17.035 Botschaft zur Genehmigung des Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und des entsprechenden Durchführungsprotokolls vom 17. Mai 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und des entsprechenden Durchführungsprotokolls.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Mai 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-0680

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Übersicht Das Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen der Schweiz und Frankreich (Rahmenabkommen) und das entsprechende Durchführungsprotokoll sollen die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich erleichtern und fördern. Diese Verträge ermöglichen den zuständigen Behörden, das heisst den an Frankreich grenzenden Schweizer Kantonen und den regionalen Gesundheitsagenturen (Agences Régionales de Santé, ARS) der an die Schweiz grenzenden französischen Regionen, Kooperationsvereinbarungen gemäss ihren Interessen und Bedürfnissen abzuschliessen. Das Rahmenabkommen definiert den rechtlichen und technischen Rahmen für grenzüberschreitende Kooperationsprojekte im Gesundheitsbereich unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechts und der internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien. Das Rahmenabkommen lässt das innerstaatliche Recht unberührt und bringt keine Änderung der Schweizer Gesetzgebung mit sich.

Ausgangslage Angesichts der zunehmenden Mobilität der Menschen und der von grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen ausgehenden Risiken ist das Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Nachbarländern in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die wenigen französisch-schweizerischen Vereinbarungen, die im Gesundheitsbereich bestehen, bilden keinen ausreichenden Rechtsrahmen für den aktuellen Kooperationsbedarf in den an Frankreich grenzenden Regionen. Zwischen 2005 und 2008 hat Frankreich mit Deutschland, Belgien und Spanien Rahmenabkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, auch mit der Schweiz ein solches Abkommen zu schliessen. Am 16. April 2013 hat der Bundesrat nach Konsultation der betroffenen Grenzkantone und der Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte das Verhandlungsmandat für den Abschluss eines Rahmenabkommens mit Frankreich zur Erleichterung und Förderung der grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich verabschiedet. Das Abkommen und das entsprechende Durchführungsprotokoll wurden am 27. September 2016 in Paris unterzeichnet.

Inhalt der Vorlage Das Rahmenabkommen besteht aus einer Präambel und zwölf Artikeln. Der räumliche Geltungsbereich wurde auf die französisch-schweizerischen Grenzgebiete
beschränkt. Das Abkommen soll Projekte fördern, deren Zweck namentlich darin besteht, einen besseren Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität für die Bevölkerung des betroffenen Grenzgebiets sicherzustellen, die Kontinuität der Gesundheitsversorgung für diese Bevölkerung zu gewährleisten, die schnellstmögliche notfallmedizinische Versorgung zu garantieren oder den Informationsaustausch bezüglich Beurteilung und Handhabung von Gesundheitsrisiken zu erleichtern. Das Abkommen allein genügt jedoch nicht, um diese Ziele zu erreichen.

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Konkrete Projekte in Form von Kooperationsvereinbarungen müssen auf regionaler Ebene ausgearbeitet werden. Die Grenzkantone können aufgrund ihrer Bedürfnisse frei entscheiden, ob sie solche Vereinbarungen abschliessen möchten.

Das Rahmenabkommen enthält eine nicht abschliessende Auflistung der Bereiche, welche die Kooperationsvereinbarungen betreffen können, beispielsweise den Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung, die Kontinuität der Versorgung, den Informationsaustausch, die Organisation der notfallmedizinischen Versorgung oder die Bildung und Forschung im Gesundheitsbereich. Es verdeutlicht die geltenden Regeln für die Kostenübernahme von Versorgungsleistungen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Projekts durch ein Sozialversicherungssystem. Es sieht auch die Einsetzung einer gemischten Kommission vor, die den Auftrag hat, die Anwendung des Abkommens zu verfolgen.

Das Durchführungsprotokoll umfasst fünf Artikel. Es legt die Modalitäten zur Durchführung des Rahmenabkommens fest und präzisiert insbesondere die wesentlichen Elemente, welche die regionalen Vereinbarungen je nach betroffenen Kooperationsbereichen vorsehen sollten.

Da das Rahmenabkommen in materiellen Aspekten strikt im bestehenden rechtlichen Rahmen bleibt und den kantonalen Behörden insbesondere nicht ermöglicht, über den Rechtsrahmen auf Bundesebene hinausgehende Vereinbarungen abzuschliessen oder Zusatzbestimmungen zu erlassen, bewirkt das Rahmenabkommen keine Erleichterung der Zuwanderung von Leistungserbringern über die bereits vom Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union (FZA) gebotenen Möglichkeiten hinaus. Insbesondere enthält das Rahmenabkommen kein neues Freizügigkeitsrecht und gewährt ausserhalb der nach geltendem Recht bereits bestehenden Möglichkeiten kein Einreise-, Aufenthalts- oder Berufsausübungsrecht für in den Vertragsstaaten wohnhafte Personen.

Kooperationsprojekte, die Fragen der finanziellen Leistungsübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung einschliessen, müssen sich an das Bundesgesetz über die Krankenversicherung halten. Dieses Gesetz bildet einen spezifischen Rechtsrahmen für die Kooperationsprojekte.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

4010 4010

2

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Aktueller Stand der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich mit Frankreich 1.1.2 Ein Rahmenabkommen zur Erleichterung der Zusammenarbeit 1.2 Verhandlungsverlauf 1.2.1 Auftrag 1.2.2 Verhandlungen 1.3 Verhandlungsergebnis 1.3.1 Geltungsbereich des Rahmenabkommens 1.3.2 Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten 1.3.3 Potenzielle Kooperationsbereiche 1.4 Überblick über den Inhalt des Abkommens 1.4.1 Inhalt des Rahmenabkommens 1.4.2 Inhalt des Durchführungsprotokolls 1.5 Verhältnis zum innerstaatlichen Recht 1.5.1 Krankenversicherung 1.5.2 Mobilität des Gesundheitspersonals 1.6 Vernehmlassung 1.7 Würdigung Kommentar zu den Bestimmungen des Abkommens und des entsprechenden Durchführungsprotokolls 2.1 Rahmenabkommen Art. 1 Zweck Art. 2 Geltungsbereich Art. 3 Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich Art. 4 Grenzübertritt Art. 5 Kostenübernahme durch ein Sozialversicherungssystem Art. 6 Haftung Art. 7 Gemischte Kommission Art. 8 Umsetzung Art. 9 Durchführungsprotokoll Art. 10 Übergangsbestimmungen Art. 11 Inkrafttreten Art. 12 Geltungsdauer und Kündigung 2.2 Durchführungsprotokoll Art. 1 Zuständige Stellen Art. 2 Voraussetzungen und Modalitäten für den Einsatz von Gesundheitsfachpersonen und Versorgungseinrichtungen

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4010 4011 4012 4012 4012 4013 4013 4013 4014 4015 4016 4016 4017 4017 4018 4019 4020 4021 4021 4021 4022 4023 4026 4026 4027 4028 4028 4029 4029 4029 4030 4030 4030 4030

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Art. 3 Modalitäten der Kostenübernahme durch ein Sozialversicherungssystem Art. 4 Rechnungsstellungs- und Zahlungsmodalitäten Art. 5 Inkrafttreten des Durchführungsprotokolls 3

4

5

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf städtische Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3 Wirtschaftliche Auswirkungen 3.4 Gesundheitliche und soziale Auswirkungen

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Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

4036 4036 4037

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Erlassform 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

4037 4037 4037 4038

Bundesbeschlusses zur Genehmigung des Rahmenabkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und dessen Durchführungsprotokoll (Entwurf)

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Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik

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Durchführungsprotokoll zwischen dem Eidgenössischen Departement des Innern der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Ministerium für Soziales und Gesundheit der Französischen Republik betreffend die Umsetzungsmodalitäten des Rahmenabkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich abgeschlossen am 27. September 2016 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat einerseits und der Regierung der Französischen Republik andererseits

4049

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Aktueller Stand der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich mit Frankreich

Angesichts der zunehmenden Mobilität der Menschen und der von grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen ausgehenden Risiken ist das Interesse der Schweiz, im Gesundheitsbereich mit den Nachbarstaaten zusammenzuarbeiten, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Zurzeit basiert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen der Schweiz und Frankreich hauptsächlich auf zwei Abkommen in bestimmten Fachgebieten: (i)

Abkommen vom 14. Januar 19871 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen,

(ii) Abkommen vom 28. Juni 20102 zwischen der Schweiz und Frankreich zum Informationsaustausch zur Grippepandemie und anderen Gesundheitsrisiken («Pandemieabkommen», nicht veröffentlicht).

Zudem besteht die Übereinkunft vom 29. Mai 18893 zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung («Übereinkunft von 1889»). Diese Übereinkunft ermächtigt Medizinalpersonen sowie Tierärztinnen und Tierärzte, ihren Beruf punktuell in den im französisch-schweizerischen Grenzgebiet gelegenen Gemeinden auszuüben und dort Arzneimittel zu verschreiben. Sie hält ausdrücklich fest, dass Personen, die ihren Beruf nach dieser Übereinkunft in den Grenzgemeinden des Nachbarlandes ausüben, nicht befugt sind, sich dort dauernd niederzulassen oder dort Wohnsitz zu nehmen. Ferner sind diese Personen verpflichtet, sich an die im jeweiligen Land vorgesehenen gesetzlichen und administrativen Vorschriften zu halten. Die Schweiz hat im 19. Jahrhundert mit allen Nachbarstaaten solche Übereinkünfte abgeschlossen. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 19994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) wurde dessen Tragweite jedoch eingeschränkt. In Anhang III des FZA sind die Regelwerke aufgeführt, welche die Modalitäten für die Anerkennung von Berufsqualifikationen zur Ausübung eines reglementierten Berufs in einem anderen Ver1 2 3 4

SR 0.131.334.9 Vgl. jedoch BBl 2011 4983, hier 5290. Das Abkommen ist am 3. Aug. 2011 in Kraft getreten.

SR 0.811.119.349 SR 0.142.112.681

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tragsstaat sowohl in Bezug auf das Niederlassungsrecht als auch hinsichtlich des freien Dienstleistungsverkehrs regeln. Zudem existieren mehrere Kooperationsvereinbarungen, die auf regionaler Ebene im Bereich der Notfallmedizin abgeschlossen wurden.

Diese Abkommen bilden jedoch keinen ausreichenden Rechtsrahmen, um dem aktuellen Kooperationsbedarf in den französisch-schweizerischen Grenzregionen im Gesundheitsbereich gerecht zu werden. Die Entwicklung von konkreten Kooperationsprojekten mit den französischen Regionen stiess bisher auf gewisse Hindernisse, die insbesondere auf Kompetenzfragen in den französischen Regionen zurückzuführen waren.

Das Rahmenabkommen stellt für beide Länder ein wichtiges Instrument für die erleichterte Durchführung von grenzüberschreitenden Kooperationsmassnahmen im Gesundheitsbereich dar, da es die Kontaktaufnahme und die Kommunikation zwischen den regionalen Stellen erleichtert und die Modalitäten für die Zusammenarbeit festlegt.

1.1.2

Ein Rahmenabkommen zur Erleichterung der Zusammenarbeit

Zwischen 2005 und 2008 hat Frankreich mit Deutschland, Belgien und Spanien Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich abgeschlossen. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls erwogen, mit der Schweiz ein solches Abkommen abzuschliessen. Seit 2006 fanden diesbezüglich anlässlich von verschiedenen bilateralen Treffen zwischen den beiden Ländern zahlreiche Sondierungsgespräche statt, einige davon auf Ministerebene.

