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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossenen Abkommens über die Altersund Hinterlassenenversicherung (Vom 1. Februar 1955)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen das am 10. Dezember 1954 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein unterzeichnete Abkommen über die Altersund Hinterlassenenversicherung (im folgenden «Abkommen» genannt) zur Genehmigung zu unterbreiten.

A. Allgemeines 1. Am 1. Januar 1954 ist das liechtensteinische Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, das sich sehr eng an das schweizerische AHVGesetz anlehnt, in Kraft getreten. Damit stellte sich die Frage des Abschlusses eines schweizerisch-liechtensteinischen Abkommens auf dem Gebiete der Altersund Hinterlassenenversicherung. Wenn auch die beiderseitigen Kolonien zahlenmässig nicht sehr gross sind (nach den letzten uns zur Verfügung stehenden Unterlagen wohnen rund 1100 Schweizer in Liechtenstein und 1800 Liechtensteiner in der Schweiz), so ist es dennoch für beide Teile von besonderer Bedeutung, die gegenseitigen Beziehungen auf dem Gebiete der Alters- und Hinterlassenenversicherung so bald als möglich zu regeln, und dies nicht nur wegen der engen nachbarlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, sondern vor allem auch deshalb, weil infolge des in beiden Gesetzgebungen vorgesehenen doppelten Unterstellungsprinzips (Wohnsitz und Beschäftigungsort) die Fälle von unerwünschter und vielfach untragbarer Doppelbelastung zahlreich sind und nach rascher Abhilfe rufen. Dies trifft namentlich für die beiderseitigen Grenzgänger zu.

160 2. Die offiziellen Verhandlungen zwischen einer schweizerischen Delegation, geleitet von Herrn Dr. Arnold Saxer, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung, und einer liechtensteinischen Delegation, geleitet von Herrn Alexander Frick, Chef der Fürstlichen Eegierung, wurden vom 5. bis 9.0ktober 1954 in Vaduz und am 9. und 10. November 1954 in Bern geführt. Dass zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein trotz den ganz besonderen Voraussetzungen einer zwischenstaatlichen vertraglichen Eegelung in so kurzer Zeit eine Einigung erzielt werden konnte, ist darauf zurückzuführen, dass beide Teile im Bewusstsein der Einmaligkeit dieser Voraussetzungen bereit waren, die zu deren Lösung notwendigen besonderen Wege zu gehen.

8. Das Abkommen bezieht sich beiderseits ausschliesslich auf die Altersund Hinterlassenenversicherung. Die Aufnahme von Bestimmungen über die Unfallversicherung erübrigte sich, da bereits durch das mit, Notenwechsel vom 31. Dezember 1932 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossene Abkommen über die Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in der sozialen Unfallversicherung.die vollständige Gleichbehandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen sowohl in der Betriebs- wie auch in der Nichtbetriebsunfallversicherung vereinbart worden ist.

Entsprechend der heutigen allgemeinen Tendenz auf dem Gebiet der zwischenstaatlichen Sozialversicherung fusst auch das vorliegende Abkommen auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Dieser Grundsatz ist, wenn auch zum Teil in einer andern als der bisher üblichen Form, nahezu vollständig verwirklicht worden.

B. Die besonderen Voraussetzungen eines Abkommens mit dem Fürstentum Liechtenstein

Die Frage, ob die Voraussetzungen für den Abschluss eines Abkommens mit dem Fürstentum Liechtenstein gegeben sind, ist angesichts der Gleichartigkeit des Aufbaus der liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und der ungefähren Gleichwertigkeit ihrer Leistungen von vornherein zu bejahen. Die Voraussetzungen eines solchen Abkommens unterscheiden sich jedoch wesentlich von denjenigen, die beim Abschluss der bisher von der Schweiz verwirklichten Abkommen vorlagen. Die Besonderheiten sind im wesentlichen folgende : 1. Die Gleichartigkeit der beiden Versicherungssysteme

