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Bundesratsbeschluss betreffend

die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für das Bildhauer- und Grabmalgewerbe der deutschen Schweiz (Vom 4. April 1955)

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 8, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 28. Juni 1943 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst :

Art. l Die im Anhang wiedergegebenen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 1.November 1954 für das Bildhauer- und Grabmalgewerbe der deutschen Schweiz werden allgemeinverbindlich erklärt.

2 Für den Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Vorschriften und vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

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A t. 2 Dieser Beschluss gilt für das Gebiet der Kantone Zürich, Bern (ausgenommen die Amtsbezirke Courtelary, Delsberg, Freibergen, Münster, Neuenstadt und Pruntrut), Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Glarus, Zug, Solothurn, Baselland, Schaffhausen, Appenzell A.-Eh., Appenzell I.-Rh., St. Gallen, Graubünden (ausgenommen die Bezirke Bernina und Moësa sowie der Kreis Bergell), Aargau und Thurgau.

2 Er findet Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Unternehmungen des Bildbauer- und Grabmalgewerbes und ihren gelernten, angelernten und ungelernten Arbeitnehmern, ausgenommen die Lehrlinge im Sinne des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1980 über die berufliche Ausbildung.

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Art. 3 Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den vertragschliessenden Verbänden nicht angehören, können gegen Massnahmen dieser Verbände oder der im Ge-

618 samtarbeitsvertrag vorgesehenen Organe beim Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Beschwerde fuhren.

Art. 4 Der Beschluss tritt mit der amtlichen Veröffentlichung m Kraft und gilt bis zum 81. Dezember 1956.

Bern, den 4. April 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident Max Petitpierre 2068

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

614 Anhang Gesamtarbeitsvertrag für das Bildhauer- und Grabmalgewerbe der deutschen Schweiz abgeschlossen am 1. November 1954 zwischen

dem Verband schweizerischer Bildhauer- und Grabmalgeschäfte, einerseits, und dem Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband sowie dem Christlichen Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz, anderseits.

Allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen

Arbeitszeit

Ziff. 2 Die normale wöchentliche Arbeitszeit beträgt 48 Stunden. Der Samstagnachmittag ist frei.

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löhne

a.

b.

c.

d.

e.

/.

Ziff. 3 Die Minimallöhne einschliesslich Teuerungszulagen betragen :

Bildhauer Schriftenhauer, Marmoristen, Polisseure Stein- und Granithauer Fräser Säger Hilfsarbeiter

Zone I

Zone II

86 70 75 2.60 2.45 2.11

2.65 2.50 2.55 2.40 2.25 1.96

* Die Zoneneiriteilung erfolgt nach dem Ortschaftenverzeichnis für die Übergangsrenten der AHV. Zone I gilt als städtisch, Zone II halbstädtisch und ländlich. Der Ort der Unternehmung ist für die Zoneneinteilung massgebend.

6 Nach Abschluss der Lehrzeit erhalten die jungen Arbeiter mit Lehrausweis im ersten Jahr nach der Lehre 10 Prozent weniger, im zweiten Jahr 5 Prozent weniger als den Minimallohn gemäss Absatz l.

6 Arbeiter mit Lehrausweis gelten als gelernte Arbeiter. Ihnen gleichgestellt sind diejenigen, die doppelt so lange als die Lehrzeit gedauert hätte, im Beruf gearbeitet und sich als" Berufsarbeiter bewährt haben.

Angelernte Fräser und Säger erhalten nach zwei Jahren den Minimallohn gemäss Absatz 1.

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Wird der Arbeiter in einer tiefer entlöhnten Berufsarbeit verwendet, SQ bezieht er trotzdem seinen Berufslohn. Bei dauernder Versetzung kommt diese Bestimmung nicht zur Anwendung.

Ziff. 4 Für Überzeitarbeit wird ein Lohnzuschlag von 25 Prozent vergütet. Lohnzuschläge Als Überzeitarbeit gilt die Arbeit zwischen der normalen Arbeitszeit und der Nachtarbeit gemäss Absatz 2 sowie am Samstagnachmittag bis 17 Uhr.

2 Für Nacht- und Sonntagsarbeit wird ein Lohnzuschlag von 100 Prozent vergütet. Als Nachtarbeit gilt die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr, als Sonntagsarbeit die Arbeit in der Zeit von Samstag 17 Uhr bis Montag 6 Uhr sowie an örtlichen Feiertagen.

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Ziff. 5 Der Arbeitgeber hat das Werkzeug zur Verfügung zu stellen. Benützt der Arbeiter auf Verlangen des Arbeitgebers eigenes Werkzeug, so ist er a dafür besonders zu entschädigen.

Ziff. 6 Durch auswärtige Arbeit darf der Arbeiter nicht schlechter gestellt werden, als wenn er am Domizil der Unternehmung arbeitet.

2 Es sind die folgenden Spesen zu vergüten: Fr.

a. bei ganztägiger Abwesenheit mit täglicher Heimkehr . . . 8.50 b. ohne tägliche Heimkehr mit Übernachten 9.-- c. die Fahrkosten.

3 An Orten, wo diese Entschädigung die Kosten nicht zu decken vermag, sind gegen Vorlage der Rechnung die tatsächlich entstandenen Kosten zu vergüten.

4 Fahrt- und Wartezeit ausserhalb der täglichen normalen Arbeitszeit wird mit dem vollen Lohn (ohne Überzeitzuschläge) vergütet.

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werkzeug-

entschädigung

Zulagen für auswärtige Arbeit

Ziff. 7 Die Lohnzahlung findet wöchentlich, längstens jedoch alle 14 Tage statt; sie muss vor Schluss der Arbeitszeit beendet sein.