Aufgrund dieser Gespräche, wie auch der Intervention der betroffenen Kantone beim Bund haben die beiden Parteien ihre Absicht bekräftigt, den Zugang zur Gesundheitsversorgung und deren Kontinuität zu verbessern sowie die Organisation des Gesundheitsversorgungangebots für die Bewohnerinnen und Bewohner im betroffenen Grenzgebiet zu optimieren.

Daraus ist der Entwurf des Rahmenabkommens zur Erleichterung und Förderung der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hervorgegangen. Ziel eines solchen Abkommens ist einerseits, die für den Abschluss von regionalen Kooperationsvereinbarungen zuständigen Behörden zu bestimmen. Andererseits ermöglicht ein solches Rahmenabkommen, die Modalitäten und den rechtlichen Rahmen für diese Kooperationsvereinbarungen festzulegen. Diese Kooperationsvereinbarungen werden in der Schweiz von den Grenzkantonen und in Frankreich von den auf regionaler Ebene für den Gesundheitsschutz, die Prävention und die Organisation des Versorgungsangebots zuständigen regionalen Gesundheitsagenturen (Agences Régionales de Santé, ARS) gemäss den Interessen und Bedürfnissen der beiden Parteien abgeschlossen. Ein solcher harmonisierter Rahmen liegt im Interesse beider Parteien. Die Kooperationsprojekte sollen verschiedene Gesundheitsbereiche, wie den Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität, die Kontinuität der Gesundheitsversorgung, den Informationsaustausch, die Organisation der Notfallmedizin oder die Bildung und Forschung im Gesundheitsbereich, betreffen können.

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1.2

Verhandlungsverlauf

1.2.1

Auftrag

Am 24. Oktober 2012 verabschiedete der Bundesrat den Entwurf des Verhandlungsmandats und beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern, die Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und die vom Verhandlungsmandat betroffenen Grenzkantone (Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Genf, Jura, Neuenburg, Solothurn, Waadt und Wallis) zu konsultieren und die übrigen Kantone zu informieren. Am 16. April 2013 verabschiedete der Bundesrat das Verhandlungsmandat definitiv, da die Ergebnisse der Konsultation eine hohe Akzeptanz für das Vorhaben erkennen liessen.

Die beiden Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments sprachen sich für das Verhandlungsmandat aus: Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) nahm das Mandat an ihrer Sitzung vom 14. Januar 2013 mit 18 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats (APK-S) ihrerseits hiess das Mandat am 28. Januar 2013 einstimmig gut.

Alle neun konsultierten Grenzkantone nahmen zum Verhandlungsmandat Stellung.

Von den übrigen Kantonen, denen das Geschäft zur Information zugestellt worden war, gingen keine Stellungnahmen ein.

Alle begrüssten Kantone stuften ein Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich als nützlich ein. Mehrere von ihnen, so Basel-Stadt und Genf, die Teil von grossen Ballungsräumen im Grenzgebiet sind, erachteten eine Verbesserung des rechtlichen Rahmens zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gar als unerlässlich und begrüssten die Absicht des Bundesrates, ein solches Abkommen abzuschliessen.

1.2.2

Verhandlungen

Am 16. April 2013 verabschiedete der Bundesrat das Verhandlungsmandat.

Die Verhandlungen fanden zwischen April 2013 und Juli 2016 hauptsächlich auf schriftlichem Weg statt. Die ursprüngliche Fassung des Rahmenabkommens, die als Grundlage für die technischen Diskussionen diente, wurde von Frankreich nach dem Vorbild der mit den anderen Nachbarstaaten abgeschlossenen Rahmenabkommen erarbeitet. Den von der Schweiz gewünschten Anpassungen konnte jedoch Rechnung getragen werden, und mehrere Bestimmungen wurden so angepasst, dass sie den schweizerischen Vorstellungen und Besonderheiten besser entsprachen.

Wie im Verhandlungsmandat vorgesehen, wurden die betroffenen Kantone direkt in die technischen Gespräche einbezogen. Die Texte wurden ihnen regelmässig zur Stellungnahme zugestellt, und sie hatten die Möglichkeit, an den Delegationstreffen teilzunehmen. Bei Bedarf haben die Kantone die Rettungsdienste oder andere Dienstleistungserbringer in ihre Überlegungen einbezogen.

In materieller Hinsicht verliefen die Verhandlungen ohne Schwierigkeiten. Die Schweizer Delegation setzte sich für Formulierungen ein, die den kantonalen Behör4012

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den den grösstmöglichen Handlungsspielraum beim Abschluss von Vereinbarungen gewähren, ohne dass dabei die bestehenden Zuständigkeiten missachtet werden und gegen die in beiden Ländern geltende Rechtlage verstossen wird.

Der Bundesrat hat das Rahmenabkommen und das entsprechende Durchführungsprotokoll am 16. September 2016 genehmigt. Die beiden Dokumente wurden am 27. September 2016 von Bundesrat Alain Berset und der französischen Sozial- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine in Paris unterzeichnet.

1.3

Verhandlungsergebnis

Mit dem erzielten Verhandlungsergebnis ist der Auftrag erfüllt, den der Bundesrat der Schweizer Delegation übertragen hat. Die Schweiz sorgte insbesondere dafür, dass folgende Elemente in der endgültigen Fassung berücksichtigt wurden.

1.3.1

Geltungsbereich des Rahmenabkommens

Das Abkommen definiert den technischen und rechtlichen Rahmen für die französisch-schweizerische grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechts und der internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Es lässt das innerstaatliche Recht unberührt und bedingt keine Anpassung der Schweizer Gesetzgebung. Die Parteien haben diesbezüglich besonders darauf geachtet, Vorbehalte zugunsten der innerstaatlichen Gesetzgebung und Verweise darauf anzubringen (vgl. Ziff. 2).

Gemäss der Absicht der beiden Parteien wurde der räumliche Geltungsbereich des Rahmenabkommens auf die Grenzregionen beschränkt. Die in Artikel 2 des Rahmenabkommens und in Artikel 1 des Durchführungsprotokolls verwendeten Bezeichnungen tragen der territorialen Neuordnung der Regionen in Frankreich Rechnung.

1.3.2

Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten

Das Rahmenabkommen respektiert die internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

Es handelt sich dabei um ein gutes Beispiel für die Umsetzung der von der Schweiz im Rahmen des Europäischen Rahmenübereinkommens vom 21. Mai 19805 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (das sogenannte Madrid-Übereinkommen) eingegangenen Verpflichtungen. Artikel 1 dieses Übereinkommens sieht Folgendes vor: «Jede Vertragspartei verpflichtet sich, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich und den Gebietskörperschaften im Zuständigkeitsbereich anderer Vertragsparteien zu erleichtern und zu fördern. Sie bemüht 5

SR 0.131.1

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sich, den Abschluss der dazu erforderlich werdenden Vereinbarungen unter Beachtung der jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen der einzelnen Vertragsparteien zu fördern».

Der Schweiz war es auch wichtig, die im Rahmenabkommen festgelegten Regeln über den Zugang zur Gesundheitsversorgung und die Kostenübernahme mit denjenigen von Anhang II FZA über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Einklang zu bringen. Diese Übereinstimmung ist dank Formulierungen sichergestellt, die auf die «Bestimmungen der für die Vertragsparteien gültigen Verordnungen der Europäischen Union zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit» verweisen (siehe Art. 2 Abs. 3 und 5 Abs. 1). Der Vorteil dieser Formulierung ist, dass nicht direkt auf Verordnungen der Europäischen Union verwiesen wird, an denen Änderungen vorgenommen werden könnten, die in der Schweiz nicht automatisch und direkt anwendbar wären.

Die Koordinierung und die Vereinbarkeit mit Anhang III FZA über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (von Gesundheitsfachpersonen) sind ebenfalls von Bedeutung und werden später in dieser Botschaft erläutert (vgl. Ziff. 1.5.2).

Schliesslich wäre es gemäss Verhandlungsmandat angebracht gewesen, die Verhandlungen auch zur Klärung der Zukunft der Übereinkunft von 1889 zu nutzen, die seit dem Inkrafttreten des FZA in einigen Punkten überholt ist. Es war jedoch nicht möglich, die Änderung dieser alten Übereinkunft im Rahmen der Verhandlungen dieses Rahmenabkommens vorzunehmen. Dies vor allem, weil sich der persönliche und der sachliche Geltungsbereich der Übereinkunft von demjenigen des Rahmenabkommens unterscheiden: Die Übereinkunft von 1889 beinhaltet Bereiche, welche die Parteien nicht in das Rahmenabkommen aufnehmen wollten, namentlich den Veterinärbereich sowie die Anerkennung bestimmter ärztlicher Verschreibungen durch die Apotheken. Dieses Rahmenabkommen hat somit keine Auswirkungen auf diese alte Übereinkunft, die gleich wie andere Übereinkünfte, welche die Schweiz im 19. Jahrhundert mit den übrigen Nachbarstaaten abgeschlossen hat, weiterhin in Kraft bleibt.

1.3.3

Potenzielle Kooperationsbereiche

Die möglichen Kooperationsbereiche sind in Artikel 3 Absatz 3 des Rahmenabkommens nicht abschliessend aufgeführt, um die Zusammenarbeitsmöglichkeiten nicht einzuschränken.

Grenzüberschreitende Spitalleistungen Im Unterschied zur ursprünglichen Fassung und zu den bestehenden Rahmenabkommen ist im französisch-schweizerischen Rahmenabkommen die Zusammenarbeit im Spitalbereich ausdrücklich erwähnt. Dieser Bereich ist für die Kantone von grossem Interesse. Zudem hat die Zusammenarbeitserfahrung zwischen Frankreich und Deutschland gezeigt, dass die Mehrheit der Kooperationsprojekte zwischen diesen beiden Ländern den Spitalbereich betrifft. Es schien der schweizerischen Seite daher wichtig, diesen Bereich ausdrücklich vorzusehen.

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Gesundheitskrisen Das Pandemieabkommen gilt im Bereich der Bewältigung von Gesundheitskrisen nur beschränkt. Deshalb haben die Parteien beschlossen, «die Zusammenarbeit im Bereich der Bewältigung von Gesundheitskrisen in Ergänzung zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005)» in die Liste aufzunehmen.

Gesundheitsfachpersonen Das Rahmenabkommen sieht ausserhalb der nach geltendem Recht bereits bestehenden Möglichkeiten kein neues Freizügigkeitsrecht vor und gewährt kein Recht auf Einreise, Aufenthalt oder Berufsausübung für die in den Vertragsstaaten wohnhaften Personen. Einige der in einer zweiten Phase abgeschlossenen regionalen Projekte könnten die vorübergehende Mobilität der Patientinnen und Patienten oder punktuelle Einsätze der Gesundheitsfachpersonen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei erforderlich machen (z. B. Eingriff durch einen hochspezialisierten Chirurgen). Bei dieser grenzüberschreitenden Berufsausübung kann es sich aufgrund des Rechtsverhältnisses zwischen den Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern und den Auftraggeberinnen und -gebern (Patientinnen und Patienten) um eine Dienstleistung handeln, die der Meldestelle des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) vorgängig gemeldet werden muss (vgl.

Ziff. 1.5.2).

