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Bundesblatt 107. Jahrgang

Bern, -den 12. Mai 1955

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im -Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge (Vom 29. April 1955) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge samt Botschaft zu unterbreiten. In einem ersten Teil berichten wir über die Gründe für die Totalrevision des geltenden Bundesgesetzes vom I.April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und vermitteln Ihnen zugleich einen Überblick über die Grundzüge des vorgeschlagenen neuen Gesetzes. Im zweiten Teil orientieren wir Sie über den Gang der Vorbereitungsarbeiten und im dritten, umfangreichsten Teil erläutern wir die einzelnen Gesetzesbestimmungen.

I. Die Gründe für die Totalrevision des Bundesgesetzes vom I.April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und die Grundzüge des neuen Gesetzes

Schon in der Botschaft vom 9. November 1987 zum Bundesgesetz vom I.April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (Sicherstellungsgesetz) führte der Bundesrat aus, dass die Widerstandskraft eines Volkes nicht nur auf seiner Armee, sondern ebensosehr auf der Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft beruht. Die Methoden des modernen totalen Krieges zwingen zu einer Erweiterung der üblichen Vorstellung vom Wesen und Inhalt der Landesverteidigung (BB1 1937, III, 285). Sie umfasst als wichtigen Teil auch die Massnahmen auf dem Gebiete der Volkswirtschaft, die sogenannte wirtschaftliche Landesverteidigung.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. L

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Im «totalen Krieg» geht es nicht oder nicht allein darum, den Feind auf dem Schlachtfeld zu schlagen; zur Schonung der eigenen Truppen soll seine Erschöpfung durch den Einsatz wirtschaftlicher Druck- und Kampfmittel herbeigeführt werden. Auch die Schweiz kann trotz Respektierung ihrer Neutralität von den verschiedenen Formen des Wirtschaftskrieges auf das empfindlichste betroffen werden.

Während die militärische Verteidigung durch unsere Geländeverhältnisse wesentlich begünstigt wird, ist die wirtschaftliche Verteidigung wegen der grossen Abhängigkeit von den Zufuhren aus dem Ausland stark erschwert. In Friedenszeiten stammen 45 bis 50 Prozent der in der Schweiz konsumierten Nahrungsmittel (kalorienmässig berechnet) aus dem Auslande; die meisten industriellen Eohstoffe wie Kohle, Eisen, Stahl, Buntmetalle, Kautschuk, Textilrohstoffe, Treib- und Brennstoffe usw. müssen nahezu vollständig eingeführt werden. Die schweizerischen Importe an Lebens- und Futtermitteln überstiegen in den letzten Jahren je eine Milliarde Franken, die gesamten Importe an Eohstoffen und Fabrikaten beliefen sich auf nahezu fünf Milliarden Franken. Die aussergewöhnlichen Schwierigkeiten, die der starke Eückgang der Einfuhren während des letzten Krieges mit sich brachte, sind noch in aller Erinnerung. Der wertgewogene Mengenindex der schweizerischen Einfuhr sank von 100 im Jahre 1938 auf 71,1 im Jahre 1941 und auf 31,6 im Jahre 1945. Über die Massnahmen, die der Bundesrat damals zur Milderung der Schwierigkeiten getroffen hat, vgl. den umfassenden Eechenschaftsbericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements «Die schweizerische Kriegswirtschaft 1939-1948», herausgegeben von der Eidgenössischen Zentralstelle für Kriegswirtschaft, Bern 1950.

Die wirtschaftliche Landesverteidigung bedarf ebenso wie die militärische Landesverteidigung einer sorgfältigen Vorbereitung. Für das Durchhalten der Schweiz ist weitgehend die Umsicht entscheidend, mit der diese Vorbereitungen getroffen werden. Die wichtigsten Massnahmen sind: - die rechtliche, organisatorische und personelle Vorbereitung der Kriegswirtschaft, damit sie bei Kriegsausbruch von einem Tag auf den andern in Kraft gesetzt werden kann; - die rechtzeitige Förderung der Vorratshaltung; - Vorbereitungen zur Nutzbarmachung inländischer Urprodukte, zur Steigerung der einheimischen
Erzeugung lebenswichtiger Güter und zur Herstellung von unentbehrlichen Ersatz- und Neustoffen; - Vorbereitungen auf dem Gebiete des Transportwesens; - Vorkehren zur Schonung der Vorräte und zur Vermeidung von Preissteigerungen auf knapp werdenden Waren.

- Bei einer ernstlichen Störung der Zufuhren von lebenswichtigen Gütern schon vor Kriegsausbruch : Bewirtschaftungs- und Preisvorschriften zur Erhaltung der Vorräte, zur Vermeidung von Preissteigerungen auf knapp werdenden Gütern und nötigenfalls zur Ausrichtung der Produktion auf den Bedarf.

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- Vorsorgliche Vorschriften zum Schütze schweizerischer Vermögenswerte im Kriegsfall.

Die Bedeutung der meisten vorgenannten Massnahmen ist schon in der Zeit vor dem letzten Weltkrieg erkannt worden. Als rechtliche Grundlage für deren Anordnung wurde deshalb am I.April 1938 das bereits erwähnte Bundesgesetz über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (Sicherstellungsgesetz) erlassen. Es hat kurz vor Kriegsausbruch wie auch in der jüngsten Vergangenheit gute Dienste geleistet. Immerhin zeigten sich bald auch wesentliche Nachteile seiner Grundstruktur. Der Bundesrat hat deshalb in seiner Botschaft zu dem noch näher zu besprechenden Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten (KoreaBeschluss) die Eevision des Sicherstellungsgesetzes angekündigt (BEI 1951, I, 306).

Die Totalrevision des Sicherstellungsgesetzes drängt sich aus folgenden Gründen ,auf : 1. Die dem Bundesrat im Sicherstellungsgesetz eingeräumten Kompetenzen genügen nicht, um in unsicheren Zeiten das Nötige zur Sicherstellung der Landesversorgung anzuordnen.

2. Falls die Zufuhr von lebenswichtigen Gütern ernstlich gestört wird, muss der Bundesrat schon vor Eintritt einer unmittelbaren Kriegsgefahr. (Art. 7 Sicherstellungsgesetz) von Gesetzes wegen über besondere zusätzliche Kompetenzen verfügen.

3. Das geltende Gesetz bietet keine Eechtsgrundlage, um Massnahmen zum Schütze schweizerischer Vermögenswerte im Kriegsfalle zu treffen; solche Vorkehren sind jedoch ein dringendes Gebot der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge.

4. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der wirtschaftlichen Landesverteidigung im Kahmen der Gesamtverteidigung muss die wirtschaftliche Kriegsvorsorge als Daüeraufgabe des Bundes gesetzlich verankert werden ; das Sicherstellungsgesetz sieht dies noch nicht vor.

5. Die Gesetzgebung über die Kriegsvorsorge muss verfassungsmässig den · revidierten Wirtschaftsartikeln angepasst werden.

6. Der Rechtsschutz und die Verwaltungsrechtspflege sind gegenüber dem geltenden Gesetz auszubauen.

Diese Gründe sind im folgenden näher darzulegen: 1. Die dem Bundesrat im geltenden Gesetz eingeräumten Kompetenzen genügen nicht, um in unsicheren Zeiten das- Nötige zur Sicherstellung der Landesversorgung
anzuordnen.

Das Sicherstellungsgesetz teilt die dem Bund eingeräumten Befugnisse zwischen der Bundesversammlung und dem Bundesrat auf; es unterscheidet drei Gruppen von Massnahmen :

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- jederzeit zulässige Massnahmen, - Massnahmen in unsicheren Zeiten, - Massnahmen in Zeiten unmittelbarer Kriegsgefahr.

Zu jeder Zeit hat der Bundesrat lediglich die Befugnis, Bestandesaufnahmen und andere Erhebungen anzuordnen (Art. 2). In unsicheren Zeiten kann er vor allem Massnahmen im Bereiche der Vorratshaltung treffen (Art. 3). Ferner kann er eine vermehrte land- und forstwirtschaftliche Nutzung anordnen (Art. 4), Studien, Versuche und andere Vorbereitungsmassnahmen zur Nutzbarmachung inländischer Urprodukte und zur Förderung der einheimischen Erzeugung lebenswichtiger Güter unterstützen (Art. 5), sowie auf dem Gebiete des Transportwesens die notwendigen Vorbereitungen für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges treffen (Art. 6). Weitere Vorkehren zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten fallen in die Zuständigkeit der Bundesversammlung (Art. l, Abs. 3). Nur bei unmittelbarer Kriegsgefahr kann der Bundesrat von sich aus alles Notwendige zur Sicherstellung der Landesversorgung vorkehren .(Art. 7).

Diese Kompetenzaufteilung zwischen Bundesrat und Bundesversammlung ist im wesentlichen ein Werk der eidgenössischen Eäte ; sie wollten die im bundesrätlichen Entwurf vorgesehenen Befugnisse des Bundesrates beschränken (StenBull StE 1938, 24; NR 1938,151 f.).

Schon bald nach dem Inkrafttreten des Sicherstellungsgesetzes zeigte .sich jedoch, dass die dem Bundesrat für unsichere Zeiten eingeräumten Befugnisse zur Sicherstellung der Landesversorgung nicht genügten. Um die Vorratshaltung zu fördern, wurde es notwendig, Einfuhrbewilligungen für bestimmte Waren nur jenen Importeuren zu erteilen, die sich zur Haltung eines sogenannten Pflichtlagers verpflichteten. Da das Sicherstellungsgesetz eine solche Massnahme nicht vorsieht, sah sich der Bundesrat veranlasst, mit Botschaft vom S.März 1939 betreffend die Verlängerung des dringlichen Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (BB11939, I, 321) bei der Bundesversammlung um die entsprechenden Kompetenzen nachzusuchen; sie erforderten eine Revision des genannten Beschlusses, welcher die eidgenössischen Räte durch Bundesbeschluss vom 22. Juni 1939 (BS 10, 539) zustimmten. Dieser Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem
Ausland steht nach wiederholter Verlängerung noch immer in Kraft; er soll jedoch spätestens Ende 1956 durch eine neue Ordnung abgelöst werden (vgl.XLIX.Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 18. September 1954 über die gemäss Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 erlassenen wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland sowie Botschaft über die Verlängerung dés genannten Bundesbeschlusses [BB1 1954, II, 273]). Der neue Beschluss wird sich jedoch grundsätzlich nur mit dem Aussenhandel einschliesslich des internationalen Zahlungsverkehrs befassen. Die Massnahmen zur Förderung der Vorratshaltung sollten deshalb im vorliegenden neuen Gesetz gesamthaft geregelt werden (vgl. dazu Art. 7, Abs. 3, des Entwurfs).

809 Weitere Unzulänglichkeiten traten nach Ausbruch der Feindseligkeiten in Korea zutage, als kurzfristig Massnahmen zur Überwachung der Ein- und Ausfuhr und Verwendungsbeschränkungen für knapp werdende Güter notwendig wurden. Auch dafür gibt das Sicherstellungsgesetz dem Bundesrat keine Kompetenz. Der Bundesrat sah sich deshalb genötigt, gestützt auf Artikel l, Absatz 8, des Sicherstellungsgesetzes bei der Bundesversammlung um zusätzliche Ermächtigungen nachzusuchen (Botschaft vom 30. Januar 1951, BB11951,1, 306); sie wurden ihm von der Bundesversammlung mit Beschluss vom 26. April 1951 auf drei Jahre erteilt (Korea-Beschluss). Da damals die weitere Entwicklung der internationalen Lage sehr undurchsichtig war, wurden die Ermächtigungen auf dem Gebiete der Warenbewirtschaftung bewusst recht allgemein gehalten. Der Bundesrat machte jedoch von den ihm eingeräumten Befugnissen sehr zurückhaltenden Gebrauch. (Vgl. den I.Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die auf Grund dieses Beschlusses getroffenen Massnahmen vom 15. Januar 1954, BB1 1954, I, 33). Immerhin hielten Bundesrat und Bundesversammlung es für nötig, den im Frühjahr 1954 abgelaufenen Korea-Beschluss noch bis Ende 1955 zu verlängern (Beschluss der Bundesversammlung vom 23.März 1954, AS 1954, 485), in der Erwartung, dass bis zu diesem Zeitpunkt das neue Gesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge in Kraft treten könne.

Der Korea-Beschluss ist seiner Natur nach eine Eechtsverordnung der Bundesversammlung. Da er sich auf eine gesetzliche Bestimmung (Art. l, Abs. 3, Sicherstellungsgesetz) stützt, unterstand er nicht der Eeferendumspflicht. Doch begegnet gerade dieser Artikel l, Absatz 3, Sicherstellungsgesetz vielfacher Kritik; er gibt der Bundesversammlung «für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung» eine aussergewöhnlich weitgehende Rechtsetzungsbefugnis. Der Inhalt der Anordnungen, die die Bundesversammlung gestützt auf diese Ermächtigung treffen kann, ist in keiner Weise umschrieben. Es ist sehr fraglich, ob eine solche Delegation von Eechtsbefugnissen vom Gesetzgeber auf das Parlament mit den neuen Wirtschaftsartikeln der Bundesverfassung noch vereinbar ist. Das neue Gesetz sieht deshalb keine derartige allgemeine Befugnis der Bundesversammlung mehr vor und räumt statt dessen dem Bundesrat einzelne zusätzliche,
gegenwärtig zum Teil im Korea-Beschluss enthaltene Kompetenzen ein, insbesondere auf dem Gebiete der Ein- und Ausfuhr (Art. 16 des Entwurfes). Gleichzeitig erhält aber die Bundesversammlung ein verstärktes Kontrollrecht (Art. 20, Abs. 4).

Diese Kompetenzverschiebung drängt sich auch aus praktischen Gründen gestützt auf Erfahrungen der letzten Jahre auf. Ernstliche Störungen der Zufuhren, die unsere wirtschaftliche1 Abwehrbereitschaft beeinträchtigen, können schlagartig einsetzen; bis jedoch die Bundesversammlung zur Erteilung zusätzlicher Ermächtigungen zusammenträte, könnten Wochen oder Monate vergehen; die Einberufung einer ausserordentlichen Session würde aber in der Öffentlichkeit alarmierend wirken und stände möglicherweise in keinem Verhältnis zu den sehr begrenzten Massnahmen, die unter Umständen angeordnet werden müssten.

810 Freilich können sich, auf die Dauer auch die im Entwurf vorgesehenen erweiterten Befugnisse des Bundesrates für unsichere Zeiten als zu eng erweisen.

Dann müssten ihm allfällige zusätzliche Kompetenzen durch referendumspflichtige Bundesbeschlüsse, eventuell durch dringliche Bundesbeschlüsse im Sinne von Artikel 89Ws der Bundesverfassung eingeräumt werden. Das neue Gesetz schöpft die verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiete der Kriegsvorsorge keineswegs voll aus.

2. Falls die Zufuhr von lebenswichtigen Gütern ernstlich gestört wird, muss der Bundesrat schon vor Eintritt einer unmittelbaren Kriegsgefahr (Art. 7 Sicherstellungsgesetz) von Gesetzes wegen über besondere zusätzliche Kompetenzen verfügen.

Bei unmittelbarer Kriegsgefahr räumt schon das geltende Sicherstellungsgesetz dem Bundesrat umfassende Kompetenzen zur Güterbewirtschaftung und zur Verhinderung von Preissteigerungen auf inländischen Vorräten ein (Art. 7 und 8). Gestützt auf diese Bestimmungen ermächtigte der Bundesrat am 15. August 1939 das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, «im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr besondere Massnahmen zur Kegelung der Abgabe lebenswichtiger Waren zu treffen» (VO IWs vom 15. August 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, B S 10, 810); am 29. August 1939 erhielt das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Befugnis zur Beschlagnahme von Lagerräumen aller Art, insbesondere von Tankräumen (BEB vom 29. August 1939 über die Beschlagnahme von Lagerund Tankräumen, AS 55, 752).

Die Erfahrungen seit Erlass des Sicherstellungsgesetzes haben jedoch gezeigt, dass die sogenannte «dritte Phase» des geltenden Gesetzes mit dem Begriff «unmittelbare Kriegsgefahr» zu eng umschrieben ist. Schon bei den parlamentarischen Beratungen wies Bundesrat Obrecht im Ständerat darauf hin, dass die Grenzen zwischen den unsicheren Zeiten und der unmittelbaren Kriegsgefahr schwer zu ziehen sind (StenBull StE 1938, 26). Aus politischen und psychologischen Erwägungen ist der Bundesrat überdies bestrebt, solange als irgend möglich keine Kompetenzen in Anspruch zu nehmen, die ihm nur bei unmittelbarer Kriegsgefahr zustehen; er muss gerade in kritischen Zeiten jede unnötige Beunruhigung der Bevölkerung vermeiden. Es gilt deshalb, ein anderes Kriterium zu finden,
um die Phase der erhöhten Gefahr gegenüber den sogenannten «unsicheren Zeiten» abzugrenzen. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen lässt sich sagen, dass der Bundesrat mindestens dann weitergehende Befugnisse benötigt, wenn die Zufuhren von lebenswichtigen Gütern ernstlich gefährdet sind.

Diese Befugnisse sollen jedoch zum vorneherein überblickbar und beschränkt sein. Auf Einzelheiten ist bei der Besprechung des Artikels 17 des Entwurfes einzugehen; doch sei schon hier darauf hingewiesen, dass die Befugnisse des Bundesrates bei «unmittelbarer Kriegsgefahr», verglichen mit denjenigen im geltenden Gesetz, beschränkt werden sollen. Nachdem die dritte Phase nicht mehr allein die «unmittelbare Kriegsgefahr» umfasst, sah der Bundesrat davon

811 ab, die Generalklausel des Artikels 7 des Sicherstellungsgesetzes zu übernehmen.

Es besteht deshalb die Möglichkeit, dass sich das Gesetz in Zukunft auch in der dritten Phase einmal als zu eng erweisen könnte. Dann muss der Bundesrat um zusätzliche Ermächtigungen nachsuchen, gleich wie dies weiter oben hinsichtlich der zweiten Phase ausgeführt wurde. Immerhin kann er im Notfalle diejenigen unaufschiebbaren weiteren Massnahmen anordnen, zu denen er als Wächter für die äussere Sicherheit, für die Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz direkt auf Grund von Artikel 102, Ziffer 9, der Bundesverfassung ermächtigt ist.

3. Das geltende Gesetz bietet keine Rechtsgrundlage", um Massnahmen zum Schütze schweizerischer Vermögenswerte im Kriegsfalle zu treffen; solche Vorkehren sind jedoch ein dringendes Gebot der mrtschaftlichen Kriegsvorsorge.

Das geltende Gesetz bezieht sich ausschliesslich auf die Sicherstellung der ~La,nde$versorgurig mit lebenswichtigen Gütern. Schon bei der parlamentarischen Beratung fragte man sich, ob sein Anwendungsgebiet nicht auszudehnen sei (StenBull NK 1987, 902) ; doch wurde davon abgesehen. Allein gleich zu Beginn des zweiten Weltkrieges regten Finanz-, Handels- und Industriekreise bei den Bundesbehörden zusätzliche Vorkehren zum Schütze der schweizerischen Vermögenswerte an für den Fall, dass die Schweiz in die internationale Verwicklung hineingezogen würde. Der Bundesrat fasste deshalb am 30. Oktober 1939 einen vollmachtenrechtlichen Beschluss über die Sitzverlegung der juristischen Personen und Handelsgesellschaften (AS 55, 1301). Dieser Erlass fand Beachtung und Nachahmung im Ausland. Die spätem Kriegsereignisse zeigten, dass solche Vorkehren äusserst wertvoll sind, um Vermögenswerte ausserhalb des besetzten Gebietes der Verfügungsgewalt der Besetzungsmacht zu.entziehen.

Derartige Vorschriften sollten jedoch nicht erst nach Ausbruch eines Krieges erlassen werden. Sie sind nur wirksam, wenn die Körperschaften, die sich darauf stützen wollen, rechtzeitig ihre Dispositionen treffen können. Artikel 15 des Entwurfs will deshalb dem Bundesrat die Möglichkeit geben, schon in der zweiten Phase, den sogenannten «unsicheren Zeiten» Bestimmungen zum Schütze schweizerischer Vermögenswerte aufzustellen.

4. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der mrtschaftlichen
Landesverteidigung im Eahmen der Gesamtverteidigung muss die wirtschaftliche Kriegsvorsorge als Daueraufgabe des Bundes gesetzlich verankert werden; das Sicherstellungsgesetz sieht dies noch nicht vor.

Nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges mit der monatelangen Absperrung des Landes von allen Zufuhren wird der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge heute mit Eecht noch mehr Bedeutung beigemessen als 1938; sie ist zu einer wichtigen dauernden Aufgabe des Bundes geworden, so dass die gesetzliche Verankerung der diesbezüglichen Pflichten der Bundesbehörden angezeigt erscheint. Auch wenn die wirtschaftliche Kriegsvorsorge einen weit bescheideneren

812 Aufwand erfordert als die Aufrechterhaltung der militärischen Bereitschaft, muss sie doch ständig im Auge behalten und den jeweiligen Verhältnissen angepasst werden. In normalen Zeiten können die Vorbereitungen auf ein Minimum reduziert werden (Art. 2 und 3); in unsicheren Zeiten dagegen ist ein erhöhter Bereitschaftsgrad unerlässlich. Es gehört zu den unvergänglichen Verdiensten von Bundesrat Obrecht, dass die Kriegswirtschaft am 1. September 1939 marschbereit war; diese Bereitschaft muss auch in Zukunft gewährleistet sein. Dazu bedarf es der Vorbereitung von langer Hand. Es muss eine Persönlichkeit bezeichnet sein mit dem Auftrag, die allgemeine Lage im Hinblick auf die wirtschaftliche Kriegsvorsorge zu verfolgen und dem Bundesrat Anträge für eine Erhöhung des Bereitschaftsgrades bzw. für zu treffende Massnahmen zu stellen.

Diese Funktion übt schon heute der vom Bundesrat vorsorglicherweise im Jahre 1948 ernannte Delegierte für wirtschaftliche Landesverteidigung aus. Seine Stellung ist jedoch gesetzlich nicht verankert.

5. Die Gesetzgebung über die Kriegsvorsorge muss verfassungsmässig den revidierten Wirtschaftsartikeln angepasst werden.

Das geltende Sicherstellungsgesetz stützt sich auf Artikel 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung. Bei dessen Erlass stand eine andere verfassungsmässige Grundlage nicht zur Verfügung. Seither haben Volk und Stände am 6. Juli 1947 die revidierten Wirtschaftsartikel angenommen. Damit erhielt der Bund neue umfassende Kompetenzen zur Eechtsetzung in wirtschaftlichen Angelegenheiten; gleichzeitig wurden jedoch in Artikel 32 der Bundesverfassung die Formen der diesbezüglichen Recbtsetzung näher umschrieben. Gesetze aus der Zeit vor der Annahme der revidierten Wirtschaftsartikel müssen auf ihre Übereinstimmung mit dem neuen Verfassungsrecht geprüft werden; soweit sie ihm nicht entsprechen, sind sie anzupassen. Nach den revidierten Wirtschaftsartikeln dürfen vorsorgliche Massnahmen für Kriegszeiten in die Handels- und Gewerbefreiheit eingreifen, wenn das Gesamtinteresse dies erfordert (Art. 31bls, Abs. 3, lit. e, BV); doch sollen die entsprechenden Massnahmen im Gesetze selbst umschrieben sein, damit sich die Bürgerschaft bei der Unterstellung des Gesetzes unter das Referendum über dessen Tragweite Eechenschaft geben kann. Generalklauseln mit unbestimmten
Kompetenzdelegationen des Gesetzgebers an die Bundesbehörden - wie der geltende Artikel l, Absatz 3, des Sicherstellungsgesetzes - sind mit dem neuen Artikel 32 der Bundesverfassung nicht mehr vereinbar (vgl. Gutachten von alt Bundesrichter Steiner über die Verfassungsmässigkeit des Vorentwurfs des Delegierten für ein Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesverteidigung; noch weitergehend Fleiner-Giaoometti, Bundesstaatsrecht, 800). Immerhin können die zulässigen Massnahmen im Gesetze selbst nicht bis in die Details geordnet werden. Das Gesetz soll ja gerade die Möglichkeit geben, Situationen zu meistern, die heute nur teilweise voraussehbar sind. Doch sind die Kompetenzen des Bundesrates wesentlich präziser umschrieben als im geltenden Gesetz; der dadurch bedingte grössere Umfang des neuen Gesetzes muss in Kauf genommen werden.