Die schweizerische und die liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung stimmen in ihrem Aufbau (Beitrags- und Leistungssystem), abgesehen von wenigen, unwesentlichen Ausnahmen, völlig überein. Die Gleichartigkeit wird noch dadurch ganz wesentlich verstärkt, dass beide Staaten die gleiche Währung besitzen. Hinsichtlich der Rentenhöhe ist indessen darauf hinzuweisen, dass die liechtensteinischen Renten, heute wenigstens, noch denjenigen der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung im Zeitpunkt ihrer Einführung entsprechen, während die schweizerischen Renten durch

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das am I.Januar 1954 in Kraft getretene Bevisionsgesetz vom 80.September 1953 nicht unwesentlich erhöht worden sind. Ferner bildet das ganze Gebiet des Fürstentums Liechtenstein mit Bezug auf die Übergangsrenten eine einheitliche Ortsklasse, die der ländlichen Ortsklasse der schweizerischen Altersund Hinterlassenenversicherung entspricht.

Aus der Gleichartigkeit der beiden Versicherungen ergeben sich bei der Eegelung der Gegenseitigkeit besondere Probleme. Einmal hinsichtlich der Abgrenzung der Versicherungspflicht, weil beide Versicherungen sowohl die im eigenen Land wohnenden wie auch die im eigenen Land Erwerbstätigen obligatorisch erfassen, was insbesondere für die beiderseitigen Grenzgänger zu einer unerwünschten doppelten Beitragsbelastung führt; dann aber auch namentlich bezüglich der Voraussetzungen für den Bentenbezug, weil beide Versicherungen schon nach einer äusserst kurzen Beitragsdauer (l Jahr) eine relativ hohe Mindestrente gewähren, was ohne besondere Massnahmen ungerechtfertigte oder spekulative Doppelbezüge und eine unverhältnismässig starke finanzielle Belastung der beiden Versicherungen zur Folge haben müsste.

x 2. Die zurischenstaatliche Freizügigkeit Infolge der durch den Zollanschlussvertrag zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein vom 29.März 1923 bedingten engen wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Staaten sowie der durch die Vereinbarung über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen vom 8. Juni 1948 gegenseitig gewährleisteten weitestgehenden Freizügigkeit ist ein Wohnsitz- oder Arbeitsortwechsel zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein leichter und häufiger als mit andern Staaten, was wiederum Doppelversicherungen begünstigt.

3. Die Tragbarkeit für die liechtensteinische AHV Solche Doppelbezüge wären für die schweizerische AHV zwar grundsätzlich unerwünscht, aber finanziell durchaus tragbar. Anders für die liechtensteinische AHV, bei deren Grössenordnung auch nur ein paar Hundert Eentenbezüger mehr oder weniger das finanzielle Gleichgewicht erheblich beeinflussen könnten.

Auch bei der Abgrenzung der Versicherungspflicht muss übrigens auf die Grössenverhältnisse Eücksicht genommen werden, müsste es doch zum Beispiel die finanzielle Lage der liechtensteinischen AHV wesentlich beeinflussen, wenn die eine oder andere Kategorie bisher
ihr unterstellter Beitragspflichtiger durch das Abkommen der schweizerischen AHV angeschlossen würde.

Den vorstehend beschriebenen Besonderheiten wurde einerseits durch eine klare Abgrenzung der für die Unterstellung massgebenden Gesetzgebung zur Beseitigung der Fälle von doppelter obligatorischer Unterstellung, anderseits durch eine besondere Eegelung des Eentenanspruchs im Falle der Zugehörigkeit zu den Versicherungen beider Staaten erreicht.

