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Ergänzungsbericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend die Ausgabenbeschlüsse der Bundesversammlung (Vom 16. Dezember 1955)

Herr Präsident!

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Hochgeehrte Herren!

Am 4. Mai 1954 haben wir Ihnen uiisern Bericht zum Volksbegehren vom 23. September 1953 betreffend die Ausgabenbeschlüsse der Bundesversammlung unterbreitet. "Wir haben Ihnen beantragt, das Volksbegehren Volk und Ständen zur Verwerfung zu empfehlen und einen Gegenentwurf zu unterbreiten: Damit würde das bisher in der Finanzordnung enthaltene Erfordernis des qualifizierten Mehrs für einmalige Ausgaben über 5 Millionen Franken und wiederkehrende über 250 000 Franken ins dauernde Verfassungsrecht überführt und neu das fakultative Ausgabenreferenduin für Beschlüsse über einmalige Ausgaben von mehr als 30 bzw. wiederkehrende von mehr als 5 Millionen Franken vorgesehen.

Der Ständerat folgte im September 1954 im wesentlichen den bundesrätlichen Anträgen, setzte indessen die für das Ausgabenreferendum massgebenden Grenzbeträge auf 10 Millionen Franken für einmalige und 2i Millionen Franken für wiederkehrende Ausgaben fest. Abgesehen davon, dass er den Initianten den Kückzug des Volksbegehrens erleichtern wollte, sollte damit verhütet werden, dass nur ganz wenige Beschlüsse und nur solche militärischer Natur dem Ausgabenreferendum unterworfen würden.

'. ' Der Bundesrat schloss sich in der Folge der ständerätlichen :Fassung an.

Der Nationalrat seinerseits beschloss am 16. März 1955,'Volk und Ständen die Verwerfung des Volksbegehrens zu beantragen und einen Gegenvorschlag aufzustellen. Am 17.März vertagte er indessen die Detailberatung des Gegenvorschlages und verlangte vom Bundesrat vorerst einen Ergänzungsbericht im Sinne der Motion Reichling vom 15.März 1955. Diese lautete: «Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Bäten über die von ihm mit Botschaft vom 4,Mai 1954 vorgeschlagene, verfassungsmässige Ordnung der Ausgabenbeschlüsse der Bundesversammlung einen eingehenden Bericht zu erstatten.

1402 Dabei ist über die vorgesehene, gesetzgeberische Ergänzung zu der vorgeschlagenen Verfassungsnovelle sowie über die Auswirkungen der vorgeschlagenen Ordnung auf die Finanzgebarung der verschiedenen Abteilungen der Bundesverwaltung und auf die bestehende Gesetzgebung in umfassender Weise Auskunft zu geben.

Die Beratung über Geschäft 6591, Ausgabenbeschlüsse der Bundesversammlung, ist bis nach Eingang des verlangten Berichtes aufzuschrieben.» Wir beehren uns, diesem Begehren nachzukommen.

.1. Grundsätzliches zum Gegenvorschlag

Nachdem der Ständerat den Gegenvorschlag verabschiedet und der Nationalrat Eintreten darauf beschlossen hat, ist die Frage, ob überhaupt zum Arolksbegehren betreffend Ausgabenbeschlüsse der Bundesversammlung ein Gegenvorschlag aufzustellen sei, vorläufig positiv entschieden.

Da aber die Befürworter des Eückweisungsantrages im wesentlichen den Grundsatz der Ausarbeitung eines Gegenvorschlages, weniger seine Ausgestaltung zum Ziel ihrer Kritik gemacht haben, erachten wir es als angezeigt, Ihnen nochmals die Gründe in Erinnerung zu rufen, die die Aufstellung eines Gegenvorschlages erheischen.

Die Initiative hat in kurzer Zeit und ohne grosse öffentliche, Propaganda beinahe hunderttausend Unterzeichner gefunden. Es zeigt dies, dass sie Ausflugs einer recht weit verbreiteten Auffassung ist. Der Wunsch nach vermehrtem Mitspracherecht bei der Beschlussfassung über die Verwendung der öffentlichen Mittel ist verständlich. In steigendem Masse sah sich der Bund im Laufe der Entwicklung genötigt, direkte und indirekte Steuern zu erheben. Die Wechselwirkung von Finanzbedarf und Besteuerung wird damit dem Bürger nachhaltig vor Augen geführt und sein Interesse an der Ausgabenpolitik wird ein sehr direktes.