813 6. Der Rechtsschutz und die Verwaltungsrechtspflege geltenden Gesetz auszubauen.

sind gegenüber dem

Bei der Beratung der in den letzten Jahren gestützt auf die revidierten Wirtschaftsartikel erlassenen Gesetze und Bundesbeschlüsse (Uhrenstatut, Landwirtschaftsgesetz etc.) ist immer wieder eine Präzisierung der zulässigen Verwaltungsmassnahmen und ein Ausbau des Rechtsschutzes gefordert worden.

Diesem Begebren muss auch bei der Neugestaltung der Rechtsgrundlagen für die wirtschaftliche Kriegsvorsorge Rechnung getragen werden ; vgl. die Abschnitte 6 und 7 (Verwaltungsmassnahmen und Verwaltungsrechtspflege).

Bei der Neuordnung der Strafbestimmungen ist zudem auf das 1942 in Kraft getretene schweizerische Strafgesetzbuch-Rücksicht zu nehmen (Art. 85 ff.).

II. Die Vorbereitung des neuen Gesetzes

Mit der Vorbereitung des neuen Gesetzes beauftragte der Bundesrat den Delegierten für wirtschaftliche Landesverteidigung. Ende November 1952 unterbreitete dieser den Kantonen und Wirtschaftsverbänden den Vorentwurf zu einem «Gesetz über die wirtschaftliche Landesverteidigung». Darnach sollte sich das neue Gesetz sowohl auf die revidierten Wirtschaftsartikel als auch auf Artikel 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung - die Verfassungsgrundlage des geltenden Gesetzes - stützen. Der Entwurf wollte den Bundesbehörden - teils der Bundesversammlung, teils dem Bundesrat - auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Landesverteidigung umfassende Kompetenzen einräumen.

Er stiess auf starkes Interesse, wurde aber sehr unterschiedlich beurteilt.

Zahlreiche Kantone und einige Spitzenverbände (u. a. der Städteverband, der Bund schweizerischer Frauenvereine, der schweizerische Bauernverband und der schweizerische Gewerkschaftsbund) stimmten der Grundkonzeption zu.

Verschiedene Kantone äusserten immerhin Bedenken, ob nicht gewisse Bestimmungen zu interventionistisch gehandhabt werden könnten. Der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins, der Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen sowie der schweizerische Gewerbeverband lehnten die Konzeption des Entwurfes ab, und auch andere Verbände und Organisationen äusserten sich sehr kritisch. Besonders angefochten wurden der Artikel 22 betreffend die Übernahme und Verwendung inländischer Ersatzstoffe und der Artikel 27 betreffend die Preiskontrolle. Die genannten Verbände vertraten die Auffassung, eine derart umfassende Gesetzgebung über die wirtschaftliche Landesverteidigung sei weder erwünscht noch notwendig. Zudem könne sie wahrscheinlich - wie die Erfahrung lehre - doch nicht alle Möglichkeiten voraussehen. Es sei richtiger, sich mit einer blossen Teilrevision des Sicherstellungsgesetzes zu begnügen und je nach der internationalen Lage die entsprechenden Massnahmen in gesonderten Erlassen zu treffen. Verschiedentlich wurde sogar behauptet, der Entwurf gehe über die verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundes hinaus, obwohl seine Verfassungsmässigkeit in einem

814 Gutachten des früheren Präsidenten der staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgericbtes, alt Bundesrichter Dr. Hans Steiner, in allen Teilen bejaht worden war.

Gestützt auf die eingegangenen Vernehmlassungen und im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement arbeitete der Delegierte den Entwurf um, indem er den Einwendungen, soweit es angängig schien, Rechnung zu tragen suchte, am Prinzip der Totalrevision aus den bereits genannten Gründen jedoch festhielt. Verglichen mit dem Vorentwurf des Delegierten schränkte der Departementsvorschlag die zugunsten des Bundesrates vorgesehene Ermächtigung in verschiedener Hinsicht ein. Die umstrittene Bestimmung betreffend die Übernahme und Verwendung von inländischen Ersatzstoffen wurde fallen gelassen: die zulässigen Preisvorschriften erfuhren eine engere Umschreibung.

Der Departementsvorschlag wurde im März 1954 den Kantonen und den Spitzenverbänden der Wirtschaft unterbreitet. Die kritischen Stimmen, die in den Vernehmlassungen zum Ausdruck kamen, gingen nunmehr genau in der umgekehrten Richtung wie seinerzeit beim Vorentwurf des Delegierten. Die eingeschränkteren Kompetenzen des Bundesrates zur Bekämpfung von Preissteigerungen wurden von Seiten der Gewerkschaften als-unzureichend betrachtet.

Der schweizerische Bauernverband, die Organisationen der Waldwirtschaft und die schweizerischen gewerkschaftlichen Organisationen sodann verlangten in verschiedenen Demarchen - zuletzt in einer Eingabe vom 15. März 1955 - die Wiederaufnahme eines Artikels zum Schütze der inländischen Ersatzstoffproduktion, wie sie beispielsweise von der Holzverzuckerungs-AG. in Donat/Ems betrieben wird (sogenannter Emser Artikel). In ähnlicher Richtung gingen Anregungen vereinzelter Industriefirmen, welche die Aufnahme eines allgemeinen Ein- und Ausfuhrschutzartikels mit Dauercharakter zugunsten von Industrien verlangten, die in Zeiten gestörter Zufuhr für die Landesversorgung lebenswichtige Güter herstellen.

Gestützt auf die neuen Vernehmlassungen und Anregungen wurde der Departementsentwurf nochmals stark überarbeitet, Auf die vorgenommenen Änderungen wird, soweit sich dies als nötig erweist, in einem dritten Teil bei der Besprechung der einzelnen Artikel hinzuweisen sein. In der bisher kontroversen Frage des Schutzes der inländischen Produldion bzw. der
Übernahme inländischer Ersatzstoffe stellt der Entwurf eine ausgewogene und vermittelnde Lösung dar.

Gegen die Aufnahme eines allgemeinen Ein- und Aiisfuhrschutzartikels, bzw.

gegen eine auf ihn gestützte Übernahinepfticht inländischer Ersatzstoffe bestehen weiterhin schwerwiegende Bedenken wirtschaftlicher und rechtlicher Natur.

Das generelle Problem, die Interessen der einheimischen Produktion mit der ausländischen Konkurrenz in Einklang zu bringen, ist eine klassische handelspolitische Aufgabe, die nicht in einem speziellen Kriegsvorsorgegesetz geregelt werden kann. Ihre Lösung muss in Übereinstimmung mit dem Gesamtaspekt unserer Aussenwirtschaftspolitik, unter Berücksichtigung der eingegangeneu

815 sfcaatsvertraglichen multilateralen und bilateralen Verpflichtungen, gefunden werden, wobei sie sich selbstverständlich der im internationalen Eahmen (z. B.

Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) handelspolitisch zulässigen Mittel zu bedienen hat. So wäre es beispielsweise illusionistisch, angesichts zwingenden zwischenstaatlichen Vertragsrechtes sich des Mittels des mengenmässigen Einfuhrschutzes bedienen zu wollen in Fällen, wo dieses Ste'uerungsmittel durch den internationalen Handelskodex ausgeschlossen ist. Gegenüber den auf internationalem Boden in steigendem Masse in Misskredit gelangenden quantitativen Einfuhrbeschränkungen kömmt vermehrt wiederum das Instrument des Zollschutzes zu1 seinem Eecht. In dieser Eichtung liegt es auch, dass bei der im Gange befindlichen schweizerischen Zolltarifrevision die Zollexperten bisher ebenfalls eine Abwägung zwischen der Einfuhr und den Schutzinteressen der heimischen Erzeugung vorgenommen haben, wobei auch die kriegswirtschaftlichen Aspekte gewürdigt werden. Es wäre auch unter diesem Gesichtspunkte'nicht wohl angezeigt, die grosse Eevisionsaufgabe durch einen allgemeinen Schutzartikel im Bundesgesetz über wirtschaftliche Kriegsvorsorge präjudizieren und damit unnötig gefährden zu wollen. Auch gewisse Klagen über ausländisches Dumping vermögen keine Eechtfertigung für einen solchen Schutzartikel abzugeben. Gegen Dumpingexporte des Auslandes nach der Schweiz hat der schweizerische Gesetzgeber bereits im Bundesgesetz vom 10.Oktober 1902 betreffend den schweizerischen Zolltarif (Art. 4, Abs. 2; BS 6, 706) eine ausgewogene Ordnung erlassen.

Materiell bedürfen übrigens solche aus Gründen der Landeserhaltung in schwierigen Zeiten in Erwägung gezogene Schutzmassnahmen gerade bei einer so komplizierten und höchst verletzlichen Wirtschaft wie der schweizerischen einer sehr sorgfältigen Abwägung. So ist es denn auch unbestritten, dass für Schutzmassnahmen der vorstehenden Art nur volkswirtschaftliche Gründe, Gründe der Landeserhaltung, nicht aber privatwirtschaftliche Interessen entscheidend sein dürfen. Leicht würden sonst solche Eingriffe zur Privilegierung Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit führen. Aus diesen Gründen konnte sich der Bundesrat nicht entschliessen, einen allgemeinen Ein- und Ausfuhr-Schutzartikel aufzunehmen,
sondern er beschränkte sich darauf, in einem neuen Artikel 19 die Möglichkeiten darzutun, um. solche Schutzmassnahmen im Einzelfalle einführen zu können.

Das in Artikel 19 dargelegte Vorgehen käme demnach dort in Betracht, wo nicht schon jetzt in Einzelfällen eine besondere Lösung gestützt auf bestehende gesetzliche Grundlagen getroffen werden konnte, wie dies beispielsweise für Schrott und Buntmetallabfälle möglich war.

Die heutige Schrottbewirtschaftung wird der Schweiz durch die ausländischen Bewirtschaftungsmassnahmen, vorab der Montanunion, aufgezwungen.

Die rechtliche Kompetenz zum Erlasse einer schweizerischen Ausfuhrüberwachung für die Sicherung des inländischen Schrottanfalles in Form der Ausfuhrbewilligungspflicht liegt somit für die Dauer solcher ausländischer Be-

816 wirtschaftungsvorkehren im Bundesbeschluss betreffend wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland. Mit Bezug auf die Buntmetalle wurde schon in den dreissiger Jahren durch ein System von Ausfuhrzöllen dem schweizerischen Verbraucher (Umschmelzwerke) eine Vorzugsstellung eingeräumt). Auch hier besitzt der Bund ausreichende Kompetenzen, um die legitimen Interessen ebenfalls in Zukunft auf diese Weise sicherzustellen.

Hinsichtlich des Fortbestandes der Emser Werke, deren Treibstoff für die Landesversorgung in Zeiten gestörter Zufuhr weiterhin von gewisser Bedeutung ist, kann festgestellt werden, dass es sich hier nicht nur um eine Frage der Kriegsvorsorge, sondern ebensosehr, wenn nicht in noch stärkerem Masse, um eine solche der Wirtschaftshilfe an den Kanton Graubünden handelt. Der Kleine Bat des Kantons Graubünden führt darüber in einer Eingabe vom 11.Februar 1955 an den Bundesrat folgendes aus: « . . . Es handelt sich darum, der Wirtschaft des Kantons Graubünden im allgemeinen und im besonderen der Holzverwertung und damit den Bergbauern zu helfen. ... Die Verfolgung von Zwecken der Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern hat die ursprünglichen Ziele nicht ersetzt, sondern ist nachträglich hinzugetreten...» Der Bundesrat wird deshalb den Bäten darüber in einer besonderen Vorlage Bericht und Antrag erstatten.

Zum rechtlichen Aspekt des neuen Artikels 19 der Vorlage ist vor allem festzuhalten : Wenn das Gesamtinteresse des Landes es als Vorsorge für Kriegszeiten erheischen sollte, dass auch bei entspannter internationaler Lage bestimmte einheimische Produkte geschützt werden, oder dass ihre Herstellung durch Beiträge gefördert wird, so ist eine derart wichtige Massnahme, soweit die bestehenden gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichen, auf Artikel 31bls, Absatz 3, lit. e, der Bundesverfassung, zu stützen und es sind für ihren Erlass die in Artikel 32 der Bundesverfassung eingebauten Kautelen zu beobachten: Einmal sind die Kantone und die zuständigen Organisationen der Wirtschaft zur beabsichtigten Vorlage anzuhören; ferner sollen solche Ausführungserlasse zu Artikel 31bls nur durch Bundesgesetze oder allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse eingeführt werden, damit auch der Stimmbürger in der Lage ist, sich über die Tragweite der Vorlage Rechenschaft abzulegen, und
allenfalls gegen das Bundesgesetz oder den Bundesbeschluss das Beferendum ergreifen kann..Da derartige Massnahmen auf längere Sicht angeordnet werden und erst im Augenblick ihrer Eegelung mit ihren allfälligen Abweichungen von der Handels- und Gewerbefreiheit gänzlich zu überblicken sind, ist die Wahrung des Beferendumsrechtes der Stimmbürgerschaft unerlässlich. Selbst wenn die Einführung der besprochenen Massnahmen in Zeiten wirtschaftlicher Störungen keinen Aufschub ertragen sollte, und die Bundesversammlung sie durch dringlichen Bundesbeschluss sofort anordnen und in Kraft setzen würde, wahrt Artikel 89Ws, Ab-

817 satz 2, der Bundesverfassung dem Stimmbürger das Hecht, nachträglich das Referendum zu ergreifen und durch die Volksabstimmung über den Fortbestand der Massnahme entscheiden zu lassen. Diese Massnahmen haben ihre Rechtsbasis, wie bereits erwähnt, in Artikel 31Wa, Absatz 3, lit. e, der Bundesverfassung.

Der Bundesrat erachtet es aber zur Klarstellung als angebracht, durch die Aufnahme des Artikels 19 ausdrücklich festzustellen, dass durch die im vorliegenden Gesetz umschriebenen Massnahmen für die wirtschaftliche Kriegsvorsorge weitergehende Erlasse im Sinne von Artikel 31bls, Absatz-3, lit. e, der Bundesverfassung nicht ausgeschlossen sein sollen. (Vgl. hierzu auch oben I/l am Ende, Seite 810).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die bereits bestehenden Kompetenzen für den Erlass abwehrender Schutzmassnahmen in Einzelfällen in Verbindung mit den in Artikel 19 aufgezeigten Möglichkeiten eine vermittelnde Lösung darstellen, die einerseits den Weg für besonders gelagerte, im Gesamtinteresse liegende kriegsvorsorgliche Schutzbestimmungen nicht verbaut und andererseits auch die Kantone und die Organisationen der Wirtschaft sowie den Stimmbürger nicht um das in Artikel 32 der Bundesverfassung vorgesehene Mitspracherecht bringt.

Die Vorbereitungen für das neue Gesetz erstrecken sich im ganzen über gut drei Jahre. Inzwischen ist in Korea und in Indochina ein Waffenstillstand zustandegekommen. Die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden dagegen sind in diesen Jahren kaum besser geworden. Die Zeit des «Kalten Krieges» mit ihrem nie voraussehbaren Wechsel von Spannungen und vorübergehenden Entspannungen stellt die Völker auf eine harte Nervenprobe. Angst und Sorglosigkeit' lösen einander ab. Um so mehr muss sich die Politik der Regierung durch Festigkeit und Folgerichtigkeit auf lange Sicht auszeichnen. Das neue Gesetz soll hiefür im Bereiche der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge die nötigen Rechtsgrundlagen bieten.

HI. Die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes Titel und Ingress Der vorgeschlagene neue Titel Bundesgesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge knüpft an den Wortlaut des Artikels 31bls, Absatz 3, lit. e, der Bundesverfassung an; darnach ist der Bund befugt, Vorschriften zu erlassen «über vorsorgliche Massnahmen für Kriegszeiten». Durch die Wahl dieses Titels soll einerseits zum Ausdruck kommen, dass sich das neue Gesetz im Gegensatz zum geltenden nicht nur auf die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern bezieht, sondern auch noch andere Massnahmen der Kriegsvorsorge vorsieht ; andererseits geht aus dem Titel hervor, dass auch das

818 neue Gesetz sich auf jene Vorkehren beschränkt, die vor Ausbruch eines Krieges und der Erteilung neuer Vollmachten nötig werden können.

Der Ingress nennt als verfassungsmässige Grundlagen in erster Linie die massgeblichen Bestimmungen der revidierten Wirtschaftsartikel, Artikel 31bls, Absatz 8, lit. e und 32 der Bundesverfassung. Darnach darf der Bund Vorschriften über vorsorgliche Massnahmen für Kriegszeiten erlassen, «wenn das Gesamtinteresse es rechtfertigt», und diese Vorschriften dürfen «nötigenfalls» von der Handels- und Gewerbefreiheit abweichen. Dass das Gesetz im Gesamtinteresse nötig ist, wurde bereits im I.Teil der Botschaft ausgeführt.

Gemäss Artikel 32, Absätze 2 und 3, der Bundesverfassung sind die Kantone und die zuständigen Organisationen der Wirtschaft vor Erlass der Ausführungsgesetze zu den neuen Wirtschaftsartikeln anzuhören. Dies ist geschehen; der zweite Teil der Botschaft berichtet über die entsprechenden Stellungnahmen.

Gemäss Artikel 32,^ Absatz 2, der Bundesverfassung ist der Vollzug der Bundesvorschriften «in der Eegel» den Kantonen zu übertragen. Das neue Gesetz überlässt vor allem die Strafverfolgung den Kantonen. Dagegen müssen die meisten materiellen Massnahmen vom Bunde selbst getroffen werden; dies entspricht auch dem Willen der Kantone. Immerhin werden die Kantone für verschiedene Einzelaufgaben herangezogen (Art. 5, Abs. 2 und 3 ; Art. 6 ; Art. 21, Abs. 1). Da Artikel 32, Absatz 2, der Bundesverfassung nur eine Eegel aufstellt, die Ausnahmen zulässt, ist der Entwurf auch im Hinblick auf Artikel 32, Absatz 2, verfassungsmässig.

Artikel 32, Absatz 3, gibt sodann dem Bund ausdrücklich das Eecht, die zuständigen Organisationen der Wirtschaft beim Vollzug zur Mitwirkung heranzuziehen. Nach Artikel 22, Absatz 2, des Entwurfes kann der Bundesrat von dieser Befugnis Gebrauch machen.

Der Ingress führt als verfassungsmässige Grundlagen ferner die Artikel 64 und Q4^la der Bundesverfassung an, weil das Gesetz Sondernormen auf dem Gebiet des Privatrechts (Art. 8, Abs. 2), des Betreibungs- und Konkursrechtes (Art. 10/11) und des Strafrechtes (Art. 35--40) vorsieht.

Dagegen wird Artikel 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung, auf den sich das geltende Gesetz stützt, als Verfassungsgrundlage nicht mehr herangezogen, da Artikel 31Ms Absatz 3, lit. e, der Bundesverfassung
als speziellere Vorschrift dieser Bestimmung vorgeht.

Art. 1: Zweck Schon das geltende Gesetz enthält in Artikel l, Absatz l, einen seinen Zweck umschreibenden Artikel. Auch wenn ein solcher im neuen Gesetz rechtlich nicht unbedingt nötig ist, kommt ihm doch für die Anwendung und Auslegung des Gesetzes eine wesentliche Bedeutung zu. Alle im Gesetz vorgesehenen Massnahmen dürfen nur ergriffen werden, soweit sie «zur Beschaffung und Sicher-

819 Stellung der für Volk und Armee lebenswichtigen Güter" sowie zum Schutz schweizerischer Vermögenswerte notwendig sind». In dieser Zielsetzung finden die einzelnen dem Bunde eingeräumten Kompetenzen ihre Grenze. Insbesondere bietet das Gesetz keine Grundlage für allgemeine handelspolitische Massnahmen, für Vorkehren zur Konjunkturlenkung oder zum Schutz einzelner Wirtschaftszweige.

Auch Vorkehren, die in einem sogenannten kalten Krieg der Grossmächte mit Blockade und Gegenblockade zur Sicherung unserer Versorgung bzw. zur Abwehr wirtschaftlicher Nachteile für unser Land notwendig werden, können nur so weit auf das ganze Gesetz gestützt werden, als sie gleichzeitig vorsorgliche Massnahmen für eigentliche Kriegszeiten darstellen; für weitergehende Vorkehren gegen die Auswirkungen einer wirtschaftlichen Absperrung müssen gegebenenfalls besondere Bechtsgrundlagen geschaffen werden. Insofern ist der Geltungsbereich des neuen Gesetzes enger als jener des Sicherstellungsgesetzes, das in Artikel l, Absatz l, generell Massnahmen für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung ins Auge fasst. Diese Einschränkung ergibt sich aus der neuen verfassungsrechtlichen Grundlage.

Nach Artikel l zerfallen die Massnahmen zur wirtschaftlichen Kriegsvorsorge in zwei grosse Gruppen : - die Sicherstellung der Versorgung von Volk und Armee mit lebenswichtigen Gütern ; - der Schutz schweizerischer Vermögenswerte.

Als lebenswichtig sind dabei alle Güter zu verstehen, die zur Deckung des täglichen Bedarfs sowie zur Aufrechterhaltung der schweizerischen Wirtschaft benötigt werden. Darunter fallen nicht nur Waren, sondern auch Energien (Elektrizität, Atomkraft) ; sie sind im Kriege ebenfalls von grösster Bedeutung.

Sowohl aus dem Ingress, als auch aus Artikel l ergibt sich, dass das neue Gesetz ausschliesslich für die Vorkriegszeit bestimmt ist. Sollte ein neuer Krieg ausbrechen, der eine umfassende Bewirtschaftung verlangt, so müsste diese gleich wie 1914-1918 und 1939-1945 auf ausserordentliche Vollmachten gestützt werden.

Erster Abschnitt Vorbereitungsmassnahmen Art. 2: Organisatorische und rechtliche Vorbereitungen In Artikel 2 erhält der Bundesrat den ausdrücklichen Auftrag, schon in Friedenszeiten die notwendigen · Vorkehren rechtlicher und organisatorischer Natur für eine Kriegswirtschaft zu treffen. Er hat solche
Vorbereitungen schon in den vergangenen Jahren, angesichts der zunehmenden Verdüsterung des politischen Horizonts, energisch an die Hand genommen. In Bund, Kantonen und Gemeinden wurde, ähnlich wie in den Jahren 1938/89, aber unter Auswertung der Erfahrungen des letzten Krieges, wieder eine kriegswirtschaftliche

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Behördenorganisation («Schattenorganisation») aufgebaut (vgl. insbesondere die nicht veröffentlichte Verordnung vom 14. April 1950 über Organisation und Aufgaben der Kriegswirtschaft) und ein neues Kriegswirtschaftsrecht ausgearbeitet. Die bezüglichen Vorbereitungen umfassen einmal die sogenannten Grunderlasse, in denen der Bundesrat kraft der ihm vom Parlament zu erteilenden ausserordentlichen Vollmachten dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement - und dieses den Kriegswirtschaftsämtern - die erforderlichen kriegswirtschaftlichen Befugnisse übertragen wird, sodann die Detailerlasse für alle jene Massnahmen, die zu Beginn einer Kriegswirtschaft angeordnet werden müssen. Diese Vorbereitungen sind heute im grossen und ganzen abgeschlossen, müssen aber immer wieder von Zeit zu Zeit den veränderten Verhältnissen angepasst werden. Artikel 2 erklärt deshalb die Wahrung der kriegswirtschaftlichen Bereitschaft zu einer dauernden Aufgabe des Bundesrates. Bei der Erteilung neuer ausserordentlicher Vollmachten muss die Kriegswirtschaft sofort funktionsfähig sein. Dagegen gibt Artikel 2 des Entwurfes den Bundesbehörden keine Ermächtigung, allgemeinverbindliche Anordnungen zu treffen oder Beiträge auszurichten; es können nur Massnahmen und Erlasse vorbereitet werden.

