteht der Wille zur Einhaltung der geltenden Vorschriften, so liegt kein Bedürfnis zur Beeinflussung der Preise durch Bewirtschaftungsmassnahmen vor, weil dann offenbar auch die Höchstpreise freiwillig eingehalten werden. Üben aber die beteiligten Kreise keine Disziplin hinsichtlich der Preisvorschriften und wäre aus diesem Grunde die Ausübung eines gewissen Zwanges erwünscht, dann ist es fraglich, ob die gleichen Kreise sich zu einer gewissenhafteren Befolgung der den Zwang anstrebenden Bewirtschaftungsvorschriften entschliessen könnten. Gerade bei der früheren Bewirtschaftung des Fleisches Hess die Disziplin zu wünschen übrig, besonders in den Nachkriegsjahren. Die im Jahre 1948 begangenen zahlreichen Widerhandlungen gegen

991 die Preisvorschriften mussten die Befürchtung wecken, auch neu eingeführte Bewirtschaftungsvorschriften würden verletzt. Stellten die Produzenten, Händler und Metzger sich auf den Standpunkt, die wirtschaftlichen Verhältnisse seien stärker als die Preisvorschriften, dann war die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass eine ähnliche Argumentation als Entschuldigungsgrund für eine Umgehung der Eationierungs- oder Kontingentierungsbestimmungen gedient hätte. Tatsächlich verfehlte denn auch die schliesslich wieder eingeführte Kontingentierung, offenbar nicht zuletzt wegen des Mangels an Disziplin, ihr preispolitisches Ziel. Auch diese Erwägungen lassen die von den Behörden hinsichtlich der Frage der Bewirtschaftung eingenommene Haltung als verständlich erscheinen.

Die Behauptung, dass eine Höchstpreisvorschrift ohne gleichzeitige Bewirtschaftung nicht verwirklicht werden könne und dass ein Missverhältnis von Angebot und Nachfrage notwendigerweise die Überschreitung der Höchstpreise zur Folge haben müsse, wurde von den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten abgelehnt und hält tatsächlich einer näheren Prüfung nicht stand.

Auch wenn die Nachfrage nach einer Ware das bestehende Angebot weit übersteigt, ist kein Verkäufer gezwungen, vom Käufer einen höheren als den festgesetzten Höchstpreis zu fordern und entgegenzunehmen. Die Höchstpreise werden nur dann überschritten, wenn der Verkäufer entgegen seiner Pflicht der Versuchung nicht widersteht, die ihm günstige Marktsituation auszunützen, d. h.

wenn er die Marktsituation ausnützen will. Das zu verbieten und zu verhindern ist aber gerade der Zweck der Preiskontrollvorscbriften. Gerade dann und hauptsächlich dann sind die Preiskontrollvorschriften notwendig, wenn Angebot und Nachfrage in einem Missverhältnis stehen ; denn in diesem Falle liegt am ehesten eine Gefahr vor, dass der Verkäufer einen unangemessen hohen Preis verlangt.

Besteht auf dem freien Markt oder unter der Herrschaft staatlicher Bewirtschaftungsmassnahmen ein Gleichgewicht, dann sorgen meistens schon die wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten für die Angemessenheit der Preise, undallfälligen Höchstpreisvorschriften kommt eine geringere praktische Bedeutung zu. Hingegen ist es sehr wichtig, dass Preisvorschriften gelten und befolgt werden, wenn - was vorkommen kann - eine tatsächliche
Unmöglichkeit besteht, den Markt durch Bewirtschaftungsmassnahmen ins Gleichgewicht zu bringen, oder wenn an sich mögliche Bewirtschaftungsmassnahmen wegen des zu grossen Aufwandes oder der zu weit gehenden Eingriffe in die Freiheit des Privaten unterbleiben müssen.

Es gibt denn auch tatsächlich Preiskontrollvorschriften, die von den Privaten auch ohne Beeinflussung des Marktes durch Bewirtschaftungsmassnahmen befolgt werden. Unter der Herrschaft der Abwertungsgesetzgebung der Vorkriegszeit war es mangels der erforderlichen Eechtsgrundlage gar nicht möglich, die Preiskontrolle durch Bewirtschaftungsmassnahmen zu unterstützen. Zu Beginn des letzten Krieges ordnete der Bundesrat eine umfassende Preiskontrolle über alle Waren an. Die Bewirtschaftung wurde erst später und stufenweise organisiert. Trotzdem' waren die Preisvorschriften von Anfang an einzuhalten,

992 und ihre Verbindlichkeit stand trotz des Fehlens von Bewirtschaftungsmassnahmen ausser Zweifel. Auf dem Wohnungsmarkt besteht auch heute noch ein im Verhältnis zur Nachfrage knappes Angebot. Den Behörden standen und stehen keine wirksamen Massnahmen zur Verfügung, um normale Marktverhältnisse zu schaffen und auf diese Weise angemessene Mietzinse zu gewährleisten.