Aus diesen Gründen halten wir nach wie vor dafür, das Volksbegehren entspreche trotz offensichtlicher Schwächen dem Wunsche vieler Bürger. Besteht aber die Möglichkeit, dass die Grundgedanken des Volksbegehrens die Zustimmung einer Mehrheit finden könnten, so ist es Pflicht von Bundesrat und Bundesversammlung, einen Gegenvorschlag aufzustellen, der die Mängel des Volksbegehrens vermeidet. Volk und Ständen ist Gelegenheit zu geben, sich auf Grund einer ausgewogenen Vorlage über die Wünschbarkeit der Einführung des Ausgabenreferendums auszusprechen.

Man kann sicherlich in guten Treuen verschiedener Auffassung sein in der Frage, ob sich die Einführung des Ausgabenreferendums neben dem Gesetzesreferendum rechtfertige und einem Bedürfnis entspreche. Schon in unserem Bericht vom 4. Mai 1954 haben wir darauf hingewiesen, dass den blossen Finanzbeschlüssen normalerweise auf dem Gebiet des Bundes weder politisch noch finanziell eine grosse Bedeutung zukommt. In der Tat dienen die Ausgaben des Bundes in ihrer überwiegenden Mehrzahl zur Erfüllung der ihm durch Gesetze und all-

1403 gemein verbindliche Bundesbeschlüsse, welche ihrerseits dem Eeferendum unterstanden, übertragenen Aufgaben.

: Auch das oft beklagte Anwachsen der Ausgaben des Bundes ; ist, soweit nicht natürliche Folge der Bevölkerungszunahme und der Preissteigerungen, in erster Linie Folge der ihm mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Volkes übertragenen neuen Aufgaben.

Den gegen ; die Einführung des Finanzreferendums. auf eidgenössischem Boden vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken ist folgendes entgegenzuhalten.

Besonders mit dem Gesetzesreferendum sind die Stimmberechtigten berufen, zu Erlassen Stellung zu nehmen, welche an die Urteilskraft weit höhere Anforderungen stellen als es der Kegel nach blosse Finanzbeschlüsse tun werden. Nach aller Erfahrung sind die dem Gesetzesreferendum unterstehenden Erlasse auch in finanzieller Hinsicht viel bedeutender als die blossen Finanzbeschlüsse. Es sei hier zum Beispiel an die finanzielle Bedeutung der Bundesgesetze über die Altersund Hinterlassenenversicherung, über die Militärversicherung oder des Bundesbeschlusses über die Verteilung der Hälfte des Beinertrages i der Treibstoffzölle erinnert, alles Erlasse, deren finanzielle Bedeutung diejenige der meisten dem Eeferendum nicht unterstellten Finanzbeschlüsse der letzten Jähre bei weitem überstieg. Die Befürchtung, das Finanzreferendum übertrage den Stimmberechtigten Entscheide, die sie kaum sachgemäss treffen könnten, ist daher nicht begründet.

, : : ; 2. Die Ausgestaltung des Gegenvorschlages a. Das qualifizierte Mehr Wird anerkannt, dass die Aufstellung eines Gegenvorschlages zum Volksbegehren eine politische Notwendigkeit darstellt, so ergeben sich dessen Grundlinien zwangsläufig. Als erstes schlägt Ihnen der Bundesrat vor, die Vorschrift, dass Beschlüsse über grössere Ausgaben, für die die Volksabstimmung nicht verlangt werden- kann, der Zustimmung durch das absolute 'Mehr der Eatsmitglieder bedürfen, aus dem zeitlich begrenzten ins dauernde Verfassungsrecht überzuführen. Wie bisher soll dies gelten für Beschlüsse, die einmalige Ausgaben · von mehr als fünf Millionen oder wiederkehrende von mehr als 250 000 Franken zur Folge haben. Nachdem es sich hiebei um Verfahrensvorschriften handelt, welche seit 1950 dem geltenden Verfassungsrecht angehören, kann auf weitere Darlegungen wohl verzichtet
werden, um so mehr, als sich die Praxis dazu nach einigem Schwanken in den letzten Jahren durchwegs gefestigt hat, ,so dass in letzter Zeit kaum je streitig wurde, ob einzelne Beschlüsse der Zustimmung durch die absolute Mehrheit bedurften oder nicht. Wohl erschwert 'das vorgeschriebene Verfahren die Beschlussfassung etwas. Dieser Nachteil wird indessen mehr als aufgewogen durch das erhöhte Gewicht, das derartigen Beschlüssen zukommt, wenn klar dokumentiert wird, dass es sich nicht um Zufallsentscheide handelt. Im weitern beschränken wir uns daher ausschliesslich darauf, zur Frage des Ausgabenreferendums ergänzend Stellung zu nehmen.