Artikel 2, Absatz 2, verankert das kriegswirtschaftliche «Milizsystem».

Schon für den Aufbau der Kriegswirtschaft 1939-1945 wurden auf viele wichtige kriegswirtschaftliche Kommandoposten Persönlichkeiten der privaten Wirtschaft sowie der kantonalen und kommunalen Verwaltungen und Behörden berufen, die zusammen mit den ordentlichen Verwaltungsabteilungen des Bundes die Kriegswirtschaft leiteten und durchführten. Diese Lösung hat sich bewährt.

In einzelnen Vernehmlassungen der Spitzenyerbäncle ist die Frage nach der Stellung und der Verantwortlichkeit der Mitglieder der kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation erhoben worden. Diese sind, soweit sie nicht bereits im Bundesdienst stehen, keine Bundesbeamten im Sinne des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1927 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten. Sie erfüllen ihre Aufgaben in der Schattenorganisation nebenamtlich. Dennoch unterstehen sie ähnlich wie z.B. die Heereseinheitskommandanten, die Gesandten und Konsuln, die ebenfalls nicht zu den Bundesbeamten im engeren Sinn gehören - der Dienstgewalt
des Bundes (Art. 62 des Beamtengesetzes, Meiner-Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht 657). Die Chefs der Kriegswirtschaftsämter und der kriegswirtschaftlichen Sektionen sowie deren Stellvertreter werden vom Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ernannt und haben grundsätzlich die gleichen Pflichten und die gleiche Verantwortlichkeit wie Bundesbeamte (Art. 8 der nicht veröffentlichten Verordnung vom 14. April 1950 über die Organisation und die Aufgaben der Kriegswirtschaft). Dementsprechend sind die Angehörigen der kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation für die richtige Erfüllung der ihnen überbundenen Aufgaben in erster Linie ihren Vorgesetzten verantwortlich. Gegenüber der Öffentlichkeit trägt der Bundesrat die Verantwortung. Bei der Verletzung von Dienstpflichten gelten für die disziplinarische, die strafrechtliche und die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit

821 gegenüber dem Bund und gegenüber Dritten die Artikel 29-36 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1927 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten (BS l, 489) und die Artikel 40-43 des Bundesgesetzes vom 9. Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten (BS l, 462).

Die Revision des letztgenannten Gesetzes ist in Vorbereitung (vgl. die Bemerkungen zu Art. 25 a. E.).

Als «oberstes Konsultativorgan zur Beratung der allgemeinen und grundsätzlichen Fragen der wirtschaftlichen Landesverteidigung, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der totalen Landesverteidigung» hat der Bundesrat durch eine weitere (nicht publizierte) Verordnung vom 14. April 1950 eine «Kommission für wirtschaftliche Landesverteidigung» eingesetzt. Das Volkswirtschaftsdepartement ist in ihr mit 6, das Militärdepartement mit 3 Mitgliedern vertreten; die übrigen Departemente entsenden je ein Mitglied. Den Vorsitz führt der Chef -des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements. Zu den Vertretern des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements gehören der Delegierte für wirtschaftliche Landesverteidigung und die Chefs der wichtigsten Kriegswirtschaftsämter. Eine ausdrückliche Verankerung dieser Kommission im neuen Gesetz ist nicht erforderlich.

In einzelnen Vernehmlassungen wurde aber angeregt, die Kommission durch Beizug von Vertretern der Wirtschaft zu erweitern. Das kann jederzeit, ebenfalls ohne besondere gesetzliche Grundlage, geschehen. Der Bundesrat glaubt jedoch vorläufig davon absehen zu können, weil bereits der kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation zum überwiegenden Teil Persönlichkeiten der Wirtschaft angehören; neben Handel, Industrie und Gewerbe ist auch die Arbeitnehmerschaft in ihr vertreten.

Art. 3: Bestandesauf nahmen und andere Erhebungen Schon das geltende Gesetz sieht Bestandesaufnahmen und Erhebungen über die Produktionsmöglichkeiten unter den jederzeit zulässigen Massnahmen vor (Art. 2). Neu ist die bisher nicht ausdrücklich genannte Befugnis des Bundesrates, Erhebungen über den Landesbecüar/ an lebenswichtigen Gütern anzuordnen. Es wird Sache des Bundesrates sein, zu bestimmen, ob und wie weit er auch in «normalen Zeiten» Bestandesaufnahmen und andere Erhebungen durchführen will. Er muss sich jedenfalls laufend oder von Fall zu Fall die notwendigen Informationen
beschaffen können, die es ihm ermöglichen, die wirtschaftliche Kriegsvorsorge der Entwicklung der internationalen Lage anzupassen.

Zweiter Abschnitt Massnahmen in unsicheren Zeiten Der Entwurf räumt dem Bundesrat, gleich wie das geltende Recht, zusätzliche Befugnisse ein, wenn die Zeiten «unsicher» sind. Verschiedentlich ist Bundesblatt. 107. Jahrg.

Bd. I.

59

822 gewünscht worden, das neue Gesetz möge den Begriff der unsicheren Zeiten näher umschreiben. Allein von keiner Seite wurde ein brauchbarer Vorschlag für eine solche Umschreibung gemacht. Dies ist nicht verwunderlich. Es ist eine Frage staatspolitischer Entscheidung, wann der Bundesrat glaubt, die wirtschaftliche Kriegs vorsorge ausbauen zu müssen. Mit Bezug auf die jüngste Vergangenheit kann man wohl sagen, dass die Zeiten seit der Verschärfung der Spannungen zwischen Ost und West in den Jahren 1947/48 immer unsicher geblieben sind.

Der Bundesrat glaubt, dass der Entwurf für unsichere Zeiten nur eine beschränkte Anzahl Massnabmen vorsehen sollte (Art. 4-16). Vereinzelt ist angeregt worden, den Entscheid, ob die Zeiten im Sinne des Gesetzes als «unsicher» zu betrachten sind, der Bundesversammlung zu überlassen. Würde man jedoch in solchen Zeiten mit den notwendigen Massnahmen zuwarten, bis das Parlament auf Grund einer Debatte über die weltpolitische Lage den Beginn der unsichern Zeiten festgestellt hat, so ginge, vor allem für die Anlegung von Vorräten, kostbare Zeit verloren. Darüber hinaus könnte eine solche Diskussion in den eidgenössischen Bäten nachteilige Folgen im In- und Ausland nach sich ziehen.

Art. 4: Vorratshaltung. I. Allgemeines Artikel 4 bildet die allgemeine Grundlage für die vom Bund im Gebiete der Vorratshaltung zu treffenden Massnahmen. Die folgenden Artikel enthalten Spezialbestimmungen. Der Entwurf unterscheidet: - freiwillige Vorratshaltung Dritter (Haushaltungen, Betriebe, Gemeinden und Kantone), die vom Bund gefördert wird (Art. 4, Abs. 1) ; - bundeseigene Vorräte (Art. 4, Abs. 2); - Verpflichtung von Betrieben zur Haltung von Mindestvorräten an Nahrungsmitteln (Art. 5, Abs. l und 2) ; - Verpflichtung der Kantone zur Anlage von Salzvorräten (Art. 5, Abs. 3) und Vorräten für Minderbemittelte (Art. 6); - Pflichtlagerverträge zwischen Bund und Privaten (Art. 7-11).

Die Förderungsmassnahmen gemäss Artikel 4, Absatz l, sind im Gesetz nicht abschliessend aufgezählt. Eine Förderung liegt schon im blossen Aufruf an die Bevölkerung, Vorräte anzulegen; sodann gehört dazu die Einräumung von Vorteilen, einschliesslich der Gewährung von Beiträgen, Darlehen und Garantien.

Immerhin ist bei den Vorräten, deren Bestand der Bund nicht kontrolliert und ohne grosse Umtriebe nicht
kontrollieren kann -, eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der Einräumung von Vorteilen angezeigt. Dies gilt sowohl für die Haushalt-, als auch für die freiwilligen Betriebsvorräte, wo von der Gewährung von Beiträgen, Darlehen und Garantien abgesehen werden muss.

Mit Bezug auf die Haushaltvorräte begnügt sich der Bund damit, die Bevölkerung im geeigneten Zeitpunkt zur Anlegung von Vorräten an bestimmten Gütern, namentlich Lebensmitteln, Brennstoffen etc. aufzufordern. Wer keine Haushaltvorräte unterhält, muss sich - vorbehaltlich Artikel 6 des Entwurfes -

823 damit abfinden, dass ihm während der Bezugssperre zu Beginn einer Rationierung keine gesperrten Waren zur Verfügung stehen. Artikel 8, Absatz 4, der Verordnung I vom 30. Dezember 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (Bestandesaufnahmen und Vorratshaltung, B810, 804) bestimmt bezüglich der Haushaltvorräte: «Für Vorräte im Haushalt werden keine Beiträge geleistet. Wer in normalen Zeiten grössere Haushaltvorräte hält, soll jedoch im Eahmen der vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zu erlassenden Bestimmungen auch im Falle der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges darüber verfügen können.» An diese Zusicherung wird sich der Bundesrat auch weiterhin halten. Sie bietet den stärksten Anreiz zur Haltung von Haushaltvorräten.

Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung betreffend die Haushaltvorräte - über den Artikel 4, Absatz l, hinaus - ist nicht notwendig.

Von Seiten des Migros-Genossenschaftsbundes ist angeregt worden, der Bund solle die Abgabe von Haushaltvorräten finanzieren helfen. Dieser Vorschlag bedingt eine periodische Kontrolle der Haushaltvorräte; würde bei solchen Kontrollen festgestellt, dass die Vorräte nicht mehr voll vorhanden oder verdorben sind, so müsste eine Bestrafung erfolgen. Diese Umtriebe stünden in keinem Verhältnis zu den Vorteilen einer solchen Massnahme. Der Anregung kann deshalb keine Folge gegeben werden.

Mit Bezug auf die freien Betriebsvorräte haben verschiedene Kantone und Spitzenverbände eine Bestimmung angeregt, wonach derartige Vorräte im Falle einer Kriegswirtschaft nicht auf die Zuteilungen angerechnet und von der Ablieferungspflicht ausgenommen werden; eine solche Zusicherung würde für viele Betriebsinhaber einen Anreiz zur Anlegung und zur weitern Äufnung von Lagern darstellen. Das geltende Recht bestimmt diesbezüglich in Artikel 8, Absatz 7 und 8 der zitierten Verordnung I: Freiwillig gehaltene Lager, namentlich solche, für die keine staatlichen Beiträge gewährt wurden, sind im Falle der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges, soweit das Landesinteresse es zulässt, dem Eigentümer zu überlassen.

Die Beschlagnahme und Enteignung werden durch besondere Verordnung geregelt.

Nach dem geltenden Recht kann also der Bund bei unmittelbarer Kriegsgefahr auf Grund von Artikel 7 des Sicherstellungsgesetzes oder nach Ausbruch eines Krieges auf Grund von ausserordentlichen Vollmachten auî freie Betriebsvorräte greifen, wenn das Landesinteresse dies erfordert, d. h. wenn zur Versorgung von Volk und Armee mit lebenswichtigen Gütern das Angreifen bestimmter Lager nicht mehr zu umgehen ist.

Die genannten Vorschläge wünschen, dass der Bund im neuen Gesetz ein für allemal auf diese Möglichkeit verzichtet und schon heute eine bindende Zusicherung abgibt, die selbst unter einem neuen Vollmachtenrecht zu beachten wäre. Eine so weitgehende und allgemeine Bindung für sämtliche lebenswichtigen Güter kann jedoch nicht für alle Zukunft eingegangen werden. Dagegen ist es durchaus möglich, dass die zuständigen Bundesbehörden für einzelne

824 Warenkategorien Zusicherangen über die freie Verwendung von Betriebsvorräten abgeben, die mit der jeweiligen Konzeption für eine neue Kriegswirtschaft im Einklang stehen; dazu bedarf es keiner besondern gesetzlichen Bestimmung; Artikel 4, Absatz l, genügt.

Der Erhaltung oder Vermehrung der Vorräte dienen auch Belieferungsverträge des Bundes mit ausländischen Unternehmen, wobei sich der Bund gleichzeitig vom Staat, dem das Unternehmen angehört, die völkerrechtliche Garantie geben lässt, dass dieser Staat die vertragsgemässe Belieferung der Schweiz unter allen Umständen gestattet. Ein wichtiges Beispiel eines solchen Belieferungsvertrages ist der vom Bund mit den Charbonnages de France am 28. Juli 1953 abgeschlossene Vertrag,. über den der. Bundesrat den eidgenössischen Bäten am 28.September 1953 (Beantwortung der Interpellation StB Klöti) bzw. am 30. September 1953 (Beantwortung der Interpellation NR Vontobel) Bericht erstattet hat.

Art. 4, Abs. 2 ermächtigt den Bund, zur Ergänzung der privaten Vorratshaltung eigene Vorräte anzulegen oder zu vermehren. Im geltenden Sicherstellungsgesetz (Art. 3, Abs. l, lit. a, steht die Vorratshaltung des Bundes an erster Stelle. Es entspricht jedoch unserer Wirtschaftsordnung, dass die Vorratshaltung in erster Linie Aufgabe der privaten Wirtschaft ist; die Vorkehren des Bundes sollen hier wie überall die privaten Massnahmen nur ergänzen und.

allfällige Lücken ausfüllen. Der Entwurf möchte dies deutlicher als das geltende Gesetz zum Ausdruck bringen.

Die Vorratshaltung des Bundes soll in erster Linie dazu dienen, die Bedürfnisse der Armee und der Bundesverwaltung an lebenswichtigen Gütern für Zeiten der Absperrung oder des Krieges möglichst sicherzustellen. Doch können Wirtschaft und Konsumenten nur ein Interesse daran haben, dass der Bund auch über seine eigenen Bedürfnisse hinaus Vorräte anlegt.

In den Vernehmlassungen wurde angeregt, der Gesetzgeber solle den Bundesrat nicht nur zur Förderung der privaten Vorratshaltung und zur Erhaltung bundeseigener Vorräte ermächtigen, sondern ihn dazu verpflichten.

Selbstverständlich ist der Bundesrat verpflichtet, zur Sicherung des Bedarfs von Volk und Armee von den ihm zukommenden Ermächtigungen Gebrauch zu machen. Doch werden die Meinungen häufig darüber auseinandergehen, wann solche Massnahmen nötig werden und
welchen Umfang sie annehmen sollen.

Eine absolute Sicherstellung der Versorgung von Volk und Armee mit lebenswichtigen .Gütern auf unbeschränkte Zeit ist unmöglich. Der Gesetzgeber muss hier dem Bundesrat einen gewissen Spielraum des pflichtgemässen Ermessens einräumen. Dieser Auffassung entspricht die im Entwurf erwähnte Ermächtigungsklausel, die sich übrigens schon im geltenden Recht (Art. 3) findet.

Der Migros-Genossenschaftsbund schlug die Aufnahme einer besondern Bestimmung vor, wonach der Bundesrat die Nationalbank anweisen kann, ihm gegen Verpfändung bundeseigener Lager an lebenswichtigen Gütern Gold zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll dem Bund die Anlegung eigener Vorräte

825 erleichtert werden. Eine solche Bestimmung ist jedoch nicht notwendig. Artikel 14, Ziffer l, des Bundesgesetzes vom 23.Dezember 1953 über die schweizerische Nationalbank (AS 1954, 599) ermächtigt die Nationalbank generell zur Diskontierung von Schatzanweisungen des Bundes, ohne dass sie sich dafür besondere Werte als Sicherheit verpfänden lassen müsste. Sie stellt schon im Bahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit dem Bund die nötigen Devisen zur Verfügung, die er zur Anlegung zusätzlicher Bundesvorräte benötigt. Zur Beschaffung dieser Devisen kann die Nationalbank1 nötigenfalls Gold verkaufen.

Die Pflicht des Bundes zur Haltung von Vorräten an Brotgetreide fällt nicht unter das neue Gesetz, da diesbezüglich das Bundesgesetz vom 7. Juli 1932/ 21. Dezember 1950 über die Getreideversorgung des Landes (BS 9, 439, AS 1951, 431) eine Sonderregelung aufstellt. Artikel4, Absatz 3, hält dies ausdrücklich fest.

Art. 5: Mindestvorräte an Nahrungsmitteln Artikel 3, Absatz l, lit. c, des Sicherstellungsgesetzes gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, «öffentliche und private Unternehmen, sowie die kantonalen Salzverwaltungen zur Haltung von Vorräten, die in ihren Geschäftsbereich fallen, in bestimmtem Umfang und an bestimmten Orten zu verpflichten».

Weiter bestimmt das Gesetz, dass der Bund den Lagerhalter schadlos zu halten hat, wenn diesem aus der verfügten Vorratshaltung ohne eigenes Verschulden ein Schaden entsteht (Art. 3, Abs. 3). Von dieser gesetzlichen Befugnis ist - abgesehen von der Lagerhaltungspflicht der Salzverwaltungen - nie Gebrauch gemacht worden. Die Pflichtlagerverträge, bei denen die Lagerpflichtigen grundsätzlich die Lagerrisiken selbst zu tragen haben, erwiesen sich im allgemeinen als ausreichende Mittel zur Sicherung einer angemessenen Vorratshaltung, insbesondere weil bei Waren, die einer Einfuhrbewilligungspflicht unterstehen, die Erteilung der Bewilligung vom Abschluss und von der Erfüllung eines Pflichtlagervertrages abhängig gemacht werden kann (vgl. Bemerkungen zu Art. 7). Auf die Befugnis des Bundesrates, eine bestimmte Lagerhaltung zu verfügen, kann deshalb grundsätzlich verzichtet werden.

Immerhin gibt es Ausnahmefälle, wo die Haltung gewisser Mindestvorräte an Nahrungsmitteln im Interesse der Bevölkerung gewährleistet sein muss. Dies trifft insbesondere zu für einen Teil
der sogenannten kollektiven Haushaltungen, die auch zu Beginn einer Eationierung fertige Mahlzeiten abgeben müssen, wenn der Nachbezug - einzelner rationierter Lebensmittel für die Betriebe noch gesperrt ist. Die Haltung von Mindestvorräten ist insbesondere unerlässlich bei Spitälern, Kinderheimen, Arbeiterkantinen, Altersheimen usw., wo die verpflegten Personen auf ihre bisherige Verpflegungsstätte angewiesen sind.

Ein weiterer wichtiger Fall betrifft die Bäckereien. Bei Einführung einer Eationierung ist eine Bezugssperre für Mehl nicht zu umgehen. Die Brotversorgung muss jedoch unter allen Umständen gewährleistet sein. Gewisse Mehlvorräte in den Bäckereien sind auch deshalb notwendig, weil der Nachbezug sich bei den zu Beginn einer Mobilmachung zu erwartenden Transportschwierigkeiten verzögert.

826 Eine besondere Entschädigung an die Betriebe, die in Zukunft zur Haltung solcher Blindestvorräte verpflichtet werden, erscheint nicht angezeigt; denn alle andern Unternehmen, die freiwillig entsprechende Vorräte zur Überbrückung einer Bezugssperre anlegen, haben die damit verbundenen Spesen und Kisiken ebenfalls zu tragen und in ihre Geschäftsunkosten einzurechnen. Eine Lagerhaltung für zirka zwei bis höchstens vier Wochen, wie sie hier in Betracht fällt, kann noch nicht als zusätzliche Lagerhaltung angesehen werden; denn eine bescheidene Vorratshaltung gehört zu einer geordneten Betriebsführung.

Immerhin gibt es nach den Erhebungen des Delegierten für wirtschaftliche Landesverteidigung Bäckereien, denen auch diese minime Vorratshaltung mangels Lagerraum oder aus finanziellen Gründen nicht zugemutet werden kann.

In solchen Ausnahmefällen sollen die Kantone unter Heranziehung der betreffenden Gemeinden dafür sorgen, dass die nötigen Mehlvorräte trotzdem bereitgestellt werden.

Die Verpflichtung der Kantone, angemessene Salzvorräte zu unterhalten, wird aus dem geltenden Eecht übernommen. Art. 10, Abs. l, der zitierten Verordnung I vom 30. Dezember 1938 zum Sicherstellungsgesetz sieht vor, dass die Kosten aus der Haltung von Salzvorräten für mindestens 6 Monate von den kantonalen Salzverwaltungen zu tragen sind.

Art. 6: Vorkehren für Minderbemittelte Die geordnete Einführung der Eationierung setzt voraus, dass Abgabe und Bezug der sofort zu rationierenden Waren (haltbare Lebensmittel wie Zucker, Eeis, Mehl, Teigwaren, Hafer, Gerste, Mais, pflanzliche Fettstoffe sowie Seife, Waschmittel, flüssige und feste Brennstoffe etc.) zunächst für einige Wochen gesperrt werden. Während dieser Zeit sind die Warenbestände aufzunehmen, die Bezugsberechtigten festzustellen und die vorsorglich vorbereiteten Karten auszuteilen. In den verarbeitenden Betrieben und kollektiven Haushaltungen ist überdies, der Verbrauch zu ermitteln. Schliesslich muss das kriegswirtschaftliche .Personal ergänzt und mit den Vorschriften vertraut gemacht werden.

Während der Bezugssperre soll sich die Bevölkerung grundsätzlich mit den Haushaltvorräten behelfen. Zu deren Anlegung wurde wiederholt aufgerufen.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Haushaltvorräte heute vielerorts nicht oder nicht mehr in den empfohlenen Mindestmengen
vorhanden sind. Allein die betreffenden Haushaltungen werden die Folgen dieser Sorglosigkeit im Falle einer unerwarteten plötzlichen Zuspitzung der internationalen Lage selbst tragen müssen.

Ein Teil der Bevölkerung ist jedoch aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, Haushaltvorräte anzulegen und zu unterhalten. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Minderbemittelten auch während der Bezugssperre auf Grund besonderer Ausweise rationierte Waren beziehen können. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat zusammen mit den Kantonen und Gemeinden entsprechende Vorkehren getroffen. Für den zusätzlichen Verbrauch, der durch die Bezüge der Minderbemittelten zu Beginn einer Kriegswirtschaft entsteht,

827 wurden besondere Vorräte angelegt. Das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage erschwerte jedoch mancherorts die Vorbereitungen. Der Entwurf auferlegt deshalb den Kantonen eine diesbezügliche Pflicht, die die Kantone ihrerseits den Gemeinden überbinden können.

Art. 7: Pfüchtlager. Abschluss und Inhalt der Pflichtlagerverträge Artikel 7, Absatz l, umschreibt das Wesen der Pflichtlagerverträge. Der Eigentümer eines Pflichtlagers verpflichtet sich vertraglich gegenüber dem Bund, bestimmte Vorräte an einem vereinbarten Ort sachgemäss zu lagern und fortlaufend zu erneuern. Es soll sich um ein zusätzliches Warenlager handeln, dessen Finanzierung der Bund erleichtert und dessen Haltung er stouerrechtlich begünstigt (Art. 9). (Vgl. über das Wesen und die Bedeutung der Pf lichtlagerverträge im einzelnen Markus Eedli: Der Pflichtlagervertrag, Eapperswil 1955).