Gerade deshalb ist es notwendig, die Preiskontrolle auf diesem Gebiet vorläufig weiterzuführen. Das bestehende Missverhältnis von Angebot und Nachfrage und das Fehlen behördlicher Bewirtschaftungsmassnahmen geben den Hauseigentümern und Mietern kein Kecht, sich von der Einhaltung der Höchstpreise zu dispensieren. Ebenso unbegründet ist der Standpunkt der Schweineproduzenten, Händler und Metzger, die Schweinehöchstpreise könnten nur im Falle ihrer Verbindung mit staatlichen Bewirtschaftungsmassnahmen eingehalten werden.

Aber selbst wenn man zur Auffassung gelangte, die Behörden hätten durch die Wiedereinführung der Fleischrationierung oder durch die frühere Wiedereinführung der Kontingentierung der Schlachtungen die Einhaltung der Höchstpreise bewirken können und müssen, weil es ihre Pflicht sei, Widerhandlungen nach Möglichkeit zu verhindern, dann würde die Missachtung dieser Pflicht noch keinen Grund darstellen, die begangenen Widerhandlungen ungeahndet zu lassen. Die Unterlassung von Zwang darf nicht zur Folge haben, dass auch die Strafe als Ersatz des Zwangs (vgl. W.Burckhardt, Einführung in die Bechtswissenschaft, S. 176) ausbleibt. Es würde zu merkwürdigen Zuständen führen, wenn der Staat überall dort, wo er zu wenig für die Verhinderung von Widerhandlungen unternimmt, auf die Bestrafung verzichten müsste, wenn beispielsweise die Verkehrsdelikte unbestraft blieben, weil zu ihrer Verhinderung eine zu kleine Zahl von Verkehrspolizisten eingesetzt wird.

Durch die Aufhebung der Bewirtschaftungsvorschriften allein wurden jedenfalls weder die Produzenten noch die Händler noch die Metzger in eine Zwangslage gesetzt, aus der heraus die Preisüberschreitungen hätten notwendigerweise begangen werden müssen. Man kann daher auch nicht die Auffassung vertreten, wegen des Fehlens von Bewirtschaftungsvorschriften seien die Widerhandlungen schuldlos verübt worden, und die Strafverfolgung hätte aus diesem Grunde unterbleiben sollen.

Hb. Die
Verurteilten hatten der Eidgenössischen Preiskontrollstelle vorgeworfen, die Höchstpreise für Schlachtschweine im Jahre 1948 auf der 1945 festgesetzten Höhe belassen zu haben, obschon in der Zwischenzeit die Produktionskosten für Schlachtschweine sich erhöhten. Ferner wird der Verzicht auf die Festsetzung von Höchstpreisen für Jungschweine gerügt.

Was zunächst den Vorwurf der zu niedrigen Höchstpreise für Schlachtschweine betrifft, so wird dieser vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement als unrichtig bezeichnet. Nicht nur die Eidgenössische Preiskontrollstelle, sondern auch leitende Funktionäre der ehemaligen Sektion für Fleisch und Schlachtvieh des Kriegs-Ernährungs-Amtes bestätigten, dass der Höchstpreis pro kg Lebendgewicht zur Kostendeckung ausreichte. Das kriegswirtschaftliche

993 Strafappellationsgericht gelangte zur gleichen Auffassung. Ihre Eichtigkeit wird bestätigt durch den Umstand, dass im November 1948, als die Höchstpreise durch Eichtpreise ersetzt wurden, diese letzteren auf der gleichen Höhe blieben.

Aber selbst wenn die Höchstpreise zur Kostendeckung nicht ausgereicht hätten, wäre die Eidgenössische Preiskontrollstelle nicht verpflichtet gewesen, diese von Amtes wegen zu erhöhen. Sie durfte ein Gesuch der Interessenten abwarten.

Bin solches traf erst Ende September 1948, also einen Monat vor Aufhebung der Höchstpreise ein.