1404 b. Das Finanzreferendum Nach dem bisherigen Verfassungsrecht sind den. Stimmberechtigten obligatorisch alle Verfassungsänderungen und fakultativ alle Akte der eigentlichen Eechtsetzung, Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse- allgemeinverbindlicher Natur, zur Genehmigung zu unterbreiten, ferner die Staatsverträge, soweit sie zeitlich unbefristet oder auf mehr als 15 Jahre abgeschlossen werden. Diese Ordnung bringt es mit sich, dass, auch ohne das Bestehen eines Finanzreferendums, die Stimmberechtigten zur grossen Mehrzahl aller Bundesausgaben Stellung nehmen können. Der überwiegende Teil der Ausgaben des Bundes wird gestützt auf die bestehende Gesetzgebung und in deren Vollziehung beschlossen.

Nach dem Gegenvorschlag sollen nun auch die nicht allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüsse dem fakultativen Eeferendum unterstellt werden, wenn sie einmalige Ausgaben von mehr als 10 Millionen oder wiederkehrende von mehr als 2 Millionen Franken zur Folge haben. In der Tat lässt es hier die finanzielle Bedeutung als gerechtfertigt erscheinen, das fakultative Eeferendum auch dann vorzusehen, wenn diese Beschlüsse keine Eechtsvorschriften allgemein verbindlicher Natur enthalten.

Anlass zu einigen Kontroversen gab in den Kommissionsberatungen die Frage, wie es sich mit Bundesbeschlüssen über die Genehmigung von Staatsverträgen verhalten solle. In dieser Hinsicht ist auf die Sonderregelung hinzuweisen, welche schon nach heutigem Verfassungsrecht für die Staatsverträge besteht. Nach der schweizerischen Eechtsauffassung werden Staatsverträge mit ihrer Eatifikation durch den Bundesrat unmittelbar Bestandteil des Landesrechtes. Durch den Staatsvertrag können daher gleich wie durch das Gesetz den einzelnen direkt verpflichtende Normen geschaffen werden. Der von der Bundesversammlung genehmigte Staatsvertrag ist denn, auch gleich wie ein Bundesgesetz oder ein allgemein verbindlicher Bundesbeschluss für das Bundesgericht verbindlich (Art. 113, Abs. 3, B V). Trotzdem also auch durch Staatsverträge den Bürger direkt verpflichtendes Eecht geschaffen werden kann, unterliegen Beschlüsse über die Genehmigung von Staatsverträgen dem fakultativen Eeferendum nur, wenn die zeitliche Bindung 15 Jahre übersteigt (Art. 85, Ziff. 5 und Art. 89, Abs. 3, BV).

Diese Sonderbehandlung des durch Staatsvertrag geschaffenen Eechtes findet
ihre sachliche Eechtfertigung im Gebot nach einer Stärkung der völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit der Eidgenossenschaft, vor welchem das demokratische Prinzip soweit erforderlich zurückzutreten hat.

Aus dem nämlichen Grunde ist es angebracht, die Beschlüsse über die Genehmigung von Staatsverträgen auch vom Ausgabenreferendum auszunehmen und es bei der in Artikel 89, Absatz 3, BV, getroffenen Ordnung bewenden zu lassen. Der Bundesrat begrüsst daher die vom Ständerat angebrachte Präzisierung, welcher auch die nationalrätliche Kommission beigetreten ist. Demzufolge unterliegen besonders die meist kurzfristigen Abkommen über den Wirtschafts- und Zahlungsverkehr mit andern Staaten dem Eeferendum auch dann