Die Pflichtlager bilden heute den eigentlichen Schwerpunkt der Vorratspolitik des Bundes. Das Sicherstellungsgesetz kennt diesen Ausdruck jedoch noch nicht; auch die Verordnung I vom 30.Dezember 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (Bestandesaufnahmen und Vorratshaltung) beschränkt sich in Artikel 8, Absatz 6, auf den einzigen kurzen Satz: «Die Vorratshaltung von Unternehmen ist in der Eegel durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und den Eigentümern der Vorräte oder Vereinigungen von solchen zu ordnen.» Diese Verträge wurden von Anfang an «Pflichtlagerverträge» genannt ; sie erlangten in den letzten Monaten vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges grosse Bedeutung. Wenige Jahre nach dem Waffenstillstand wurde erneut mit der Anlegung von Pflichtlagern begonnen. Heute stehen ca. 2300 Pflichtlagerverträge über die verschiedensten Waren im Wert von ungefähr l Milliarde Schweizerfranken in Kraft. Bei dieser Bedeutung der Pflichtlagerhaltung ist es angebracht, dass der Gesetzgeber auf Grund der gesammelten Erfahrungen die wichtigsten Grundsätze festlegt.

Die Pflichtlagerverträge sind Verträge eigener Art. Ihrem ganzen Wesen nach sind sie öffentlich-rechtlicher Natur. Immerhin kommt das zivile Vertragsrecht analog zur Anwendung, soweit es mit der Natur dieser Verträge vereinbar ist. Der Vertrag bestimmt im einzelnen die Eechte und Pflichten des Bundes und des
Lagerpflichtigen. Grundsätzlich erfolgt die Lagerhaltung auf Eechnung und Gefahr des Lagerpflichtigen. Er kann sachenrechtlich frei über das Lager verfügen, ist jedoch vertraglich verpflichtet, es zu erhalten, regelmässig zu erneuern (soweit eine Erneuerung notwendig ist) und für eine sachgemässe Lagerung zu sorgen, gleichgültig, ob er die Waren in eigenen Eäumen oder bei Dritten einlagert. Weiter ist er verpflichtet, die Lager gegen alle bei schweizerischen Gesellschaften versicherbaren Eisiken zu versichern. Über den Bestand der Vorräte hat er regelmässig Bericht zu erstatten. Die Lagerhaltung wird vom Bund o'der in seinem Auftrag von Treuhandinstituten, Branchenverbänden usw. kontrolliert.

828 In den Pflichtlagerverträgen wird festgelegt, wie weit das Pflichtlager im Falle einer Bewirtschaftung der betreffenden Ware dem Betrieb zur Verfügung steht und wie weit die Bewirtschaftungsstellen es zu einer anderweitigen Verwendung heranziehen können. Solche Zusagen binden den Bund gleich wie alle andern vertraglich eingegangenen Verpflichtungen. Artikel T, Absatz 2, legt die Mindestzusagen fest, die der Bund beim Vertragsabschluss abgeben muss, doch steht es den Bundesbehörden frei, weitergehende Zusicherungen abzugeben, wo dies möglich ist.

Für Vertragsverletzungen können Konventionalstrafen vereinbart werden.

Die Beurteilung von Streitigkeiten aus Pflichtlagerverträgen unterliegt erstinstanzlich einer besonderen Schiedskommission für Pflichtlager (Art. 33).

Die Pflichtlagerverträge haben vor allem deshalb eine so grosse Bedeutung erlangt, weil der Bund die Einfuhr lebenswichtiger Güter in den Dienst der Vorratshaltung stellt. Die dafür nötige Eechtsgrundlage wurde 1939 durch eine Eevision des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (BS 10, 539) geschaffen. Dieser Erlass gibt dem Bundesrat zusätzlich zum Sicherstellungsgesetz eine umfassende Kompetenz, die nötigen Massnahmen zur Vermehrung der Vorratshaltung zu treffen. Gestützt darauf hat der Bundesrat bei Waren, die der Einfuhrbewilligungspflicht unterstanden, die Erteilung der Bewilligung vom Abschluss und der Erfüllung eines Pflichtlagervertrages abhängig gemacht. Später konnten auf Grund des Beschlusses der Bundesversammlung vom 26. April 1951 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten (Korea-Beschluss) auch Güter, deren Einfuhr bisher keiner Bewilligung bedurfte, der Einfuhrbewilligungspflicht neu unterstellt werden, um die Importeure zum Abschluss von Pflichtlagerverträgen zu veranlassen. Gestützt auf diese Eechtsgrundlagen hat der Bundesrat in zahlreichen Beschlüssen die Erteilung von Einfuhrbewilligungen und die Belieferung durch eine zentrale Einkaufsstelle (wie die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel) vom Abschluss eines Pflichtlagervertrages abhängig gemacht (vgl.

BEB vom 16. November 1948 über die Vorratshaltung an Zucker, ersetzt durch BEB vom T.November 1950, AS 1948, 1126, J950, 1244;
BEB vom 29.April 1949/1.5. September 1950 über die Vorratshaltung an Futtermitteln, AS 1949, 415; 1950, 899; BEB vom 29. April 1949 über die Vorratshaltung von Mahlhafer, Mahlgerste und Essniais, AS 1949, 413; BEB vom 29. April 1949 über die Vorratshaltung an Speiseölen, Speisefetten sowie Eohstoffen und Halbfabrikaten zu deren Herstellung, ersetzt durch BEB vom T.November 1950, AS 1949, 409, 1950,1241; BEB vom 29. April 1949 über die Vorratshaltung an Eeis zu Speisezwecken, ersetzt durch BEB vom T.November 1950, AS 1949, 411,1950, 1246; BEB vom 2T. Dezember 1949 über die Vorratshaltung flüssiger Treib- und Brennstoffe, AS 1949, 1815; BEB vom 2T. Dezember 1949 über die Vorratshaltung an Maschinenschmierölen, AS 1949,1819; BEB vom 2T. Januar 1950 über die Vorratshaltung an Eohphosphat, AS 1950, 93; BEB vom 16. August 1950 über die Vorratshaltung an Kaffee, AS 1950, TT6; BEB vom 8.Mai 1951 über die Vor-

829 ratshaltung an Kakaobohnen und Kakaobutter, AS 1951, 435; BEB vom 1. Juni 1951 über die Vorratshaltung an Antibiotika, abgeändert durch BEB vom 17. Dezember 1951, beide aufgehoben und ersetzt durch BEB vom 29. Oktober 1952, AS 1951, 506, 1159; 1952, 880; BEB vom 9. Oktober 1951 über die Vorratshaltung an Saatmais und Saatwicken, AS 1951, 920; BEB vom 9. Oktober 1951 über die Vorratshaltung an Sämereien, AS 1951, 922; BEB vom 10. Oktober 1951 über die Vorratshaltung an Kalidünger, AS 1951, 924; BEB vom T.März 1952 über die Vorratshaltung an Haferflocken, AS 1952, 269).

Diese Ordnung soll im neuen Gesetz definitiv verankert werden. Gleichzeitig wird bestimmt, dass Importeure von Waren, die einer Einfuhrbewilligungspflicht unterstehen, auch angehalten werden können, gleichartige, nur beschränkt haltbare Güter aus bundeseigenen Vorräten zu übernehmen - eine Verpflichtung, die schon jetzt auf Grund des Beschlusses der Bundesversammlung vom 26. April 1951 (Korea-Beschluss) in einzelnen Bundesratsbeschlüssen über die Vorratshaltung und in den entsprechenden Pflichtlagerverträgen enthalten ist; die Übernahme hat zu den für die gelieferte Qualität geltenden Marktpreisen zu erfolgen. Ohne eine solche Verpflichtung müsste der Bund selbst auf dem Markt als Händler auftreten, wenn er seine Lager absetzen oder erneuern will. Die beteiligten Kreise und die zuständigen Bundesstellen sind jedoch der Auffassung, dass eine solche Konkurrenzierung des privaten Handels durch den Bund unerwünscht ist.

Auch unter dem neuen Eecht kann der Bundesrat für bestimmte Güter die Erfüllung der Pflicht zur Vorratshaltung durch Dritte gestatten (vgl. Art. 2 BEB vom 10. Oktober 1951 über die Vorratshaltung an Kalidünger, AS 1951, 924).

Ari. 8: Garantiefonds und ähnliche Vorkehren Grundsätzlich trägt der Lagerpflichtige das Eisiko von Preisrückgängen auf den eingelagerten Waren ; dieses Eisiko ist unter Umständen beträchtlich.

Auch die Lagerkosten gehen im Prinzip zu seinen Lasten. Es ist deshalb verständlich, dass die Lagerpflichtigen Mittel und Wege suchen, um diese Kosten zu decken und sich gegen die entsprechenden Eisiken zu schützen. Aus solchen Bestrebungen heraus sind - namentlich auf dem Gebiete der Nahrungsmittel, wo der Konkurrenzkampf im allgemeinen nur sehr bescheidene Verdienstmargen zulässt - auf privatwirtschaftlicher
Grundlage eine Eeihe sogenannter Garantiefonds entstanden; doch kennt die Praxis auch andere Lösungen. Die zur Lagerhaltung verpflichteten Importeure schlössen sich branchenweise zu Genossenschaften oder Vereinen zusammen. In den Statuten verpflichteten sie sich, auf den Importen an Pflichtlagerwaren Beiträge in eine gemeinsame Kasse zu entrichten. Daraus erhalten die Mitglieder eine Vergütung zur Deckung der mit der Lagerhaltung verbundenen Kosten (Lagergeld, Kapitalzins, Versicherung usw.). Ferner werden ihnen je nach dem Stand des Fonds und der Entwicklung der Weltmarktpreise Beträge zur Abschreibung der Pflichtlager (Amortisationsquoten) ausbezahlt. Dank dieser Amortisationsquoten soll der Lagerpflichtige die Pflichtlager ohne Verlust so weit abschreiben können, dass sie bei

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Auflösung des Vertrages nur noch zu dem in jenem Zeitpunkt gültigen Weltmarktpreis zu Buch stehen. Sollte der Pflichtvorrat auf Grund der ausbezahlten Amortisationsquoten dann bereits unter den Weltmarktpreis abgeschrieben sein, so hat die Firma die Differenz dem Fonds zurückzuerstatten.

Die Garantiefondsbeiträge werden von den Importeuren ganz oder teilweise auf ihre Abnehmer überwälzt. Letztlich bezahlt sie der Konsument. Diese Lösung ist gerechtfertigt, weil im Falle einer Absperrung oder des Krieges der Verbraucher Nutzniesser der Vorratshaltung wäre. Er bezahlt beim Kauf der Ware geWissermassen eine Risikoprämie.

Das Garantiefondssystem führt nur zum Ziel, wenn sämtliche Importeure einer Branche sich daran beteiligen. Um dies zu erreichen, ersuchten die zuständigen Wirtschaftskreise den Bund, in den Pflichtlagerverträgen die Firmen zu verpflichten, der Selbsthilfeorganisation beizutreten und auf den. importierten Waren die Garantiefondsbeiträge zu entrichten. Die Behörden entsprachen dem Begehren. Damit erhielten diese Organisationen gewisse Merkmale eines Zwangsverbandes. Für den Bund ergab sich daraus die Pflicht, sich ein entscheidendes Mitspracherecht bei der Erhebung und Verwendung der Beiträge auszubedingen, um zu. verhindern, dass die Mittel zweckwidrig verwendet oder die Konsumenten ungebührlich belastet werden. Dieses Mitsprache- bzw. Genehmigungsrecht wurde in den Pflichtlagerverträgen verankert; seine Ausübung obliegt in den meisten Fällen der Eidgenössischen Preiskontrollstelle, vereinzelt dem Delegierten für wirtschaftliche Landesverteidigung, der für den Bund die Pflichtlagerverträge abschliesst. Überdies wurde in den erwähnten Verträgen festgelegt, dass ein allfälliger Überschuss des Garantiefonds ausschliesslich «im Interesse des Konsumenten» zu verwenden ist. Allfällige Differenzen zwischen den Organen des Garantiefonds und den zur Mitsprache berufenen Bundesstellen entscheidet das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement. Das neue Gesetz verankert nun ausdrücklich das Eecht des Bundes, die Beteiligung an solchen Vorkehren auf Grund der Pflichtlagerverträge zu fordern, und sieht für alle diesbezüglichen Massnahmen die Genehmigung des Bundesrates vor (Art. 8, Abs. l und 3).

Die Höhe der Garantiefondsbeiträge richtet sich darnach, welche Mittel zur Deckung der mit der
Lagerhaltung verbundenen Kosten und zur Abschreibung der Vorräte auf den mutmasslichen Weltmarktpreis im Zeitpunkt ihrer Auflösung benötigt werden. Wo die Pflichtlager die Landesversorgung für einen längern Zeitraum zu sichern haben - so bei den Hauptnahrungsmitteln -, sind die Beiträge grösser als dort, wo die Vorräte nur für einige Monate ausreichen. Sie betragen gegenwärtig z. B. pro Kilo: Bei Zucker 8 Rappen, bei Reis und Kaffee 15 Rappen, bei Fett/Öl 20 Rappen; bei Futtermitteln dagegen nur noch 1,15 Rappen (gegenüber ursprünglich 3,2 Rappen).

Die verhältnismässig hohen Ansätze bei den obgenannten Lebensmitteln sind einmal auf die im Verhältnis zu den Importen grosseri Lagermengen, dann auf die preislich ungünstige Ausgangslage im Zeitpunkt der Äufnung der Vorräte zurückzuführen. Im Herbst 1948 betrug der Einstandspreis des Zuckers

831 franko verzollt Grenze 86 Franken, im Frühjahr 1955 ca. 72/73 Franken per 100 kg (exklusive Pflichtlagerbeitrag). Speiseöl raffiniert kostete im Frühjahr 1949 316 Franken, im Frühjahr 1955 ca. 155-165 Franken je 100 kg (exklusive Pflichtlagerbeitrag). Auch die Erhöhung der Pflichtlager im Jahre 1950, nach Ausbruch des Koreakrieges, fiel in eine Zeit steigender Preise. Diese Marktentwicklung erforderte sehr grosse Mittel zur Abschreibung der Pflichtlager.

Für jede Pflichtlagerware wurde ein Amortisationsziel aufgestellt. Dieses entspricht dem mutmasslichen Weltmarktpreis, mit welchem bei einer Aufhebung der Pflichtlager in Friedenszeiten gerechnet werden darf. Es handelt sich hierbei freilich nur um Schätzungen, die zu hoch oder zu tief sein können.

Die Amortisationsziele sind heute, nahezu fünf Jahre nach der Anlegung von Pflichtlagern, noch nirgends erreicht.

Die Körperschaften, die Träger der Garantiefonds oder ähnlicher Vorkehren sind, können ihre Funktion mit den Mitteln des Privatrechts allein nicht befriedigend erfüllen. Da der Beitritt für alle Pflichtlagerhalter der betreffenden Branche obligatorisch ist, muss die privatrechtliche Freiheit hinsichtlich der Aufnahme und des Ausschlusses von Mitgliedern beschränkt werden. Auch hinsichtlich der Aufbringung und Verwendung der Mittel muss die Privatautonomie durch ein Mitspracherecht von Bundesinstanzen im Sinne der vorangegangenen Ausführungen beschränkt werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Statuten von den Bestimmungen des Privatrechts abweichen können ; denn das schweizerische Obligationenrecht sieht bei Genossenschaften als einzige zulässige Einflussnahme der öffentlichen Hand die Abordnung von Vertretern in die Verwaltung und die Kontrollstelle vor (Art. 926 OB) ; weitergehende Beschränkungen der Privatautonomie ,sind ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht möglich (BGE 67 I 262). Abweichungen vom Privatrecht bedürfen jedoch ·der Zustimmung des Bundesrates (Art. 8, Abs. 2).

Die Statuten müssen auch Gewähr dafür bieten, dass die geschäftliche Geheimsphäre der einzelnen Mitglieder gegenüber ihren Konkurrenten gewahrt bleibt. Die Abrechnungen der Firmen über die Garantiefondsbeiträge und über die Pflichtlagerfreigaben erlauben Rückschlüsse auf deren Unisatz im Importgeschäft. Schon heute wird den Mitgliedern der Verwaltung
dieser Körperschaften, die überwiegend Kaufleute der betreffenden Branche sind, von dor Geschäftsleitung kein Einblick in die Abrechnungen gewährt. Die Frage ist jedoch gestellt worden, ob die Verwaltung nicht auf Grund ihres Aufsichtsrechts über die Geschäftsleitung vollen Aufschluss über deren Entscheide sowie Einblick in die dazugehörigen Unterlagen verlangen könne und ob nicht eine gegenteilige Statutenbestimmung gegen zwingendes Privatrecht verstosse. Es gibt diesbezüglich noch keine veröffentlichten Entscheide des Bundesgerichtes.

Artikel 8, Absätze 2 und 3, räumen jedoch dem Bundesrat die Möglichkeit ein, zu verlangen, dass die Geschäftsleitung solcher Körperschafton statutarisch neutral und in bezug auf den Geschäftsverkehr mit den einzelnen Firmen auch der Verwaltung gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet sein muss. Hinsichtlich des Geschäftsverkehrs soll sie ausschliesslich der Aufsicht der Kontroll-

832 stelle unterstehen. Allfällige Meinungsverschiedenheiten zwischen der Geschäftsleitung und einzelnen Mitgliedern sind durch die in Artikel 88 vorgesehene Schiedskommission für Pflichtlager zu entscheiden. Durch diese Ordnung wird einerseits der Charakter des Garantiefonds als Selbsthilfemassnahme der beteiligten Kreise gewahrt und es ist andererseits auch der nötige Schutz der öffentlichen Interessen und der Geheimsphäre der beteiligten Firmen gewährleistet.

Art. 9: Erleichterung der Pflichtlagerhaltung Um die Anlegung von Pflichtlagern zu erleichtern, hat sich die Schweizerische Nationalbank gegenüber dem Bund verpflichtet, Eigenwechsel der Pflichtlagerhalter bis zu 90 Prozent des Einstandspreises des Lagers zum offiziellen Diskontsatz (z. Z. 1%%) zu diskontieren. Zahlreiche andere Banken besorgen das gleiche Geschäft, ohne dazu verpflichtet zu sein. Die Banken können jedoch eine so weitgehende Bevorschussung zu niedrigem Zins nur vornehmen, weil der Bund sich neben den Pflichtlagerhaltern für die Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten verbürgt (Art. 9, Abs. 1). Zur Sicherung des Bundes für allfällige Verluste aus diesen Bürgschaften steht ihm ein Aussonderungsrecht an den Pflichtlagern gemäss Artikeln 10/11 zu.

Um die Pflichtlagerhaltung zu erleichtern, hat der Bund schon bisher den damit verbundenen besonderen Eisiken bei der Veranlagung der eidgenössischen Wehrsteuer Eechnung getragen. Die derzeitige Praxis ist im Kreisschreiben Nr. 3 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 4. Januar 1951 festgehalten.

Dieses weist die kantonalen Wehrsteuerverwaltungen an, Abschreibungen auf den Pf lichtlagern bis zum Vorkriegswert ohne besonderen Nachweis als geschäftsmässig begründet anzuerkennen und in Fällen, wo der Pflichtlagerhalter nachweist, dass die Haltung des Lagers mit besonders grossen Risiken verbunden ist, auch Abschreibungen unter den Vorkriegswert zu bewilligen. Die so entstehenden stillen Reserven sind erst bei ihrer Auflösung nach den dannzumaligen Vorschriften zu versteuern. Anspruch auf solche Abschreibungen können nur Firmen erheben, welche die mit der Pflichtlagerhaltung verbundenen Risiken selber tragen. Für Vorräte, für welche Garantiefonds bestehen, kommen sie somit nicht in Betracht, sondern es sind auf sie die ordentlichen Abschreibungsgrundsätze anwendbar. Auch die meisten
Kantone gewähren ähnliche Vergünstigungen bei den kantonalen Steuern, desgleichen viele Gemeinden bei den Gemeindesteuern. Das neue Gesetz soll nicht in die kantonalen Steuergesetze eingreifen, doch will es den Grundsatz der Sonderbehandlung der Pflichtlager für die Dauer der Erhebung von Bundessteuern gesetzlich verankern.

Art. 10 und 11: Aussonderungsrecht des Bundes Die weitgehende Haftung, die der Bund gegenüber den Banken bei der Finanzierung der Pflichtlager übernimmt, ruft ihrerseits nach einer Sicherung des Bundes gegen allfällige Verluste. Da die Pflicbtlager sich im Besitze der Lagerpflichtigen befinden, können daran keine Pfandrechte begründet werden (Art. 884 ZGB). Als Ersatz dafür wurde durch eine Novelle zum Sicherstellungs-

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gesetz vom 29. September 1949 (AS 1949,1799) ein besonderes Aussonderungsrecht zugunsten des Bundes eingeführt (Art. 3, Abs. 4, des Sicherstellungsgesetzes).

Die nähere Ausgestaltung des Aussonderungsrechts erfolgte durch die Verordnung III vom S.März 1950 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (Aussonderungsrecht des Bundes an zusätzlichen kriegswirtschaftlichen Vorräten, AS 1950, 257). Die ganze Ordnung weicht erheblich vom ordentlichen Sachenrecht und vom Betreibungsrecht ab. Diese Abweichungen sind grundsätzlich durch den Gesetzgeber selbst festzulegen. Der Entwurf geht deshalb stärker in die Einzelheiten als das geltende Gesetz und berücksichtigt die Erfahrungen, die inzwischen mit dem Aussonderungsanspruch des Bundes gemacht wurden.

Auf Grund des Aussonderungsrechtes erwirbt der Bund das Eigentum am Pflichtlager in dem Augenblick, in dem das Konkurserkenntnis oder die Bewilligung einer Nachlaßstundung rechtskräftig werden; eine besondere Besitzesübertragung ist nicht notwendig. Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln des Sachenrechts geht dieses neuentstandene Eigentum des Bundes allen vorher begründeten Pfand- und Eetentionsrechten vor ; der Bund respektiert einzig das Eetentionsrecht des Besitzers der Lagerräumlichkeiten, in welchem die Pflichtlager aufbewahrt werden, für Forderungen gemäss Artikel 485, Absatz l des Obligationenrechts (einschliesslich Forderungen aus Frachtlohn und Zoll, die vom Besitzer von Lagerräumlichkeiten für das Pflichtlager bezahlt wurden; vgl. Entwurf Art. 10, Abs. 2). Dagegen anerkennt der Bund das Eetentionsrecht des Besitzers von Lagerräumlichkeiten nicht, wenn es sich auf andere Forderungen stützt, die ihm aus dem Geschäftsverkehr mit dem Lagereigentümer zustehen (Art. 895, Abs. 2, ZGB). ' Die Bestellung von Pfandrechten an einem Pflichtlager ist nach dem Entwurf nur dem Bunde gegenüber unwirksam; Dritten gegenüber sollen rechtsgültig begründete Pfandrechte wirksam bleiben. Dies ist wichtig für die Banken, welche die vom Bund nicht gesicherte Eestfinanzierung übernehmen. In den Fällen, in denen der Bund gemäss Artikel 11, Absatz 3, einen Teil des Gegenwertes des Pflichtlagers an die Konkursmasse oder im Nachlassverfahren an den Schuldner aushändigen muss, soll deshalb den Pfandgläubigern ein Forderungspfandrecht an diesem
Auszahlungsanspruch zustehen.

Der Entwurf erwähnt, im Gegensatz zum geltenden Gesetz, aber in Übereinstimmung mit Artikel 12 der zitierten Verordnung III ausdrücklich auch das Aussonderungsrecht an allfälligen Ersatzansprüchen des Lagerpflichtigen. Darunter fallen vor allem auch Ersatzansprüche gegenüber Versicherungsgesellschaften aus Schadenversicherungen.