Das geltende Recht, namentlich das FZA oder andere anwendbare internationale Abkommen, muss zwingend eingehalten werden, unabhängig davon, ob die Patientinnen und Patienten oder die Gesundheitsfachpersonen mobil werden. Die Genehmigungs-, Informations- und Registrierungsverfahren nach Schweizer Recht (einschliesslich der internationalen Abkommen) sind daher in Artikel 3 Absatz 5 vorbehalten. Insbesondere betroffen sind die Verfahren des Krankenversicherungsund Ausländerrechts sowie die Verfahren für die Anmeldung und die vorgängige Meldung für Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer. Je nachdem, ob es sich um einen sogenannten sektoralen Beruf handelt oder nicht, kann mit dieser Meldepflicht letztlich geprüft werden, ob im Herkunftsland kein Hinderungsgrund für die Berufsausübung besteht und ob die Berufsqualifikationen der Dienstleistungserbringerin oder des Dienstleistungserbringers ausreichend sind (vgl. Ziff. 2 zu Art. 3 Abs. 5). Die Kantone haben in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass keine Vereinbarungen
abgeschlossen werden, die dem geltenden Recht zuwiderlaufen, oder dass Bereiche geregelt werden, in denen auf nationaler oder internationaler Ebene bereits Bestimmungen bestehen.

1.4

Überblick über den Inhalt des Abkommens

Der Text des Rahmenabkommens besteht aus (i) einer Präambel und zwölf Artikeln sowie (ii) einem Durchführungsprotokoll mit fünf Artikeln. Das Protokoll legt die Durchführungsmodalitäten des Rahmenabkommens und insbesondere die wichtigsten Elemente fest, welche die regionalen Kooperationsvereinbarungen je nach Kooperationsbereich vorsehen müssen.

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1.4.1

Inhalt des Rahmenabkommens

Mit dem Rahmenabkommen soll die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Organisation und der Übernahme der Krankenpflegekosten erleichtert und gefördert werden. Gefördert werden sollen Projekte, die zum Ziel haben, für die Bewohnerinnen und Bewohner des betroffenen Grenzgebiets einen besseren Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität zu schaffen, die Kontinuität der Gesundheitsversorgung für diese Personen sicherzustellen, die schnellstmögliche notfallmedizinische Versorgung zu gewährleisten und den Informationsaustausch bei der Beurteilung und dem Management von Gesundheitsrisiken zu erleichtern (Art. 1). Um diese Ziele zu erreichen, legt das Rahmenabkommen die Modalitäten und den rechtlichen Rahmen für die grenzüberschreitenden Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich fest.

Das Rahmenabkommen ermöglicht den zuständigen Behörden, gemäss ihren Interessen und insbesondere unter Berücksichtigung der festgestellten Defizite und Bedürfnisse spezifische Kooperationsvereinbarungen abzuschliessen. Es enthält in Artikel 3 Absatz 3 eine nicht abschliessende Liste der potenziellen Kooperationsbereiche. Hier sei darauf hingewiesen, dass sich die zuständigen Behörden auf ihren Zuständigkeitsbereich beschränken müssen und keine dem Bundesrecht dieses Bereichs zuwiderlaufenden oder darüber hinausgehenden Kooperationsvereinbarungen abschliessen dürfen (Art. 3), namentlich wenn es um die Vorschriften zur Freizügigkeit geht.

1.4.2

Inhalt des Durchführungsprotokolls

Im Durchführungsprotokoll werden zuerst die Behörden genannt, die Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich abschliessen dürfen (Art. 1). In der Schweiz sind das die zuständigen Behörden der in Artikel 2 Absatz 1 des Rahmenabkommens aufgeführten Grenzkantone.

Das Durchführungsprotokoll sieht weiter die Modalitäten für die Umsetzung des Rahmenabkommens vor. In Artikel 2 sind die Voraussetzungen und Modalitäten aufgeführt, die in den regionalen Kooperationsvereinbarungen gestützt auf den Verweis in Artikel 3 Absatz 4 des Rahmenabkommens festzulegen sind. Diese Modalitäten werden ­ in Übereinstimmung mit dem geltenden innerstaatlichen Recht ­ materiell in die Kooperationsvereinbarungen aufgenommen.

Das Durchführungsprotokoll legt unter anderem fest, wie die Bestimmungen über die Kostenübernahme im Rahmen der regionalen Kooperationsvereinbarungen abgestimmt werden können (Art. 3). Ferner hält es fest, dass Kooperationsprojekte, die eine Kostenübernahme vorsehen, die Rechnungsstellungsmodalitäten ausdrücklich festlegen müssen (Art. 4). Diese Modalitäten sollen zum reibungslosen Funktionieren dieser Kooperationsprojekte beitragen und Unklarheiten aufgrund fehlender Vorschriften zu den finanziellen Aspekten verhindern.

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1.5

Verhältnis zum innerstaatlichen Recht

Das Rahmenabkommen und das entsprechende Durchführungsprotokoll wurden so verfasst, dass das Schweizer Recht für die Ratifizierung oder die Umsetzung dieser Vorlagen nicht geändert werden muss. So verweist das Rahmenabkommen für alle materiellen Aspekte auf die einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften.

Somit ist insbesondere die Einhaltung der Schweizer Vorschriften in folgenden Bereichen gewährleistet:

1.5.1

Krankenversicherung

Kooperationsprojekte, welche die Kostenübernahme von Leistungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vorsehen, müssen dem Bundesgesetz vom 18. März 19946 über die Krankenversicherung (KVG) entsprechen. Dieses Gesetz bildet einen besonderen rechtlichen Rahmen für die Kooperationsprojekte.

Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament die Revision des KVG (Geschäft 15.078 KVG. Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug)7, mit der eine gesetzliche Grundlage für den Abschluss von unbefristeten grenzüberschreitenden Kooperationsprojekten geschaffen werden soll (neuer Art. 34 Abs. 2 Bst. a KVG).

Die Voraussetzungen für diese Zusammenarbeit sollen auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Artikel 36a der Verordnung vom 27. Juni 19958 über die Krankenversicherung (KVV) sah seit 2006 die Möglichkeit vor, befristete Pilotprojekte für die Kostenübernahme für Leistungen im Ausland durchzuführen. Mit der Revision des KVG kann eine solche Zusammenarbeit in den Grenzgebieten dauerhaft durchgeführt werden. Damit wird das Territorialitätsprinzip in begrenztem Ausmass gelockert.

Die Revision erlaubt zum einen, die zurzeit in Form von Pilotprojekten durchgeführten Kooperationen, namentlich zwischen den Regionen Basel und Lörrach sowie St. Gallen und Liechtenstein, langfristig weiterzuführen. Zum anderen macht die Revision die Entstehung von neuen grenzüberschreitenden Kooperationsprojekten möglich, welche die unbefristete Übernahme von KVG-Leistungen beinhalten, so wie es das Rahmenabkommen vorsieht. Kooperationsprojekte, die in den Geltungsbereich des KVG fallen, unterstehen somit weiterhin klar festgelegten materiellen Voraussetzungen, sodass die Auswirkungen auf die Kosten der Krankenversicherung in einem begrenzten Rahmen beobachtet werden können.

In der Botschaft vom 18. November 20159 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung. (Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug) wurde ausserdem darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des bisherigen Artikels 36a KVV in der Verordnung erhalten bleiben würden, und es wurden bereits gewisse Angaben zum künftigen Inhalt dieser Revision gemacht (Ziff. 1.2.1).

6 7 8 9

SR 832.10 BBl 2016 7621 SR 832.102 BBl 2016 1

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1.5.2

Mobilität des Gesundheitspersonals

Das Rahmenabkommen verleiht den in den Vertragsstaaten wohnhaften Personen kein Recht auf Einreise oder Aufenthalt ausserhalb der gemäss geltendem Recht (namentlich dem FZA) bereits bestehenden Möglichkeiten. Es sieht weder eine Befreiung vom Verfahren zur Anerkennung eines in Frankreich ausgestellten Diploms (wie es insbesondere bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern möglich ist), noch von der vorgängigen Meldepflicht der Dienstleistungserbringerinnen und erbringer vor. Auch die Grundsätze für die Erteilung einer unbefristeten oder auf 90 Tage pro Kalenderjahr befristeten Berufsausübungsbewilligung durch die kantonalen Behörden bleiben durch das Rahmenabkommen unberührt.

Nach geltendem Recht werden vier universitäre Medizinalberufe (Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Tierärztinnen und Tierärzte) und zwei Gesundheitsberufe (Pflegefachpersonen und Hebammen) in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2005/36/EG 10 automatisch anerkannt. Für die anderen Gesundheitsberufe gilt das allgemeine Anerkennungsverfahren, in dem es dem Aufnahmeland obliegt, allfällige Lücken in der absolvierten Ausbildung sowie deren Ausmass zu bestimmen. Zudem sind die Möglichkeiten der Verwaltungszusammenarbeit in Anhang III FZA abschliessend geregelt.

Da der Dienstleistungsverkehr grundsätzlich liberalisiert wurde, müssen die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer ihre Berufsqualifikationen nicht anerkennen lassen. Für Berufe mit Auswirkung auf die Sicherheit oder die Gesundheit der Patientinnen und Patienten verlangt die Schweiz jedoch eine vorgängige Meldung und behält so eine beschränkte Kontrolle über die Berufsqualifikationen. Neben dem Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Berufsqualifikationen haben die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer eine Bescheinigung vorzulegen, wonach sie in ihrem Herkunftsland rechtmässig zur Ausübung des betreffenden Berufs niedergelassen sind und ihnen die Ausübung dieses Berufs nicht, auch nicht vorübergehend, untersagt ist. Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 201211 über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufsqualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern in reglementierten Berufen (BGMD) und die Verordnung vom 26. Juni 201312 über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufsqualifikationen
von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern in reglementierten Berufen (VMD) regeln die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufsqualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern abschliessend.

Das Bundesrecht regelt in zwei Bundesgesetzten namentlich die Ausübung der universitären Medizinalberufe, das heisst der Ärztinnen und Ärzte, der Zahnärztinnen und Zahnärzte, der Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, der Apothekerinnen und Apotheker und der Tierärztinnen und Tierärzte sowie die Ausübung des Berufs der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten: 10 11 12

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22.

SR 935.01 SR 935.011

4018

BBl 2017

­

Medizinalberufegesetz vom 23. Juni 200613 (MedBG), und

­

Psychologieberufegesetz vom 18. März 201114 (PsyG).

Das Gesundheitsberufegesetz vom 30. September 201615 (GesBG) wird nach seinem Inkrafttreten auf nationaler Ebene die Ausübung folgender Gesundheitsberufe regeln: Pflegefachfrau und Pflegefachmann, Physiotherapeutin und Physiotherapeut, Ergotherapeutin und Ergotherapeut, Hebamme, Ernährungsberaterin und Ernährungsberater, Optometristin und Optometrist sowie Osteopathin und Osteopath.

Angesichts der Herausforderungen im Gesundheitswesen müssen allfällige grenzüberschreitende Kooperationsprojekte, die Gesundheitsfachpersonen betreffen, dem bestehenden rechtlichen Rahmen Rechnung tragen, wobei zu beachten ist, dass für die Anerkennung der ausländischen Diplome nahezu ausnahmslos die Bundesbehörden zuständig sind.

1.6

Vernehmlassung

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 16 (VlG) ist bei der Vorbereitung von völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b der Bundesverfassung (BV) oder nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem Referendum unterliegen oder wesentliche Interessen der Kantone betreffen, eine Vernehmlassung der interessierten Kreise durchzuführen. Eine Vernehmlassung zu einem völkerrechtlichen Vertrag kann vor der Erteilung des Verhandlungsmandats oder nach der Unterzeichnung des Vertrags eröffnet werden. Im zweiten Fall darf es nur um die Zustimmung oder die Ablehnung des unterzeichneten Vertrags gehen.