2 Am Zahltag darf nicht mehr als der Lohn für die letzten drei Arbeitstage ausstehend bleiben.

3 Die Auszahlung hat unter Beifügung -einer detaillierten schriftlichen Abrechnung, aus der auch die Abzüge ersichtlich sind, zu geschehen.

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Ziff. 8 Sozialversicherung

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Ferien

Feiertagstrad AbsenzentschäcUgungen

Schwarzarbeit

Der versicherungsfähige Arbeitnehmer muss einer Krankengeldversicherung angehören. Die Wahl des Versicherungsträgers ist Sache der direkten Verständigung zwischen den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

4 Die Krankengeldversicherung hat ein tägliches Krankengeld von 10 Franken und eine Genussrechtsdauer von 860 Tagen innerhalb von 540 aufeinanderfolgenden Tagen und bei Erkrankung an Tuberkulose von 1800 Tagen innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Jahren vorzusehen, wobei die Karenzzeit nicht länger als 3 Monate und die Wartefrist nicht länger als 2 Tage dauern dürfen.

6 Für die Prämien dieser Krankengeldversicherung hat der Arbeitgeber aufzukommen. Dadurch ist die ihm gemäss Artikel 835 des Obligationenrechts obliegende Lohnzablungspflicht im Krankheitsfalle des Arbeitnehmers abgelöst. Soweit der Arbeitnehmer zufolge Krankheitsanlagen bei Versicherungseintritt von der Krankengeldversicherung ausgeschlossen wurde, gilt im Krankheitsfalle Artikel 385 des Obligationenrechts.

Ziff. 9 , 1 Jeder Arbeiter hat Anspruch auf bezahlte Ferien im Ausmass von 4 Prozent des Bruttolohnes.

2 Über den Antritt der Ferien hat sich der Arbeiter mit dem Arbeitgeber rechtzeitig zu verständigen. Die Ferien müssen bezogen und dürfen in keiner Form abgelöst werden (Ausnahme siehe Art. 11).

Ziff. 10 Je Kalenderjahr werden dem Arbeiter für sechs gesetzliche Feiertage, .die auf einen Werktag fallen, folgende Entschädigungen bezahlt : a. an Ledige 14 Franken pro Feiertag; b. an Verheiratete 17 Franken pro Feiertag.

2 Es werden folgende Absenzen mit dem vollen Tagesverdienst vergütet : o. bei Geburt ehelicher Kinder l Tag b. bei Tod eigener Kinder oder des Ehegatten 2 Tage c. bei Tod der Eltern l Tag d. bei Heirat l Tag e. bei Waffen- und Äusrüstungsinspektionen, sofern am andern Halbtag gearbeitet wird und die Möglichkeit dazu besteht yz Tag 1

· · · · ' . Ziff. 1 1 · · · .

Den Arbeitern ist die Ausführung jeglicher Berufsarbeit für Drittpersonen (wie Private, Baumeister, Architekten, Baubüros) in der Freizeit oder in den Ferien untersagt. Der Arbeiter kann nach erfolgloser schriftlicher Verwarnung fristlos entlassen werden.

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Der Arbeitgeber hat die Arbeiter, die Schwarzarbeit ausführen, der paritätischen Berufskommission schriftlich zu melden. Diese ist berechtigt, nach einmaliger schriftlicher Verwarnung die allenfalls den betreffenden Arbeitern noch zu bezahlenden Ferienentschädigungen für eine bestimmte Zeit, höchstens jedoch für ein Jahr, vom Arbeitgeber zu verlangen.

Ziff. 12 1 Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt 14 Tage. Dieselbe gilt auch im überjährigen Dienstverhältnis. Die Kündigung kann an jedem Zahltag erfolgen.

2 Die ersten zwei Wochen nach Arbeitsantritt gelten als Probezeit, während welcher das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Kündigungsfrist gelöst werden kann.

Ziff. 13 Der Arbeiter hat die Arbeit mit Sorgfalt auszuführen. Er ist für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt.

Ziff. 14 1 Zur Durchführung und Kontrolle der Vertragsbestimmungen wird eine paritätische Berufskommission gebildet. Der Arbeitgeberverband, und die Arbeitnehmerverbände gemeinsam ordnen je vier Vertreter in diese Kommission ab. Die Kommission hat jedes Jahr ihren Präsidenten zu wählen; im übrigen organisiert sie sich selbst.

2 Sie fasst ihre Beschlüsse mit absolutem Mehr der vertretenen Stimmen.

3 Die paritätische Kommission kann Kontrollen über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen durchführen.

4 Bei Nichterfüllung gesamtarbeitsvertraglicher Leistungen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese sofort in vollem Umfange zu erbringen. Überdies hat er eine Konventionalstrafe in der Höhe von 25 Prozent der geschuldeten Nachzahlungen in die Kasse der paritätischen Berufskommission für das Bildhauer- und Grabmalgewerbe einzuzahlen.

Nachzahlungen an die Arbeiter haben ebenfalls in diese Kasse zu erfolgen ; sie werden den Arbeitern direkt von der paritätischen Berufskommissioh überwiesen.

5 ...

" ' ' 6 Zum Inkasso und, wenn nötig, zur rechtlichen Geltendmachung der Konventionalstrafen gemäss Absatz 4 sowie zur Einverlangung der Beträge gemäss Ziffer 11, Absatz 2, sind die vertragschliessenden Verbände berechtigt, welche diese für die paritätische Berufskommission als anspruchsberechtigt einziehen. Diese Beträge werden zur Deckung der Kontrollkosten verwendet.

Kündigung

Sorgfaltapflicht

Jierufskommission

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Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für das Bildhauer- und Grabmalgewerbe der deutschen Schweiz (Vom 4. April 1955)

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1955

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14.04.1955

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612-617

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