162 C. Die Grundzüge des Abkommens 1. Die für die Unterstellung massgebende Gesetzgebung

Nach dem Abkommen sollen Erwerbstätige, welche Angehörige des einen oder andern Staates sind, ausschliesslich der Gesetzgebung desjenigen Staates unterstehen, auf dessen Gebiet sie erwerbstätig sind, selbst wenn sie ihren Wohnsitz im andern Staate haben (Art. 3, Abs. l, des Abkommens). Sind solche Personen in beiden Staaten erwerbstätig, so sollen sie an jede der beiden Versicherungen die Beiträge nur von dem Einkommen entrichten, das sie im betreffenden Land erzielen. Von dem in Drittstaaten erzielten Einkommen sind die Beiträge an die Versicherung des Wohnsitzstaates zu bezahlen (Art. 2 des Protokolls zum Abkommen).

Die Unterstellung am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Aufhebung der Versicherungspflicht im Wohnsitzstaat hat zur Folge, dass der schweizerische Grenzgänger, der in der Schweiz wohnt und in Liechtenstein erwerbstätig ist, ausschliesslich der liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung untersteht. Sollte ein solcher Grenzgänger sein ganzes Leben ausschliesslich in Liechtenstein arbeiten, so könnte er allein auf die - heute wenigstens - niedrigere Kente der liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung Anspruch erheben. Fälle dieser Art dürften indessen praktisch kaum vorkommen. Wie im Abschnitt über den Kentenanspruch dargelegt werden wird, genügt es nämlich, dass ein Schweizer während eines einzigen Jahres Beiträge an seine heimatliche Versicherung zahlt, um schon zum mindesten gesamthaft eine Leistung in der Höhe der schweizerischen Minimalrente zu erhalten.

Einen besonderen Fall von doppelter obligatorischer Unterstellung stellen ferner die Arbeitnehmer des einen Staates dar, die im andern Staat für einen Arbeitgeber mit Sitz in ihrer Heimat beschäftigt und von diesem entlöhnt werden. Solche Arbeitnehmer sind nach beiden Gesetzgebungen sowohl im Staate ihres Arbeitgebers als auch an ihrem Beschäftigungsort obligatorisch versichert. Nach dem Abkommen sollen solche Arbeitnehmer nur noch der für ihren Arbeitgeber massgebenden Gesetzgebung unterstellt sein.

2. Der Bentenanspruch a. Ordentliche Eenten Die Fälle von Doppelversicherung können naturgemäss nur dann eintreten, wenn ein Versicherter den Versicherungen beider Staaten angehört hat, nicht dagegen in den Fällen, wo er ausschliesslich der Versicherung des einen Staates unterstanden hat. Dementsprechend
wird bei der Eegelung des Bentenanspruchs zwischen diesen beiden Fällen unterschieden.

aa. Bei ausschliesslicher Zugehörigkeit zu einer der beiden Versicherungen soll sich der Grundsatz der Gleichbehandlung voll und ganz auswirken. Dies bedeutet, dass die Angehörigen des einen Staates, die ausschliesslich der Ver-

163 Sicherung des andern Staates angehört haben, gegenüber der Versicherung dieses Staates immer schon dann Anspruch auf eine ordentliche Bente haben sollen, wenn sie während mindestens eines vollen Jahres Beiträge bezahlt haben.

Das gleiche Eecht soll auch den Hinterlassenen eines Versicherten zustehen, der diese Voraussetzungen erfüllte. In Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung soll ferner beiderseits die für Ausländer vorgesehene Kürzung der Renten um ein Drittel fallengelassen werden. Damit sind für Schweizer, die der liechtensteinischen, nie aber der schweizerischen AHV angehören sowie für Liechtensteiner, die der schweizerischen, nie aber der liechtensteinischen AHV angehören, sämtliche einschränkenden Klauseln fallengelassen.

