33 # S T #

N o

2

Bundesblatt 107. Jahrgang

Bern, den 13. Januar 1955

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im -Jahr, I ß Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

# S T #

6754

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Abänderung des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (Vom 7. Januar 1955) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einer Abänderung der Artikel 40 und 114 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen mit folgender Botschaft vorzulegen.

I. Allgemeines Mit der Verschuldung der schweizerischen Landwirtschaft und der Hilfe für die unverschuldet in Not geratenen Landwirte haben sich sowohl die eidgenössischen und kantonalen Behörden als auch die direkt beteiligten Kreise und eine weitere Öffentlichkeit seit vielen Jahren beschäftigen müssen. Die schwierige Angelegenheit bildete denn auch schon mehrfach Gegenstand einlässlicher Prüfung und entsprechender gesetzlicher Erlasse. Wir erinnern insbesondere an die Botschaften vom 7. September 1928 über eine vorübergehende Bundeshilfe zur Milderung der Notlage in der schweizerischen Landwirtschaft, vom 25. August 1932 betreffend eine vorübergehende Kredithilfe für notleidende Bauern, vom 22. Dezember 1933 und vom 22. Februar 1935 über die Fortsetzung und Erweiterung dieser Kredithilfe sowie vom 23. Juni 1936 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe. Diesen Botschaften lagen ausgedehnte Erhebungen zugrunde und beleuchteten die Angelegenheit so umfassend, dass wir uns in den folgenden Ausführungen zur Hauptsache auf die aktuellen Fragen beschränken können.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. I.

3

34

u. Betrachtungen über die Verschuldung in der Landwirtschaft Es ist leider Tatsache, dass der landwirtschaftliche Grund und Boden seit etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts mit nur vereinzelten Unterbrüchen einer zunehmenden Verschuldung ausgesetzt ist. Es trifft dies übrigens auch für die Grosszahl der andern europäischen Länder zu.

Vor dem letzten Weltkrieg, d. h. hei der Ausarbeitung des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen, schätzte man die Zahl der in der Schweiz überschuldeten landwirtschaftlichen Heimwesen auf ungefähr 20 000 oder annähernd 10 Prozent sämtlicher Betriebe.

Nach den Schätzungen des Schweizerischen Bauernsekretariates entwickelte sich die Verschuldung unserer Landwirtschaft im Verlaufe der letzten Jahrzehnte wie folgt: 1911 Mio Fr.

1926 Mio Fr.

1939 Mio Fr.

1952 Mio Fr.

Aktivkapital 8853 10905 10900 13120 Eigenes Kapital 5 074 6 758 5 650 6 610 Fremdes Kapital 3 779 4 147 5 250 6 510 Vom fremden Kapital entfielen auf : Grundpfandschulden 3324 3642 4600 5700 Andere verzinsliche Schulden (1. und 4. Klasse, Art. 219 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes) . . .

313 352 490 640 Kurrentschulden 5. Klasse, Art. 219 des Schuldbetreibungsund Konkursgesetzes) 142 153 160 170 Die Viehpfandschulden betrugen auf Grund von Erhebungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes : Zahl der Verschreibungeri Pfandschulden in 1000 Franken

1948

1951

1954

5 662 12 575

6 372 16 624

6 594 19 647

Auf Grund dieser Zahlen könnte man auf den ersten Blick zum Schlüsse kommen, die wirtschaftliche Lage unserer Landwirtschaft habe sich seit den dreissiger Jahren weiter verschlimmert und die ergriffenen Stützungsmassnahmen seien wirkungslos geblieben. Eine solche Schlussfolgerung wäre indessen - auf die Landwirtschaft als Ganzes bezoges - unzutreffend. Wenn die Grundpfandlasten zugenommen haben, so ist auf der andern Seite auch der Wert des Boden- und Gebäudekapitals sowie des Inventars beträchtlich gestiegen. Die in den landwirtschaftlichen Heimwesen investierten Kapitalien (Total des Aktivkapitals) haben sich nämlich von 10 905 Millionen Franken im Jahre 1926 auf 13 120 Millionen Franken im Jahre 1952 erhöht, wobei allerdings auch der Geldentwertung Rechnung zu tragen ist. Ferner ist in der gleichen Zeitperiode eine namhafte Senkung des durchschnittlichen Zinsfusses für