Der Lagerpflichtige kann die zum Pflichtlager gehörenden Waren jederzeit rechtsgültig veräussern. Er hat sie aber Zug um Zug zu ersetzen, so dass das Lager stets im vertraglichen Umfang vorhanden ist. Die Brwerber von Waren aus Pflichtlagern sind grundsätzlich in ihrem Besitz geschützt. Handelt es sich jedoch um Verfügungen, die nach Artikel 285 ff. SchKG anfechtbar sind, so

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steht die Anfechtungsklage ausschliesslich dem Bunde zu, soweit der noch vorhandene Eest des Pflichtlagers zur Deckung seiner Regressansprüche nicht ausreicht (Art. 11, Abs. 2).

Die Regressforderung, die dem Bunde gegen den Lagerpflichtigen auf Grund der Bezahlung der Bankkredite zusteht, kann grösser oder kleiner sein als der Wert des Pflichtlagers und der Ersatzansprüche im Zeitpunkt, da sie auf den Bund übergehen. Im Falle einer ungenügenden Deckung nimmt der Bund für den Ausfall als Kurrentgläubiger am Konkurs oder am Nachlassvertrag teil (Art. 11, Abs. 4).

Übersteigt der Wert des Pflichtlagers und der Ersatzansprüche die Forderung des Bundes, so hat er den Mehrwert grundsätzlich der Masse auszuhändigen. Vor der Aushändigung ist jedoch zu prüfen, ob der Schuldner nicht noch Verpflichtungen hat auf Grund seiner Beteiligung an einem Garantiefonds oder an ähnlichen Vorkehren zur Deckung der Lagerkosten und des Preisrisikos; trifft dies zu, so soll der Mehrwert in erster Linie zur Deckung dieser Verpflichtungen dienen (Art. 11, Abs. 3).

Eine Privilegierung dieser Verpflichtungen ist sachlich gerechtfertigt : Nach den Statuten zahlreicher Garantiefonds oder ähnlicher Einrichtungen haben die Lagerpflichtigen bei vorzeitiger Auflösung ihrer Pflichtlager die Differenz zwischen dem sogenannten «Basispreis» und dem höheren Weltmarktpreis an.

den Garantiefonds abzuliefern; unter dem «Basispreis» ist der ursprüngliche Einstandspreis abzüglich die vom Garantiefonds geleisteten Amortisationsquoten zu verstehen, also der Preis, mit dem der Lagerpflichtige effektiv belastet ist. Die Pflicht zur Ablieferung dieser Differenz entspricht dem Prinzip,.

dass die Pflichtlager, für welche Garantiefonds bestehen, grundsätzlich ohne Gewinn und Verlust aufgelöst werden sollen. Wer sein Pflichtlager vorzeitig aufhebt, soll nicht besser gestellt sein als derjenige, der später einmal zur gewinn- und verlustlosen Auflösung der Pflichtlager Hand bieten muss. Die Garantiefonds wollen in erster Linie das Risiko von Preiszusammenbrüchen decken; die Gefahr solcher Preiszusammenbrüche besteht vor allem in dem Zeitpunkt, in welchem sich die weltpolitische Lage auf längere Sicht entspannt, und die von den andern Staaten angelegten Kriegsreserven freigegeben werden, wodurch sich das Angebot auf den Märkten verstärkt. Wird ein
Pflichtlager-aber vorzeitig aufgelöst, so hat der Lagerpflichtige Amortisationsquoten bezogen, ohne die Zeit des höchsten Risikos abzuwarten; deshalb soll er die Differenz zwischen «Basispreis» und höherem Weltmarktpreis wieder in den Garantiefonds einwerfen. Die Träger des Garantiefonds können die Wiedereinwerfung der Amortisationsquoten auch dann fordern, wenn ein Lagerpflichtiger in Konkurs geraten ist oder einen Nachlassvertrag abschliessen muss; in beiden Fällen geht das Pflichtlager ins Eigentum des Bundes über, und der Pflichtlagervertrag fällt dahin. Ohne besondere gesetzliche Bestimmung würde jedoch dieser Rückforderungsanspruch als gewöhnliche Kurrentforderung in der 5;Klasse kolloziert; dementsprechend käme nur eine Konkurs- oder Nachlassdividende zur Auszahlung. Diese Lösung wäre äusserst unbefriedigend; denn häufig muss der Rück-

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forderungsanspruch des Garantiefonds dazu dienen, nochmals die Amortisation des gleichen Pflichtlagers zu finanzieren. Deshalb soll der Bund nach dem Entwurf den ihm zugekommenen Mehrwert in erster Linie zur Deckung der Forderung des Garantiefonds verwenden; der Garantiefonds wird im Ergebnis ähnlich behandelt, wie wenn ihm für seine Forderung am Pflichtlagcr ein den Ansprüchen des Bundes nachgehendes Pfandrecht zustände.

Macht der Bund das Aussonderungsrecht geltend, so kommt der Bestimmung des massgeblichen Wertes des Pflichtlagers im Sinne von Artikel 11, Absatz 3, grösste Bedeutung zu. In der Regel entspricht er dem Weltmarktpreis franko verzollt Lagerort. Je nach dem Qualitätszustand der Ware kann der Wert aber auch unter dem Weltmarktpreis liegen. Ferner ist folgendes zu beachten: Die Pflicht des Bundes, die Differenz zwischen dem Gegenwert des auf ihn übergegangenen Pflichtlagers und der Höhe seiner Forderung abzuliefern, folgt aus dem Postulat, dass ihm aus dem Eigentumserwerb am Pflichtlager kein dauernder Vermögenszuwachs - keine sogenannte Bereicherung - erwachsen soll. Entscheidend ist daher grundsätzlich der Gegenwert, der dem Bund bei der Verfügung über das Pflichtlager zukommt. Der Bund soll das Lager bestmöglichst verwerten, sofern er es nicht nach dem Zustandekommen eines Nachlassvertrages dem Nachlaßschuldner wieder zur Verfügung stellt. In zahlreichen Fällen, namentlich wenn mit der Weiterführung des Geschäftes durch den Naehlassschuldner gerechnet werden kann, wartet das zuständige Bundesorgan mit der Verwertung zu; das Risiko einer dabei eintretenden Wertverminderung darf jedoch grundsätzlich nicht dem Bunde zugemutet werden, so wenig wie ihm eine Wertvermehrung zugute kommen soll. Andererseits muss die Bewertung unter Umständen schon erfolgen, bevor die Art der Verwertung feststeht; denn die Durchführung des Konkurses oder Nachlassverfahrens verlangt eine rasche Abklärung der Frage, ob der Bund durch den Übergang des Pflichtlagers gedeckt ist oder ob er eine Ausfallforderung geltend macht oder welche Schuld er gegenüber der Masse anerkennt (Art. 232, Ziff. 2 und 3, und Art. 300 SchKG, Art. 5 und 9 der zitierten Verordnung III zum Sicherstellungsgesetz). In solchen Fällen ist bei der Bewertung auf die Risiken einer nachträglichen Wertverminderung Rücksicht zu nehmen. Die
Einzelheiten über die Bewertung und über deren Anfechtung durch Gläubiger, Konkursverwaltung und Nachlaßschuldner werden besser in einer Verordnung des Bundesrates geregelt.

Streitigkeiten betreffend das Aussonderungsrecht und die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten des Bundes werden nach geltendem Recht durch ein besonderes «Kriegswirtschaftsgericht» entschieden (Art. 4, 7, 10 und 11 der zitierten Verordnung III) ; dessen Entscheide können bei einem Streitwert von wenigstens 2000 Franken gemäss Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (BS 4, 1133) an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 11 des Sicherstellungsgesetzes ; Verordnung II vom 30. September 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, Verfahren zur Erledigung von vermögensrechtlichen Streitigkeiten, BS 10, 813). Der Bundesrat glaubt, dass in Zukunft auf ein solches Sondergericht verzichtet werden kann,

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wenn einerseits die Streitigkeiten über das Aussonderungsrecht den Zivilgerichten und andererseits die Streitigkeiten betreffend die Pflichtlagerverträge und Garantiefonds einer besondern Schiedskommission zugewiesen werden (vgl.

die Ausführungen zu Art.38 des Entwurfes). Das Bedenken, das Aussonderungsrecht werfe besonders schwierige Hechts- und Bewertungsfragen auf, denen die ordentlichen Zivilgerichte nicht gewachsen seien, ist nicht derart schwerwiegend, dass es die Beibehaltung eines Sondergerichts rechtfertigt; viel entscheidender ist der Umstand, dass bei der vorgesehenen Neuordnung der gerichtlichen Zuständigkeit alle Streitigkeiten betreffend einen Nachlassvertrag oder einen Konkurs vom gleichen Gericht beurteilt werden können (Art. 11, Abs. 5).

Art. 12: Forstwirtschaft

Nach Artikel 4 des Sicherstellungsgesetzes kann der Bundesrat in unsicheren Zeiten für die Erzeugnisse der Land- oder Forstwirtschaft eine vermehrte Produktion oder Nutzung anordnen. An die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile leistet der Bund angemessene Beiträge. Inzwischen wurde das Problem der Anbaupflicht in unsicheren Zeiten durch Artikel 19 des Landwirtschaftsgesetzes geregelt. Artikel 12 befasst sich deshalb nur noch mit der Forstwirtschaft.

Die Kompetenzen des Bundes im Gebiete der Forstwirtschaft sind grundsätzlich im Bundesgesetz vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (BS 9, 521) umschrieben, öffentliche Waldungen sind nach kantonalen Instruktionen zu bewirtschaften, die der Genehmigung des Bundesrates unterliegen. Dabei gilt der Grundsatz 'der schonenden (sogenannten «nachhaltigen») Bewirtschaftung, d. h. es darf nicht mehr genutzt werden, als der Zuwachs an Holz beträgt. Auch für die privaten Waldbesitzer bestehen Nutzungseinschränkungen (insbesondere Kahlschlagverbot).

Kodungen bedürfen generell einer staatlichen Bewilligung, woran in der Eegel die Verpflichtung, Ersatz durch Neuaufforstung zu leisten, geknüpft wird. Der Waldschutz ist der Grundgedanke des eidgenössischen Forstgesetzes.

Die Vorschriften über die Nutzungen haben ausschliesslich einschränkenden Charakter, somit den Zweck, den Wald vor übermässigen und schädlichen Eingriffen zu schützen. Dagegen gibt das eidgenössische Forstgesetz dem Bund in keiner Weise das Recht, die Nutzungen im Sinne der Kriegsvorsorge zu regeln.

Artikel 12 des Entwurfes ermächtigt nun den Bundesrat, unabhängig von den bestehenden Vorschriften des Forstpolizeirechtes in unsichern Zeiten eine vermehrte Nutzung der Wälder anzuordnen, wenn dies zur Erleichterung der Anlegung von Holzvorräten notwendig ist. Immerhin dürfen solche Massnahmen erst nach Fühlungnahme mit den zuständigen Fachkreisen ergriffen werden, damit die langfristigen Zielsetzungen des Forstpolizeigesetzes nicht durch vorübergehende Übernutzungen zu stark durchkreuzt werden.

Die vermehrte Nutzung der Wälder kann für die Waldbesitzer wirtschaftliche Nachteile verschiedener Art zur Folge haben. Beispielsweise kann es sich

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als notwendig erweisen, die zusätzlichen Nutzungen in abgelegene, verkehrstechnisch ungünstig gelegene Wälder zu verlegen, wobei der Holzerlös die Rüstund Transportkosten nicht zu decken vermag oder doch dem Waldbesitzer keinen angemessenen Ertrag mehr abwirft. Ferner zeigte die Erfahrung des zweiten Weltkrieges, dass durch behördlich angeordnete Übernutzungen dem Wald Schäden zugefügt werden können, die gegebenenfalls kostspielige Wiederherstellungsarbeiten bedingen. Die in Artikel 12 erwähnten «wirtschaftlichen Nachteile» beziehen sich daher nicht nur auf den ungenügenden Erlös aus dem geschlagenen Holz, sondern umfassen auch allfällige Wiederinstandstellungsarbeiten (Aufforstungen, Kulturen usw.) und eventuell erforderliche zusätzliche Transportanlagen (Wege, Seilbahnen). Hiefür genügen die in Artikel 42 des Porstpolizeigesetzes vorgesehenen Bundesbeiträge unter Umständen nicht.

Art. 13: Studien und Versuche ' Nach dem geltenden Gesetz kann der Bundesrat unter dem Gesichtspunkt der Kriegsvorsorge nur in unsicheren Zeiten Studien und Versuche sowie andere Vorbereitungsmassnahmen zur Nutzbarmachung inländischer Urprodukte oder zur Förderung der einheimischen Erzeugung lebenswichtiger Güter fördern.

Man kann sich fragen, ob eine Förderung solcher Studien und Versuche durch den Bund nicht überhaupt jederzeit möglich sein sollte. Da jedoch der Bund mit Rücksicht auf seine Finanzlage eher einen Abbau der Bundesbeiträge anstreben muss, scheint es richtiger, die diesbezüglichen Kompetenzen des Bundesrates im geltenden Gesetz nicht zu erweitern. Der Entwurf begnügt sich deshalb damit, das Gebiet der allenfalls unterstützungswürdigen Studien, Versuche und weiteren Vorbereitungsmassnahmen etwas zu präzisieren. Die Förderung beschränkt sich auf ForfeereAtwgfsmassnahmen ; dagegen bietet Artikel 13 des Entwurfes keine Grundlage, um die Produktion bestimmter Güter zu unterstützen. Selbstverständlich besteht keinerlei Anspruch auf eine Bundeshilfe ; der Bundesrat wird in jedem Fall zuerst prüfen, ob gewisse Studien, Versuche oder sonstige Vorbereitungsmassnahmen im Interesse der Kriegsvorsorge liegen und ob den Initianten die volle Tragung der Kosten oder eine anderweitige Beschaffung von Mitteln nicht möglich ist.

Art. 14: Transportwesen Absatz l präzisiert den geltenden Artikel 6 des Sicherstellungsgesetzes. Die
in Betracht fallenden Massnahmen im Gebiete des Transportwesens sind vielfältig. Mit 'diesen Aufgaben befasst sich innerhalb der kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation das Eidgenössische Kriegstransportamt. Im Vordergrund steht die Notwendigkeit der Bereitstellung einer ausreichenden Hochseescbiffstonnage, mit der im Falle eines Konfliktes unter den Grossmächten ein Minimum an Gütern aus überseeischen Produktionsgebieten unter schweizerischer oder anderer neutraler Flagge nach europäischen Seehäfen transportiert worden kann.

Auch Vereinbarungen mit andern Staaten über die Benutzung von Häfen und Zufahrtsrouten im Kriegsfall gehören zu diesen Vorkehren.

Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. I.

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Bei drohender Kriegsgefahr bestehen nicht nur besondere Kriegsrisiken; auch die gewöhnlichen Transportrisiken können wesentlich ansteigen, so dass die Transportversicherer keinen Bückversicherer mehr finden. Seinerzeit erging schon 11 Monate vor Kriegsausbruch, am 30. September 1938, gestützt auf Artikel 6 des Sicherstellungsgesetzes ein Bundesratsbeschluss über die Deckung des Kriegsrisikos für gewisse Fluss- und Landtransporte (AS 54, 708). Am 23. Dezember 1949 fasste der Bundesrat einen neuen (nicht veröffentlichten) Beschluss, der das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, im Bedarfsfalle die Kriegstransportversicherung wieder einzuführen. Das neue Gesetz verankert ausdrücklich die Befugnisse des Bundesrates zur Anordnung derartiger Massnahmen.

Art. 15: Schutz von Vermögenswerten Dass Massnahmen zum Schutz schweizerischer Vermögenswerte ein dringendes Gebot wirtschaftlicher Kriegsvorsorge sind, wurde bereits ausgeführt (vgl. oben I. 3.). Für den Fall, dass die Schweiz in internationale Verwicklungen hineingezogen würde, sollten - ähnlich wie dies der früher erwähnte Bundesratsbeschluss vom 30. Oktober 1939 vorsah - juristische Personen und Handelsgesellschaften des Privatrechts, gegebenenfalls auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Eechts ihren Sitz auf möglichst einfache Weise an einen Ort verlegen können, der ausserhalb des feindlichen Einflusses liegt. Wie die Erfahrungen des zweiten Weltkrieges gezeigt haben, kommen neben der Sitzverlegung aber auch noch andere Vorkehren in Betracht. Als Beispiel seien insbesondere Massnahmen auf dem Gebiete des Wertpapierrechtes erwähnt, welche geeignet sind, rechtswidrigen Beschlagnahmungen von vorneherein die rechtliche Wirksamkeit ausserhalb des besetzten Gebietes zu entziehen. Artikel 15 will dem Bundesrat die Befugnis geben, diesbezügliche Bestimmungen aufzustellen, und zwar so rechtzeitig, dass die erforderlichen Vorbereitungen noch vor Ausbruch eines Krieges getroffen werden können. Nur unter dieser Voraussetzung darf damit gerechnet werden, dass die Massnahmen ihren Zweck erreichen.

Art. 16: Ein- und Ausfuhr Einer der Hauptmängel des geltenden Gesetzes besteht darin, dass es dem Bundesrat für unsichere Zeiten auf dem Gebiete der Ein- und Ausfuhr keine Befugnisse gibt. Bis zum Erlass des Korea-Beschlusses vom 26.-April
1951 (gestützt auf die Generalklausel des Art. l, Abs. 3, des Sicherstellungsgesetzes) musste der Bundesrat für die unerlässlichen Anordnungen auf dem Gebiet der Ein- und Ausfuhr den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933/22. Juni 1939 übelwirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland' heranziehen. Dieser bis Ende 1956 befristete Beschluss soll jedoch heute nur noch die Rechtsgrundlage für handelspolitische Massnahmen auf dem Gebiet des internationalen Warenund Zahlungsverkehrs bilden; für alle wirtschaftlichen Massnahmen, die sich

889 auf die revidierten Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung stützen, sind besondere Bechtsgrundlagen zu schaffen.

Unter Umständen kann die Belieferung der Schweiz in Zeiten internationaler Spannungen nur sichergestellt werden, wenn Gewähr dafür besteht, dass die für unser Land bestimmten Waren nicht in unverändertem Zustand an andere Staaten weiterverkauft werden. Diesbezüglich hat sich während dos Koreakrieges das System der sogenannten Einfuhrzertifikate bewährt (vgl. BEB Nr. 2 vom 80. Januar 1951 über die Überwachung der Einfuhr AS 1951, 45).

Bei entsprechenden Unterhandlungen mit dem Ausland ist es von Vorteil, wenn der Bundesrat darauf hinweisen kann, dass er die nötigen gesetzlichen Handhaben zur Überwachung von Ein- und Ausfuhr besitzt. Zur Schonung schweizerischer Vorräte kann es ferner notwendig sein, die Ausfuhr knapp werdender Güter zu beschränken oder zu verbieten und die Verwendungszwecke neu eingeführter kriegswichtiger Güter zu begrenzen.

Artikel 16 darf nur für Massnahmen zum Zwecke der Kriegsvorsorge, nicht aber für rein handelspolitische Anordnungen angerufen werden.

Die Voraussetzungen zum Erlass der in Artikel 16 vorgesehenen Bestimmungen auf dem Gebiete der Ein- und Ausfuhr sind - verglichen mit den übrigen Massnahmen in unsicheren Zeiten -- qualifiziert. Die Massnahmen dürfen nur angeordnet werden, «wenn und solange durch die Entwicklung der internationalen Lage die Versorgung von Volk und Armee mit einzelnen lebenswichtigen Gütern gefährdet ist». Während die Förderung der Vorratshaltung bzw. die Anlegung von Vorräten bereits einsetzt, wenn auf längere Sicht gesehen mit einer Zuspitzung der internationalen Lage zu rechnen ist, verlangt Artikel 16 eine konkrete Gefährdung.

Artikel 16, lit. a, gibt u. a. die Möglichkeit, dem Importeur bei der Erteilung von Einfuhrbewilligungen Verwendungsbeschränkungen aufzuerlegen.

Für Waren, die bereits in der Schweiz liegen, können solche dagegen nur nach Massgabe des Artikels 17 angeordnet werden.

Die Massnahmen auf dem Gebiete der Ein- und Ausfuhr müssen sich immer auf «bestimmte Güter» beziehen; sie dürfen also nicht generell angeordnet werden. Dagegen brauchen diese Güter nicht unbedingt lebenswichtig zu sein; es ist denkbar, dass die Zufuhren mit lebenswichtigen Gütern gefährdet sind, wenn die Schweiz gegenüber ausländischen
Mächten nicht die Erklärung abgibt, sie werde auch die Ein- und Ausfuhr gewisser für die Schweiz nicht lebenswichtiger Güter kontrollieren.

Dritter Abschnitt Massnahmen bei ernstlicher Störung der Zufuhr von lebenswichtigen Gütern oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr Art. 17: Bewrtschaftungsmassnàhmen und Preisvorschriften Artikel 17 hat die Funktionen der Artikel 7 und 8 des Sicherstellungsgesetzes zu übernehmen ; verglichen mit dem geltenden Recht sind die Kompe-

840

tenzen des Bundesrates aber näher umschrieben worden. Bezüglich der Voraussetzungen, unter denen die hier erwähnten Bewirtschaftungsvorschriften angeordnet werden können, vgl. die Ausführungen im ersten Teil der Botschaft, Ziffer 2; eine Bewirtschaftung kommt nur in der sogenannten «dritten Phase», d.h. bei eingetretener ernstlicher Störung der Zufuhr oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr in Betracht.

Artikel 17 gibt dem Bundesrat keine Kompetenzen zu allgemeinen Bewirtschaf tungsmassnahmen ; es könnte z.B. keine generelle Kontingentierung (Lieferung nur an die bisherige Kundschaft im bisherigen Eahmen) auf diesen Artikel gestützt werden. Die Massnahmen müssen sich vielmehr auf bestimmte Güter beziehen, deren Bewirtschaftung unerlässlich erscheint.

Die lit. a soll ähnliche Anordnungen ermöglichen, wie sie nach Ausbruch des Koreakrieges gestützt auf den Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 (Korea-Beschluss) getroffen wurden, insbesondere Verwendungsbeschränkungen für einzelne knapp werdende Materialien, die schon im Lande liegen und deshalb keinen Verwendungsbeschränkungen gemäss Artikel 16 unterstellt werden können. Unter Umständen kann der Bundesrat aber auch weitergehende Bewirtschaftungsmassnahmen - nötigenfalls sogar die Kontingentierung und Rationierung bestimmter Güter - gestützt auf diese Bestimmung anordnen.

Die lit. b befasst sich mit den Höchstpreis Vorschriften nach Eintritt einer ernstlichen Störung der Zufuhren oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr. Der geltende Verfassungszusatz vom 23. November 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle (AS 1952,1055) ist sachlich und zeitlich beschränkt. Das Problem der Bekämpfung von Preissteigerungen bei ernsthaften Störungen der Zufuhren oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr muss deshalb im Entwurf unabhängig von dieser befristeten Rechtsgrundlage gelöst werden. Dabei gehen die Meinungen sehr auseinander, welche Preisvorschriften in solchen Zeiten nötig sein werden. Auf der einen Seite wird der Befürchtung Ausdruck gegeben, es könne schon vor Kriegsausbruch eine allgemeine Preishausse einsetzen; deshalb seien sofortige generelle Massnahmen zur Verhinderung unangemessener Preise und Margen auf den für das Inland bestimmten Waren unerlässlich. Dieser Auffassung entsprach der Vorentwurf des Delegierten von
1952, der der Bundesversammlung das Recht einräumen wollte, nötigenfalls den Bundesrat mit entsprechend weitgehenden Kompetenzen auszustatten. Auf der andern Seite wird jedoch geltend gemacht, so weitgehende Kompetenzen seien in der Vorkriegszeit nicht nötig und nicht angezeigt. Gestützt auf eine weittragende Ermächtigung werde allzu früh nach einer umfassenden Preiskontrolle gerufen. Jede Preiskontrolle beeinträchtige die Bewegungsfreiheit der Wirtschaft; werde sie zu früh angeordnet, so bringe sie unter Umständen für die gesamte Volkswirtschaft mehr Nachteile als Vorteile. Diese entgegengesetzten Auffassungen, die in den Vernehmlassungen zum Departementsentwurf zum Ausdruck kommen, zeigten sich auch in der Diskussion um die befristete Beibehaltung der verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine be-

841 schränkte Preiskontrolle. Die Initianten des Volksbegehrens zum Schütze der Mieter und Konsumenten wollten dem Bund die Kompetenz zu allgemeinen Höchstpreisvorschriften geben, sobald «erhebliche Störungen in den Marktverhältnissen» eintreten. Eine ähnliche Wendung fand sich seinerzeit im Entwurf des Bundesrates zu einem Verfassungszusatz über die befristete Weiterführung der Preiskontrolle (BEI 1952, II, 125). Die eidgenössischen Eäte haben in der Folge jedoch den Anwendungsbereich der Preiskontrollvorschriften bewusst eingeschränkt. Der Bundesrat glaubt dieser Auffassung der eidgenössischen Eäte, die die Zustimmung von Volk und Ständen gefunden hat, auch im vorliegenden neuen Gesetze Rechnung tragen zu müssen.