1405 nicht, wenn sie mit einer Kreditgewährung verbunden sind. Käme für Staatsverträge das Finanzreferendum zur Anwendung, so würde damit die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit des Bundesrates zum Schaden des ganzen Landes derart beeinträchtigt, dass der Abschluss solcher Verträge weitgehend verunmöglicht würde. Nun haben sich aber gerade diese kurzfristigen Abkommen-für die sich schon die parlamentarische Genehmigung als zu zeitraubend erwies, so dass dem Bundesrat durch den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande eine generelle Ermächtigung zur Ratifikation derartiger Abkommen erteilt werden musste - als vorzügliches Mittel unserer Wirtschaftspolitik erwiesen. Die Hauptstärke unserer bisherigen Aussenhandelspolitik lag in dieser Beweglichkeit. Diese sollte durch eine Ausdehnung des Staatsvertragsreferendums nicht in Frage gestellt werden.

i 3. Die Auswirkungen des Gegenvorschlages Vom Bundesrat ist insbesondere Auskunft verlangt worden über die Auswirkungen der vorgeschlagenen Ordnung auf die Finanzgebarung der verschiedenen Abteilungen der Bundesverwaltung und auf die bestehende Gesetzgebung.

Zum erstem darf festgestellt werden, dass die vorgeschlagene Neuordnung die Finanzgebarung der einzelnen Abteilungen überhaupt nicht berühren kann.

Ihrem Wortlaut und Sinn nach richten sich die vorgeschlagenen Bestimmungen an die Bundesversammlung und regeln, in welchem Verfahren und in welcher Rechtsform sie künftig Beschlüsse über Ausgaben zu fassen habe. Die Verwaltung ihrerseits hat zur Aufgabe, nach Massgabe der ihr mit dem Voranschlag bewilligten Kredite die; Verfassung, die Gesetze und Bundesbeschlüsse zu vollziehen.

Ob diese Beschlüsse des absoluten Mehrs bedurften oder dem Referendum unterstanden, berührt die Verwaltungsabteilungen nicht. Auch nach heutigem Verfassungsrecht fehlt ihnen die Befugnis, ohne Rechtsgrund nach eigenem Ermessen Ausgaben zu beschliessen.

Im Verhältnis zur bestehenden Gesetzgebung ist davon auszugehen, dass die neu in Vorschlag gebrachten Bestimmungen Verfahren und Kompetenzen ordnen, nach welchen künftig Bundesbeschlüsse nicht allgemein verbindlicher Natur, welche Ausgaben zur Folge haben, zu fassen sein werden. Die Verbindlichkeit der bestehenden Gesetzgebung wird davon nicht betroffen, so wenig wie durch die Einführung des fakultativen
Gesetzesreferendums im Jahre 1874 die Verbindlichkeit der vor diesem Zeitpunkt ohne Referendumsvprbehalt erlassenen Bundesgesetze aufgehoben worden ist. Ausgaben, welche die:Folge bestehender einfacher Bundesbeschlüsse sind, werden also auch künftig zu vollziehen sein, selbst wenn derartige Beschlüsse nach den neuen Vorschriften nur mit dem qualifizierten Mehr oder unter Vorbehalt des Referendums gefasst werden könnten.

Insoweit bietet die Auslegung keinerlei Schwierigkeiten. , Eine Frage, welche einer näheren Abklärung bedarf und die verschiedene Auslegungen zulässt, ist dagegen das Verhältnis der neuen Verfassungsbestimmung über das Finanzreferendum zu den gesetzlichen Rahmenbestimmungen.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. II.

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1406 Wesentliche Aufgabe eines Gesetzes ist, eine bestimmte Materie rechtlich zu ordnen, die zur Anwendung der Vorschriften zuständigen Organe und das zu befolgende Verfahren zu bestimmen. Erfüllt ein Gesetz diese Maximen, so sind die Ausgaben, welche sein Vollzug verursacht, innerhalb relativ enger Schranken der Beeinflussung durch die Vollzugsorgane entzogen. Mit der Annahme des Gesetzes ist die Bundesversammlung ermächtigt, im Voranschlag die erforderlichen Kredite zu bewilligen und in diesem Bahmen kann die Verwaltung die zur Gesetzesvollziehung notwendigen Ausgaben tätigen.