35 Hypothekaranlagen, nämlich von 5,34 Prozent auf 3,5 Prozent eingetreten, so dass trotz der Zunahme der Verschuldung der Zinsendienst heute weniger drückend ist als früher. Bei den Produktionskosten je ha gingen denn auch die Zinsansprüche des Aktivkapitals von 24,5 Prozent in den Jahren 1923/1930, 24,97 Prozent 1935/1938 auf 14,19 Prozent im Jahre 1952 zurück.

Dafür sind aber die Preise der landwirtschaftlichen Produktionsmittel, wie Arbeitslöhne, Kosten der Neubauten und des Gebäudeunterhaltes, Geräte und Maschinen, die Handwerkertarife usw., beträchtlich gestiegen. Seit der Aufhebung der kriegswirtschaftlichen Vorschriften gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schütze der Pächter (Bundesratsbeschluss vom 19. Januar 1940) und der Ablösung durch das Bundesgesetz vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes sind ferner die Preise landwirtschaftlicher Heimwesen in beunruhigendem Ausmass gestiegen, soweit es sich nicht um Handänderungen im Erbgang und im Eahmen des Vorkaufsrechtes handelt. Hier liegt für wenig kapitalkräftige Käufer eine neue Quelle der Überschuldung vor.

Gewiss dürfte es während und unmittelbar nach dem Kriege vielen Landwirten dank der Festigung der Produktenpreise, hoher Ernten und guter Absatzgelegenheiten möglich gewesen sein, übermässige finanzielle Lasten auf ein erträgliches Mass abzubauen und sich so aus eigener Kraft zu entschulden.

Dies zu verallgemeinern, wäre indessen irrig. Die landwirtschaftlichen Produktenpreise wurden auch während des Krieges im allgemeinen nur im Rahmen nachgewiesener Kosten erhöht. Die relative Kaufkraft landwirtschaftlicher Produkte für den Bezug der Bedarfsartikel der Bauernfamilie oder für den Ankauf landwirtschaftlicher Produktionsmittel erfuhr somit keine Veränderung.

Ferner erforderte die rasche Ausdehnung des Ackerbaues mannigfache Aufwendungen, so namentlich den Ankauf zusätzlicher Zugkräfte und Maschinen.

Viele Bauern waren genötigt, Gebäudereparaturen, die zufolge der Vorkriegskrise hinausgeschoben werden mussten, nachzuholen. In den letzten Jahren kam es verschiedentlich zu Absatzschwierigkeiten, gefolgt von Preisdruck, und grosse Lasten brachte die Bekämpfung der Eindertuberkulose. Solange jedoch den Kosten entsprechende Produktenerlöse zu erzielen sind und der Verschuldungsgrad nicht
erneut ernstere Formen annimmt, dürfte die Lage hinsichtlich der Kapitalverhältnisse in der Landwirtschaft im allgemeinen als ziemlich stabilisiert bezeichnet werden können. Bei jenen Bauern aber, die schon vor dem Kriege eine übergrosse Schuldenlast zu tragen hatten, wird sich die Situation nicht entscheidend gebessert haben.

Notwendigkeit einer Hilfeleistung Nach Auffassung der kantonalen Bauernhilfsorganisationen und weiterer mit den Verhältnissen vertrauter Kreise soll denn auch tatsächlich die Zahl der überschuldeten Heimwesen nur unbedeutend abgenommen haben. Namentlich in weniger ertragreichen Gebieten, insbesondere in Berggegenden, die sich ein-