Dabei gilt es zu beachten, dass sich die Preisvorschriften des neuen Gesetzes an den verfassungsmässigen Bahmen der revidierten Wirtschaftsartikel zu halten haben; sie müssen als eine vorsorgliche Massnahme für Kriegszeiten erscheinen und können nicht auf den befristeten Verfassungszusatz abgestützt werden.

Preisvorschriften dürfen dann als vorsorgliche Massnahmen für Kriegszeiten angesprochen werden, wenn sie sich auf Güter beziehen, die infolge einer ernstlichen Störung der Zufuhren knapp werden oder knapp zu werden drohen und deshalb bewirtschaftet werden müssen. Eine Bewirtschaftung ohne Preisvorschriften ist undenkbar. Weitergehende Preisvorschriften könnten dagegen nur dann als vorsorgliche Massnahme für Kriegszeiten betrachtet werden, wenn ohne solche Vorschriften mit einer Preisentwicklung zu rechnen ist, die in ihren Auswirkungen die Verteidigungsbereitschaft des Landes zu schwächen droht.

Ob dies zu gegebener Zeit der Fall ist, lässt sich schwer voraussehen. Der Bundesrat hält es deshalb für richtiger, wenn der Entwurf in dieser Frage Zurückhaltung übt und für allfällige weitergehende Anordnungen besondere Bundesbeschlüsse vorbehält.

Die lit. c befasst sich mit dem Lieferungszwang und der Ablieferungspflicht, die lit. d mit der Beschlagnahme von Lagerräumen.

An dieser Stelle sind in erster Linie die Begriffe Lieferungszwang und Ablieferungspflicht sowie die verwandten Begriffe Beschlagnahme und Enteignung abzuklären. In der letzten Kriegswirtschaft bildete der Bundesratsbeschluss vom 25. Oktober 1940 über Beschlagnahme, Enteignung und Lieferungszwang (AS 56, 1683) die
Grundlage für solche Massnahmen; die in diesem Bundesratsbeschluss noch nicht erwähnte Ablieferungspflicht gewann erst im Laufe der Kriegswirtschaft wachsende Bedeutung (typisch z. B. der BEB über die Ablieferung von Gummireifen und Luftschläuchen vom S.Juli 1942, AS 58, 817).

Alle vier Massnahmen stellen äusserst schwerwiegende Eingriffe in das Privateigentum und in die Vertragsfreiheit dar. Im Sinne einer blossen Vorsorge für Kriegszeiten ist deshalb bei deren Anwendung Zurückhaltung geboten.

Unter Lieferungszwang versteht man eine Form des Kontrahierungszwanges.

Eine Firma wird verpflichtet, zu bestimmten Bedingungen und «zu den geltenden Preisen» einem Abnehmer zu liefern. (Vgl. Lautner, System des schweizerischen Kriegswirtschaftsrechts 312, 325, 1038). Der Lieferungszwang bezieht sich immer auf Güter, die das lieferpflichtige Unternehmen ordentlicher-

842 weise herstellt bzw. mit denen es handelt; doch wird die Freiheit in der Wahl des Käufers beschränkt oder aufgehoben. Da manche Firma bei einer Stockung der Zufuhren ein Interesse haben kann, bestimmte Aufträge und Lieferungen nicht mehr auszuführen, muss der Bund eine Handhabe besitzen, um die im Interesse der Versorgung von Volk und Armee liegenden Lieferungen unter Umständen doch durchzusetzen.

Bei der Ablieferungspflicht hat die Firma eine bestimmte Ware «zu den geltenden Preisen» einer Sammelstelle - sei es einer Amtsstelle des Bundes oder einer von ihm bezeichneten Organisation - zur Verfügung zu stellen. Die Ablieferungspflicht wild sich in erster Linie auf die laufende Produktion beziehen, um ein spekulatives Äufnen von Vorräten und einen nach den kriegswirtschaftlichen Bestimmungen nicht erlaubten Handel mit bestimmten Waren zu bekämpfen; als Beispiel sei die Ablieferungspflicht für Inlandeier bei einer Stockung der Zufuhren an Importeiern erwähnt. Doch kann sich die Ablieferungspflicht auch auf Vorräte erstrecken, wenn der Eigentümer nicht in der Lage ist, aus den Vorräten die Waren herzustellen, die für die Versorgung von Volk und Armee dringend benötigt werden.

Die Bedenken mancher Wirtschaftskreise richten sich vor allem gegen die zweitgenannte Form der Ablieferungspflicht - die Ablieferung von Vorräten.

Sie würden es begrüssen, wenn auf diese einschneidende Massnahme zum mindesten in der Vorkriegsphase verzichtet werden könnte. Mit Bezug auf diejenige Hälfte der Pflichtlager, die nicht für den Eigentümer reserviert ist, muss jedoch bei einer ernstlichen Störung der Zufuhren unter Umständen schon in der Vorkriegszeit die Ablieferungspflicht angeordnet werden, sei es um entsprechende Zuteilungen machen zu können, sei es um bei drohender Kriegsgefahr zusätzliche Verpflegungsdepots für die Truppe zu1 dotieren. Dagegen hofft der Bundesrat, dass zum mindesten in der Vorkriegsperiode für die freien Betriebsvorräte von einer Ablieferungspflicht Umgang genommen werden kann.

Bei der Beschlagnahme (Art. 7, Abs. l, des Sicherstellungsgesetzes) wird dem Eigentümer vorläufig oder vorübergehend die Nutzung und die Verfügungsfreiheit über bestimmte Güter entzogen; er behält aber das Eigentum.

Unter Umständen hat die Beschlagnahme den Charakter einer Art Zwangsmiete, in anderen Fällen ist
sie eine vorsorgliche Massnahme, bevor eine andere definitive Bewirtschaftungsmassnahme angeordnet wird. Die seit 1938 gemachten Erfahrungen deuten darauf hin, dass jedenfalls in der Vorkriegsphase Beschlagnahmen im allgemeinen nicht nötig sein werden. Immerhin sah sich der Bundesrat veranlasst, unmittelbar vor Ausbruch des letzten Krieges, am 29. August 1939 die Beschlagnahme von Lager- und Tankräumen gestützt auf Artikel 7 des Sicherstellungsgesetzes anzuordnen (AS 55,752). Die Beschlagnahme von Lagerräumen soll deshalb bei einer ernstlichen Störung der Zufuhren und bei unmittelbarer Kriegsgefahr auch in Zukunft angeordnet werden können. Von der Beschlagnahme als Bewirtschaftungsmassnahme ist die Beschlagnahme als administrative Sanktion bei Widerhandlungen zu unterscheiden (vgl. Bemerkungen .zu Art. 25).

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Die Enteignung (Art. 7, Abs. l, des Sicherstellungsgesetzes) ist der schwerste Eingriff in das Privateigentum. Sie soll deshalb nur als ultima ratio in Betracht fallen (Art. 13, Abs. 4, des BEB vom 25. Oktober 1940 über Beschlagnahme, Enteignung und Lieferungszwang; Lautner, System des schweizerischen Kriegswirtschaftsrechts, 518). Die Enteignung kommt praktisch nur in Betracht in Einzelfällen, wenn keine allgemeine Ablieferungspflicht, statuiert wird. Nach dem Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 können nur dingliche Kechte an Grundstücken, Nachbarrechte und persönliche Kechte von Mietern und Pächtern enteigneter Grundstücke Gegenstand der Enteignung sein; bei der kriegswirtschaftlichen Enteignung wird demgegenüber das Eigentum an beweglichen Sachen gegen volle Entschädigung auf den Bund übergeführt. Wenn das neue Gesetz den Bundesrat zur Anordnung des Lieferungszwanges und der Ablieferungspflicht ermächtigt, kann auf das Institut der Enteignung verzichtet werden.

Nach Artikel 17, lit. c, hat bei Anordnung eines Lieferungszwanges oder einer Ablieferungspflicht die Lieferung zu den «geltenden Preisen» zu erfolgen.

Die Bezahlung ist beim Lieferungszwang Pflicht des vom Staat bezeichneten Käufers, bei der Ablieferungspflicht Sache der Ablieferungsstelle. Wenn ein Lieferungszwang oder eine Ablieferungspflicht angeordnet wird, sind die davon betroffenen Güter in der Eegel schon zu knapp, dass dafür Höchstpreisvorschriften gemäss lit. b bestehen. Die geltenden Preise werden deshalb in der Eegel die zulässigen Höchstpreise sein. Eine Garantie, dass in allen Fällen der Wiederbeschaffungspreis zu bezahlen ist, kann aber weder für die Vorkriegsphase noch für eine allfällige neue Kriegswirtschaft abgegeben werden.

Alle Einzelheiten, einschliesslich des Bechtsschutzes bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des zu bezahlenden Preises, werden besser erst zu gegebener Zeit in entsprechenden Verordnungen des Bundesrates geregelt. Es wäre wenig sinnvoll, bei diesen Bewirtschaf tungsmassnahmen, deren Anwendung möglichst lange hinausgeschoben werden soll, zum' voraus zuviel im Gesetz festzulegen. Immerhin ist in Artikel 33, Absatz 2, die Möglichkeit vorgesehen, dass der Bundesrat diesbezügliche Streitigkeiten der « Schiedskommission für Pflichtlager » überträgt (vgl. Bemerkungen zu Art. 33).

Art. 18: Schliessung
von Geschäften Entsteht infolge einer plötzlichen Verschärfung der internationalen Lage eine starke Beunruhigung der Bevölkerung, so ist mit dem plötzlichen Einsetzen von Massenkäufen («Eun») zu rechnen. Solange die Zufuhren nicht ernstlich gefährdet sind, besteht kein Grund, gegen solche Massenkäufe einzuschreiten; die Bevölkerung ergänzt ihre Haushaltvorräte, den Firmen steht der Nachbezug offen. Fällt jedoch diese Möglichkeit wegen einer ernstlichen Störung der Zufuhren dahin, so können solche Massenkäufe schwere volkswirtschaftliche Nachteile mit sich bringen: Jener Teil der Bevölkerung, der sich an Hamster- und Spekulationskäufen nicht beteiligt oder aus finanziellen Gründen nicht beteiligen kann, findet nachher bei der Deckung des laufenden Bedarfes gegebenenfalls

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nur noch leere Läden vor. Da derartige Bewegungen häufig lokal auftreten, sollen die zuständigen kantonalen Behörden eine vorübergehende Schliessung der in Betracht fallenden Geschäfte und ein Verkaufsverbot verfügen können.

Selbstverständlich muss sich die Schliessung immer auf alle Geschäfte der betreffenden Branche in einer Ortschaft oder Gegend beziehen. Erfasst die Beunruhigung der Bevölkerung das ganze Land, so wird der Bundesrat entsprechende Abgabe- und Bezugsbeschränkungen nach Artikel 17, lit. a, erlassen.

Artikel 18 bildet nur die Kechtsgrundlage für vorläufige, kurzfristige Massnahmen polizeilichen Charakters.

Der Entwurf delegiert die Kompetenz zur vorübergehenden Schliessung von Geschäften an «die Kantone». Die Frage, welche kantonale Behörde dafür zuständig sein soll, bestimmt sich nach kantonalem Recht. Soweit die Kantone keine besonderen Vorschriften über die Delegation polizeilicher Kompetenzen besitzen, ist die Kantonsregierung zur Anordnung der Massnahmen zuständig.

Vierter Abschnitt Besondere Schutzmassnahmen

Art. 19 Wir verweisen auf die Ausführungen oben S. 814 ff.

Fünfter Abschnitt Vollzug

Art. 20: Bundesversammlung und Bundesrat Die Ausführungs- und Vollzugsvorschriften sollen grundsätzlich durch den Bundesrat erlassen werden. Die Departemente erhalten nur die Kompetenz zur Festsetzung der Gebühren für die von ihnen selbst oder von einer nachgeordneten Stelle vorgenommenen Vollzugshandlungen. Ähnlich wie im Landwirtschaftsgesetz ist also keine .allgemeine Kompetenz zur Subdelegation der Rechtsetzungsbefugnisse an die Departemente vorgesehen. Anders liegen die Verhältnisse in einer Kriegswirtschaft ; dann lässt sich eine weitgehende Subdelegation der Rechtsetzungsbefugnisse an die Departemente und Kriegswirtschaftsämter nicht vermeiden.

Artikel 32 der Bundesverfassung sieht vor, dass die Kantone und Wirtschaftsorganisationen vor dem Erlass der Gesetze, die zur Ausführung der revidierten Wirtschaftsartikel ergehen, anzuhören sind. Schon das Landwirtschaftsgesetz bestimmt jedoch in zahlreichen Fällen, dass die Kantone und zuständigen Wirtschaftsorganisationen auch vor dem Erlass der Ausführungs- und Vollzugsverordnungen angehört werden sollen. Dies empfiehlt sich ebenfalls im Gebiet der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge und wird deshalb in Artikel 20, Absatz 2, als Regel vorgesehen. Unter den «beteiligten Wirtschaftsorganisationen» sind auch die interessierten Arbeitnehmer- und Frauenorganisationen zu verstehen.

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Norrnalerweise berichtet der Bundesrat über die von ihm getroffenen Massnahmen und die von ihm erlassenen Ausführungs- und Vollzugsvorschriften der Bundesversammlung im jährlichen Geschäftsbericht. Zudem kann jedes Mitglied der Bundesversammlung im Wege der Interpellation oder der «Kleinen Anfrage» Auskünfte über einzelne Verwaltungsmassnahmen verlangen. Doch ist der Bundesrat in seiner Geschäftsführung grundsätzlich autonom. Ohne besondere gesetzliche Grundlage kann die Bundesversammlung nicht von sich aus entscheiden, ob bestimmte Anordnungen des Bundesrates weiter in Kraft bleiben, abgeändert oder ergänzt werden sollen. Bei besonders weitgehenden Ermächtigungen an den Bundesrat, wie sie in den Artikeln 16 und 17 vorgesehen sind, ist jedoch eine solche ausserordentliche Kompetenz der Bundesversammlung angezeigt. Sie besteht auch im Gebiet der wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland, die vom Bundesrat gestützt auf den diesbezüglichen Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933/22. Juni 1939 getroffen werden.

Die Bundesversammlung hat eine Anordnung des Bundesrates aufzuheben, wenn der Bundesrat seine Ermächtigung überschreiten sollte oder wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortdauer der Massnahme nicht mehr vorhanden sind. Die Bundesversammlung kann jedoch auch in andern Fällen Anordnungen des Bundesrates aufheben oder abändern, wenn sie ihr unzweckmässig erscheinen. Die Abänderung oder Ergänzung von bundesrätlichen Massnahmen durch die Bundesversammlung hat den Sinn einer verbindlichen Weisung an den Bundesrat, die vom Parlament beschlossene Abänderung oder Ergänzung vorzunehmen. Die Massnahmen bleiben jedoch Anordnungen des Bundesrates und können bei veränderten Verhältnissen erneut von ihm selbst wieder abgeändert werden. Der Genehmigungsentscheid der Bundesversammlung ist kein allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss im Sinne von Artikel 113, Absatz 3, der Bundesverfassung; trotz der Genehmigung behält deshalb das Bundesgericht die Freiheit, die Gesetzmässigkeit der bundesrätlichen Vorschriften zu überprüfen, wenn diese in irgendeinem Verfahren bestritten wird (BGE 611369, 64 I 222, 68 II 318).

Das geltende Gesetz bestimmt in Artikel l, Absatz 2, ausdrücklich, dass der Bundesrat die zur Durchführung des Gesetzes notwendigen Kredite bei der Bundesversammlung nachzusuchen habe. Auf
eine entsprechende Bestimmung im neuen Gesetz kann jedoch verzichtet werden, da diese Pflicht bereits aus Artikel 85, Ziffer 10, der Bundesverfassung und Artikel 102, Ziffer 14, der Bundesverfassung folgt. Wenn ein Bundesgesetz den Bund zur Erfüllung bestimmter Aufgaben verpflichtet, muss die Bundesversammlung die dafür benötigten Mittel bewilligen, weil auch sie an das Gesetz gebunden ist; soweit jedoch ein Bundesgesetz die Bundesbehörden nur ermächtigt, bestimmte Vorkehren zu treffen, steht es im Ermessen der Bundesversammlung, ob sie die entsprechenden Mittel bewilligen will oder nicht; folgt sie diesbezüglich nicht den Anträgen des Bundesrates, so kann der Bundesrat die ihm eingeräumten Befugnisse unter "Umständen nicht oder nicht voll ausnützen. Dabei bezieht sich die Budgetkontrolle der Bundesversammlung nicht nur auf direkte Ausgaben,

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sondern auch auf Garantieerklärungen, die vom Bundesrat abgegeben werden; ist die Garantieerklärung einmal abgegeben und wird der Bund gestützt darauf später belangt, so darf die Bundesversammlung die Mittel nicht mehr versagen, die der Bund zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen braucht; die Zustimmung der Bundesversammlung muss deshalb grundsätzlich vor Abgabe der Garantieerklärung eingeholt werden. Selbstverständlich kann die Bundesversammlung den Bundesrat schon zum voraus im Eahmen des Voranschlages ermächtigen, Garantieerklärungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag abzugeben. Die Bundesversammlung hat somit auch ausserhalb der Artikel 16 und 17 weitgehende Möglichkeiten, auf die Durchführung des Gesetzes Einfluss zu nehmen, und sie trägt auch eine entsprechende Mitverantwortung hinsichtlich der wirtschaftlichen Kriegs versorge.

Art. 21: Delegierter für wirtschaftliche Kriegsvorsorge

Der vom Bundesrat zu ernennende Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge (heute «Delegierter für wirtschaftliche Landesverteidigung») wird vom Bundesrat und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement mit wichtigen Vollzugsaufgaben auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge betraut.

Er hat zugleich eine zentrale Stellung in der kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation (vgl. dazu oben I. 4.).

Art. 22: Kantone, Gemeinden und Wirtschaftsorganisationen Artikel 22, Absatz l, befasst sich mit der Heranziehung der Kantone und Gemeinden. Der Bund verkehrt offiziell immer nur mit den Kantonen ; die Heranziehung der Gemeinden ist Sache der Kantone. Immerhin sollen die Kantone im neuen Gesetz ausdrücklich zur Heranziehung der Gemeinden ermächtigt werden, unabhängig von den Befugnissen, die den Kantonen schon nach kantonalem Eecht zustehen. Artikel 5, Absatz 2, betreffend die Mehlvorräte ist ein Anwendungsfall dieses Grundsatzes. Soweit die Gemeinden zur Mitwirkung herangezogen werden, unterstehen sie der Aufsicht der Kantone. Gegen Entscheide von Gemeindestellen kann bei den zuständigen kantonalen Amtsstellen (Art. 31, Abs. 1) Beschwerde geführt werden.

Wenn der Bundesgesetzgeber gewisse Vollzugsaufgaben den Kantonen überträgt, untersteht in der Regel der Kanton als solcher der Oberaufsicht des Bundesrates. Dementsprechend können Entscheide der mit dem Vollzug betrauten kantonalen Amtsstellen in der Regel zunächst bis an die kantonale Regierung weitergezogen werden; von dort ist bei Verletzung von Bundesrecht die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat auf Grund von Artikel 125 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (B S 3, 531) zulässig, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben ist. In der Kriegswirtschaft und im Gebiet der noch heute bestehenden Mietzinskontrolle hat es sich jedoch als zweckmässig erwiesen, dass die Entscheide der zuständigen kantonalen Amtsstellen direkt an die mit den Sachfragen vertraute eidgenössische Amtsstelle weitergezogen

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werden können. So geht die Beschwerde gegen Entscheide der kantonalen Mietämter an die Eidgenössische Preiskontrollstelle (Art. 25 der Verordnung vom 30. Dezember 1958 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts, AS 1953, 1286). Müssen gestützt auf Artikel 17 des Entwurfes Bewirtsehaftungsmassnahmen und Höchstpreisvorschriften erlassen werden, so empfiehlt sich im Interesse der einheitlichen Handhabung eine ähnliche Lösung.

Gemäss Artikel 31, Absatz l, ist deshalb die Beschwerde gegen die Entscheide der zuständigen kantonalen Amtsstellen an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement zu richten, das nicht nur die Eechtsmässigkeit, sondern auch die Angemessenheit des Entscheides überprüfen kann. Entsprechend dieser Ordnung unterstellt Artikel 22, Absatz l, des Entwurfs die betreffenden kantonalen Amtsstellen direkt der Oberaufsicht des Bundes. Daneben bleibt selbstverständlich die allgemeine Dienst auf sieht der kantonalen Eegierung bestehen, und auch die Höhe der Gebühren, die von den kantonalen Amtsstellen gegebenenfalls erhoben werden dürfen, bestimmt sich nach kantonalem Eecht.

Artikel 22, Absatz 2, ermöglicht die Übertragung einzelner öffentlichrechtlicher Aufgaben und Befugnisse an öffentlich-rechtliche Körperschaften und Wirtschaftsorganisationen. Bei den öffentlich-rechtlichen Körperschaften denkt der Bundesrat vor allem an die schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel, an die BUTYEA und die schweizerische Verrechnungsstelle. Wirtschaftsorganisationen kommen hauptsächlich als Kontingentsverwaltungsstellen in Betracht. Sie können aber auch mit Kontrollauf gaben (z.B.

im Gebiet der Pflichtlager) betraut werden.

Bei allen Personen, die dauernd oder vorübergehend für den Bund amtliche Funktionen ausüben, richtet sich die strafrechtliche und vermögensrechtliche Verantwortlichkeit nach dem Bundesgesetz vom 9.Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten (BS l, 462), auch wenn sie keine Bundesbeamten im Sinne des Beamtenrechtes sind (vgl. Art. 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes). Anlässlich der Eevision des Gesetzes wird insbesondere bei den Bestimmungen über den Geltungsbereich zu prüfen sein, inwieweit mit Aufgaben des Bundes betraute Organisationen, die ausserhalb der ordentlichen Verwaltung stehen sowie deren
Personal, verantwortlich erklärt werden können und inwieweit der Bund selber eine Haftung für diese Organisationen und ihr Personal übernehmen soll. Es wäre falsch, Personen, die nur nebenberuflich amtliche Funktionen ausüben, hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeit wesentlich anders zu behandeln als die voll der Dienstgewalt des Bundes unterstellten Bundesbeamten. Der in einzelnen Vernehmlassungen geäusserte Gedanke, die Verantwortlichkeit solcher Personen nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, ist deshalb abzulehnen. Auch die Frage, wie weit bei einer Schadenstiftung durch verantwortliche Organe oder Angestellte einer herangezogenen Organisation eine Haftung der Organisation oder des Bundes besteht, wird im neuen Verantwortlichkeitsgesetz zusammen mit der Entschädigungspflicht des Bundes bei pflichtwidrigen Handlungen von Bundesbeamten zu regehi sein.