Gemäss Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind.

Eine Vernehmlassung der interessierten Kreise im Sinne des VlG wurde im Rahmen der Revision von Artikel 34 KVG durchgeführt. Diese Revision wurde zeitgleich mit dem Entwurf des Rahmenabkommens erarbeitet (vgl. Ziff. 1.5.1). Mit dieser Revision soll unter anderem eine neue gesetzliche Grundlage für grenzüberschreitende Kooperationsprojekte im Gesundheitsbereich geschaffen werden (Geschäft 15.078 KVG. Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug). Die Ergebnisse dieser Vernehmlassung wurden im April 2015 veröffentlichten Bericht «Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse»17 vorgestellt. In der Botschaft vom 18. November 2015 zu diesem Geschäft wurden die Vernehmlassungsergebnisse in Ziffer 1.5 zusammengefasst18. Daraus geht hervor, dass die Bestimmung 13 14 15 16 17 18

SR 811.11 SR 935.81 BBl 2016 7599 SR 172.061 Der Bericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > EDI.

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über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausser bei den Leistungserbringern mehrheitlich auf Zustimmung stiess. Diese Revision des KVG wurde am 30. September 2016 vom Parlament verabschiedet.

Im Gegensatz zur oben erwähnten KVG-Revision, in der es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in allen Grenzregionen der Schweiz ging, betrifft das Rahmenabkommen nur die an Frankreich angrenzenden Regionen und ist daher für den Grossteil der im Rahmen einer Vernehmlassung üblicherweise begrüssten Organisationen nur von untergeordnetem Interesse. Es betrifft in besonderer Weise die Grenzkantone zu Frankreich: Nur sie sind befugt, mit den ARS gemäss gemeinsam festgestellten Bedürfnissen oder Interessen Kooperationsvereinbarungen abzuschliessen. Die betroffenen Kantone wurden im Rahmen des Verhandlungsmandats konsultiert und haben dabei ihre Unterstützung und Zustimmung zum Ausdruck gebracht. Zudem wurden sie direkt in die technischen Gespräche einbezogen. Bei Bedarf haben sie auch die Rettungsdienste oder andere Dienstleistungserbringer in ihre Überlegungen einbezogen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der breiten politischen Akzeptanz der Vorlage hat der Bundesrat darauf verzichtet, nach der Unterzeichnung des Rahmenabkommens eine weitere Vernehmlassung durchzuführen.

1.7

Würdigung

Das Rahmenabkommen mit Frankreich ist für die Grenzkantone zweifellos von Interesse, da damit der Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten in den Grenzgebieten verbessert und ihre Mobilität erleichtert werden soll.

Dank den Kooperationsprojekten können die Erbringer von Gesundheitsleistungen in den Grenzgebieten die Synergien zwischen technischer Infrastruktur und Personalressourcen nutzen. So kann das Gesundheitsversorgungsangebot verbessert und die Kontinuität der Gesundheitsversorgung für die Bewohnerinnen und Bewohner im betroffenen Grenzgebiet sichergestellt werden.

Mit dem Rahmenabkommen allein lässt sich dieses Ziel jedoch nicht erreichen. Es braucht konkrete Projekte, die auf regionaler Ebene erarbeitet werden. Die tatsächlichen Auswirkungen des Abkommens können erst beurteilt werden, wenn diese Projekte von den lokalen und regionalen Partnern lanciert worden sind. Das Rahmenabkommen stellt dennoch ein wichtiges Instrument für die erleichterte Durchführung von grenzüberschreitenden Kooperationsmassnahmen im Gesundheitsbereich dar, da es die Kontaktaufnahme und die Kommunikation zwischen den regionalen Stellen erleichtert und die Modalitäten für die Zusammenarbeit festlegt.

Dabei geht es darum, die Qualität und die Kohärenz der Betreuung und der medizinischen Versorgung zu verbessern. Das Abkommen kann auch dazu dienen, das Versorgungsangebot in den Spitalzentren der Grenzregionen zu optimieren und zu strukturieren, namentlich vor dem Hintergrund der immer komplexeren medizinischen Geräte und der zunehmenden Spezialisierung der Medizin.

Da sich das Rahmenabkommen für die materiellen Aspekte streng an den geltenden rechtlichen Rahmen hält und es insbesondere den kantonalen Behörden weder 4020

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gestattet, Vereinbarungen zu schliessen, die über diesen Rahmen hinausgehen, noch ergänzende Bestimmungen zu erlassen, führt es nicht zu einer Zunahme an Leistungserbringern, die über den Rahmen des FZA hinausgeht.

2

Kommentar zu den Bestimmungen des Abkommens und des entsprechenden Durchführungsprotokolls

2.1

Rahmenabkommen

Art. 1

Zweck

In Absatz 1 sind die Ziele des Rahmenabkommens aufgeführt. Dieses ist namentlich darauf ausgerichtet, für die Patientinnen und Patienten des betreffenden Grenzgebiets den Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität zu verbessern und die Kontinuität der Gesundheitsversorgung unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Politik im Bereich der Versorgungsplanung sicherzustellen. Die Zusammenarbeit nach dem Rahmenabkommen soll zudem eine raschere notfallmedizinische Versorgung gewährleisten, den gegenseitigen Wissens- und Praxisaustausch fördern sowie den Informationsaustausch im Bereich der Beurteilung und des Managements der Gesundheitsrisiken erleichtern. Diese Ziele werden vor allem in Artikel 3 genauer ausgeführt, in dem die möglichen Bereiche der Zusammenarbeit aufgezählt sind.

In Absatz 2 wird klargestellt, dass die konkrete Umsetzung der Zusammenarbeit, die mit dem Rahmenabkommen angestrebt wird, mittels regionalen Kooperationsvereinbarungen erfolgt. Diese Vereinbarungen sind das Kooperationsinstrument, mit dem sich die Ziele erreichen lassen, die in diesem Artikel aufgeführt sind. Das Rahmenabkommen allein reicht zur Realisierung der erwähnten Zielsetzungen nicht aus.

Nach Absatz 3 steht das Rahmenabkommen der Umsetzung der Bestimmungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 23. Mai 200519 (nachfolgend: IGV 2005), die am 15. Juni 2007 für die Schweiz in Kraft getreten sind, nicht entgegen.

Dieser Absatz ist insbesondere in Verbindung mit Artikel 4 des Rahmenabkommens zu sehen, der sich auf den Grenzübertritt bezieht.

Die IGV 2005 sind ein multilaterales Übereinkommen, das unter der Federführung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeitet und von 196 Staaten unterzeichnet wurde, unter anderem von allen Mitgliedstaaten der WHO. Es ist darauf ausgerichtet, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmassnahmen einzuleiten, und zwar auf eine Art und Weise, die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist und eine unnötige Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs und Handels vermeidet (Art. 2 IGV 2005). Die Verpflichtungen, welche die Staaten im Hinblick auf die Erreichung des übergeordneten Ziels der internationalen Gesundheitssicherheit eingegangen sind, können die Form 19

SR 0.818.103

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von besonderen Massnahmen annehmen, die an den Landübergängen umzusetzen sind, um die Ausbreitung von Gefahren für die öffentliche Gesundheit auf die Nachbarstaaten einzudämmen. Da diese internationalen Verpflichtungen der beiden Vertragsstaaten des Rahmenabkommens durch die Projekte zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt werden, wurde dieser ausdrückliche Vorbehalt formuliert.

Art. 2

Geltungsbereich

In Absatz 1 ist der räumliche Geltungsbereich umschrieben, der sich auf die Schweizer Kantone, die eine gemeinsame Grenze mit Frankreich aufweisen, sowie auf die französischen Grenzregionen beschränkt. Einen Sonderfall stellt der Kanton Bern dar, der im ursprünglichen Textentwurf aufgeführt war, der von französischer Seite vorgelegt wurde. Seit 1979 der Kanton Jura gegründet wurde, besitzt der Kanton Bern zwar keine gemeinsame Grenze mit Frankreich mehr. Doch das Dreikantonseck mit Neuenburg und Jura im Nordwesten des Kantons Bern (Region Berner Jura) liegt sehr nahe der französischen Grenze (in einer Entfernung von etwa 200 m).

Unter dem Gesichtspunkt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und der Organisation der Gesundheitsversorgung ist somit eine ausreichende Nähe gegeben, um Kooperationsprojekte in Betracht zu ziehen. Angesichts der spezifischen historischen und geografischen Gegebenheiten und in Absprache mit dem Kanton Bern haben es die Vertragsparteien deshalb als sinnvoll erachtet, diesen in den Geltungsbereich des Rahmenabkommens aufzunehmen.

Die Absätze 2­4 umschreiben den persönlichen Geltungsbereich für die Kooperationsprojekte, die mit Fragen der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung oder mit dem Einsatz von Gesundheitsfachpersonen verbunden sind. Die Formulierung der Absätze 2 und 3 ist teilweise auf das Bestreben zurückzuführen, eine gewisse Kohärenz mit weiteren Rahmenabkommen beizubehalten, die Frankreich mit anderen Nachbarstaaten geschlossen hat. Diese Absätze sind auf die Empfängerinnen und Empfänger von Gesundheitsleistungen ausgerichtet, da sich die Kooperationsprojekte auf die Patientenmobilität beziehen können.

Absatz 2 beschränkt den Geltungsbereich auf Personen, die als Versicherte oder Anspruchsberechtigte durch die Krankenversicherung einer der Vertragsparteien gedeckt sind und ihren gewöhnlichen Wohnsitz oder vorübergehenden Aufenthalt im Grenzgebiet nach Absatz 1 haben. Für die Schweiz betrifft dies die Krankenversicherungsdeckung nach dem KVG. Die Staatsangehörigkeit ist nicht massgebend.

Mit diesem Absatz soll verhindert werden, dass die Kooperationsprojekte einen Leistungsanspruch bei Personen begründen, für die keine Versicherungsdeckung nach der Gesetzgebung besteht, die in den Vertragsstaaten anwendbar ist.

Absatz 3 ist auf
Personen ausgerichtet, die nicht durch eine gesetzliche Krankenversicherung in der Schweiz oder in Frankreich gedeckt sind, sondern in einem anderen EU-Staat versichert sind. Gemäss den Verordnungen der EU zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die über den Anhang II FZA auf die Schweiz anwendbar sind, gilt für diese Personen im Bedarfsfall ein zwischenstaatliches System der Leistungsaushilfe und Übernahme der Behandlungskosten. Absatz 3 ermöglicht es, auch diese Personenkategorie in die Kooperationsvereinbarungen 4022

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aufzunehmen. Dabei könnte es sich beispielsweise um einen belgischen Touristen handeln, der sich in den französischen Alpen aufhält und eine notfallmedizinische Behandlung benötigt.

Da die Kooperationsprojekte auch mit einem Einsatz von Gesundheitsfachpersonen verbunden sein können, sind diese schliesslich in Absatz 4 ausdrücklich erwähnt.

Unter dem Begriff «Gesundheitsfachperson» sind die reglementierten Gesundheitsberufe zusammengefasst. Neben den universitären Medizinalberufen (z. B. Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte) kann es sich um weitere medizinische oder paramedizinische Berufe handeln (z. B. Pflegefachpersonen oder Hebammen).