bb. Bei Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen fiel ein Verzicht auf alle einschränkenden Klauseln ausser Betracht. Dies hätte nämlich bedeutet, dass die Angehörigen der beiden Staaten nach je einem einzigen Beitragsjahr in der schweizerischen und liechtensteinischen Versicherung auch schon gegenüber jeder der beiden Versicherungen Anspruch auf die verhältnismässig sehr hohe Mindestrente gehabt hätten. Aber auch eine Herabsetzung der Mindestbeitragsdauer von 10 auf 5 Jahre, wie sie mit andern Staaten vorgesehen worden ist, hätte dazu geführt, dass bereits nach einem Jahr im Heimatstaat und fünf Jahren im andern Staat der Anspruch auf je eine Eente der beiden Versicherungen bestanden hätte. Es erwies sich daher sehr bald, dass sich eine befriedigende Lösung nicht auf der Linie der bisher von der Schweiz abgeschlossenen Staatsverträge herbeiführen liess. Vielmehr zeigte es sich, dass eine befriedigende Regelung nur dann gefunden werden konnte, wenn aus der Gleichartigkeit ider beiden Versicherungen und der sich daraus ergebenden besonderen Voraussetzungen die sich aufdrängende Konsequenz gezogen wurde: eine weitestgehende gegenseitige Integration der Versicherungen. Diese wirkt sich wie folgt aus: Bei Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen berücksichtigt für die Feststellung des Rentenanspruchs jede der beiden Versicherungen die in der obligatorischen oder freiwilligen Versicherung des andern Staates zurückgelegten Jahre, wie wenn sie in der,eigenen Versicherung zurückgelegt worden wären.

Damit sollen die Angehörigen der beiden Staaten, die an die obligatorischen
oder freiwilligen Versicherungen der beiden Staaten zusammen während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben, gegenüber jeder der beiden Versicherungen Anspruch auf einen entsprechenden Teil der ordentlichen Rente haben (Abkommen Art. 6 und 7, lit. a).

Für die Festsetzung des von ihr zu gewährenden Rententeils geht jede der beiden Versicherungen wie folgt vor : Für die Berechnung der Rente, d. h. für die Ermittlung der anwendbaren Rentenskala und des maßgebenden durchschnittlichen Jahresbeitrages berücksichtigt jede Versicherung die in beiden Staaten in der obligatorischen oder freiwilligen Versicherung zurückgelegten Beitragsjahre und bezahlten Beiträge, wobei sich überschneidende Versicherungszeiten nur einfach gezählt werden. Bei der Ermittlung der anwendbaren

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Kentenskala berücksichtigt die liechtensteinische Versicherung die Jahre, die vor ihrer Einführung liegen, d. h. die Jahre von 1948 bis 1953 begreiflicherweise nicht. Gestützt auf die so ermittelten Rentenskala und durchschnittlichen Jahresbeitrag setzt alsdann jede Versicherung die Eente nach der für sie massgebenden Gesetzgebung fest. Von der so errechneten Rente gewährt nun jede Versicherung, ungeachtet der gesetzlichen Mindestrente, dem Versicherten den Teil, der dem Verhältnis der an sie bezahlten Beiträge zur Summe der an beide Versicherungen gesamthaft bezahlten Beiträge entspricht.

Bei gleichen Rentenansätzen und gleicher Beitragsdauer hätte die getroffene Regelung zur Folge, dass der Versicherte gesamthaft die gleiche Rente erhalten würde, die ihm gegenüber einer der beiden Versicherungen dann zugestanden hätte, wenn er sämtliche Beiträge an diese eine Versicherung bezahlt hätte.