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Art. 23: Konirolle Artikel 23, Absatz l, deckt sich wörtlich mit Artikel 9 des geltenden Sicherstellungsgesetzes. Absatz 2 gibt den zuständigen Behörden die Möglichkeit, private Büchersachverständige oder Treuhandgesellschaften mit der Durchführung von Kontrollen zu betrauen. Auch diese Personen und Gesellschaften üben dann eine amtliche Funktion aus und unterstehen dementsprechend den öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeitsvorschriften.

Art. 24: Schweigepflicht Artikel 24 entspricht inhaltlich Artikel 10 des Sicherstellungsgesetzes.

Gleich wie im geltenden Gesetz bleibt es dem Bundesrat überlassen, die Stellen zu bezeichnen, denen die Kontrollorgane Auskunft erteilen dürfen. Umstritten ist vor allem die Frage, ob auch die Zoll- und Steuerbehörden zu den auskunftsberechtigten Stellen zählen sollen. Seinerzeit erklärte der Bundesrat in der Botschaft zum Sicherstellungsgesetz (BB1 1937, III, 289), unter den «zuständigen Stellen» im Sinne von Artikel 10, Absatz 2, des Sicherstellungsgesetzes seien die kriegswirtschaftlichen Stellen zu verstehen; dementsprechend behält Artikel 5 der Verordnung I vom 30. Dezember 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung (BS 10, 804) ausdrücklich die Schweigepflicht gegenüber den Steuerbehörden und den Organen der Zollverwaltung vor.

Der gleiche Wortlaut wie in Artikel 10, Absatz 2, des Sicherstellungsgesetzes findet sich auch in Artikel 4, Absatz 3, 2. Satz, des grundlegenden vollmachtenrechtlichen Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln (AS 55,1131) und in Artikel 8, Absatz 2, der Verordnung vom 12. Mai 1950 über die Warenein- und -ausfuhr (AS 1950, 403).

Der nach dem Sicherstellungsgesetz erlassene Bundesratsbeschluss vom G.Dezember 1940 über die Erhebung einer Wehrsteuer (BS 6, 350) verpflichtet jedoch in Artikel 90, Absatz l, alle Verwaltungsbehörden, ungeachtet einer allfälligen Geheimhaltungspflicht, der Veranlagungsbehörde kostenlos alle nötigen Auskünfte zu erteilen. Da kein Vorbehalt zugunsten der kriegswirtschaftlichen Behörden aufgenommen wurde, ist Artikel 5 der zitierten Verordnung I durch Artikel 90 des Wehrsteuerbeschlusses entsprechend eingeschränkt worden.

Heute fragt es sich, ob die Vorkriegsregelung des Sicherstellungsgesetzes oder die Lösung des
Wehrsteuerbeschlusses den Vorzug verdient. Einigkeit besteht darüber, dass der Steuerhinterziehung nicht Vorschub geleistet werden darf. Nach der Ansicht der massgebenden Wirtschaftskreise wird der Verkehr zwischen der Wirtschaft und den kriegswirtschaftlichen Amtsstellen aber wesentlich erleichtert, wenn die Wirtschaft weiss, dass ihr aus den Mitteilungen an diese Amtsstellen keinerlei steuerrechtliche Schwierigkeiten erwachsen könnqp; zwischen der Wirtschaft und den kriegswirtschaftlichen Amtsstellen müsse ein Vertrauensverhältnis vorhanden sein, wie es nun einmal zwischen den Steuerbehörden und dem Steuerpflichtigen bei der naturgemäss entgegengesetzten Interessenlage nicht bestehen könne. Die Steuerbehörden hätten hinreichende

849 andere Möglichkeiten, um sich von den Steuerpflichtigen und den auskunftpflichtigen Dritten die nötigen Angaben zu verschaffen (Art. 89-91 des Wehrsteuerbeschlusses). Der Vorort des Handels- und Industrievereins, der Schweizerische Gewerbeverband und weitere Organisationen fordern deshalb die Bückkehr zur Vorkriegsordnung. Die Eidgenössische Steuerverwaltung glaubt jedoch, auf die Auskünfte der Stellen, die mit dem Vollzug des neuen Gesetzes betraut sind, nicht verzichten zu können. Sie macht geltend, dass die entsprechenden Auskünfte gerade in Zeiten eines erhöhten Finanzbedarfes des Bundes benötigt werden, wenn alle Steuerquellen voll ausgeschöpft werden sollten. Firmen, die korrekt ihre Steuerpflicht erfüllen, hätten keinerlei Nachteile zu befürchten, auch wenn die Steuerbehörden Auskünfte bei den nach diesem Gesetz zuständigen Stellen einholten. Diese Auffassung wird auch vom schweizerischen Gewerkschaftsbund vertreten. Der Bundesrat glaubt, dass die seit 1940 bestehende Auskunftspflicht der kriegswirtschaftlichen Stellen gegenüber der Steuerverwaltung die Handhabung der Kriegswirtschaft nicht wesentlich beeinträchtigt hat. Er möchte deshalb, jedenfalls im vorliegenden Gesetz, am derzeitigen Eechtszustand nichts ändern. Wenn im Eahmen einer neuen Finanzordnung die Eechtsgrundlagen der Wehrsteuer zur parlamentarischen Beratung kommen, wird das Parlament erneut Gelegenheit haben, sich mit den Befugnissen der Steuerbehörden zur Einholung von Auskünften zu befassen. Bei aller Würdigung der von der Wirtschaft vorgebrachten Argumente glaubt der Bundesrat, dass eine solche steuerrechtliche Frage im vorliegenden Gesetz nicht präjudiziert werden sollte.

Artikel 12 des geltenden Sicherstellungsgesetzes stellt eine besondere Strafbestimmung für die Verletzung der Schweigepflicht auf. Das neue Gesetz kann darauf verzichten, weil dieser Tatbestand nun durch Artikel 320 des Strafgesetzbuches erfasst wird.

Sechster Abschnitt Verwaltungsmassnahmen Art. 25: Administrative Sanktionen Schon der Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsicheren Zeiten (Korea-Beschluss) scheidet in Artikel 3 die administrativen Sanktionen klar von der Strafverfolgung; beide Gruppen von Sanktionen bestanden auch im Kriegswirtschaftsrecht
nebeneinander (vgl. den auf Art. 7 des Sicherstellungsgesetzes gestützten Bundesratsbeschluss Nr. 2 vom 2. September 1939 über die Beschränkung der Ausfuhr, Art. 5, AS 55, 825 und den auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Bundesratsbeschluss vom I.September 1939 über die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung, Art. 3, BS 10, 917; Lautner-Moser, System des schweizerischen Kriegswirtschaftsrechts, Lieferung 2, XI l ff., 72 ff.). Die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen (Freiheitsstrafen, Bussen, gegebenenfalls Nebenstrafen und Massnahmen nach StrGB) ist grundsätzlich

850 Sache der Gerichte, die Anordnung administrativer Sanktionen dagegen Sache der Verwaltungsbehörden. In vielen Fällen drängt sich die Verbindung von administrativen und strafrechtlichen Sanktionen auf (Art. 30).

Der Bürger hat Anspruch darauf, dass das. Gesetz die zulässigen administrativen Sanktionen abschliessend aufzählt. Der Entwurf sieht vor: a. unmittelbare Zwangsmassnahmen; darunter fallen z. B. die zwangsweise Abholung von Gütern auf Kosten des Pflichtigen bei Nichterfüllung der Ablieferungspflicht; die vorübergehende Beschlagnahme von Vorräten bei Widerhandlungen gegen Verarbeitungs- und Verwendungsbeschränkungen oder gegen Produktionsvorschriften. Dagegen ist die Konfiskation von Vorräten keine unmittelbare Zwangsmassnahme; sie kann deshalb nicht gestützt auf Artikel 25 angeordnet werden. Vgl. jedoch Artikel 28; b. Ersatzvornahmen, z. B. die Durchführung von Bestandesaufnahmen auf Kosten des Pflichtigen, Massnahmen gegen das Verderben von Pflichtlagern auf Kosten des Lagerpflicbtigen; c. Ordnungsbussen bis zu 200 Pranken; d. mittelbare Zwangsmassnahmen; darunter fallen die Verweigerung von Bewilligungen und der Entzug von bereits erteilten Bewilligungen, insbesondere von Ein- und Ausfuhrbewilligungen, ferner - im Eahmen entsprechender Bewirtschaftungsmassnahmen - die Auferlegung von besonderen Abgabe- und Bezugsbeschränkungen und die Kürzung von Zuteilungen sowie schliesslich der Widerruf von zugesicherten Bundesbeiträgen und anderen Vergünstigungen.

Dagegen ist eine vorsorgliche Schliessung von Geschäften und Betrieben nicht vorgesehen, im Gegensatz zum Kriegswirtschaftsrecht (Bundesratsbeschluss vom 12. November 1940 betreffend die vorsorgliche Schliessung von Geschäften, Fabrikationsunternehmen und anderen Betrieben (AS 56, 1778).

Der Widerruf einer Bewilligung trifft unter Umständen nicht nur den Fehlbaren, sondern auch seinen Vertragspartner; diese Sanktion soll deshalb nur mit Zurückhaltung angewandt werden, d. h. nur wenn sie zur Wahrung der öffentlichen Interessen unbedingt notwendig ist. In einzelnen Vernehmlassungen wurde angeregt, noch weniger weit zu gehen und die oben unter d genannten mittelbaren Zwangsmassnahmen nur für «schwere Fälle» von Widerhand--' lungen vorzusehen. In der Eegel werden diese Massnahmen wohl nur bei schweren Verfehlungen zur Anwendung kommen. Wird
jedoch dieser Vorbehalt ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen, so dürften in der Praxis endlose Diskussionen darüber entstehen, ob ein «schwerer Fall» vorliegt oder nicht. Da solche administrative Sanktionen vor allem in der dritten Phase - bei ernstlicher Störung der Zufuhren oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr - zur Anwendung kommen, wenn der Bundesrat Bewirtschaftungsvorschriften erlassen muss, erscheint es nicht ratsam, den Anwendungsbereich der Sanktionen zum vorneherein zu beschränken.

Von der Verhängung einer administrativen Sanktion nach Feststellung einer Widerhandlung sind die vorsorglichen Massnahmen zu Beginn des Unter-

851 suchungsverfahrens zu unterscheiden (Art. 25, Abs. 2). Als solche kommen vor allem vorsorgliche Beschlagnahmen und Sperren von Bewilligungen in Frage.

Da die administrativen Sanktionen den Betroffenen unter Umständen schwer treffen, muss ihm das rechtliche Gehör gewahrt bleiben. In der Eegel soll er Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten, bevor eine administrative Massnahme verhängt wird. Es ist ihm dazu eine Frist anzusetzen, damit er Gelegenheit hat, sich für seine Eingabe beraten zu lassen. Vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Absatz 2 sind unter Umständen sofort anzuordnen, ohne dass dem Verdächtigen eine Frist zur Kechtfertigung angesetzt werden kann.

Der Betroffene kann sich jedoch auch in diesen Fällen rechtliches Gehör verschaffen, indem er die Anordnung mit der Beschwerde an die vorgesetzte Instanz weiterzieht. Die Beschwerdeinstanz entscheidet auch, ob der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommen soll (Art. 23Ws, Abs. l, lit. c, BG vom 26.März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung in der Fassung vom 16. Dezember 1948). Das gleiche Verfahren soll ausnahmsweise auch möglich sein bei administrativen Sanktionen gemäss Absatz l, wenn nach Aktenlage die Verfehlung eindeutig feststeht und eine sofortige Sanktion im Interesse der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge geboten ist; solche Fälle werden selten sein.

Die auf das Gesetz gestützten Verordnungen können in bezug auf administrative Sanktionen unter Umständen auch ein Einspracheverfahren vorsehen, in dem Sinne, dass die dem Fehlbaren eröffnete administrative Sanktion in , Kechtskraft erwächst, sofern der Fehlbare sich nicht innert Frist durch begründete Einsprache rechtfertigt. Die Einsprache zwingt dann die Verwaltungsbehörde, einen neuen begründeten und der Beschwerde unterliegenden Entscheid zu fällen (Art. 32, Abs. l, am Ende).

Von verschiedenen Seiten wurde gefordert, das neue Gesetz solle die Entschädigungspflicht des Bundes regeln, für den Fall, dass sich die Anordnung einer Sanktion nachträglich als ungerechtfertigt erweist. Es wird darauf hingewiesen, dass der Bund Entschädigung zu leisten hat, wenn einem Verdächtigten Nachteile erwachsen aus einer Strafuntersuchung, die nachträglich eingestellt wird (Art. 122 BStrP) und erst recht, wenn eine Person zu Unrecht durch ein Gericht des Bundes strafrechtlich
verurteilt wird (Art. 237 BStrP). Administrative Sanktionen können ähnliche schädigende Wirkungen auslösen wie Strafuntersuchungen und Fehlurteile. Es lässt sich in der Tat nicht vermeiden, dass eine Amtsstelle gelegentlich in guten Treuen administrative Sanktionen verhängt, die sich nachträglich als ungerechtfertigt erweisen, und es wäre stossend, wenn der Betroffene allen daraus entstehenden Schaden tragen müsste, selbst wenn er die Massnahme durch keinerlei verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht hatr. Der heutige Rechtszustand, wonach der Bund für Schädigungen durch rechtswidrige Amtshandlungen seiner Organe nur ausnahmsweise haftet - nämlich dann, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich vorsieht -, ist unbefriedigend. Der Bundesrat beabsichtigt deshalb, den eidgenössischen Bäten in absehbarer Zeit den Entwurf zu einem neuen Ver-

852 antwortlichkeitsgesetz vorzulegen; bei der Eevision wird auch zu prüfen sein, Avie solche Fälle geordnet werden sollen. Es handelt sich hier um Fragen, die einer generellen Lösung bedürfen. Der Bundesrat hält es deshalb für richtiger, ins vorliegende Gesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge diesbezüglich keine Sonderbestimmung aufzunehmen.

Art. 26: Konventionalstrafen Schon die bestehenden Pflichtlagerverträge sehen bei Verletzungen des Vertrages durch den Lagerpflichtigen Konventionalstrafen vor. Da diese Verträge öffentlich-rechtlicher Natur sind, ist es richtig, wenn der Gesetzgeber die Sanktionen bei Vertragsverletzungen ausdrücklich festsetzt. Im Gegensatz zum dispositiven Privatrecht (Art. 160 OB)' soll die Einforderung der öffentlichrechtlichen Konventionalstrafe den Lagerpflichtigen nicht von der Vertragserfüllung entbinden; er hat also trotz Bezahlung der Konventionalstrafe in Zukunft den Pflichtlagervertrag richtig zu erfüllen.

Unter der «Verletzung» des Pflichtlagervertrages ist wie im Privatrecht die Nichterfüllung oder nicht richtige Erfüllung zu verstehen. Der Lagerpflichtige kann die Konventionalstrafe von sich abwenden, wenn er nachzuweisen vermag, dass die vertragsgemässe Erfüllung durch Umstände, die er nicht zu verantworten hat, unmöglich wurde (analog Art. 119, Abs. l OR).

· Für eine besonders schwerwiegende Verletzung des Pflichtlagervertrages wird in Artikel 36, Absatz 2, des Entwurfes zusätzlich eine strafrechtliche Sanktion vorgesehen.

Art. 27: Rückforderung von Beiträgen Über die Rückforderung von Bundesbeiträgen und ähnlichen Zuwendungen bestehen keine allgemeinen gesetzlichen Vorschriften. Vereinzelt gibt es knappe.

Spezialbestimmungen, z. B. Artikel 105 des Landwirtschaftsgesetzes. Da der Entwurf die Verwaltungsmassnahmen generell wesentlich eingehender regelt als ältere Gesetze, empfiehlt es sich, auch für die Rückforderung von Bundesbeiträgen eine abgewogene Lösung aufzustellen, obwohl die Bundesbeiträge im Rahmen des neuen Gesetzes eine unterordnete Rolle spielen. Eine solche Lösung dürfte unter Umständen auch für andere Fälle der Rückforderung von Bundesbeiträgen eine gewisse wegweisende Bedeutung haben.

Artikel 27, Absatz l, nennt die beiden Rechtsgründe, die den Bund zur Rückforderung von Beiträgen ermächtigen: Entweder muss die Auszahlung zu Unrecht
erfolgt sein oder der Empfänger hat die ihm auferlegten Bedingungen trotz Mahnung nicht erfüllt. Absatz 2 regelt den Umfang der Rückerstattung.

Grundsätzlich geht die Rückerstattungspflicht nur auf die noch vorhandene Bereicherung: bei einem schuldhaften Verhalten sind jedoch die gesamten Beiträge zurückzuerstatten. Da es sich um einen öffentlich-rechtlichen Rückforderimgsanspruch handelt, ist er nötigenfalls mit der verwaltungsrechtlichen

853 Klage gemäss Artikel 110 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1948 über die Organisation der Bundesrechtspflege beim Bundesgericht als einziger Instanz durchzusetzen.

Art. 28: Verfall unrechtmässiger VermögensvorteileDas schweizerische Strafgesetzbuch sieht lediglich den Verfall von Geschenken und anderen Zuwendungen vor, die dazu bestimmt waren, eine strafbare Handlung zu veranlassen oder zu belohnen (Art. 59, Abs. l, StrGB). Im kriegswirtschaftlichen Strafrecht war dagegen der Verfall unrechtmässiger Vermögensvorteile in umfassender Weise geregelt (Art. 10, Abs. l, des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege, BS 10, 850). Seither hat das Rechtsinstitut auch im ordentlichen Eecht Eingang gefunden (Art. 43, Abs. 2, des Milchbeschlusses, AS 1953, 1109, Artikel 40 des Bundesbeschlusses über die Brotgetreideversorgung des Landes, AS 1953, 1245).

In einzelnen Vernehmlassungen wurde angeregt, auf diese Massnahme zu verzichten; der Strafrichter solle bei der Festsetzung der Busse dem erlangten Vermögensvorteil Rechnung tragen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 74 IV 143) darf der Richter in der Tat bei der Abwägung des Verschuldens und der Würdigung der Verhältnisse des Täters (Einkommen, Vermögen usw.) den aus einem Vergehen gezogenen Gewinn für die Festsetzung der Busse mitberücksichtigen. Doch lehnt das Bundesgericht ausdrücklich die Auffassung ab, wonach sich das Mindestmass der Busse nach dem tatsächlich erzielten Vermögensvorteil zu richten habe; die Busse könne auch darunter bleiben oder darüber hinausgehen, je nach dem Verschulden und den gesamten Verhältnissen des Täters. Die Busse ist - wie das Bundesgericht im zitierten Entscheid ausführt - Strafe. Sie soll den Rechtsbruch sühnen, den Täter bessern und allgemein abschreckend wirken. Doch ist aus dem Strafgesetzbuch nirgends zu ersehen, dass die Busse auch oder sogar in erster Linie den Zweck hat, die Tat nachträglich unwirtschaftlich zu machen. Gehörte es zum Zweck der Busse, die Bereicherung wegzuschöpfen, so wäre nicht zu verstehen, weshalb im ordentlichen Strafrecht die Bereicherung beim Tode des Verurteilten seinen Erben belassen wird. Das Bundesgericht stellt deshalb fest, dass der Entzug des unrechtmässigen Vorteils grundsätzlich
Sache der Konfiskation und nicht Sache der Strafe ist. Im Gebiet des Wirtschaftsstrafrechtes ist der Verfall von unrechtmassig erworbenen Vermögensvorteilen ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, das unabhängig vom Strafanspruch des Staates verwirklicht werden muss.

Häufig gelangen auch Personen in den Besitz eines unrechtmässigen Vermögensvorteils, die kein strafrechtliches Verschulden trifft, insbesondere auf Grund von rechtswidrigen Handlungen Dritter einschliesslich der Rechtsvorgänger. Die gesetzliche Verankerung des Verfalls unrechtmässiger Vermögensvorteile ist deshalb angezeigt.

Wichtig ist das Verhältnis zwischen dem Herausgabeanspruch des Bundes und den privatrechtlichen Ansprüchen allfälliger Geschädigter. Soweit die GeBundesblatt. 107. Jahrg. Bd. I.

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schädigten ihre Schadenersatzansprüche rechtzeitig geltend machen, sind selbstverständlich in erster Linie diese Ansprüche zu befriedigen. Sie sind deshalb bei der Bestimmung des Herausgabeanspruches des Bundes zu berücksichtigen..

Meldet sich ein Geschädigter erst nachträglich, nachdem über den Herausgabeanspruch des Bundes rechtsgültig entschieden ist, so muss der Schadenersatzpflichtige den Geschädigten an den Bund weisen können, der den Vermögensvorteil abschöpft oder abgeschöpft hat. Dem Geschädigten muss deshalb in.

solchen Fällen ein Anspruch gegen den Bund eingeräumt werden, der nach öffentlichem Eecht zu beurteilen ist (Abs. 4). Über die Zuständigkeit des Bundesgerichtes vgl. unten die Bemerkungen zu Artikel 33 am Ende.

Art. 29: Verjährung Für die Ansprüche .nach Artikeln 26-28 sollen übereinstimmende Verjährungsfristen aufgestellt werden. Absatz 2 entspricht den Verjährungsgrundsätzen des Steuerrechts (Art. 128 WStB).

Art. 30: Verhältnis zur Strafverfolgung Die Mitteilung der getroffenen Verwaltungsmassnahrnen an die Strafbehörden ist angezeigt, damit sie insbesondere bei der Festsetzung von Bussen im Rahmen ihres Ermessens auf die Auswirkungen der Verwaltungsmassnahmen Rücksicht nehmen können.

Siebenter Abschnitt Verwaltungsrechtspflege Art. 31/32: Beschwerde gegen Instanzen ausserhalb und innerhalb der Bundesverwaltung Über die Beschwerde gegen Entscheide der kantonalen Amtsstellen an das; Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement vgl. die Bemerkungen zu Artikel 22,.

Absatz 1. Im übrigen entsprechen die Artikel der allgemein geltenden Ordnung.

Art. 33: Schiedskommission für Pflichtlager Artikel 11 des Sicherstellungsgesetzes sieht vor, dass der Bundesrat zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf dieses Gesetz gründen, besondere ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Instanzen einsetzen kann. Entscheide mit einem Streitwert von mindestens 2000 Franken können nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Enteignung an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Eine Notwendigkeit, die entsprechenden Instanzen zu bezeichnen, ergabsich erst nach Kriegsausbruch. Sie wurden vom Bundesrat in der Verordnung II vom 20. September 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit.

855 lebenswichtigen Gütern (Verfahren -zur Erledigung von vermögensrechtlichen Streitigkeiten, BS 10, 813) «Kriegswirtschaftsgerichte» genannt (Art. 1). Von Artikel 2 an verwendet die Verordnung die Einzahl, und auch dieses eine Kriegswirtschaftsgericht wurde in der Folgezeit selten angerufen. Die Bezeichnung «Kriegswirtschaftsgericht» war wenig glücklich, weil sie leicht zu Verwechslungen mit den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten Anlass gab. Nach der zitierten Verordnung II bestellt die Staats- und'verwaltungsrechtlicbe Abteilung des Bundesgerichtes auf Gesuch hin den Obmann des Kriegswirtschaftsgerichtes, und die Parteien bezeichnen je einen Beisitzer. Soweit die Verordnung II keine besonderen Verfabrensgrundsätze aufstellt, gelten für das Verfahren subsidiär die Grundsätze des Bundeszivilprozessrechtes.