Es ist Sache des Staates, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, den Zugang zum Beruf zu reglementieren. Somit kann die Berufsbezeichnung oder auch das Tätigkeitsgebiet des Berufs entsprechend der anwendbaren Gesetzgebung je nach Land unterschiedlich sein. Die nach französischem Recht reglementierten Gesundheitsberufe sind nicht mit jenen identisch, die nach dem schweizerischen Recht reglementiert sind. Deshalb verweist Absatz 4 auf die jeweiligen innerstaatlichen Regelwerke. Für die Berufsausübung aller in der Schweiz allenfalls eingesetzten Fachpersonen mit einem ausländischen Bildungsabschluss sind somit einzig die schweizerischen Regelungen massgebend. Die Fälle, die unter das Rahmenabkommen fallen, bilden keine Ausnahme von diesem Grundsatz. Damit das Rahmenabkommen anwendbar ist, muss die Fachperson ihren Beruf im Grenzgebiet nach Artikel 2 ausüben.

Art. 3

Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich

Absatz 1 sieht die Möglichkeit vor, dass die im Durchführungsprotokoll definierten zuständigen Stellen Kooperationsvereinbarungen schliessen. Allerdings muss der Abschluss solcher Vereinbarungen innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten erfolgen, über die diese Stellen in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung verfügen.

Das Rahmenabkommen erweitert somit die Zuständigkeiten der Kantone nicht.

Nach Absatz 2 wird die Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen Strukturen und Ressourcen des Gesundheitswesens organisiert, die sich im betreffenden Grenzgebiet befinden. Die regionalen Kooperationsvereinbarungen können sich auf die bestehenden Strukturen stützen oder neue gemeinsame Strukturen schaffen.

Denkbar wäre zum Beispiel der Aufbau eines grenzüberschreitenden Gesundheitsobservatoriums, wie es in der belgisch-französischen Grenzregion besteht (Observatoire franco-belge de la santé, OFBS). In der Genferseeregion besteht übrigens bereits eine ähnliche Struktur, die allerdings nur einen beschränkten Umfang aufweist: das französisch-genferische Observatorium für das Gesundheitspersonal (Observatoire franco-genevois du personnel de santé), das 2015 unter der Federführung der Gesundheitskommission des französisch-genferischen Regionalkomitees (Comité régional franco-genevois) geschaffen wurde.

Absatz 3 enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der Bereiche, auf die sich die Kooperationsvereinbarungen beziehen können. Diese Bereiche können in Verbindung mit den in Artikel 1 aufgeführten Zielen des Rahmenabkommens gesehen werden. Von besonderem Interesse für die Kantone ist die Zusammenarbeit im Spitalbereich, da sie es ermöglicht, bei der Spitalplanung Synergien zu nutzen und das Einzugsgebiet einer bestimmten Einrichtung zu vergrössern. Dieser Bereich 4023

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eignet sich auch sehr gut, um den Zugang der Bewohnerinnen und Bewohner des Grenzgebiets zur Gesundheitsversorgung zu verbessern. Deshalb ist der Spitalbereich ausdrücklich erwähnt. Da es sich nicht um eine abschliessende Aufzählung handelt, ist der ambulante Sektor jedoch nicht von Vornherein ausgeschlossen und entsprechend den gegenseitigen Interessen könnte auch in diesem Bereich eine Zusammenarbeit erfolgen.

In Absatz 4 sind die wesentlichen Elemente festgelegt, die eine Kooperationsvereinbarung vorsehen muss; er verweist diesbezüglich auf die Voraussetzungen und Modalitäten, die im Durchführungsprotokoll genauer ausgeführt werden (vgl. Ziff.

2.2). In Absatz 4 sind einige Elemente wie der persönliche, räumliche und sachliche Geltungsbereich des Projekts aufgelistet, die jede Vereinbarung zwingend enthalten muss. Der Geltungsbereich eines Kooperationsprojekts kann sich auf ein bestimmtes Gebiet innerhalb des Kantons beschränken und es ist wichtig, dieses Gebiet gegebenenfalls sehr genau anzugeben. Ebenso muss über den Gegenstand der Zusammenarbeit (z. B. die medizinischen Behandlungen, die im Rahmen der Zusammenarbeit von einem am Projekt beteiligten Leistungserbringer erbracht werden) der sachliche Geltungsbereich des Projekts festgelegt werden. Ausserdem muss das Projekt die Dauer und die Kündigungsbedingungen der Kooperationsvereinbarung oder auch die Kostenübernahmemechanismen, die Tarife und die Modalitäten für die Rückerstattung der Leistungen gemäss dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien regeln.

Absatz 5 enthält einen sehr wichtigen Verweis auf die Beachtung der Genehmigungs-, Informations- und Kontrollverfahren, die sich aus dem geltenden innerstaatlichen Recht ergeben. Wie bereits in Ziffer 1.5 dargelegt, bleibt das Rahmenabkommen in Bezug auf die sachlichen Aspekte innerhalb der Grenzen des geltenden innerstaatlichen Rechts. Im Rahmen der Kooperationsprojekte müssen somit die im Bundesrecht vorgesehenen Bewilligungs-, Melde-, Anmelde- oder Registrierungsverfahren eingehalten werden.

Genauer bleiben seitens der Schweiz die Verfahren der Registrierung, der vorgängigen Meldung und der Diplomanerkennung (vgl. insbesondere BGMD und entsprechende Ausführungsverordnung) weiterhin massgebend und obligatorisch. Falls somit ein Projekt die Erbringung einer Dienstleistung durch eine
französische Gesundheitsfachperson umfasst, deren Berufsausübung in der Schweiz reglementiert ist, darf diese Dienstleistung weiterhin nur innerhalb der vom FZA vorgesehenen Beschränkung erfolgen (vgl. Ziff. 1.5.2). Gemäss diesem Abkommen darf diese Fachperson ihre Dienstleistungen während höchstens 90 Tagen pro Kalenderjahr oder mit einer Bewilligung allenfalls für eine längere Dauer erbringen (vgl. Art. 5 Abs. 2 FZA und die Art. 19a und 20a der Verordnung vom 24. Oktober 200720 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit,(VZAE)). Allerdings muss sie die betreffende Leistungserbringung dem SBFI vorgängig melden und ihre Staatsangehörigkeit, ihre Berufsqualifikationen, ihre Niederlassung im Herkunftsland sowie das Nichtbestehen eines Hinderungsgrunds für die Ausübung ihrer Tätigkeit nachweisen. Sobald diese formalen Elemente vorliegen, leitet das SBFI die Meldung an die sachlich zuständige Behörde weiter; diese übermittelt das Dossier schliesslich an 20

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die kantonale Behörde, welche die Berufsausübungsbewilligung ausstellt. Dieses Verfahren ermöglicht den zuständigen Behörden, die Berufsqualifikationen der Leistungserbringer einheitlich und genau zu prüfen und die Berufsausübung zu überwachen. Diese Meldung muss jährlich erneuert werden. Mit dem Inkrafttreten der Änderung vom 20. März 201521 des MedBG müssen zudem alle Personen, die in der Schweiz einen universitären Medizinalberuf ausüben, in das Register der universitären Medizinalberufe eingetragen sein.

Einen Einblick in mögliche Kooperationsprojekte bietet zum einen das Pilotprojekt zwischen Basel-Stadt, Basel-Landschaft und der Region Lörrach (Deutschland), das den Basler Versicherten ermöglicht, sich in verschiedenen deutschen Rehabilitationskliniken behandeln zu lassen. Zum anderen wird auf die Projekte verwiesen, die gestützt auf das deutsch-französische oder das belgisch-französische Rahmenabkommen erarbeitet wurden. Gemäss dem 2012 erstellten Evaluationsbericht zum deutsch-französischen Rahmenabkommen22 wurden zwischen Mai 2007 und 2012 gestützt auf das Rahmenabkommen vier Kooperationsvereinbarungen geschlossen.

Drei Vereinbarungen betreffen die notfallmedizinische Versorgung. Sie regeln, in welchen Situationen ein Einsatz im Nachbarland möglich ist, und legen die entsprechenden Modalitäten sowie die einzuhaltenden Verfahren fest. Die vierte Vereinbarung sieht die Möglichkeit vor, dass Personen, die im Elsass eine schwere Verbrennung erleiden, im Zentrum für Schwerbrandverletzte der Unfallklinik in Ludwigshafen behandelt werden, wenn die französischen Einrichtungen ­ insbesondere das Spitalzentrum in Metz, das als einzige Einrichtung der Region Grand Est über ein Zentrum für Schwerbrandverletzte verfügt ­ überlastet sind. Diese Vereinbarungen umfassen grundsätzlich finanzielle Anhänge, die gesondert vereinbart werden und in denen die anzuwendenden Tarife sowie die Verfahren zur Rechnungsstellung geregelt sind. 2013 wurde eine weitere Kooperationsvereinbarung zwischen dem Spitalzentrum Marie Madeleine in Forbach (F) und dem Kardiologiezentrum der Kliniken Völklingen (D) geschlossen. Es umfasst zwei Teile: Zum einen behandelt das Kardiologiezentrum in Völklingen gewisse akute Herzinfarkte, die sich in den Gemeinden des Einsatzgebiets des medizinischen Notfalldienstes (SMUR) Forbach
ereignen. Zum anderen stellt es dem Spitalzentrum in Forbach punktuell Kardiologinnen und Kardiologen zur Verfügung. Vor dieser Vereinbarung wurden Personen mit einem akuten Infarkt in den betreffenden französischen Gemeinden in das Spital in Metz eingewiesen, das 60­70 km von der Grenze entfernt ist. Da das Kardiologiezentrum Völklingen auf der deutschen Seite sehr nahe der Grenze liegt, liess sich die Zeit für den Transport des Patienten in eine Einrichtung mit geeigneter technischer Ausstattung durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verkürzen. Je nach Gemeinde beträgt der Zeitgewinn zwischen 10 und 38 Minuten.

21 22

AS 2015 5081 Euro-Institut, Évaluation de la mise en oeuvre de l'accord-cadre franco-allemand sur la coopération sanitaire transfrontalière du 31 octobre 2012, auf Französisch abrufbar unter docplayer.fr

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Art. 4

Grenzübertritt

Mit Artikel 4 werden die Parteien aufgefordert, alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um den Übertritt über die gemeinsame Grenze zur Durchführung des Rahmenübereinkommens zu erleichtern. Er entspricht den Artikeln in den anderen Rahmenabkommen, die Frankreich mit seinen Nachbarstaaten geschlossen hat.

Allerdings ist diese Bestimmung nur von sehr begrenzter Tragweite, da das schweizerisch-französische Rahmenabkommen kein Freizügigkeitsrecht und keine Bestimmung in Bezug auf die Mobilität der notfallmedizinischen Versorgung vorsieht.

Potenziell erfasst werden regionale Kooperationsprojekte, die sich innerhalb der Grenzen des geltenden innerstaatlichen Rechts (insbesondere in Bezug auf die vorgängige Meldung der Leistungserbringer) auf den Bereich der Patiententransporte oder der notfallmedizinischen Versorgung beziehen und mit einem physischen Grenzübertritt verbunden sind.

Art. 5

Kostenübernahme durch ein Sozialversicherungssystem

In Bezug auf die Übernahme der Behandlungskosten sieht Artikel 5 vor, dass die Kooperationsvereinbarungen den EU-Koordinationsverordnungen sowie dem innerstaatlichen Recht entsprechen.