36

seitig nur für die Viehzucht und Viehhaltung eignen, ist sie verhältnismässig immer noch recht gross. Die Betriebe sind entweder hypothekarisch überlastet, oder es überschreiten die Kurrentschulden die Grundsteuerschatzung und demgemäss den Ertragswert. Da in unserm Lande Klein- und kleine Mittelbauernbetriebe vorherrschen, bei denen ein grosser Teil der Produktion der Selbstversorgung dient, genügen die Erträgnisse solcher Heimwesen für sich allein, d. h. ohne Nebenverdienst nicht, um kinderreichen Familien normale Existenzbedingungen zu bieten. Es versteht sich, dass diese Betriebe im Falle unbefriedigender Ernten, bei ungenügenden Produktenpreisen und Absatzschwierigkeiten oder wenn Missgeschicke in Familie und Stall oder andere Schicksalsschläge vorkommen, sehr empfindlich sind.

Es ist daher einigermassen verständlich, dass immer mehr kleine Heimwesen aufgegeben werden, eine steigende Zahl junger Leute sich von der Landwirtschaft abwenden und in andere Berufe übertreten. Anlass zu besondern Bedenken gibt die schon mehrfach festgestellte Entvölkerung von Bergtälern mit mehrheitlich landwirtschaftlichen Erwerbstätigen. Eine bedeutende Zahl von Klein- und Bergbauern sind nicht nur wirtschaftlich schwach, sondern wirklich notleidend. Wegen ungenügender finanzieller Voraussetzungen können sie von den betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten einer Erholung auch nur ungenügend Gebrauch machen.

Um dem Mangel an Arbeitskräften zu begegnen und die Arbeiten zu erleichtern, sollten auch die kapitalschwachen Betriebe in die Lage versetzt werden, wenigstens die unentbehrlichsten Maschinen zu beschaffen. Von besonderer Dringlichkeit sind sodann die gesundheitliche Sanierung und züchterische Verbesserung der Tierbestände,' ferner die Vornahme von Bodenverbesserungen verschiedenster Art. In vielen Fällen sind solche Verbesserungen für die Bentabilität eines Betriebes direkt entscheidend. Wohl werden für die Sanierung von Viehbeständen, von ungesunden Stallverhältnissen, für Meliorationen usw. schon öffentliche Mittel von Bund und Kantonen eingesetzt; aber leider gibt es immer wieder Fälle, wo die Bauern selbst die grösste Mühe haben, das Geld für die Bestkosten aufzubringen, ohne sich noch weiter zu verschulden. So kommen sie aus den anhaltenden Schwierigkeiten überhaupt nicht mehr heraus.

m. Die Entschuldung
Man wird sich nun aber fragen, weshalb bei derartigen Verhältnissen nur wenige Kantone und eine nur sehr beschränkte Zahl von Landwirten von den Möglichkeiten einer nachhaltigen Entschuldung gemäss Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 Gebrauch gemacht haben. Nur 6 Kantone, nämlich Zürich, Bern, Luzern, Solothurn, Baselland und Neuenburg haben sich zur Durchführung der Entschuldung entschlossen, und für die kapitalmässige Sanierung von ungefähr 70 Betrieben werden wahrscheinlich nicht mehr als 2 Millionen Franken benötigt. Das Gesetz hätte aber die Möglichkeit geboten, im Verlaufe von 20 Jahren einen eidgenössischen Entschuldungsfonds von 100 Millionen Franken zu schaffen.

37

Wenn wir nun im folgenden versuchen, den Gründen nachzugehen, so hat sich offenbar eine grosse Zahl notleidender Landwirte der Hoffnung hingegeben, es würde ihnen aus eigener Kraft gelingen, den Schuldenberg allmählich abzutragen. So Hessen sie die gesetzlich festgelegte Frist von 5 Jahren verstreichen, ohne die Entschuldung zu verlangen.

Die Kantone Obwalden und Appenzell I.-Eh. waren auf das Entschuldungsverfahren insofern nicht angewiesen, weil bei ihnen dank der im Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch vorgesehenen Belastungsgrenze eine hypothekarische Überschuldung nicht besteht. In andern Formen sind aber auch in diesen zwei Kantonen die Schulden nicht weniger gross.