Hingegen kann man sich fragen, ob es richtig war, auf die Festsetzung von Höchstpreisen für Jungschweine zu verzichten. MUSS der Staat zum Schütze der Konsumenten den Preis eines Produktes kontrollieren, dann fragt es sich, ob es nicht angezeigt ist, auch die Preise der Eohstoffe und überhaupt die Selbstkosten des Produzenten zu1 beschränken. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Die Unterlassung der Festsetzung eines Höchstpreises für Jungschweine wirkte sich für die Schweinemäster nicht allzu, nachteilig aus, weil offenbar die Höchstpreise für Schlachtschweine reichlich bemessen waren. Die zuständigen Funktionäre der Eidgenössischen Preiskontrollstelle können sich übrigens nicht daran erinnern, dass die Schweineproduzenten der Eidgenössischen Preiskontrollstelle das Begehren um Kontrolle der Preise für Jungschweine gestellt hätten.

Die Behörden haben somit entgegen der Meinung der Gesuchsteller auch nicht durch zu niedrige Festsetzung der Höchstpreise einen das Verschulden ausschliessenden Zwang zu ihrer Überschreitung begründet.

cc. Verzichteten die Behörden auf die Anordnung von Bewirtschaftungsmassnahmen, die sich zur Erzwingung der Höchstpreise eigneten, so war es notwendig, die Disziplin mit den Mitteln des S t r a f r e c h t s und des S t r a f prozessrechts aufrechtzuerhalten. Dieses Ziel liess sich durch eine sorgfältige Überwachung des Marktes, durch gewissenhafte Erforschung der begangenen Widerhandlungen, durch deren sofortige Vorzeigung, durch möglichst rasche Erledigung der Straf fälle und durch angemessene Bestrafung erreichen.

Wie bereits dargelegt, mahnte die Eidgenössische Preiskontrollstelle zur Einhaltung der Bestimmungen, und sie wies die kantonalen Preiskontrollstellen zur Ermittlung
und Vorzeigung der Widerhandlungen an. Die Eidgenössische Preiskontrollstelle bestreitet, dass ihre Funktionäre bei Besprechungen eine andere Haltung einnahmen, den Eindruck erweckten oder gar das Versprechen abgaben, die Begehung der Widerhandlungen werde toleriert. In den Amnestiegesuchen fehlen konkrete Angaben über mündliche Äusserungen, die den schriftlichen widersprochen hätten. Eine vor den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten aufgestellte Behauptung, der Beamte Dr. Scheidegger habe am S.Oktober 1948 an einer Konferenz in Winterthur den geltenden Höchstpreis erhöht oder erklärt, die Überschreitung ziehe keine strafrechtliche Verfolgung nach sich, erwies sich nach den gerichtlichen Feststellungen als unrichtig.

Die Überwachung des Marktes durch einzelne kantonale Preiskontrollstellen liess aber doch etwas zu wünschen übrig. Obschon sehr viele Widerhand-

994 hingen vorkamen, wurden nur verhältnismässig wenige entdeckt und dem Strafuntersuchungsdienst verzeigt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Aufgabe der Kantone keine leichte war.

Wo Strafanzeigen erstattet wurden, dauerte das Strafverfahren im allgemeinen zu lange, um die zur Erhaltung der Disziplin notwendige abschreckende Wirkung auszuüben. Dies mag zum Teil zurückgehen auf die etwas komplizierte Organisation des kriegswirtschaftlichen Strafverfahrens. Wenn dem Beschuldigten möglichst einwandfreie Garantien für die richtige Behandlung seines Falles geboten werden sollten, so rnusste man aber anderseits eine gewisse Verlängerung des Verfahrens und damit auch die Gefahr in Kauf nehmen, dass es bei einem sich abzeichnenden Zerfall der Disziplin schwer fallen konnte, durch rechtzeitige Verhängung von Sanktionen den Anfängen zu wehren.

Die Behörden schöpften aber auch die Möglichkeiten einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens, die der Bundesratsbeschluss vom 17.Oktober 1944 bot, nicht voll aus. Dabei wird man allerdings weder der Eidgenössischen Preiskontrollstelle, noch dem Strafuntersuchungsdienst, noch dem Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements einen Vorwurf machen können; denn schon im Jahre 1948 stand wegen des bereits erfolgten Abbaus der Kriegswirtschaft nicht mehr der nötige Apparat für die rasche Ermittlung der kriegswirtschaftlichen Straffälle zur Verfügung. Eine weitere Verzögerung in der Erledigung der Strafsachen trat dann vor allem deshalb ein, weil der Bundesrat sich lange nicht schlüssig machte, ob den aus Kreisen der Beteiligten eingereichten Gesuchen um Verzicht auf die Strafverfolgung zu entsprechen sei. Die Widerhandlungen waren aber damals bereits begangen und wurden nicht durch die zögernde Haltung des Bundesrates verursacht.