Die Verordnungen der EU zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die über Anhang II FZA auf die Schweiz anwendbar sind, sehen einen zwischenstaatlichen Mechanismus der Leistungsaushilfe und Kostenübernahme vor. Gemäss diesem Mechanismus wird eine Person, die in einem anderen Staat Gesundheitsleistungen benötigt, als sie versichert ist, durch das Gesundheitssystem des Staates, in dem sie sich befindet, so behandelt, als ob sie dort versichert wäre (gemäss den Sozialversicherungstarifen). Dieser Staat bevorschusst die Leistungen, die er erbringt. Anschliessend werden ihm die Behandlungskosten durch den Staat erstattet, in dem die Person versichert ist. Der Patient wird somit zu den gleichen Bedingungen behandelt wie die Personen, die im Staat versichert sind, der die Gesundheitsleistungen erbringt, ohne dass eine finanzielle Garantie geleistet werden muss.

Neben dieser Leistungsaushilfe und -rückerstattung ist auch eine direkte Kostenübernahme möglich. In diesem Fall bezahlt der in einem der Staaten ansässige Sozialversicherungsträger den im anderen Staat ansässigen Leistungserbringer direkt. Absatz 1 stellt klar, dass die Kooperationsvereinbarungen, die eine Kostenübernahme vorsehen, der bestehenden koordinationsrechtlichen Regelung entsprechen und zwar unabhängig davon, ob sie auf das gegenseitige zwischenstaatliche System der Leistungsaushilfe verweisen oder ein System der direkten Kostenübernahme vorsehen.

Absatz 2 bezieht sich auf den Mechanismus der vorherigen Genehmigung. Gemäss den EU-Koordinationsverordnungen ist es nur mit der Genehmigung der eigenen Versicherung möglich, sich eigens in einen anderen Staat zu begeben, um sich dort zulasten dieser Versicherung behandeln zu lassen. Dieser Absatz ermöglicht es, in den Kooperationsvereinbarungen vorzusehen, dass diese vorgängige Genehmigung für das betreffende Grenzgebiet und für spezifisch festgelegte Behandlungen ohne individuelle Prüfung des Einzelfalls automatisch ausgestellt wird. Eine solche Genehmigung wird jedoch nur ausgestellt, wenn die betreffenden Behandlungen zu den 4026

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Leistungen gehören, die in der Gesetzgebung des Staates vorgesehen sind, in dem die Person versichert ist. Diese Möglichkeit erleichtert den Zugang zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung.

Gemäss Absatz 3 können die Vertragsparteien spezifische Tarife aushandeln, wenn die Kooperationsvereinbarung eine direkte Übernahme der Behandlungskosten durch den zuständigen Versicherer vorsieht. Diese spezifische Tarifgestaltung muss seitens der Schweiz den Regeln des KVG entsprechen, die sich aus der Revision von Artikel 34 KVG ergeben. Ausserdem muss sie dem Bund zur Genehmigung vorgelegt werden.

Absatz 4 ermöglicht den Parteien, in den Kooperationsvereinbarungen Regeln für die Kostenübernahme für jene Versicherten festzulegen, die nicht den EUKoordinationsverordnungen unterstehen, d. h. die im betreffenden Grenzgebiet ihren Wohnsitz haben, aber weder die Staatsangehörigkeit der Schweiz noch jene eines EU-Staates besitzen. Da das FZA nur auf Schweizer Staatsangehörige und EUStaatsangehörige anwendbar ist, ermöglicht es diese Bestimmung, die gleichen Kostenübernahmesysteme auf alle Versicherten unabhängig von deren Nationalität anzuwenden.

Art. 6

Haftung

Im Bereich der Arzthaftung verweist Absatz 1 auf das geltende Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Behandlung erfolgt ist.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erfolgt naturgemäss in einem internationalen Umfeld. Um Gesetzeskollisionen zu vermeiden und zu klären, welches Recht im Fall eines Schadens anwendbar ist, der bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verursacht wird, haben sich die Vertragsparteien für die Anwendung des Rechts jenes Staates entschieden, in dem die Behandlung erfolgt. Dies kommt dem Prinzip lex loci delicti gleich, das im Bereich der ausservertraglichen Haftung vorsieht, dass das Recht des Ortes zur Anwendung gelangt, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

Absatz 2 verpflichtet die Fachpersonen, Einrichtungen und Dienste, für ihre Tätigkeit im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Medizinische Einrichtungen, Ärztinnen und Ärzte und andere Personen, die medizinische Berufe ausüben, sind Haftpflichtrisiken ausgesetzt und sind im Land, in dem sie niedergelassen sind, grundsätzlich versichert. Der räumliche Geltungsbereich des abgeschlossenen Versicherungsvertrags kann sich jedoch unter Umständen auf Schäden beschränken, die im Niederlassungsstaat verursacht werden. Um Versicherungslücken und das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit im Fall eines Schadens zu verhindern, der bei einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verursacht wird, die gemäss den geschlossenen Kooperationsvereinbarungen mit einer medizinischen Tätigkeit auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei verbunden sein könnte, müssen die Personen, die sich an einem Kooperationsprojekt beteiligen, für ihre Tätigkeit im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit versichert sein.

Absatz 3 bietet eine Rechtsgrundlage, damit die im Durchführungsprotokoll aufgeführten zuständigen Behörden überprüfen können, ob die Einrichtungen und Dienste 4027

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des Gesundheitswesens und die Gesundheitsfachpersonen, die in die Zusammenarbeit einbezogen sind, tatsächlich über eine ausreichende Versicherung oder eine gleichwertige Deckung im Sinne von Absatz 2 verfügen. Somit ist es Aufgabe der kantonalen Behörden in der Schweiz und der regionalen Gesundheitsagenturen (ARS) in Frankreich, beim Abschluss von Kooperationsvereinbarungen dafür zu sorgen, dass die beteiligten Einrichtungen und Dienste des Gesundheitswesens über eine solche Versicherungsdeckung verfügen.

Art. 7

Gemischte Kommission

Eine Gemischte Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Behörden beider Vertragsparteien wird beauftragt, die Anwendung des Rahmenabkommens zu begleiten und Änderungen vorzuschlagen, die allenfalls daran vorzunehmen sind (Abs. 1). Gemäss Absatz 2 regelt die Gemischte Kommission nach Möglichkeit auch die Schwierigkeiten, die bei der Anwendung oder Auslegung des Rahmenabkommens auftreten. Der diplomatische Weg bleibt vorbehalten. Die Kommission ist in erster Linie ein beratendes Organ, das für die reibungslose Anwendung des Rahmenabkommens sorgt. Ergänzend zu den bestehenden grenzüberschreitenden Plattformen bietet sie den Vertragsparteien eine Plattform für Diskussionen und Überlegungen zu Fragen, die sich bei der Umsetzung des Abkommens stellen könnten.

Die Gemischte Kommission tagt mindestens alle zwei Jahre sowie bei Bedarf auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien (Abs. 1).

Die Behörden müssen abwechselnd alle vier Jahre einen Evaluationsbericht zur Umsetzung des Kooperationsinstrumentariums erstellen (Abs. 3). Mit den Evaluationsberichten lässt sich eine gewisse Transparenz in Bezug auf die vereinbarten Projekte gewährleisten. Ausserdem können damit zum einen die positiven und negativen Auswirkungen der Zusammenarbeit (z. B. Zahl der betroffenen Patientinnen und Patienten und Kosten der Zusammenarbeit) und zum anderen die Verbesserungen und die Änderungen aufgezeigt werden, die am Rahmenabkommen vorzunehmen sind. Die Mitglieder der Gemischten Kommission können auch einen externen Anbieter mit der Evaluation beauftragen. Im Fall des deutsch-französischen Abkommens wurde die Evaluation beispielsweise einem unabhängigen Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Euro-Institut in Kehl/D) übertragen.

Art. 8

Umsetzung

In Artikel 8 sind die Behörden aufgeführt, die mit der Umsetzung des Rahmenabkommens beauftragt sind. Für die Schweiz sind dies das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die zuständigen Behörden der betreffenden Kantone. Für Frankreich handelt es sich um die ARS der aufgeführten Regionen im Auftrag des Ministeriums, das für das Gesundheitswesen zuständig ist, sowie um die Krankenkasse Haute-Savoie im Auftrag der französischen Sozialversicherungseinrichtungen. Die Behörden treffen alle erforderlichen Vorkehrungen, um die Umsetzung des Rahmenabkommens sicherzustellen.

Die kantonalen Behörden werden vor allem darauf zu achten haben, dass die mit den französischen ARS vereinbarten Kooperationsprojekte die wesentlichen Elemente 4028

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enthalten, die das Rahmenabkommen und das Durchführungsprotokoll vorsehen, und den Anforderungen des Rahmenabkommens (insbesondere in Bezug auf die Haftpflicht) sowie dem geltenden Recht (insbesondere Melde- oder Bewilligungsverfahren) entsprechen.

Art. 9

Durchführungsprotokoll

Gemäss Artikel 9 werden die Modalitäten für die Umsetzung des Rahmenabkommens in einem Durchführungsprotokoll festgelegt (vgl. Ziff. 2.2). In diesem Protokoll sind insbesondere die Elemente aufgeführt, die in den Kooperationsprojekten vorgesehen werden müssen. Diese Projekte müssen namentlich die Modalitäten für den Einsatz von Gesundheitsfachpersonen genauer ausführen (z. B. Aufgaben, Dauer). Hingegen enthält das Durchführungsprotokoll keine Angaben, wie diese Modalitäten zu gestalten sind, mit Ausnahme von Artikel 4, der vorbehaltlich einer anderslautenden Regelung eine Frist für die Rechnungsstellung von 30 Tagen vorsieht. Was den Inhalt der im Protokoll aufgelisteten Elemente anbelangt, müssen sich die Behörden an den im Land bestehenden materiell-rechtlichen Rahmen halten.

Art. 10

Übergangsbestimmungen

Gemäss den Übergangsbestimmungen in Artikel 10 müssen regionale Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich, die vor dem Datum des Inkrafttretens des Rahmenabkommens geschlossen wurden, bei Bedarf spätestens innerhalb von zwei Jahren ab diesem Datum angeglichen werden (Abs. 1). Nach Ablauf der zweijährigen Frist kann die Gemischte Kommission nicht abkommenskonforme Bestimmungen einer vor dem Rahmenabkommen geschlossenen Vereinbarung für ungültig erklären (Abs. 2). Stellt die Gemischte Kommission in gegenseitigem Einvernehmen fest, dass sich Anpassungen aufdrängen, sind die regionalen Vereinbarungen nach den darin vorgesehenen Regeln an das Rahmenabkommen anzugleichen. Somit werden die Kantone, die Vertragsparteien der betreffenden regionalen Kooperationsvereinbarungen sind, direkt einbezogen und ihre Interessen bleiben gewahrt.

Diese Bestimmung ist nur von sehr begrenzter Tragweite, da gegenwärtig erst sehr wenige Kooperationsprojekte mit französischen Regionen bestehen. Beispielsweise besteht eine Vereinbarung zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der notfallmedizinischen Versorgung (Convention de coopération transfrontalière dans le domaine de la prise en charge des urgences, CTPU)23, die am 27. Januar 2011 zwischen dem Kanton Genf, mehreren Spitalzentren in der französischgenferischen Region und der ARS Rhônes-Alpes geschlossen wurde. In dieser Vereinbarung sind der Geltungsbereich sowie die Voraussetzungen und die Modalitäten für notfallmedizinische Einsätze in den umschriebenen Grenzgebieten detailliert festgelegt.

Art. 11

Inkrafttreten

Damit das Rahmenabkommen und das Durchführungsprotokoll in Kraft treten können, müssen die beiden Vertragsparteien die beiden Texte nach ihren innerstaat23

Rechtssammlung des Kantons Genf, K 1 22.