Im Tessin und Wallis sowie in gewissen Gegenden Graubündens bestehen keine Hypothekar-, wohl aber grosse Kurrentschulden; sehr belastend wirken überdies die Güterzerstückelung und die Kleinheit der Grundstücke.

Andere Kantone verzichteten auf die Anwendung des Gesetzes, weil sie befürchteten, die notwendigen Kredite für die kantonalen Leistungen nicht oder nur unter grossen Schwierigkeiten zu erhalten.

In einigen Kantonen bestand zufolge einer zu weitgehenden Auslegung des Artikels 115 des Entschuldungsgesetzes die Hoffnung, schliesslich doch auf einen Ausgleichsbeitrag des Bundes zählen zu können. Nun ist aber im Sinne des Gesetzgebers die Gewährung dieses Ausgleiches auf Kantone beschränkt, die infolge einer geringen Verschuldung des landwirtschaftlichen Grund und Bodens eine Entschuldung nach dem Gesetz nicht oder nur in beschränktem Umfange durchführen und deshalb aus dem eidgenössischen Entschuldungsfonds keinen oder nur einen geringen Beitrag erhalten.

Schliesslich hat die Mehrheit der notleidenden Bauern selbst in den Kantonen, die die Entschuldung durchführen, auf diese Massnahmen wegen der Schwerfälligkeit des Verfahrens, gewissen strengen Vorschriften, wie Schuldenruf im Amtsblatt, verzichtet. Sie befürchteten auch die Einschränkungen, die ihnen das Verfahren während mindestens 20 Jahren auferlegen würde.

Das sind die hauptsächlichsten Gründe, die zu einer nur sehr beschränkten Auswirkung des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen führten.

IV. Abänderung des Gesetzes vom 12. Dezember 1940

Bei der Ausarbeitung des Gesetzes vom 12. Dezember 1940 wurde angenommen, nach der allgemeinen Durchführung der Entschuldung entspreche die in den Jahren 1932 bis 1934 eingeführte und seither fortgesetzte Kredithilfe keinem Bedürfnis mehr. Man hat daher im Sinne einer vorübergehenden Massnahme und in Kücksicht auf die Anmeldefrist von 5 Jahren mit dem Artikel 114 die Fortsetzung der Kredithilfe auf 7 Jahre beschränkt. Das Entschuldungsgesetz trat am 1. Januar 1947 in Kraft, und demgemäss ist diese Periode von 7 Jahren am 31. Dezember 1953 zu Ende gegangen.

38

Diese neue Lage erfordert aus verschiedenen Gründen eine Abänderung des Gesetzes vom 12. Dezember 1940. Einmal ist es unnötig, durch jährliche Einlagen von 5 Millionen Franken den Entschuldungsfonds weiterhin zu speisen; die bis heute vollzogenen Einlagen im Gesamtbetrag von 30 Millionen'Franken überschreiten nämlich schon um vieles die für die Erledigung der wenigen Gesuche nötigen Beträge. Es handelt sich also darum, eine überflüssig gewordene gesetzliche Verpflichtung aufzuheben. Bereits mit Beschluss vom 30. Dezember 1952 hat übrigens der Bundesrat die Vorschriften der Verordnung vom 16. November 1945 betreffend den Ausgleich gemäss Artikel 115 des Entschuldungsgesetzes aufgehoben.

In diesem Zusammenhang müssen wir daran erinnern, dass die Bestimmung über die Äufnung eines Entschuldungsfonds von 100 Millionen Franken durch 20 jährliche Einlagen von je 5 Millionen Franken den Zweck hatte, eine noch stärkere Belastung des Bundes zu vermeiden. Man war nämlich ursprünglich der Meinung, ohne die deutliche und durch einen Fonds markierte Begrenzung auf 100 Millionen Franken würde der Aufwand für die bäuerliche Entschuldung beträchtlich darüber hinausgehen. Nachdem sich aber zeigt, dass die Aktion nur etwa 2 Millionen Franken erfordert, sind die Begrenzung auf 100 Millionen Franken und die Äufnung eines entsprechenden Entschuldungsfonds hinfällig geworden.