Besonders die Massnahmen des Staates auf wirtschaftlichem Gebiet mit seinen rasch wechselnden Verhältnissen führten dagegen in vermehrtem Masse zur Aufstellung blosser Bahmenbestimmungen im Gesetz, d.h. das Gesetz ordnet eine Frage materiell nicht mehr direkt und abschliessend, sondern beschränkt sich darauf, unter Angabe eines allgemeinen Zieles die Kompetenz zur materiellen Eegelung den Vollzugsorganen zu übertragen. So ermächtigen z.B. die Artikel 23 und 25 des Landwirtschaftsgesetzes den Bund, Massnahmen zu treffen, sofern der Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu kostendeckenden Preisen durch die Einfuhr gefährdet wird oder Preiszusammenbrüche drohen. Soll diese gesetzliche Kompetenz in Anspruch genommen werden, so bedarf es eines besonderen Bundesratsbeschlusses, der die materielle Ordnung enthält (vgl, z.B.

die Art. 16 bis 24 des Weinstatutes vom 18. Dezember 1958 und den Bundesratsbeschluss vom 1. April 1955 betreffend die Übernahme von inländischen Weissweinen). In steigendem Masse tritt daher an Stelle blosser Vollziehungsverordnungen neben das Gesetz die Bechtsverordnung, welche die eigentliche materielle Ordnung einer Materie enthält, während das Gesetz sich auf die Ermächtigung, diese Ordnung auf dem Verordnungswege zu erlassen, beschränkt.

Wo .das Gesetz eine Ausgabe nicht zwingend vorschreibt, sondern lediglich die Kompetenz schafft, eine gewisse Materie auf dem Verordnungsweg zu regeln und für bestimmte Zwecke Ausgaben zu beschliessen, liegen jedenfalls nicht gesetzlich gebundene Ausgaben vor. Die Ausgabe ist in mehr oder weniger grossem Umfange dem Ermessen anheimgestellt. Es bedarf eines besonderen, rechtsetzenden Beschlusses, bevor Ausgaben gestützt auf die gesetzliche Bahmenbestimmung getätigt
werden können. Bei Erlass des Gesetzes, steht keineswegs fest, ob, in welcher Höhe und in welchem Zeitpunkt gestützt auf die Bahmenbestimmung Ausgaben beschlossen werden.

Diese Umstände könnten es nahelegen, den Beschluss dem Finanzreferendum zu unterstellen, durch welchen gestützt auf die gesetzliche Bahmenbestimmung Ausgaben bewilligt werden, wenn die bewilligten Mittel die Beferendumsgrenze übersteigen. Denn erst damit wird festgelegt, dass und in welchem Umfange Ausgaben entstehen.

Gegen eine solche Betrachtungsweise lässt sich aber einwenden, dass die Bechtsgrundlage des Ausgabenbeschlusses und damit der Ausgabe selbst die gesetzliche Bahmenbestimmuhg bleibt. Die innerhalb des Bahmens einer gesetz-.

liehen Kompetenznorm erlassene Bechtsverordnung ist rechtlich dem Gesetze

1407 gleichgestellt. Mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung zu einer im .Gesetz .enthaltenen Bahmenbestirnmung ist die Ermächtigung verbunden, innerhalb dieses Eahmens auf dem Verordnungswege Eecht zu setzen und die zur Anwendung dieses Yerordmingsrechtes erforderlichen Mittel zu bewilligen wie die gesetzlich gebundenen. Für diese Auslegung spricht ferner der Umstand, dass der Weg der Bahmengesetzgebung zwangsläufig dort gewählt wird, wo eine rasche Anpassung des Rechts an wechselnde Verhältnisse gefordert werden muss, dort, WQ es darum geht, dass rasch gehandelt und den jeweiligen Verhältnissen begegnet werden kann. Es hat sich als ausgeschlossen erwiesen, in dem auf die Schaffung "dauernder Xormen zugeschnittenen Gesetzgebungsverfahren alle Möglichkeiten abschliessend zu ordnen.

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Zweck des Rahmengesetzes ist es gerade, durch vereinfachtes Rechtsetzungsverfahren die erforderliche Raschheit und Anpassungsfähigkeit zu;.erreichen.

Wo das Gesetz nur die Kompetenz zu Ausgaben schafft, ohne sie nach Art und Rahmen genau zu umschreiben, will es den Ausführungsorganen die Freiheit einräumen, das unter wechselnden Arerhältnissen Richtige, vorzukehren. Diese gewollte Freiheit bezieht sich auch auf die Bewilligung der erforderlichen Ausgaben.