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lichen Verfahren ratifizieren. In der Schweiz erfordert dies eine Genehmigung durch das Parlament. Die Texte treten am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf den Eingang der letzten Notifikation über den Abschluss der innerstaatlichen Verfahren folgt.

Art. 12

Geltungsdauer und Kündigung

Nach Absatz 1 wird das Rahmenabkommen auf unbestimmte Dauer geschlossen.

Absatz 2 räumt jeder Vertragspartei das Recht ein, das Abkommen jederzeit durch schriftliche Notifikation auf diplomatischem Weg zu kündigen. Die Kündigung wird zwölf Monate nach dem Datum dieser Notifikation wirksam. In einem solchen Fall sieht Absatz 3 vor, dass die regionalen Kooperationsvereinbarungen dennoch in Kraft bleiben.

2.2 Art. 1

Durchführungsprotokoll Zuständige Stellen

In Artikel 1 des Protokolls sind die Stellen festgelegt, die für das Schliessen regionaler Kooperationsvereinbarungen zuständig sind. Im Fall der Schweiz handelt es sich um die zuständigen Behörden der Grenzkantone, die in Artikel 2 Absatz 1 des Rahmenabkommens aufgeführt sind. Für Frankreich handelt es sich um die regionalen Gesundheitsagenturen Grand Est, Bourgogne-Franche-Comté und Auvergne-RhôneAlpes sowie um die Krankenkasse Haute-Savoie im Auftrag der französischen Sozialversicherungseinrichtungen.

Dabei ist zu betonen, dass das Rahmenabkommen weder die Autonomie der Spitaleinrichtungen noch ihre allfälligen Zuständigkeiten berührt, gestützt auf das einschlägige kantonale Recht mit anerkannten gemeinnützigen Institutionen im Ausland Partnerschafts- oder Zusammenarbeitsvereinbarungen zu schliessen. Ebenso können sich in Frankreich die nicht gewinnorientierten öffentlichen oder privaten Gesundheitseinrichtungen gemäss Artikel L6134-1 des Gesetzes über die öffentliche Gesundheit (Code de la santé publique, CSP) im Rahmen ihres Auftrags an Kooperationsaktionen, einschliesslich von internationalen, mit öffentlich- und privatrechtlichen Personen beteiligen.

Art. 2

Voraussetzungen und Modalitäten für den Einsatz von Gesundheitsfachpersonen und Versorgungseinrichtungen

In Artikel 2 sind die wichtigen Elemente aufgelistet, die in den verschiedenen Bereichen der Zusammenarbeit und unbeschadet des jeweils geltenden innerstaatlichen Rechts in den regionalen Kooperationsvereinbarungen geregelt werden müssen.

So muss eine Kooperationsvereinbarung, die sich auf den grenzüberschreitenden Einsatz von Gesundheitsfachpersonen bezieht (Art. 2 Ziff. 1), ausdrücklich die Mobilitätsbedingungen und die Bedingungen für die Ausübung der Aufgabe, die Art und Dauer der Beteiligung an der Kooperationsaktivität und allenfalls die Bedingungen für die Beteiligung am Notfalldienst vorsehen, falls eine solche Beteiligung 4030

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in Betracht gezogen wird. Ist eine Berufsausübung in der Schweiz vorgesehen, müssen diese Voraussetzungen und Modalitäten im Einklang mit allen einschlägigen Vorschriften des schweizerischen Rechts festgelegt werden. Bei einer Berufsausübung in Frankreich ist die französische Gesetzgebung zu beachten. Sieht ein Projekt zum Beispiel vor, dass sich ein spezialisierter Chirurg, der in einer Basler Einrichtung tätig ist, im Rahmen der Zusammenarbeit punktuell in ein französisches Spitalzentrum begibt, das nicht über genügend Chirurginnen und Chirurgen zur Sicherstellung einer ausreichenden Tätigkeit in einem bestimmten Fachgebiet verfügt, müssen in der Vereinbarung die einzuhaltenden administrativen Modalitäten genau festgelegt werden (Häufigkeit und Dauer seiner Tätigkeit, erforderliche Verwaltungsmeldungen usw.).

Bezieht sich das Projekt auf die Organisation der notfallmedizinischen Versorgung und den Krankentransport der Patientinnen und Patienten (Art. 2 Ziff. 2), müssen die Einsatzbedingungen und -gebiete genau angegeben werden. Dies erfordert namentlich, dass die Kriterien für den Beginn und das Ende des Einsatzes festgelegt werden. Sieht ein Projekt den Einsatz von Schweizer Rettungsdiensten im französischen Grenzgebiet vor, muss zum Beispiel genau angegeben werden, unter welchen Voraussetzungen der Schweizer Rettungsdienst angefordert werden kann, wie die Weiterleitung der Informationen und die Koordination der Kommunikationsmittel zwischen den Notrufzentralen funktioniert oder auch wie der Ort der Hospitalisierung der Notfallpatientinnen und -patienten bestimmt wird (z. B. je nach Einsatzort, Schweregrad der Erkrankung und technischer Ausstattung der Spitäler). Es ist nicht möglich, im Protokoll alle Punkte aufzuführen, die in einem Projekt geregelt werden müssen. Die Behörden müssen den jeweiligen Einzelfall sowie alle anwendbaren Rechtsvorschriften berücksichtigen.

Ist das Kooperationsprojekt mit Patientenmobilität verbunden, sind die Elemente im Zusammenhang mit der Kontinuität der Spitalversorgung besonders wichtig; dazu gehören insbesondere die Aufnahme und die Information der Patientinnen und Patienten (Art. 2 Ziff. 3). Die Kontinuität der Patientenversorgung ist ein entscheidender Aspekt der Leistungsqualität. Sie besteht darin, die Kohärenz und Kompatibilität der verschiedenen
Behandlungen sicherzustellen, die einer Patientin oder einem Patienten verabreicht werden. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann zu einer gewissen Fragmentierung des Behandlungsverlaufs führen. Umso wichtiger ist es, eine hochstehende Betreuung und eine Koordination der Behandlung mit den Leistungserbringern auf der anderen Seite der Grenze sicherzustellen.

Die mit Patientenmobilität verbundenen Projekte müssen insbesondere die Voraussetzungen für den Zugang zur Spitalversorgung genau umschreiben. Es geht somit darum, den persönlichen Geltungsbereich (z. B. die Personen, die bei am Projekt beteiligten Krankenkassen versichert sind und ihren Wohnsitz in einem bestimmten Gebiet haben) und den sachlichen Geltungsbereich (jeweilige Behandlung und Pflege) festzulegen. Je nach Art der Zusammenarbeit muss das Projekt auch die Bedingungen, die für die Krankentransporte gelten, und die Entlassungsmodalitäten klären. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist die Information der Patientinnen und Patienten (Patientendossier, klinischer Kurzbericht, Austrittsbericht, Operationsprotokoll) von entscheidender Bedeutung und es muss sichergestellt werden, dass diese Informationen angemessen weitergeleitet werden.

4031

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Die Kooperationsprojekte müssen auch die Kriterien für die Evaluation und Kontrolle der Behandlungsqualität und -sicherheit berücksichtigen, um im Rahmen der Kooperationsprojekte im Gesundheitsbereich einen angemessenen Gesundheitsschutz zu gewährleisten (Art. 2 Ziff. 4). Diese Kriterien sind im Bereich der Zusammenarbeit unter Spitälern von besonderer Bedeutung. Je nach spezifischem Geltungsbereich müssen die Projekte Bestimmungen zu den Qualitätssicherungsmassnahmen für das Risikomanagement enthalten. Im Umfeld einer grenzüberschreitenden Behandlung der Patientinnen und Patienten sind Massnahmen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sowie von iatrogenen Risiken und Nosokomialinfektionen besonders wichtig.

Da schliesslich in Artikel 3 des Rahmenabkommens ausdrücklich die Zusammenarbeit im Spitalbereich erwähnt ist, enthält Artikel 2 Ziffer 5 des Protokolls eine nicht abschliessende Aufzählung der wichtigen Elemente, die im Rahmen von Projekten geregelt werden müssen, die in diesem Bereich vereinbart werden. Dabei handelt es sich teilweise um Elemente, die in den Ziffern 3 und 4 bereits erwähnt wurden (die Voraussetzungen für den Zugang zu den betreffenden Spitalleistungen, die Patientenaufnahme und -information, einschliesslich der Modalitäten für die Verlegung und Entlassung von Patientinnen und Patienten). Was die Patientenmobilität anbelangt, bezieht sich das wichtigste Element auf die Modalitäten der Kostenübernahme und der Rechnungsstellung, die in jeder Vereinbarung genau festgelegt und in Übereinstimmung mit Artikel 5 des Rahmenabkommens und Artikel 3 des Durchführungsprotokolls vereinbart werden müssen (vgl. Ziff. 2.1 ad Art. 5 und Ziff. 2.2. ad Art. 3).

Das Protokoll besagt jedoch nicht, wie die oben dargelegten Elemente geregelt werden müssen. Was die sachlichen Aspekte anbelangt, können die Behörden unter Einhaltung des bestehenden rechtlichen Rahmens den Inhalt der Vereinbarungen frei festlegen. Das Protokoll sieht in Verbindung mit Artikel 3 des Rahmenabkommens nur eine minimale Struktur für die Vereinbarungen vor.

Art. 3

Modalitäten der Kostenübernahme durch ein Sozialversicherungssystem

Wie im Zusammenhang mit Artikel 5 des Rahmenabkommens dargelegt (vgl.

Ziff. 2.1), können die Kosten einer Behandlung, die im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung erfolgt, vom zuständigen Träger nach zwei verschiedenen Verfahren übernommen werden, die in Artikel 3 des Protokolls vorgesehen sind: Buchstabe a bezieht sich auf den Mechanismus der Leistungsaushilfe und Rückerstattung, der in den Verordnungen der EU zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgesehen ist. Dieses System gewährleistet die Anwendung der geltenden Tarife der gesetzlichen Krankenversicherung des Staates, in dem die Behandlung erfolgt. Damit die Versicherten dieses System in Anspruch nehmen können, müssen sie mit einem Dokument (wie z. B. der europäischen Versichertenkarte) nachweisen, dass sie in einem EU-Staat versichert sind. Buchstabe b bezieht sich auf die direkte Bezahlung des Leistungserbringers durch den zuständigen Träger nach spezifischen Tarifen, die in der Kooperationsvereinbarung vorgesehen sind.

Falls das innerstaatliche Recht dies vorsieht, werden diese Tarife den zuständigen 4032

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innerstaatlichen Stellen vorgelegt. Seitens der Schweiz handelt es sich um die Anforderungen im Zusammenhang mit dem KVG (vgl. Ziff. 1.5.1 und 2.1 ad Art. 5 Abs. 3).

Art. 4

Rechnungsstellungs- und Zahlungsmodalitäten

Artikel 4 des Protokolls sieht Rechnungsstellungs- und Zahlungsmodalitäten für die Spitalleistungen vor, die im Rahmen eines Projekts für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erbracht werden. Diese Bestimmung ist darauf ausgerichtet, das Risiko von zu starken Wechselkursschwankungen zwischen dem Zeitpunkt der Spitalleistung und dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung beim zuständigen Träger zu begrenzen.

Nach Absatz 1 beträgt die Frist für die Rechnungsstellung einer Behandlung 30 Tage ab der Spitalentlassung der betreffenden versicherten Person oder des betreffenden Mitglieds ihrer Familie.