Das anfänglich zu wenig energische Einschreiten gewisser Ermittlungsorgane mochte den Eindruck erwecken, man nehme es trotz der Mahnungen der Eidgenössischen Preiskontrollstelle mit der Verfolgung der Widerhandlungen nicht allzu ernst. In dieser Auffassung wurden die Beteiligten vielleicht auch dadurch bestärkt, dass das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement schon früher hinsichtlich der im Winter 1946/47 begangenen Preisüberschreitungen auf die strafrechtliche Verfolgung verzichtet hatte. Die
Eidgenössische Preiskontrollstelle hatte allerdings schon im Mai 1947 Vertretern der Produzenten-, Händler- und Metzgerorganisationen gegenüber mündlich erklärt, in Zukunft werde die Ahndung von Widerhandlungen nicht mehr unterbleiben. Auch ein Artikel in der Schweizerischen Metzgerzeitung verlangte vermehrte Disziplin.

Wenn auch beim Zerfall der Disziplin im Jahre 1948 das Verhalten der Behörden eine gewisse Bolle gespielt haben mag, so sind daran doch in erster Linie die beteiligten Privaten schuld, namentlich diejenigen, die bei der Begehung von Widerhandlungen den Anfang machten. Als dann die Widerhandlungen einen gewissen Umfang erreichten, gerieten die bisher disziplinierten Händler und Metzger insofern in eine Art Zwangslage, als sie ebenfalls übersetzte Preise bezahlen mussten, wenn sie nicht Nachteile gegenüber der Konkurrenz

995 erleiden wollten. Die Gerichte nahmen aus diesem Grunde an, es liege nur ein verhältnismässig leichtes Verschulden vor. Es ist eine Ermessensfrage, wie weit eine solche Zwangslage sich schuldmindernd auswirkte. Wenn die Strafbehörden sich auf den Standpunkt stellten, die Verzeigten treffe ein Verschulden, das zur Überweisung und Verurteilung genüge, so kann man ihre Entscheide nicht deswegen als fehlerhaft bezeichnen.

dd. Von den Gesuchstellern wird gerügt, dass nur diejenigen Produzenten, Händler und Metzger dem Strafrichter überwiesen wurden, bei denen das Generalsekretariat als Überweisungsbehörde Preisüberschreitungen von mindestens 2000 Franken feststellte, während in Tausenden von Fällen überhaupt kein Strafverfahren durchgeführt worden sei.

Nicht erfasst wurden selbstverständlich alle Widerhandlungen, die unentdeckt blieben. Darin liegt eine bedauerliche Ungleichheit. Diese war aber unvermeidlich und nicht auf einen Fehler der Behörden zurückzuführen; auch auf anderen Gebieten des Strafrechts ist es tatsächlich unmöglich, Personen zur Eechenschaft zu ziehen, denen es gelingt, begangene Widerhandlungen zu verheimlichen.

Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ordnete nun aber an, dass auch von den ermittelten Widerhandlungen nur diejenigen von einer gewissen Schwere zu verfolgen seien. So wurde in 93 Fällen die Untersuchung entweder nicht eröffnet oder eingestellt. Der Grundgedanke dieser Anordnung war richtig. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement stellte aber ausschliesslich auf die Höhe des Deliktsbetrages ab, und es setzte die Grenze mit 2000 Franken sehr hoch an.

In den Fällen, die diese Grenze nicht erreichten, blieben das Verschulden und die anderen für die Bestrafung wichtigen Umstände unberücksichtigt. Die Auswahl wurde nach rein objektiven Kriterien getroffen, und die Abgrenzung war derart, dass nicht nur die leichten, sondern auch die objektiv mittelschweren Fälle der Strafverfolgung entgingen, selbst dann, wenn ein schweres Verschulden vorlag. Damit erzielte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Wirkungen einer Art Teilamnestie, wobei das für die Bestimmung der davon Begünstigten gewählte Kriterium etwas Willkürliches an sich hatte.

Nach richtiger Auslegung des Artikels 84, Ziffer 4,desBundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 hätte das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nur in leichten Fällen auf die Strafverfolgung verzichten dürfen. Trotz des Wortlauts dieser Bestimmung, die von den «besonderen Umständen» spricht und lediglich als Beispiel das «leichte Verschulden» erwähnt, ist anzunehmen, dass die kriegswirtschaftliche Strafverfolgung auf dem Legalitäts- und nicht auf dem Opportunitätsprinzip beruhte. Mit den besonderen Umständen konnten richdgerweise nur solche gemeint sein, die in strafrechtlicher Hinsicht von Bedeuiung waren, d. h. den Fall als strafrechtlich leicht erscheinen liessen. Dabei dachte man, wie aus dem Wortlaut hervorgeht, besonders an die subjektiv [eichten Fälle.