Die Einlagen in den Fonds sind zwar keine eigentlichen Ausgaben des Bundes, aber doch Aufwendungen, die seine Vermögenslage verschlechtern, denn sie beeinflussen auch seine Bilanz. Der Entschuldungsfonds figuriert, wie die übrigen Bückstellungen des Bundes, unter den Passiven; er vergrössert demgemäss den Fehlbetrag der Bilanz. Diese Verschlechterung der Vermögenslage muss als unerwünscht bezeichnet werden. Wir schlagen deshalb vor, die Bestimmung in Artikel 40 des Gesetzes über die jährliche Speisung des Entschuldungsfonds aufzuheben und es bei den bisherigen Einlagen von zusammen 30 Millionen Franken bewenden zu lassen.

Im Entschuldungsgesetz ist jedoch noch ein zweiter Fonds vorgesehen, der Kredithilfefonds. Nach Artikel 114 des Gesetzes hatte der Bund die Möglichkeit, während 7 Jahren je bis zu 3 Millionen Franken für diesen Zweck zu verwenden bzw. in diesen Fonds einzulegen. Die Bedürfnisse waren aber viel geringer, und so betrugen die
Einlagen gesamthaft nur 3,2 Millionen Franken.

Davon sind in den Jahren 1947 bis 1953 1168 215 Franken verbraucht worden, so dass der Fonds zurzeit noch einen Bestand von 2 031 785 Franken aufweist.

Nun besteht ein offensichtliches Bedürfnis, die Kredithilfe nicht abzuschliessen, sondern fortzusetzen und zu diesem Zweck den erwähnten Aktivsaldo des Kredithilfefonds für weitere Beiträge des Bundes zu verwenden. Die Ausrichtung solcher Beiträge hängt aber nicht nur davon ab, ob Mittel zu ihrer Deckung zurückgestellt worden sind, sondern ob der Bund zur Ausrichtung überhaupt noch befugt ist. Hiefür bedarf es nun einer gesetzlichen Ermächtigung-

39 Schon vor einigen Jahren hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Arbeiten für eine Eevision des Entschuldungsgesetzes aufgenommen, und ein entsprechender Entwurf vom Jahre 1953 liegt bereits vor.

Im wesentlichen handelt es sich darum, die Voraussetzungen für eine Weiterführung der Kredithilfe zugunsten einzelner notleidender Bauern zu schaffen und die betreffenden Vorschriften an die gegenwärtigen Verhältnisse besser anzupassen.

Der Gesetzesentwurf wurde den Kantonen und den verschiedenen Wirtschaftsgruppen zur Vernehmlassung zugestellt. Im allgemeinen erfolgte Zustimmung; aber es ergaben sich doch einige Meinungsverschiedenheiten, die noch der weitern Abklärung bedürfen, bevor die Gesamtrevision den eidgenössischen Räten unterbreitet werden kann.

Notwendigkeit einer Übergangslösung Nachdem nun der Bund seit dem 1. Januar 1954 und bis zum Inkrafttreten des revidierten Gesetzes tatsächlich keine gesetzliche Grundlage mehr hat, um die Kredithilfe fortzusetzen, ist eine Zwischenlösung aktuell geworden.