Würde dagegen verlangt, dass von einer Rahmenbestimmung nur Gebrauch gemacht werden dürfte, wenn vorgängig die Ausgaben durch einen besonderen, gegebenenfalls dem Finanzreferendum unterliegendenBeschluss bewilligt wurden, dass also das ordentliche Rechtsetzungsverfahren Platz greift, .sobald Ausgaben von einer gewissen Höhe in Frage stehen, so würde die durch den Erlass blosser Rahmenbestimmungen gewollte Raschheit und Beweglichkeit wieder preisgegeben. Diese Überlegungen müssen nach Auffassung des Bundesrates dazu führen, dass Ausgaben, welche auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung oder eines auf solcher Grundlage beruhenden Ausführungserlasses getätigt werden, dem Ausgabenreferendum nicht unterstehen. Findet eine Ausgabe in der bestehenden Gesetzgebung ihre Rechtsgrundlage, so fällt die Bewilligung der erforderlichen Kredite in das Budgetrecht der Bundesversammlung und ist damit nach dem Gegenvorschlag ausdrücklich vom Finanzreferendum ausgenommen.

Dabei wird es Sache der Bundesversammlung sein, im Einzelfall zu bestimmen, ob eine solche
gesetzliche Ermächtigung zur Kreditbewilligung vorliege.

Dieser Aufgabe kann sich die Bundesversammlung nicht entziehen, sie kann ihr aber auch nicht streitig gemacht werden.

Die Einführung des Ausgabenreferendums wird daher in der Urnen bean- , tragten Formulierung keine Auswirkungen auf die bestehende Gesetzgebung zeitigen. Seine Bedeutung liegt darin, dass inskünftig Ausgaben ohne besondere gesetzliche Ermächtigung in einem die Referendumsgrenze übersteigenden Umfange nicht mehr unter Ausschluss des Mitspracherechtes 'der Stimmberechtigten beschlossen werden können.

Damit sollten auch die vorab aus landwirtschaftlichen Kreisen geäusserten Befürchtungen zerstreut sein, dass die Einführung des Ausgabenreferendums zu einer Erschwerung oder Lähmung der Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes führen werde. Denn wo dieses Gesetz Ausgaben ausdrücklich vorsieht, oder doch

1408 den Bund zu solchen ermächtigt, ist es nach der ausdrücklichen Vorschrift der Artikel 101 und 117 LG vorbehaltlich des Budgetrechtes der Bundesversammlung Sache des Bundesrates, die finanziellen Leistungen im Einzelfalle zu bemessen und gestützt auf die gesetzlichen Ermächtigungen auf dem Verordnungswege Eecht zu setzen. Daran wird nichts geändert.

4. Das Ausführungsgesetz Wir haben in unserem Bericht vom 4. Mai 1954 den Erlass eines Ausführungsgesetzes als notwendig bezeichnet, da sich nicht alle wünschbaren Präzisierungen im Verfassungstext selber anbringen Hessen. Gerade die in der Zwischenzeit aufgeworfenen Kontroversen betreffend der gestützt auf gesetzliche Delegationen beschlossenen Ausgaben erhärten diese Ausführungen.

Ferner ist es angezeigt, das Abstimmungsverfahren für Bundesbeschlüsse, die der Zustimmung durch die Mehrheit aller Mitglieder bedürfen, gesetzlich zu ordnen.

Die Vorarbeiten zu einem Ausführungsgesetz sind soweit gefördert, dass im Falle der Annahme des Gegenvorschlages zum Initiativbegehren durch Volk und Stände der Bundesversammlung ohne Verzug ein Entwurf unterbreitet werden kann.

In materieller Hinsicht wird im Ausführungsgesetz der Begriff der Ausgabe von dem der Vermögensanlage abzugrenzen sein. Ferner wird bestimmt werden müssen,
Alles in allem handelt es sich um die Aufstellung von Vorschriften, die für eine möglichst reibungslose Anwendung der neuen Verfassungsbestimmung als wünschbar erscheinen, immerhin aber nur um Vorschriften vorwiegend technischer Natur. Die grundsätzlichen Fragen dagegen sind mit dem Verfassungsartikel zu lösen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 16.Dezember 1955.

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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