996

Indem das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Grenze auf 2000 Franken ansetzte, verzichtete es aber nicht nur in leichten, sondern auch in mittelschweren Fällen auf die Durchführung eines Strafverfahrens. Dies hatte auch innerhalb des Kreises der Verzeigten eine rechtsungleiche Behandlung zur Folge. Sie wurde dann allerdings durch die dargelegte Praxis der Gerichte gemildert.

Zur Beanstandung der unterschiedlichen Beurteilung der Beschuldigten durch die Gerichte des deutschen und des italienischen Sprachgebiets ist zu bemerken, dass Ungleichheiten unvermeidlicherweise vorkommen, wenn mehrere Gerichte zur Beurteilung gleichartiger Widerhandlungen eingesetzt werden.

Der Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 räumte allerdings dem Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements die Möglichkeit ein, durch das Eechtsmittel der Appellation die Korrektur unrichtiger Urteile zu veranlassen. Es war aber nicht Aufgabe des Generalsekretariates, jedesmal die Appellation zu erklären, wenn Unterschiede in der Praxis der erstinstanzlichen Gerichte zutage traten; es musste sich um Unterschiede von etwelcher Bedeutung handeln, besonders dann, wenn sie lediglich Ermessensfragen und nicht grundsätzliche Fragen der Auslegung betrafen. Die Behauptung, das Tessiner Gericht habe nur symbolische Strafen ausgesprochen, ist unrichtig.

Dieses Gericht beurteilte acht Beschuldigte, die ihm wegen Überschreitung der Schweinehöchstpreise in der fraglichen Zeitspanne überwiesen wurden. Die verhängten Bussen betrugen 1500, 1000, 200,100 (in 4 Fällen) und 50 Franken. Es gibt auch andere Gerichte, die in einzelnen Fällen sich mit der Verhängung von Bussen von 100 Franken begnügten.

ee. Zum Vorwurf der Überweisung Beschuldigter des französischen Sprachgebietes an deutschsprechende G er ich t e haben wir uns bereits unter Ziffer ] kurz geäussert. Für die erstinstanzliche Beurteilung der kriegswirtschaftlichen Straffälle war nach Artikel 92 des Bundesratsbeschlusses vom 17.Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege der Richter desjenigen Gebiets zuständig, in dem die strafbare Handlung verübt wurde. Entsprechend der Eegelung des gemeinen Strafrechts galt auch im kriegswirtschaftlichen Strafrecht die Widerhandlung als dort verübt, wo der
Täter durch sein rechtswidriges Verhalten die Ursache des deliktischer Erfolges setzte, und auch dort, wo der Erfolg eintrat. Nach Artikel 92, Absatz 2 bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Begehungsort der schwerster Tat, wenn in einem Straff all mehrere Personen beschuldigt wurden. Dem Bundes rat sind keine Fälle bekannt, in denen das Generalsekretariat des Eidgenös sischen Volkswirtschaftsdepartements die Bestimmungen über die örtliche Zu ständigkeit der Gerichte durch Überweisung von Beschuldigten an ein unzu ständiges Gericht verletzt hätte. Die erhobene Eüge beruht offenbar auf de irrtümlichen Meinung, die örtliche Zuständigkeit der Gerichte hänge vom Wohn ort des Beschuldigten oder von dem Ort ab, an dem dieser die Ursache für der deliktischen Erfolg setzte und nicht auch vom Ort, wo der Erfolg eintrat.

997 ff. Sodann fragt es sich, ob die Strafverfolgung nicht aus prozessualen Gründen hätte unterbleiben sollen.

Gleich wie bei der"V erfolgung der Preisüberschreitungen auf Heu nahmen die Behörden auch hier während längerer Zeit eine unschlüssige Haltung ein. Nachdem das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement am 18. Juli 1949 verfügt hatte, die Widerhandlungen seien einstweilen nicht weiter zu verfolgen, ordnete es am 17. August 1950 im Einverständnis mit dem Bundesrat den als endgültig gedachten Verzicht auf die Ahndung an. Trotzdem verfügte dann aber das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement später die Wiederaufnahme der Verfahren in bestimmten Fällen, nachdem es vom Bundesrat ermächtigt worden war, auf seine Verfügung vom 17. August 1950 zurückzukommen.