Wenn auch die Mehrzahl der kantonalen Bauernhilfskassen noch über nennenswerte Geldmittel verfügen, so gibt es andere, die aus Mangel daran gezwungen sind, ihre Tätigkeit stark einzuschränken. Vor allem in einigen Bergkantonen haben die Bauernhilfskassen keine liquiden oder nur sehr unzureichende Kapitalien, um helfend einzuspringen, während doch noch zahlreiche Fälle vorliegen, wo eine Hilfe dringend notwendig ist. Die Fortsetzung der Kredithilfe zugunsten der notleidenden Bauern ist übrigens bei der Umfrage über die Gesetzesrevision von der Mehrheit der Kantone und der Wirtschaftsorganisationen sowie vom Schweizerischen Bauernverband, der Arbeitsgemeinschaft der Bergbauern und den kantonalen Bauernhilfskassen als nötig anerkannt worden. In dieser Sache sind auch verschiedentlich Eingaben an den Bundesrat gerichtet worden. Konkrete Gesuche aus den Kantonen Schwyz, Uri und Nidwaiden und Wallis musste die Abteilung für Landwirtschaft mangels gesetzlicher Unterlagen ablehnen. Schliesslich erinnern wir an die in der gleichen Angelegenheit von Nationalrat A.Wagner in der Junisession 1954 gestellte Kleine Anfrage.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass der Kredithilfefonds Ende 1953 noch einen Bestand von etwas über 2 Millionen Franken aufzuweisen hatte, und es ist nun Zweck
der Vorlage, Artikel 114 des Entschuldungsgesetzes in dem Sinne zu ergänzen, dass man diese Mittel weiterhin zur Hilfeleistung zugunsten notleidender Bauern verwenden und das Hilfswerk weiterführen kann. Ferner muss mit der Übergangslösung der Bund von der Verpflichtung, den Entschuldungsfonds durch jährliche Einlagen von je 5 Millionen Franken zu speisen, befreit werden.- Dazu bedarf es einer Abänderung von Artikel 40 des Entschuldungsgesetzes.

40

Endlich erscheint es ratsam, die als Genossenschaften konstituierten Bauernhilfskassen zu ermächtigen, ihre Eechtsform beizubehalten, denn die meisten dieser Organisationen sind keine gewöhnlichen Genossenschaften; sie besitzen einigermassen halboffiziellen Charakter, indem die Behörden darauf einen beträchtlichen Einfluss ausüben. Dagegen dürfte die Verleihung einer einzigen Stimme gemäss zwingender Vorschrift des Gesetzes (Art. 885 OB) kaum gerecht sein gegenüber den Behörden, die die öffentlichen Mittel zur Verfügung zu stellen haben. Indessen halten wir es für durchaus gerechtfertigt, zugunsten der Statuten dieser Kassen vom Obligationenrecht abzuweichen. Es dürften daraus keine Nachteile entstehen in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl dieser Genossenschaften gering ist (ungefähr ein halbes Dutzend) und insbesondere deren Statuten auf alle Fälle vom Bundesrat genehmigt werden müssen. Die Möglichkeit eines Missbrauches erscheint daher so gut wie ausgeschlossen. Ein fünfter Absatz könnte zu diesem Zwecke die Bestimmungen des erwähnten Artikels 114 vervollständigen.

Vorgeschlagene Abänderungen , 1. Das Entschuldungsgesetz enthält in Artikel 40, Absatz 2, die Bestimmung, wonach der Bund während 20 Jahren durch Einlagen von je 5 Millionen Franken den Entschuldungsfonds äufnet. Diese Bestimmung ist aufzuheben, und es soll der ganze Absatz 2 nur noch folgenden Wortlaut haben: «Aus dem Entschuldungsfonds leistet der Bund die in diesem Gesetz vorgesehenen Beiträge. >> 2. Für die Fortsetzung der Kredithilfe ist Artikel'114 des Entschuldungsgesetzes durch einen neuen Absatz 4 wie folgt zu ergänzen: «Der bis Ende 1958 von den Kantonen nicht beanspruchte Best des Kredithilfefonds des Bundes kann für den gleichen Zweck weiter verwendet werden.» 3. Um einigen Bauernhilfskassen in ihren Statuten eine Abweichung vom Genossenschaftsrecht zu ermöglichen, bedarf es einer weitern Ergänzung des .Artikels 114 durch Aufnahme eines neuen S.Absatzes: «Die Statuten der als Genossenschaften konstituierten Bauernhilfsorganisationen können vom Obligationenrecht abweichen.» Weitere Änderungen sind im Bahmen der Übergangslösung nicht notwendig. Was insbesondere die Kredithilfe anbetrifft, so soll sie, wie bis anhin, gemäss den Vorschriften der Bundesbeschlüsse 1932/1934 und der Verordnung vom 16. November 1945 über die
Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (u.a. Art. 97ff.) erfolgen. Die noch verfügbaren Mittel werden den Übergang von der alten Form zur späteren definitiven Ordnung ermöglichen.