Sollte sich die Frist von 30 Tagen als zu kurz erweisen, belässt der Text den Vertragsparteien die Freiheit, im Rahmen der regionalen Kooperationsvereinbarungen in gegenseitigem Einvernehmen von den in Absatz 1 festgelegten Fristen abzuweichen (Abs. 2).

Absatz 2 sieht somit die Möglichkeit vor, andere Rechnungsstellungs- und Zahlungsmodalitäten als die in Absatz 1 erwähnten zu vereinbaren. In diesem Fall muss jedoch ein Mechanismus zur Bestimmung des Wechselkurses zwischen den Landeswährungen vorgesehen werden, der für die entsprechenden Rechnungen gilt.

Absatz 2 ermöglicht folglich den Regionen, angemessene Fristen festzulegen und dabei die Art der Spitalkooperation sowie die Überlegungen zu berücksichtigen, die im Rahmen eines konkreten Projekts mit den Leistungserbringern zur praktischen Durchführbarkeit der Fakturierungsschritte angestellt werden.

Absatz 3 sieht einen Wechselkurs vor, zu dem standardmässig der in Rechnung gestellte Betrag umgerechnet wird, wenn die Fristen gemäss Absatz 1 oder 2 nicht eingehalten werden. Dabei handelt es sich um den Wechselkurs am Tag der Entlassung der betreffenden Person aus dem Spital.

Art. 5

Inkrafttreten des Durchführungsprotokolls

Das Durchführungsprotokoll gilt ab dem Datum des Inkrafttretens des Rahmenabkommens (vgl. Ziff. 2.1).

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3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Das Rahmenabkommen und das entsprechende Durchführungsprotokoll haben keine direkten Auswirkungen auf die Bundesfinanzen.

Die allfälligen finanziellen Auswirkungen auf die obligatorische Krankenpflegeversicherung hängen von den konkreten Bedingungen ab, die in den regionalen Kooperationsvereinbarungen festgelegt werden und lassen sich nicht im Voraus abstrakt beziffern. In der Botschaft vom 18. November 2015 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung. (Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug) wird festgehalten, dass die Revision von Artikel 34 keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund hat24. Die Evaluation der bestehenden Pilotprojekte, die zwar nicht zwischen Frankreich und der Schweiz, sondern zwischen Deutschland und der Schweiz vereinbart wurden, hat gezeigt, dass die Kosten für die Krankenversicherung nicht gestiegen sind25.

Die Kosten der Aufgaben des Bundes, die sich direkt aus dem Rahmenabkommen ergeben, können mit den vorhandenen Ressourcen getragen werden.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Diese Vorlage hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund. Die dem Bund obliegenden Aufgaben, die sich direkt aus der Umsetzung des Rahmenabkommens ergeben, beschränken sich auf den Austausch mit den kantonalen Behörden (bei Unterstützungs- oder Koordinationsbedarf), die Mitwirkung in der Gemischten Kommission, die alle zwei Jahre tagt, und die Erstellung eines Evaluationsberichts in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden. Dieser Bericht wird von den Vertragsparteien abwechslungsweise alle vier Jahre verfasst. Das bedeutet, dass die Schweiz alle acht Jahre für die Erstellung des Berichts zuständig ist. Diese Aufgaben können mit den vorhandenen Ressourcen erledigt werden und führen zu keiner Erhöhung des Personalbestands.

Je nach abgeschlossenen Vereinbarungen und betroffenen Bereichen können die Projekte Meldungen oder Zulassungs- und Anerkennungsgesuche gemäss den verschiedenen geltenden eidgenössischen Bundesgesetzen, wie dem KVG, oder den für die grenzüberschreitende Ausübung beruflicher Kompetenzen gültigen Bestimmungen erfordern. Aufgrund der erwarteten geringen Auswirkungen können die Aufgaben in Zusammenhang mit dem Meldeverfahren jedoch mit den vorhandenen Ressourcen ausgeführt werden. Die Zahl der Gesuche sollte in Anbetracht der Anzahl Projekte, die im Zuge der anderen bestehenden Rahmenabkommen zwischen Frank24 25

Vgl. Botschaft, Ziff. 3, S. 18 ff Bayer-Oglesby, L. (2015). Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Deutschland­Schweiz im Gesundheitswesen II. Evaluation des Pilotprojektes in der Grenzregion Basel-Stadt / Basel-Landschaft / Landkreis Lörrach (Phase II), Neuenburg, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan Dossier 49)

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reich und seinen Nachbarstaaten vereinbart wurden, marginal bleiben (im Zuge des französisch-deutschen Rahmenabkommens wurden z. B. zwischen 2009 und 2016 nur sechs Projekte vereinbart). Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass allfällige Gesuche in Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden Kooperationsprojekten, die im Zuge des Rahmenabkommens vereinbart werden, spürbare personelle Auswirkungen haben.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf städtische Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Das Rahmenabkommen wirkt sich auf die vom Geltungsbereich umfassten Grenzkantone aus, da nur die zuständigen Behörden dieser Kantone Kooperationsprojekte mit den französischen ARS vereinbaren können. Wenn sie solche Vereinbarungen abschliessen, sind sie verpflichtet, sich an den vom Abkommen gesetzten Rahmen zu halten. Dieser Rahmen betrifft jedoch hauptsächlich den Aufbau und die Form der zu schliessenden Vereinbarungen.

Grundsätzlich schränkt das Rahmenabkommen die bestehenden Kompetenzen der Kantone nicht ein. Es erweitert jedoch ihre Kompetenzen auch nicht. Es bedeutet auch keine Einschränkung für die Autonomie, die juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts (z. B. gewisse Spitäler) nach kantonalem Recht bezüglich Partnerschaft oder Zusammenarbeit mit französischen Einrichtungen geniessen 26.

Die allfälligen finanziellen Auswirkungen auf die Kantone hängen von den konkreten Bedingungen ab, die in den regionalen Kooperationsvereinbarungen festgelegt werden. Die Kantone handeln diese aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse, Ressourcen und Interessen aus, wodurch davon auszugehen ist, dass sie die Kosten zu ihren Lasten begrenzen.

Möglichkeiten eröffnet das Rahmenabkommen sowohl für die grossen Agglomerationen, wo Tausende von Grenzgängerinnen und Grenzgängern jeden Tag die Grenze überqueren, als auch für die ländlichen Gebiete. Diesen kann es innerhalb der Landesgrenzen an medizinischen Einrichtungen vor Ort fehlen, und mittels der Kooperationsprojekte können sie versuchen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung und die Qualität ihres Angebots mithilfe der Einrichtungen jenseits der Landesgrenze zu verbessern. Die Projekte können den Einrichtungen in den betroffenen Grenzkantonen auch ermöglichen, mehr Patientinnen und Patienten zu erreichen, was insbesondere für die Amortisierung einer kostspieligen, hochspezialisierten medizinischen Infrastruktur oder Ausstattung notwendig sein kann.

26

In Frankreich können sich gemeinnützige öffentliche oder private Gesundheitseinrichtungen gemäss Artikel L6134-1 des französischen Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit (CSP) an Kooperationsaktionen, auch internationalen, mit Personen des öffentlichen und privaten Rechts beteiligen.

4035

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3.3

Wirtschaftliche Auswirkungen

Da die Kooperationsprojekte gemäss den Interessen und Bedürfnissen der Kantone vereinbart werden, sollten ihre wirtschaftlichen Auswirkungen positiv sein. Sie könnten den Schweizer Kantonen und Versorgungseinrichtungen namentlich Zugang zu Patientinnen und Patienten gewähren, die dem französischen System angeschlossen sind. So könnte beispielsweise die für gewisse hochspezialisierte Eingriffe erforderliche Patientenmenge erreicht werden.

3.4

Gesundheitliche und soziale Auswirkungen

Das Rahmenabkommen verfolgt ein doppeltes Ziel im Bereich der öffentlichen Gesundheit: Einerseits können die Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich dazu beitragen, dass sich der Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität sowie die Betreuung der in den Grenzgebieten lebenden Patientinnen und Patienten verbessern. Die Projekte können auch zu einer rascheren notfallmedizinischen Versorgung beitragen, indem sie den Anfahrtsweg für Patientinnen und Patienten verkürzen, die in einer weit von den Versorgungseinrichtungen ihres Wohnlandes entfernten Region leben.

Andererseits können die Vereinbarungen Synergien schaffen, dies namentlich mittels Wissensaustausch oder gemeinsamer Nutzung von hochspezialisierten, kostspieligen Ausstattungen. Die Projekte können auch zur Schaffung und Weiterentwicklung von Fachnetzwerken in den Bereichen Diagnostik, Behandlung, Fortbildung oder Grundlagenforschung führen. Das Abkommen könnte namentlich die Schaffung von Kompetenzzentren mittels Koordinierung der Ausrüstungsinvestitionen, aber auch des Einsatzes von hochspezialisierten Fachpersonen fördern und würde damit den Wissens- und Praxisaustausch ermöglichen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201627 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201628 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

27 28

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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BBl 2017

4.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Das Rahmenabkommen geht nicht aus einer spezifischen Strategie des Bundesrates hervor. Es fügt sich jedoch perfekt in die Strategie «Gesundheit2020» ein, die der Bundesrat im Januar 2013 verabschiedet hat. Diese Strategie umfasst 36 Massnahmen, welche die Lebensqualität sichern, die Chancengleichheit stärken, die Versorgungsqualität verbessern und die Transparenz erhöhen sollen.

Das Ziel 4.3 der Strategie «Gesundheit2020» sieht vor, dass die internationale Einbettung zu stärken ist. Die Strategie legt dar, dass die internationale Zusammenarbeit zur hohen Qualität des schweizerischen Gesundheitssystems beiträgt und einen fairen internationalen Austausch von Informationen, Fachpersonen und Produkten sicherstellt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Er legt sie der Bundesversammlung zur Genehmigung vor, die nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig ist, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200229 [ParlG] und Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199730 [RVOG]). Im vorliegenden Fall fällt der Abschluss des Rahmenabkommens und des entsprechenden Durchführungsprotokolls nicht in die alleinige Zuständigkeit des Bundesrates. Folglich werden diese Verträge der Bundesversammlung zur Genehmigung vorgelegt.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten bzw. deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Das Rahmenabkommen und das entsprechende Durchführungsprotokoll enthalten keine Bestimmungen, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

29 30

SR 171.10 SR 172.010

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Sie enthalten jedoch eine gewisse Zahl von generell-abstrakten Bestimmungen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV auf Gesetzesstufe zu erlassen wären, wenn es sich um innerstaatliches Recht handeln würde. Das gilt beispielsweise für Artikel 6 des Rahmenabkommens zur Haftung, der namentlich festhält, welches ärztliche Haftungsrecht anzuwenden ist, und der die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die Gesundheitsfachpersonen sowie die Einrichtungen und Dienste des Gesundheitswesens vorsieht.

Demzufolge ist der Bundesbeschluss über die Genehmigung dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Der Bundesbeschluss sieht eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat vor, damit dieser allfällige nachträgliche Änderungen des Durchführungsprotokolls genehmigen kann (Art. 166 Abs. 2 BV). Es ist wichtig, dass das Durchführungsprotokoll ein flexibles Instrument bleibt, das rasch abgeändert werden kann. An den im Durchführungsprotokoll vorgesehenen Elementen und Modalitäten könnten gegebenenfalls Anpassungen erforderlich sein, namentlich aufgrund der in den Evaluationsberichten formulierten Schlussfolgerungen oder damit besser auf festgestellte Kooperationsbedürfnisse eingegangen werden kann.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

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