Da nun aber die Rentenansätze der liechtensteinischen Versicherung - heute wenigstens - etwas tiefer liegen als die der schweizerischen Versicherung, wird die Suminè der beiden Rententeile in der Regel etwas höher als die nur-liechtensteinische Rente, aber etwas tiefer als die nur-schweizerische Rente liegen. In Ausnahmefällen kann die Summe der beiden Rententeile auch kleiner sein, als die schweizerische Rente, die dem Versicherten allein gestützt auf die an die schweizerische Versicherung entrichteten Beiträge zustehen würde. Für diese Fälle ist im Abkommen vorgesehen worden, dass die schweizerische Versicherung zugunsten der schweizerischen Staatsangehörigen den von ihr zu gewährenden Rententeil um den Differenzbetrag erhöht (sogenannter Differenzaüsgleich) (Art. 8 des Abkommens). Zur Illustration der getroffenen Regelung seien zwei Beispiele, das eine ohne, das andere mit Differenzausgleich angeführt : Beispiele: (1) Ein im 2. Semester 1894 geborener, verheirateter Schweizerbürger entrichtet von 1948 bis Ende September 1954 Beiträge von insgesamt 1500 Franken an die schweizerische AHV; am I.Oktober 1954 tritt er eine Stelle im Fürstentum Liechtenstein an und leistet dort bis Ende 1959 Versicherungsbeiträge von insgesamt 1200 Franken. Vom I.Januar 1960 an hat er Anspruch auf eine Ehepaar-Altersrente. Diese Rente berechnet sich wie folgt : Summe der an beide Versicherungen geleisteten Beiträge: 2700 Franken.
Durchschnittlicher Jahresbeitrag 2700:12 = 225 Franken.

Schweizerischer Rententeil: Ehepaar-Altersrente gemäss Skala 12 (massgebende Beitragsdauer vom I.Januar 1948 bis 31.Dezember 1959): 1872 Franken.

Verhältnis der an die schweizerische AHV. geleisteten Beiträge zur gesamten Beitragssumme 1500 5 2700 = 9" Rententeil--y von 1872 = 1040 Franken.

165 Liechtensteinischer Eententeil: Ehepaar-Altersrente gemäss Skala 6 (massgebende Beitragsdauer nur vom I.Januar 1954 bis 31.Dezember 1959): 1493 Franken.

Verhältnis der an die liechtensteinische AHV geleisteten Beiträge zur gesamten Beitragssumme 1200 4 2700 = 9 4 Eententeil ---- von 1493 = 664 Franken.

y

Die G e s a m t r e n t e beträgt demnach 1040 + 664 = 1704 Franken im Jahr. Gestützt auf die an die schweizerische Versicherung bezahlten Beiträge könnte gemäss schweizerischer Gesetzgebung eine Eente von 1516 Franken ausgerichtet werden, weshalb ein Differenzausgleich entfällt.

(2) Eine im 2. Semester 1897 geborene, alleinstehende Frau schweizerischer Nationalität entrichtet von ihrem Einkommen aus Gelegenheitsarbeit von 1948 bis Ende 1958 Beiträge von insgesamt 550 Franken an die schweizerische AHV.

Im Jahre 1958 arbeitet sie zuweilen auch im Fürstentum Liechtenstein, lässt sich auf Ende des Jahres dort nieder und leistet bis zum 31. Dezember 1962 insgesamt 200 Franken an die liechtensteinische AHV. Vom I.Januar 1963 an hat sie Anspruch auf eine einfache Altersrente, die sich wie folgt berechnet : Summe der an beide Versicherungen geleisteten Beiträge: 750 Franken.

Durchschnittlicher Jahresbeitrag (das Jahr 1958 wird nur einmal gezählt) 750:15 = 50 Franken.

Schweizerischer Eententeil: 550 _ 11 der Mindestrente von 720 Franken = 528 Franken.

750 = Î5~ Liechtensteinischer Eententeil: --- = --~ der dem Durchschnittsbeitrag von 50 Franken entsprechenden Teil750 15 rente der Skala 9 von 606 Franken = 162 Franken.

Die Gesamtrente beträgt demnach 528 + 162 = 690 Franken.

Zuschlag zum schweizerischen Eententeil: Da die Bentenansprecherin schon auf Grund ihrer Beitragsleistungen an die schweizerische AHV die Mindestrente von 720 Franken erhalten würde, ist ihr ein Zuschlag zum schweizerischen Eententeil im Betrage von 720-690 = 30 Franken zu gewähren.