Bei der Verfügung vom 17. August 1950 handelt es sich um eine «interne Einstellung», die den Beteiligten nicht offiziell eröffnet wurde, von der aber viele doch Kenntnis erlangten. Eine solche Einstellungsverfügung hätte, auch wenn sie materiell ungerechtfertigt war, ohne das Vorliegen von Eevisionsgründen nicht abgeändert werden dürfen. Erwägungen der Bechtssicherheit verlangen, dass ein Beschuldigter nicht ständig ändernden Auffassungen einer Strafverfolgungsbehörde ausgesetzt wird, dass er sich auf die Endgültigkeit einer zu seinen Gunsten getroffenen Einstellungsverfügung grundsätzlich soll verlassen können. Einer solchen Verfügung kommt gewissem)assen der Charakter eines Versprechens an den Beschuldigten zu, wegen der verzeigten Widerhandlung nicht mehr verfolgt zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, war es offenkundig unrichtig, dass das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, nachdem seine Verfügung vom 17. August 1950 zur Kenntnis mindestens eines Teils der Beschuldigten gelangte, die Wiederaufnahme der Verfahren zuliess.

Der Bundesrat hätte seinerseits davon absehen sollen, das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hierzu zu ermächtigen.

Diese Auffassung wird im Bericht über die Heufälle einlässlich begründet.

Für die hier zur Diskussion stehenden Widerhandlungen gelten die gleichenÜberlegungen. Wir gestatten uns, der Einfachheit halber auf die Ausführungen unter III., Ziffer 2, lit. a, ce, jenes Berichtes zu verweisen; obschon diesen Ausführungen für die Behandlung der vorliegenden Amnestiegesuche unseres
Erachtens entscheidende Bedeutung zukommt, glauben wir auf eine Wiederholung verzichten zu dürfen.

gg. Die Gesuchsteller machen endlich geltend, die Durchführung dos Strafverfahrens stehe auch im Widerspruch zu einem ausdrücklichen Vorsprechen, das ihnen im April 1949 vom Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements gegeben worden sei und das dann die Grundlage für das Verständigungswerk der damaligen Neuordnung des Vieh- und Fleischmarktes dargestellt habe.

Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor. Der Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements wollte mit seiner Erklärung lediglich zum Ausdruck bringen, die infolge der Widerhandlungen gegen die Höchstpreise

998 von den Beschuldigten erzielten Gewinne wurden durch den Preiszerfall des Jahres 1949 und durch die zurückhaltende Anwendung von Stützungsmassnahmen kompensiert. Aus dieser Äusserung wurde unrichtigerweise geschlossen, das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement betrachte die Widerhandlungen als gesühnt. Der Irrtum wurde dann anfangs Mai 1949 von behördlicher Seite aus richtiggestellt.

b. Ist es tatsächlich möglich, die Fehler, soweit solche u n t e r l a u f e n sind, durch Gewährung einer A m n e s t i e wieder g u t z u machen ?

Nach den vorstehenden Ausführungen ist das Vorgehen der Behörden in doppelter Hinsicht zu beanstanden. Einmal widersprach 'es dem Grundsatz der Eechtsgleichheit, die Strafverfolgung von der Erreichung eines Deliktsbetrages von 2000 Franken abhängig zu machen. Ganz allgemein kann man sagen, dass eine rechtsungleiche Strafverfolgungspraxis sich dann nicht auf dem Wege der Amnestie korrigieren lässt, wenn die strengere Behandlung als die richtige und die mildere als die unrichtige erscheint; würden die richtigerweise strenger behandelten Fälle den unrichtigerweise milder behandelten angeglichen, dann käme infolge der Amnestie zum bereits begangenen Fehler ein zweiter hinzu.

In den vorliegenden Fällen haben nun aber gerade die Beschuldigten, die wegen Erreichung oder Überschreitung der Grenze von 2000 Franken eine Strafe erlitten, die materiell richtige Behandlung erfahren, während es materiell unrichtig war, alle anderen Beschuldigten, ohne Eücksicht auf die Schwere ihres Verschuldens von der Verfolgung auszunehmen. Die Amnestie ist daher im vorliegenden Fall kein geeignetes Mittel zur Behebung der entstandenen Bechtsungleichheit.

Den Behörden ist aber auch der Fehler unterlaufen, intern eingestellte Strafverfahren trotz des Fehlens von Eevisionsgründen wieder aufzunehmen.

Es liegt auf der Hand, dass die Auswirkungen dieses Vorgehens, die prozessual ungerechtfertigten Verurteilungen und der Vollzug der verhängten Sanktionen, sich durch Gewährung einer Amnestie berichtigen lassen.

c. Ist es sachlich g e r e c h t f e r t i g t , die den Behörden u n t e r l a u f e n e n Fehler durch eine Amnestie zu k o r r i g i e r e n ?