Nachdem in den letzten Jahren Bundesbeiträge von durchschnittlich 300 000 Franken ausreichten, sollte der vorhandene Kreditrest noch für mehrere Jahre genügen.

Der Bund wird, wie bis anhin, Beiträge vorab an finanzschwache Kantone gewähren, deren Bauernhilfsorganisationen nicht mehr über genügende oder

41

über gar keine flüssigen Mittel mehr verfügen. Die Beiträge werden den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst, d. h. auf bestimmte Einzelfälle begrenzt und an die Bedingung geknüpft, dass auch die Kantone die durch das Gesetz vorgeschriebenen Leistungen vollbringen. Die Hilfeleistung soll durch die kantonalen Institutionen individuell und nur auf Grund einer sorgfältigen Untersuchung jedes einzelnen Falles zugesprochen werden. Die Beiträge sollen einen wirksamen und dauernden Erfolg versprechen, und allgemein dürfen nur unverschuldet in Not geratene und der Hilfe würdige Landwirte berücksichtigt werden.

Die Hilfeleistung durch die kantonalen Institutionen wird, falls gewöhnliche Kredite nicht erhältlich sind, in Form von zinslosen oder nieder verzinslichen Darlehen oder auch als Bürgschaftsverpflichtung gewährt werden; ausnahmsweise kommen auch a-fonds-perdu-Beiträge in Betracht. Die Erfahrung zeigte, dass Darlehen oder Bürgschaftsverpflichtungen meistens die beste Lösung darstellen; so gelingt es auch, mit den Mitteln möglichst haushälterisch umzugehen.

Die während mehr als zwanzig Jahren gewährte Hilfe war segensreich und im ganzen wirksam. Sie bewahrte während der Krisenjahre Tausende von Landwirten vor der Zwangsverwertung ihrer Heimwesen. Sie erlaubte vielen Bauern, ihre schwache finanzielle Lage zu festigen, sei es durch Umwandlung vordem hochverzinslicher in tragbarere Schulden, sei es durch einen angemessenen Abbau der Hypothekarlasten oder anderer Schulden. Viele Betriebe verdanken ihr auch eine Erhöhung der Produktivität und Eentabilität ; weitere konnten sich dank der Hilfeleistung vermehrt mechanisieren oder in anderer Weise rationalisieren.

Gesamthaft darf man mit, Genugtuung feststellen, dass die gebotene Kredithilfe bei zahlreichen, wirtschaftlich schwachen Bauern zur Möglichkeit beigetragen hat, der Scholle treu zu bleiben, und wir sind überzeugt, dass es sich auch in Zukunft hier um eine bedeutende Massnahme im Kampf gegen die Landflucht, besonders in den Berggebieten, handelt.

Gestützt auf die vorstehenden Darlegungen beantragen wir Ihnen, den beiliegenden Gesetzesentwurf anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7. Januar 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler : Ch. Oser

42

(Entwurf)

Bundesgesetz über

die Abänderung des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 7. Januar 1955, beschliesst: I.

Die Artikel 40 und 114 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 19401) über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen werden wie folgt abgeändert : Art. 40, Abs. 2 2)

Aus dem Entschuldungsfonds leistet der Bund die in diesem Gesetze vorgesehenen Beiträge.

Art. 114, neue Abs. 4 und 5 4 Der bis Ende 1953 von den Kantonen nicht beanspruchte Eest des Kredithilfefonds des Bundes kann für den gleichen Zweck weiter verwendet werden.

5 Die Statuten der als Genossenschaften konstituierten Bauernhilfsorganisationen können vom Obligationenrecht abweichen.

II.

Der Bundesrat bestimmt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

1 ) 2

BS l, 3.

) BS 9, 80.

1931

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Abänderung des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (Vom 7. Januar 1955)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1955

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

02

Cahier Numero Geschäftsnummer

6754

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.01.1955

Date Data Seite

33-42

Page Pagina Ref. No

10 038 901

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.