Die Vorentwürfe des Delegierten und des Departementes sahen vor, das Kriegswirtschaftsgericht durch ein «wirtschaftliches Verwaltungsgericht» zu ersetzen, das über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes und gegen den Bund aus dem neuen Gesetz entscheiden sollte. Nach dem Departementsentwurf konnte wahlweise in allen Fällen - ausgenommen bei Streitigkeiten betreffend das Aussonderungsrecht - ein Schiedsgericht vereinbart werden. Gegen den Gedanken eines wirtschaftlichen Verwaltungsgerichtes wurden starke Einwendungen erhoben, vor allem aus der Westschweiz. Ein dem Bundesgericht vorgeschaltetes bundesrechtliches Gericht erster Instanz wurde als wenig willkommene Neuerung betrachtet. Eventuell sollte höchstens von einer Kommission die Eede sein, da die Mitglieder nach den Vorentwürfen nicht vom Parlament, sondern vom Bundesrat zu wählen waren.

Eine nochmalige Überprüfung der Frage drängte sich auf. Dabei ergab sich: Das wichtigste Gebiet, wo eine unabhängige Instanz zum Entscheid über Streitigkeiten notwendig ist, sind die Pflichtlagerverträge. Es empfiehlt sich, der gleichen Instanz auch den Entscheid über Streitigkeiten betreffend die Garantiefonds und ähnliche Vorkehren zu übertragen sowie Streitigkeiten über Konventionalstrafen (Art. 26, Abs. 2). Müsste einmal die Ablieferungspflicht mit Bezug auf einen Teil der Pflichtlager verfügt werden, so könnten der gleichen Instanz auch die Streitigkeiten über die daraus entstehenden Entschädigungsansprüche übertragen werden.

Es fragt sich,
ob die Instanz als Schiedsgericht ausgestaltet werden soll, ähnlich wie das bisherige «Kriegswirtschaftsgericht» oder als Kommission in der Art der Militärrekurskommission öder der Zollrekurskommission. Der Gedanke der Schiedsgerichtsbarkeit ist in den kantonalen Zivilprozessrechten beheimatet ; die Parteien sollen vereinbaren können, privatrechtliche Streitigkeiten vor ein der Öffentlichkeit entzogenes, von ihnen selbst bestelltes Gericht zu bringen, und der Kanton vollstreckt unter bestimmten Voraussetzungen dessen Urteile.

Für die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Konventionalstrafen ist dagegen ein Schiedsgericht, bei dem der Vertragsbrüchige selbst eines der Mitglieder bezeichnet, fehl am Platze. Auf der andern Seite sollte die entscheidende Instanz mit den wirtschaftlichen Fragen, die bei der Pflichtlagerhaltung eine grosse Eolle spielen, vertraut sein. Ferner sollten die Entscheide weiterhin ans Bundes-

856 gericht gezogen werden können. Unter diesen Umständen scheint es am richtigsten, eine «Schiedskommission» vorzusehen, die zwar ausserhalb der Bundesverwaltung steht, aber doch vom Bundesrat bestellt wird. Bei der nunmehr vorgeschlagenen Fassung könnte der Bundesrat gegebenenfalls eine grössere Anzahl von Mitgliedern aus den verschiedenen Wirtschaftsbranchen ernennen, unter denen dann der Präsident - ähnlich wie bei den kantonalen Handelsgerichten -jeweils diejenigen für den einzelnen Fall aufbietet, die mit den wirtschaftlichen Verhältnissen desselben am besten vertraut sind. Die Einzelheiten der Organisation und des Verfahrens dürfen wohl gleich wie bisher dem Verordnungsrecht überlassen werden. Selbstverständlich wird dabei das Becht auf Akteneinsicht und Verbeiständung gewährleistet werden. Da es sich um eine Verwaltungskommission handelt, die allerdings eine weitgehende Unabhängigkeit besitzt, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde das gegebene Eechtsmittel zur Weiterziehung ihrer Entscheide an das Bundesgericht (Art. 34).

Bei dieser Ordnung ist es gegeben, die Streitigkeiten betreffend das Aussonderungsrecht in Zukunft den Zivilgerichten zuzuweisen (vgl. die Bemerkungen oben zu Art. 10 und 11).

Die vermögensrechtlichen Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur, die sich auf Grund des neuen Gesetzes ausserhalb des Anwendungsbereiches des Artikels 33 ergeben, dürften wenig zahlreich sein. In Betracht fallen vor allem Klagen nach den Artikeln 27 und 28 des Entwurfs. DerenBeurteilung kann durchaus im direkten verwaltungsrechtlichen Prozess nach Artikel 110 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege erfolgen, ohne dass daraus eine wesentliche Mehrbelastung für das Bundesgericht entstehen wird. Da das neue Gesetz die Enteignung nicht mehr kennt und die Beschlagnahme von Lagerräumen gegen ein branchenübliches Entgelt kaum zu Prozessen über die Entschädigung Anlass geben wird, fallen die Streitigkeiten, an die der Gesetzgeber beim Artikel 11 des geltenden Sicherstellungsgesetzes in erster Linie dachte, praktisch ausser Betracht. Auf Grund dieser Überlegungen kann deshalb auf die Weiterführung des sogenannten Kriegswirtschaftsgerichtes in der Form eines «wirtschaftlichen Verwaltungsgerichtes» verzichtet werden, wenn die Erledigung der Streitigkeiten betreffend die Pflichtlager im Sinne von Artikel 33 erfolgt.

Art. 34: Verwaltungsgerichtsbesciiwerde

Nach Artikel 34 soll die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nicht nur zulässig sein bei Entscheiden über bundesrechtliche Gebühren und bei Entscheiden der Schiedskommission für Pflichtlager, sondern auch bei allen Entscheiden betreffend administrative Sanktionen. Diese Lösung entspricht dem Artikel 4, Absatz 2, des Beschlusses der Bundesversammlung vom 26. April 1951 über die Sicherstellung der Landesversorgung in unsicheren Zeiten (Korea-Beschluss). Obschon administrative Sanktionen die richtige Durchführung eines Gesetzes herbeiführen und sichern sollen, haben sie wirtschaftlich für den Betroffenen oft eine ähnliche Wirkung wie eine Strafe, also

857 soll die Anrufung einer richterlichen Instanz möglich sein, für den Fall, dass die Sanktion in rechtswidriger Weise verhängt worden ist. Der Beschwerdeführer kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde allerdings nur geltend machen, dass der Entscheid Bundesrecht verletzt. Die Nachprüfung der Angomessenheit der Sanktion bleibt ausgeschlossen; sonst würde das Verwaltungsgericht zu einer Art Oberverwaltungsinstanz. Immerhin gilt jede unrichtige rechtliche Beurteilung der Tatsachen, jede unrichtige oder unvollständige Peststellung des Sachverhaltes, das Ausserachtlassen rechtlich erheblicher Umstände und das Mitberücksichtigen unerheblicher Umstände als eine Verletzung vom Bundesrecht (Art. 104/5 OG, BGE 611143).

Der Kechtsschutz, den die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dem Betroffenen gewährt, darf immerhin nicht überschätzt werden. Das Bundesgericht tritt nämlich in konstanter Praxis auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur ein, wenn die angefochtene Massnahme noch nicht vollzogen ist oder deren Eechtswirkungen noch fortdauern. Normalerweise hat auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gleich wie die Verwaltungsbeschwerde nach Artikel 33 des Entwurfes keine aufschiebende Wirkung (Art. 106 OG). Das Bundesgericht geht davon aus, dass ein vollzogener Verwaltungsakt nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Es wird im Zusammenhang mit der Eevision des Verantwortlichkeitsgesetzes zu prüfen sein, ob für derartige Fälle dem Bürger ein besonderer Eechtsschutz zur Verfügung gestellt werden kann.

Über die Ausrichtung von Beiträgen oder Zuwendungen des Bundes entscheiden ausschliesslich die Verwaltungsinstanzen.

Achter Abschnitt Strafbestimmungen Art. 35: Übertretungen Die Strafbestimmungen sind im Entwurf ganz neu gefasst, da seit dem Erlasse des Sicherstellungsgesetzes das schweizerische Strafgesetzbuch in Kraft getreten ist. Im weitern sind keine besonderen Täuschungstatbestände (Art. 12 des Sicherstellungsgesetzes) mehr aufgenommen, da in solchen Fällen in der Eegel Betrug oder Betrugs versuch (Art. 148 StrGB), unter Umständen auch Urkundenfälschung (Art. 251 StrGB) vorhegt. Ein für die wirtschaftliche Landesverteidigung besonders wichtiger Tatbestand, der wirtschaftliche Nachrichtendienst im Interesse des Auslandes, ist ebenfalls im Strafgesetzbuch (Art. 273) geregelt.

Der Tatbestand der Gerüchtemacherei
im Gebiet der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge ist neu. Aus Kreisen des Handels wurde die Streichung dieser Bestimmung befürwortet mit der Begründung, jeder Verkäufer, der auf die Möglichkeit von Bewirtschaftungsvorschriften in der Zukunft hinweise, müsse mit einer Strafuntersuchung rechnen; auch leiste der neue Tatbestand dem Denunziantentum Vorschub. Die Fassung des Departementsentwurfes wurde

858 nochmals überprüft, und es erscheint angängig, zum mindesten dem Eventualbegehren des Vororts des schweizerischen Handels- und Industrievereins zu entsprechen und nur die vorsätzliche Begehung unter Strafe zu stellen.

Vorsätzlich handelt, wer die Tat «mit Wissen und Willen» ausführt (Art. 18, Abs. 2, StrGB). Doch ist nach der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 69 IV 80) der Vorsatz nicht nur dann vorhanden, wenn der Täter sicher ist, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sind, sondern auch dann, wenn er bloss weiss, dass ihre Verwirklichung ernsthaft möglich ist und er dies billigt (Eventualvorsatz). Es wird oft schwer sein, dem Täter nachzuweisen, dass er dieUnrichtigkeit der von ihm verbreiteten Behauptungen kannte. Es muss deshalb genügen, wenn der Ankläger nachweist, dass der Angeklagte aus Gewinnsucht bewusst Behauptungen über geltende oder bevorstehende Massnahmen auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge aufgestellt oder verbreitet hat, die objektiv unwahr oder entstellend sind, und es ist dann Sache des Angeklagten, zu beweisen, dass er ernsthafte Gründe hatte, seine unwahren Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. In Artikel 35, Absatz 2, ist dies ausdrücklich festgehalten.

Entscheidend für die Strafbarkeit ist das Merkmal der Gewinnsucht. Unter Gewinnsucht versteht man nach der bundesgerichtlichen Praxis ein «hemmungsloses Gewinnstreben» (BGE 74 IV 143), «ein besonders ausgeprägtes zur Sucht gewordenes Streben nach Gewinn» (BGE 79 IV 118). Gewinnsucht ist zu unterscheiden von der blossen Bereicherungsabsicht und von der Gewerbsmässigkeit (Schwander, Schweizerisches Strafgesetzbuch 154). Der Tatbestand ist also z. B.

erfüllt, wenn ein Händler bewusst, ohne feste Anhaltspunkte für dessen Eichtigkeit zu haben, das Gerücht in Umlauf setzt oder doch nachhaltig nährt, die Rationierung stehe vor der Tür, um seine sonst unverkäuflichen alten Waren an den Mann zu bringen. Das Verbreiten wahrer Tatsachen ist (vorbehaltlich Art. 320 Verletzung des Amtsgeheimnisses) nicht strafbar, auch wenn der Täter dieselben infolge einer Indiskretion vorzeitig in Erfahrung gebracht hat.

Die Sanktion ist bei beiden in Artikel 35 genannten Übertretungstatbeständen Haft oder Busse. Beim ersten Übertretungstatbestand (Widerhandlung betreffend Bestandesaufnahmen und andere Erhebungen)
beträgt der Höchstbeerag der Busse 2000 Franken; sofern der Täter aus Gewinnsucht gehandelt hat, ist der Eichter an diesen Höchstbetrag nicht gebunden (Art. 106 StrGB). Beim zweiten Tatbestand der Gerüchtemacherei ist der Eichter zum vorneherein an keinen Höchstbetrag gebunden, weil die Gewinnsucht ein Tatbestandsmerkmal .bildet.

Art. 36: Vergehen Schon nach geltendem Gesetz (Art. 14) werden vorsätzliche Widerhand- .

lungen gegen Vorschriften, die von der Bundesversammlung gestützt auf Artikel l, Absatz 3, in unsicheren Zeiten oder vom Bundesrat gestützt auf die Artikel 7 und 8 bei unmittelbarer Kriegsgefahr erlassen werden, als Vergehen geahndet. Die fahrlässige Handlung ist freilich nur als Übertretung strafbar.

859 Das kriegswirtschaftliche Strafrecht behandelt dagegen sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Widerhandlung als Vergehen (Art. 2 und 4 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege). Ebenso werden grundsätzlich Widerhandlungen gegen die gestützt auf den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland ergangenen Vorschriften bei Vorsatz und Fahrlässigkeit als Vergehen behandelt (Art. 6, Abs. 2, des zitierten Bundesbeschlusses, Art. 10 der Verordnung vorn 12.Mai 1950 über die Warenein- und -ausfuhr, AS 1950, 403). Auch fahrlässige Widerhandlungen gegen Bewirtschaftungs- und Preisvorschriften können in Zeiten gestörter Zufuhren oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr eine schwere Beeinträchtigung der Versorgung von Volk und Armee bewirken, so dass deren Behandlung als Vergehen grundsätzlich gerechtfertigt ist.

Die Verletzung der Pflichtlagerverträge ist in der Regel nicht strafbar, sondern zieht nur eine öffentlich-rechtliche Konventionalstrafe nach sich (vgl.

die Bemerkungen zu Art. 26). Nur eine besonders qualifizierte Verletzung soll als Vergehen bestraft werden. Wer ein Pflichtlager angelegt hat, das mit Bundeshilfe finanziert wurde und vorsätzlich a. dieses Lager - vertragswidrig - mengenmässig verringert oder die 'Qualität verschlechtert und &. trotz Aufforderung den vertragsgemässen Zustand innert Frist nicht ·wieder herstellt, beeinträchtigt nicht nur die Sicherheit der vom Bund gewährten Kredite, sondern schwächt gleichzeitig auch die Landesversorgung. Deshalb ist eine Strafverfolgung angezeigt. Ist die Wiederherstellung des vertragsmässigen Zustandes aus Gründen unmöglich geworden, die der Lagerpflichtige nicht zu vertreten hat, so kommt wegen des mangelnden Verschuldens keine Bestrafung in Betracht.

Art. 37: Strafregister, Aufhebung des bedingten Strafvollzuges Beim Erlass von Bewirtschaftungs- und Preisvorschriften gemäss Artikel 17 des Entwurfes werden auch zahlreiche Bagatellsachen unter den Vergehenstatbestand von Artikel 36, Absatz l, fallen, die mit einer kleinen Busse hinreichend gesühnt werden können. Bei vorbehaltloser Anwendung des Strafgesetzbuches müssten alle diese Urteile ins Strafregister eingetragen werden (Art. 360, lit. a, StrGB). Im Wirtschaftsstrafrecht
ginge dies doch etwas weit.

In Übereinstimmung mit dem früheren kriegswirtschaftlichen Strafrecht (Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege, B S 10, 850), mit dem Artikel 15 des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle (AS 1953, 891) und Artikel 10 des Bundesratsbeschlusses vom 30.Dezember 1952 über Strafbestimmungen auf dem Gebiete der Brotgetreideversorgung (AS 1952, 1122) soll bei blosser Ausfällung einer

860

Busse ein Strafregistereintrag nur auf Grund einer ausdrücklichen Anordnung des Gerichts erfolgen, wenn die Schwere der Widerhandlung dies rechtfertigt.

Begeht ein bedingt Verurteilter während der Probezeit ein vorsätzliches Vergehen, so müsste nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafgesetzbuches (Art. 41, Ziff. 3) die bedingt ausgesprochene frühere Strafe immer vollzogen werden, wenn es sich nicht um einen «besonders leichten Fall» handelt. In der Vorkriegsphase muss nun aber mit zahlreichen Widerhandlungen im Sinne von Artikel 36 gerechnet werden, die nicht als besonders leicht anzusprechen sind, die aber doch noch nicht die Verwirkung des bedingten Strafvollzugs rechtfertigen. Schon das aufgehobene kriegswirtschaftliche Strafrecht (Art. 13 des zitierten Bundesratsbeschlusses vom 17.Oktober 1944) war deshalb in diesem Punkt bedeutend milder als das Strafgesetzbuch - auch bei der neuen Fassung des Artikels 41, Ziffer 3, vom 5. Oktober 1950. Es empfiehlt sich deshalb auch in diesem Punkt eine Sondernorm, die vom gleichen Prinzip beherrscht ist wie die Sonderbestimmung bezüglich des Strafregistereintrages.

Art. 38: Besondere Strafbestimmungen Artikel 38, Absatz 2, bezieht sich auf den Tatbestand des Bannbruches (Art.76 des Zollgesetzes, BS 6,465). Der Entwurf bestimmt in Übereinstimmung mit Artikel 6, Absatz 4, des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933/22. Juni 1939 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland und mit Artikeln der Verordnung vom 12. Mai 1950 über die Warenein- und -ausfuhr, dass die Verletzung von Verboten oder Beschränkungen der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr von Waren irn Sinne von Artikel 76 des Zollgesetzes nach zollrechtlichen Grundsätzen zu ahnden sind. Als Strafe ist Busse bis zum sechsfachen Inlandwert der Ware vorgesehen und überdies Einziehung der Waren und Gegenstände, die zur Begehung der strafbaren Handlung gedient haben. Bei erschwerenden Umständen wird das Höchstmass der Busse um die Hälfte erhöht und es kann auf Gefängnis bis zu einem. Jahr erkannt werden (Art. 77 des Zollgesetzes).

Art. 39: Widerhandlungen in Betrieben Artikel 39 regelt die Solidarhaftung der juristischen Personen, Gesellschaften oder Inhaber von Einzelfirmen für Bussen und Kosten, die im Strafverfahren gegen Angehörige der Firma ausgefällt werden. Im schweizerischen Strafgesetzbuch
ist keine entsprechende Bestimmung enthalten. Dagegen finden sich ähnliche Regelungen in mehreren Spezialgesetzen, so im Bundesgesetz vom I.Oktober 1925 über das Zollwesen (Art. 9, Abs. 4 und Art. 100, BS 6, 465), im Bundesgesetz vom 7. Juli 1932 über die Getreideversorgung des Landes (Art. 36, Abs. 3, BS 9, 439) im Bundesgesetz vom S.November 1934 über die Banken und Sparkassen (Art. 49, BS 10, 337) und im Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle (Art. 15, AS 1953, 891). Durch diese Bestimmungen sollen die verantwortlichen

861 Aufsichtsorgane angehalten werden, darauf zu achten, dass alle im gleichen Be-.

triebe Tätigen die Vorschriften befolgen (vgl. BGE 62 I 80). Immerhin steht dem Geschäftsherrn - der verantwortlichen Geschäftsleitung - gleich wie im Zollgesetz der Entlastungsbeweis offen, dass er mit aller erforderlichen Sorgfalt auf die Innehaltung der Vorschriften durch die fehlbaren Personen, hingewirkt hat. Gelingt der Entlastungsbeweis, so besteht keine Solidarhaftung für Bussen und Kosten.

Die Mitverantwortlichen haben die gleichen Parteirechte wie die Angeschuldigten ; sie können also das Urteil auch selbständig bis an den Kassationshof des Bundesgerichtes weiterziehen.

Art. 40: Verweisung auf das Strafgesetzbuch:

Verfahren

Die Strafverfolgung bleibt grundsätzlich Sache der Kantone; doch kann der Bundesanwalt Urteile erster Instanz oder Einstellungsbeschlüsse mit den Kechtsmitteln, die das kantonale Eecht vorsieht, binnen 10 Tagen nach der Zustellung weiterziehen (Art. 266/67 BStrP), und gegen letztinstanzliche kantonale Urteile und Einstellungsbeschlüsse beim Bundesgericbt Nichtigkeitsbeschwerde führen (Art. 270, Abs. 6, BStrP).

Neunter Abschnitt Schluss- und Übergangsbestimmungen Art. 41: Inkraftsetzung, Aufhebung bisheriger Bestimmungen Hinsichtlich der Vollziehungsverordnungen zum bisherigen Sicherstellungsgesetz ist zu unterscheiden zwischen solchen, die mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes dahinfallen und eventuell durch neue Verordnungen ersetzt werden (Art. 41, Abs. 2) und VollziehungsVerordnungen, die noch für eine Übergangszeit von drei Jahren in Kraft bleiben sollen (Abs. 3).

Die in Absatz 3 aufgezählten Bundesratsbeschliisse über die Vorratshaltung lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: a. Beschlüsse für Waren, die ausschliesslich im Interesse der Vorratshaltung, gestützt auf den Beschluss der Bundesversammlung vom 26. April 1951 (Korea-Beschluss), der Einfuhrbewilligungspflicht unterstellt wurden (Bundesratsbeschlüsse über die Vorratshaltung an Kakaobohnen und Kakaobutter, Sämereien, Haferflocken und Antibiotika).

Sie brauchen nicht neu gèfasst zu werden; an Stelle der bereits bisher rein kriegsvorsorglichen Eechtsgrundlage tritt das neue Gesetz (Art. 7).

b. Beschlüsse für Waren, die schon vor Erlass des Korea-Beschlusses aus handelspolitischen Gründen der Einfuhrbewilligungspflicht - gestützt auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933/22. Juni 1939 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland - unterstellt waren und die aus handelspolitischen Gründen voraussichtlich auch künftig der Einfuhr-

862 bewilligungspflicht unterstellt bleiben dürften (Bundesratsbeschlüsse über die Vorratshaltung an Mahlhafer usw., Futtermitteln, Speiseölen und Speisefetten, Reis zu Speisezwecken, Saatniais und Saatwicken).

Der Entscheid darüber, ob diese Beschlüsse revidiert werden sollen, wird zweckmässigerweise zurückgestellt, bis über die eventuelle Neustatuierung der Einfuhrbewilligungspflicht Klarheit besteht.

Neben diesen in Absatz 3 aufgezählten Vorratshaltungsbeschlüssen gibt es heute noch eine dritte Gruppe (BEB über die Vorratshaltung an flüssigen Treibund Brennstoffen, Maschinenschmierölen, Rohphosphat, Kalidünger, Kaffee, Zucker; vgl. die Gesamtaufstellung bei den Bemerkungen zu Art. 7). Die betreffenden Waren wurden seinerzeit ebenfalls aus handelspolitischen Gründen, gestützt auf den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, der Einfuhrbewilligungspflicht unterstellt. Heute dürfte die handelspolitische Notwendigkeit für die Beibehaltung der Einfuhrbewilligungspflicht aber nicht mehr bestehen. Es ist deshalb vorgesehen, die betreffenden Beschlüsse der dritten Gruppe auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes ebenfalls neu zu fassen und ausschliesslich auf das- kommende Gesetz zu stützen.

Unter den Erlassen, die noch für eine Übergangsfrist von drei Jahren in Kraft bleiben, befindet sich auch der Bundesratsbeschluss vom 18. Juni 1951 über die Überwachung der Ausfuhr lebenswichtiger Güter (AS 1951, 533). Die Güter, für deren Ausfuhr auf Grund dieses Beschlusses eine Bewilligung benötigt wird, sind durch Verfügungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes bezeichnet worden. Es ist zweckmässig, dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement für diese Übergangszeit die Kompetenz zu belassen, die Liste dieser Güter abzuändern oder zu ergänzen, obwohl das neue Gesetz in Artikel 20 grundsätzlich vorschreibt, dass die Ausführungsbestimmungen vom Bundesrat selbst erlassen werden müssen.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen die Annahme des beiliegenden Gesetzesentwurfes zu empfehlen und benützen die Gelegenheit, um Sie, Herr Präsident und sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 29. April 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge (Vom 29. April 1955)

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1955

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