Die Frage stellt sich nur für die Wiederaufnahme bereits eingestellter Strafverfahren. Hinsichtlich der rechtsungleichen Behandlung der
verschiedenen Beschuldigten fällt eine Korrektur von vorneherein ausser Betracht, weil die Amnestie - wie wir soeben dargelegt haben - hiefür kein taugliches Mittel darstellt.

Es ist selbstverständlich nicht Sache der Amnestiebehörde, im Eahmen der tatsächlichen Möglichkeiten j e d e n in einein Strafverfahren begangenen prozessualen Fehler zu berichtigen. Hierzu - wie auch zur Behebung materieller Fehler -sind grundsätzlich die mit der Strafjustiz betrauten Behörden zuständig.

Es liegt im Interesse ihrer Autorität und der Autorität des Eechtes überhaupt, dass der normale Gang der Justiz möglichst wenig gestört werde. Die Bundes-

999 Versammlung darf nicht die Funktionen eines obersten Strafgerichts ausüben.

Sie würde sonst den Grundsatz der Gewaltentrennung verletzen. Die Berichtigung eines im Strafverfahren begangenen materiellen oder prozessualen Fehlers auf dem Wege der Amnestie rechtfertigt sich nur dann, wenn ganz besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine solche Korrektur notwendig machen.

Auf den ersten Blick scheint es, diese Voraussetzung fehle im vorliegenden Fall. Allein es darf nicht übersehen werden, dass eine bekanntgewordene interne Einstellungs- oder Nichteröffnungsverfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements gleich wie eine in den vorgeschriebenen Formen eröffnete von den Betroffenen dahin aufgefasst werden durfte, dass sie wegen des verzeigten Verhaltens nicht mehr strafrechtlich verfolgt würden. Es gibt wahrscheinlich auch Beschuldigte, die in den Erklärungen des Chefs des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom April 1949 irrtümlich ein dahingehendes Versprechen erblickten.

Die spätere Abänderung der Verfügung vom 17. August 1950 und die Durchführung und Weiterführung der Strafverfahren liessen eine Unsicherheit und eine schwankende Haltung der Behörden erkennen. Darüber hinaus wurde dieses Vorgehen von den Betroffenen begreiflicherweise als illoyal, ja fast als Bruch eines Versprechens empfunden, wenn auch beizufügen ist, dass ein förmliches Versprechen, die Strafverfahren nicht weiterzuführen, seitens der zuständigen Behörden nie ergangen ist.

Erleidet aber das Vertrauen in den Willen der Behörden, ein Versprechen unter allen Umständen zu halten, eine wenn auch unbegründete Beeinträchtigung, dann stehen öffentliche Interessen in Gefahr, die zu den wichtigsten zählen.

Die Schaffung und Erhaltung eines möglichst ungetrübten Vertrauensverhältnisses ist im allgemeinen und ganz besonders in einer Referendumsdemokratie staatspolitisch von grösster Bedeutung. Ein Volk, das den Behörden misstraut, kann in Versuchung kommen, die Grenzen einer noch gesunden Kritik und sinnvollen Opposition zu überschreiten und die Erfüllung wichtiger staatlicher Aufgaben zu behindern oder geradezu zu lahmen. Der Bundesrat betrachtet es als ein dringendes staatspolitisches Gebot, im Rahmen des Möglichen alles zu unternehmen, was zur Erhaltung und Stärkung des Vertrauens beiträgt. Das wichtige
öffentliche Interesse an der Erreichung dieses Ziels erfordert auch die Aufhebung strafrechtlicher Sanktionen, die von den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten gegen die Personen verhängt wurden, deren Strafverfahren nach Erlass interner Nichteröffnungs- und Einstellungsverfügungen trotz des Fehlens von Revisionsgründen unrichtigerweise und unter Beeinträchtigung des bestehenden Vertrauensverhältnisses durchgeführt wurden.

Der Bundesrat gelangt daher zur Auffassung, dass ein ausreichender Grund für die Gewährung einer Amnestie vorliegt. Im vorliegenden Fall ist eine solche um so eher zu verantworten, weil sie nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der grossen Zahl aller kriegswirtschaftlichen Widerhandlungen erfasst, und weil die Behandlung der vorliegenden Fälle, welche die Besonderheit aufweisen, dass

1000 die Behörden eine bereits verfügte Sistierung des Verfahrens nachträglich rückgängig machten, lediglich die ähnlich gelagerten Fälle der Widerhandlungen gegen die Heuhöchstpreise zu präjudizieren vermag, im übrigen aber kein Präjudiz für die Gewährung der Amnestie auch in anderen Fällen begründet.

8. Es erhebt sich die Frage, in welchem U m f a n g eine als notwendig erachtete Amnestie zu gewähren ist. Eechtfertigt es sich, alle Strafen und Massnahmen aufzuheben und die Verurteilten eventuell sogar von der Pflicht zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu entbinden?