Die auf Grund des Abkommens auszurichtende Gesamtrente entspricht demnach der schweizerischen Mindestrente und beträgt 720 Franken im Jahr.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. I.

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166 In analoger Weise .- allerdings ohne Sonderzuschlag in Beispiel (2) berechnet sich die Rente eines liechtensteinischen Staatsbürgers, der an die schweizerische und an die liechtensteinische AHV Beiträge geleistet hat.

Die Vorteile der getroffenen Regelung lassen sich kurz wie folgt charakterisieren : - sie schützt die beiderseitigen Staatsangehörigen 'vor einem Verlust des Rentenanspruchs zufolge ungenügender Beitragsleistung und damit auch davor, mit einer Beitragsrückerstattung vorlieb nehmen zu müssen ; - sie gewährleistet den Versicherten gesamthaft eine Leistung, die ihrer Beitragsleistung entspricht ; - sie erlaubt die Verwirklichung der vollständigen Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen, wenn auch in einer andern, als der bisher üblichen Form; - sie schliesst stossende oder spekulative Doppelbezüge aus; -- sie gewährleistet eine versicherungsmathematisch einwandfreie Inanspruchnahme der beiden Versicherungen.

Es liegt auf der Hand, dass die reibungslose Durchführung der getroffenen Regelung eine besonders intensive gegenseitige Verwaltungshilfe bedingt. Dank der bestehenden engen Verbindung der beiden Staaten (Post-, Wahrungs- und Zollunion) wird ein entsprechender Ausbau der gegenseitigen Verwaltungshilfe ohne besondere Schwierigkeiten verwirklicht werden können.

b. Übergangsrenten Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist beiderseits auch auf die 'Übergangsrenten ausgedehnt worden. Der Anspruch auf die Übergangsrenten soll begreiflicherweise an die Bedingung geknüpft werden, dass der Berechtigte in keinem der beiden Staaten die Voraussetzungen für den Bezug einer ordentlichen Rente erfüllt. Um spekulative Wohnsitzwechsel zu verhindern, wird ferner im Abkommen bestimmt, dass die Angehörigen des einen Staates im andern Staat nur dann eine Übergangsrente beanspruchen können, wenn sie unmittelbar vor der Einreichung des Gesuches während mindestens fünf Jahren im betreffenden Staat Wohnsitz hatten. Damit diese Sperrfrist gegebenenfalls die Hinterlassenen nicht zu stark benachteilige, ist im Abkommen vorgesehen, dass bei der Feststellung ihres Anspruchs auf eine Übergangsrente die vom verstorbenen Ehegatten oder Elternteil zurückgelegte Wohnsitzdauer angerechnet werden soll (Abkommen Art. 9).

3. Die Zahlung der Leistungen nach dem Ausland Da beide Staaten den eigenen
Staatsangehörigen die ordentlichen Renten ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz gewähren, sollen in Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung die Angehörigen des einen Staates die ordentlichen Renten des andern Staates grundsätzlich nach jedem beliebigen Wohnsitz-

167 Staat ausbezahlt erhalten. Nach dem gleichen Grundsatz sollen den Angehörigen des einen Staates die Ubergangsrenten des andern Staates nur solange gewährt werden, als sie in diesem Staate ihren Wohnsitz haben.