Es erscheint als angezeigt, die verhängten Geldbussen vollständig rückgängig zu machen; der Zweck der Amnestie, die Wiederherstellung des gestörten Vertrauensverhältnisses, würde nicht erreicht, wenn die Bundesversammlung sich darauf beschränkte, die Bussen lediglich auf ein niedrigeres Mass, beispielsweise auf die Hälfte, herabzusetzen. Die Beschuldigten, die zu einer Busse verurteilt wurden, dürfen aber nicht besser gestellt werden als die Beschuldigten, die einen Verweis erhielten. Die Bussen sind daher nicht schlechthin aufzuheben, sondern durch Verweise zu ersetzen. Es besteht kein Grund und wäre nicht gerechtfertigt, die Amnestie auf noch nicht vollstreckte Urteile zu beschränken. Bereits bezahlte Bussen können und sollen zurückerstattet werden.

Soweit die Verurteilten noch keine Zahlung geleistet haben, sind sie von der Zahlungspflicht zu befreien. Zugleich muss auch die Solidarhaft dahinfallen, soweit sie sich auf die Bussen bezieht.

Die Verurteilten, die durch Begehung kriegswirtschaftlicher Widerhandlungen widerrechtliche Vermögensvorteile erzielten, besitzen hingegen kein schutzwürdiges Interesse, diese behalten zu dürfen. Mit der. Abschöpfung der Vorteile verfolgten die Gerichte den Zweck, rechtlich unerwünschte Auswirkungen von Widerhandlungen zu korrigieren. Es ist nicht angezeigt, auf dem Wege der Amnestie die erfolgte Korrektur wieder rückgängig zu machen. Es war Sache der Gerichte, zu entscheiden, ob und wie weit eine solche Korrektur nötig war. Auch wenn die Richtigkeit ihrer Entscheide nicht ohne weiteres und durchwegs einleuchten würde, sollte unseres Erachtens die Bundesversammlung aus den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen der Gewaltentrennung hier doch vor einem Eingriff in die Belange der Justiz
absehen. Abgesehen davon würde es wohl den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen, wenn die Verurteilten aus der internen Sistierungsverfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements nicht nur einen Anspruch auf Strafbefreiung, sondern auch ein Versprechen ableiten wollten, im Besitze widerrechtlicher Vorteile bleiben zu dürfen.

Es ginge endlich zu weit, die Verfahrenskosten in die Amnestie einzubeziehen. Auch die im Sinne des Artikels 7, Absatz 2, des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 erteilten Verweise sollten der Amnestie nicht teilhaftig werden. Hätten sich die Behörden lediglich mit der Verhängung dieser Sanktion unter Auferlegung der Verfahrenskosten an die Beschuldigten begnügt, so würde das öffentliche Interesse die Gewährung einer Amnestie nicht notwendig

1001 machen. Auch wenn es bei einer Einstellung des Verfahrens geblieben wäre, so hätte diese mit einer Verwarnung und Kostenauflage verbunden werden können (Art. 71, 72 und 84, Abs. l, Ziff. 4, des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944).

Das Begehren um Löschung der Strafregistereinträge ist gegenstandslos, da solche nicht verfügt wurden.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses, der die Gewährung einer Teilamnestie vorsieht, zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 17. Mai 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1002 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Gewährung einer Teilamnestie für Höchstpreisüberschreitungen auf Schlachtschweinen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 7, der Bundesverfassung, nach Einsicht in einen Bericht des Bundesrates vom 17. Mai 1955, beschliesst :

Art. l Für die in der Zeit vom I.April bis 2.November 1948 begangenen Überschreitungen der Höchstpreise auf Schlachtschweinen wird eine Teilamnestie nach Massgabe der folgenden Bestimmungen gewährt: a. Gegen Personen, die noch nicht verurteilt sind, werden keine Strafverfolgungshandlungen mehr durchgeführt; b. Die verhängten Bussen werden aufgehoben und durch Verweise ersetzt.

c. Die Solidarhaftung fällt dahin, soweit sie für die Bezahlung von Bussen angeordnet wurde.

d. Schon bezahlte Bussen werden zurückerstattet.

Art. 2 Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort in Kraft.

Er wird in die Sammlung der eidgenössischen Gesetze aufgenommen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer Teilamnestie für Höchstpreisüberschreitungen auf Schlachtschweinen (Vom 17. Mai 1955)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1955

Année Anno Band

1

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21

Cahier Numero Geschäftsnummer

6662

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.05.1955

Date Data Seite

973-1002

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10 039 033

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