4. Die freiwillige Versicherung Die im Abkommen vorgesehene Integration der beiden Versicherungen hat zur Folge, dass für die Angehörigen des einen Staates, die im andern Staat ihren Wohnsitz haben, ein Beitritt zur freiwilligen Versicherung bzw. deren Weiterführung zwecks Erfüllung der Mindestbeitragsdauer oder zur Vermeidung von Versicherungslücken in der heimatlichen Versicherung nicht mehr notwendig ist. Der Beitritt oder das weitere Verbleiben in der freiwilligen Versicherung könnte allenfalls noch den Zweck haben, insbesondere den von der heimatlichen Versicherung künftig zu gewährenden Eententeil zu erhöhen. Dies wird jedoch nur dann zutreffen können, wenn der Versicherte relativ hohe Beiträge an die freiwillige Versicherung bezahlt. Dabei wird das erreichbare Eesultat in der Eegel in keinem Verhältnis zu der zusätzlichen Beitragsleistung stehen. Es ergibt sich daraus, dass der Beitritt oder die Weiterführung der freiwilligen Versicherung für den Versicherten kaum mehr von Interesse sein wird. Da nach der Gesetzgebung beider Staaten eine einmal begonnene freiwillige Versicherung praktisch nicht mehr unterbrochen werden kann, ohne dass der Versicherte der aus den bereits geleisteten Beiträgen entstandenen Ansprüche verlustig geht, ist im Protokoll zum Abkommen vorgesehen worden, dass die Angehörigen des einen Staates, solange sie im andern Staate Wohnsitz haben, ihre Beitragsleistung an die freiwillige Versicherung ihres Heimatstaates ohne Eechtsnachteil einstellen können. Diese Eegelung drängt sich ganz besonders im Interesse jener Schweizerbürger auf, die in Liechtenstein wohnen und dort nur deshalb seinerzeit der freiwilligen schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung beigetreten sind, weil das Fürstentum Liechtenstein noch keine eigene Alters- und Hinterlassenenversicherung besass. Für diese müsste ein weiterer Verbleib in der freiwilligen Versicherung heute vielfach eine kaum tragbare Doppelbelastung bedeuten (Protokoll zum Abkommen, Art. 7, Absatz 1). Diese Eegelung ist aber auch für die Versicherten des einen Staates, die im andern Staat Wohnsitz nehmen, nachdem
sie sich vorgängig in einem Drittstaat aufgehalten haben und dort der freiwilligen Versicherung ihres Heimatstaates beigetreten waren, von Interesse. Solche Versicherte können gleicherweise, solange sie im andern Staat Wohnsitz haben, ohne Eechtsnachteil die Beitragsleistung an die freiwillige Versicherung ihres Heimatstaates einstellen. Da in besonderen Fällen bei Wohnsitz im andern Staat die Zahlung von Beiträgen an die freiwillige Versicherung des Heimatstaates für den Versicherten von einem gewissen Interesse sein kann, ist diese Möglichkeit durch das Abkommen nicht beseitigt worden.

Folgerichtig ist ferner im Protokoll zum Abkommen vorgesehen worden, dass mit Bezug auf die freiwillige Versicherung für die Angehörigen eines der beiden Staaten die Zugehörigkeit zur obligatorischen Versicherung des andern

168 Staates der Unterstellung in der heimatlichen obligatorischen Versicherung gleichgestellt wird. Dies bedeutet, dass die Angehörigen des einen Staates, die sich in ein Drittland begeben, dort ohne Eücksicht auf ihr Alter, der freiwilligen Versicherung ihres Heimatstaates auch dann beitreten können, wenn sie vorgängig der obligatorischen Versicherung des andern Staates angehört haben.

D. Die finanziellen Auswirkungen

Die rund 1800 in der Schweiz lebenden liechtensteinischen Angehörigen stellen nur etwa 4 Promille aller in unserem Lande ansässigen Ausländer dar.

· Schon aus dieser Verhältniszahl erhellt, dass die finanziellen Auswirkungen des Abkommens für die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung von untergeordneter Bedeutung sind. Nach dem Abkommen tritt eine zusätzliche Belastung übrigens nur in jenen Fällen ein, in denen liechtensteinische Staatsangehörige nie der liechtensteinischen, wohl aber der schweizerischen Altersund Hinterlassenenversicherung angehört haben und schon nach weniger als zehn Beitragsjahren Anspruch auf eine ordentliche Eente haben, sowie in jenen Fällen, in denen ihnen der* Anspruch auf eine Übergangsrente zusteht. In den weitaus häufigsten Fällen der Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen tritt dagegen keine oder doch keine wesentliche zusätzliche Belastung ein, weil jede Versicherung gesamthaft die Versicherungsleistungen erbringt, die ungefähr dem Gegenwert der an sie bezahlten Beiträge entspricht. Im übrigen ist die zusätzliche Belastung durch ein Abkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein bei Erstellung der technischen Bilanz der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung schon miteinbezogen worden.

E. Inkrafttreten des Abkommens

Mit Eücksicht auf die Tatsache, dass mit der Integration der gegenseitigen Versicherungen eine gleichzeitige Beitragszahlung an beide Versicherungen sich in der Eegel nicht zugunsten des Versicherten auswirkt und in Anbetracht des Umstandes, dass beide Versicherungen in Erwartung einer zwischenstaatlichen Eegelung in vielen Fällen mit dem Beitragsbezug für das Jahr 1954 zugewartet haben, soll das Abkommen generell auf den I.Januar 1954 (Zeitpunkt der Einführung der liechtensteinischen AHV) in Kraft gesetzt werden. Damit werden insbesondere alle Fälle von doppeltem Beitragsbezug für das Jahr 1954 beseitigt und den Beteiligten die allenfalls für dieses Jahr zu unrecht bezahlten Beiträge zurückerstattet. Dagegen werden Leistungen, die auf Grund des Abkommens geltend gemacht werden können, beiderseits frühestens rückwirkend ab I.Januar 1955 gewährt.

F. Schlussbetrachtungen

Die besonderen Voraussetzungen eines Abkommens über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein haben in einer besonderen Eegelung ihren Niederschlag gefunden.

169 Die getroffene Lösung kann, gesamthaft betrachtet, als gut ausgewogen1 gewertet werden, denn einerseits wird sie den berechtigten Interessen der beiderseitigen Staatsangehörigen sowohl hinsichtlich der Beitragspflicht als auch mit Bezug auf'die Leistungsberechtigung in angemessener Weise gerecht, anderseits bringt sie für die beiderseitigen Versicherungen durchaus tragbare und gerecht verteilte Lasten. Wenn das schweizerisch-liechtensteinische Abkommen über die Alters- und Hinterlassenenversieh erung erheblich von deji bisherigen auf diesem Gebiet abgeschlossenen Staatsverträgen abweicht und zum Teil Regelungen enthält, die andern Staaten gegenüber nicht zugestanden werden konnten, so ist dies auf die ganz besondern Verhältnisse zwischen den beiden Ländern, insbesondere die völlige Gleichartigkeit der beiden Versicherungssysteme, die gleiche Währung, die weitestgehende zwischenstaatliche Freizügigkeit und die auch sonst besonders engen Beziehungen zurückzuführen.

Der Einmaligkeit dieser Verhältnisse wegen kann dieses Abkommen somit nicht präjudiziell wirken.

Wir sind überzeugt, dass das vorliegende Vertragswerk, das einem gegenseitigen dringenden Bedürfnis entspricht, die freundschaftlichen Bande, die uns mit dem Fürstentum Liechtenstein verbinden, festigen und vertiefen wird.

Gestützt auf vorstehende Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen: es sei das am 10. Dezember 1954 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossene Abkommen über die Alters- und Hinterlassenenversicherung durch die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses-zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den I.Februar 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre 1973

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über die Altersund Hinterlassenenver Sicherung

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 1. Februar 1955, beschliesst:

Art. l Das am 10. Dezember 1954 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über die Alters- und Hinterlassenenversicherung wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.

Art. 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, die für die Anwendung des Abkommens notwendigen Vorschriften zu erlassen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossenen Abkommens über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Vom 1. Februar 1955)

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03.02.1955

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