10.096 Botschaft über die Genehmigung des Protokolls Nr. 3 zum Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden betreffend Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit (VEZ) vom 17. November 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Protokolls Nr. 3 zum Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden betreffend Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit (VEZ).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. November 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-2214

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Übersicht Mit dem Protokoll Nr. 3 zum Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden betreffend Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit (VEZ) soll der multilaterale rechtliche Rahmen des Europarats für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit gefestigt werden.

Aufgrund dieses Protokolls können die örtlichen und regionalen Gebietskörperschaften der verschiedenen europäischen Länder Einrichtungen für die grenzüberschreitende oder interterritoriale Zusammenarbeit errichten, die als «Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit» (VEZ) bezeichnet werden. Zur Stärkung ihrer Handlungsmöglichkeiten werden die VEZ mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und verfügen über Rechts- und Geschäftsfähigkeit.

Die Anwendung der im Protokoll vorgesehenen Regeln bleibt aber auch für die örtlichen und regionalen Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten fakultativ. Die bestehenden Einrichtungen werden ihre Tätigkeit weiterführen, und neben den VEZ können auch andere Einrichtungen errichtet werden.

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Botschaft 1

Allgemeine Bemerkungen

1.1

Ausgangslage

Das Protokoll Nr. 3 zum Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden betreffend Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit (VEZ) ist Teil der multilateralen Rechtsinstrumente des Europarats für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit. Dazu gehören auch das Rahmenübereinkommen vom 21. Mai 1980 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (Madrider Übereinkommen, SR 0.131.1), das Zusatzprotokoll vom 9. November 1995, das gewisse rechtliche Aspekte regelt (SR 0.131.11), und das Protokoll Nr. 2 vom 5. Mai 1998 betreffend die interterritoriale Zusammenarbeit (SR 0.131.12). Alle diese multilateralen Verträge wurden von der Schweiz ratifiziert.

Das Protokoll Nr. 3 wurde am 16. November 2009 in Utrecht anlässlich der Konferenz der für örtliche und regionale Gebietskörperschaften zuständigen europäischen Minister zur Unterzeichnung aufgelegt. Bis heute wurde es von Armenien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Litauen, Luxemburg, Montenegro, den Niederlanden und Slowenien unterzeichnet. Es tritt nach der Ratifikation durch mindestens vier Länder in Kraft (Art. 19 Abs. 2).

Der Bundesrat hat bei der Verabschiedung dieser Botschaft beschlossen, das Protokoll Nr. 3 in den nächsten Wochen zu unterzeichnen.

Der Europarat spielt bei der grenzüberschreitenden und interterritorialen Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Mit der Öffnung der europäischen Grenzen in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich zunehmend gezeigt, wie wichtig ein rechtlicher Bezugsrahmen zur Regelung von Einrichtungen der grenzüberschreitenden und interterritorialen Zusammenarbeit ist. Das Protokoll Nr. 3 entspricht dieser Anforderung.

1.2

Bedeutung des Protokolls für die Schweiz

Die Schweiz ist in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sehr aktiv. Mit dem Beitritt zu diesem Protokoll des Europarats kann der bestehende rechtliche Rahmen ergänzt werden. Die Schweiz hat bei diesem Prozess mitgewirkt, der mit dem Rahmenübereinkommen und den beiden Zusatzprotokollen eingeleitet wurde. Auf Initiative von Kantonen und Gemeinden ist entlang der Schweizer Grenze ein grosses Netz von grenzüberschreitenden Beziehungen entstanden. Das EDA unterstützt diese Aktivitäten. Es beteiligt sich insbesondere an der Erarbeitung völkerrechtlicher Regelungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und bietet den Kantonen in diesem Bereich politische und juristische Unterstützung.

Die Kantone sind in ihren Verantwortungsbereichen für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit zuständig. Die Bundesverfassung sieht ausdrücklich vor, dass die Kantone in ihren Zuständigkeitsbereichen mit dem Ausland Verträge schliessen können (Art. 56 Abs. 1). Die Artikel 61c f. des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010) und die Artikel 27o ff. der 8229

entsprechenden Verordnung (RVOV, SR 172.010.1) regeln für diesen Fall, wie die Behörden des Bundes und der anderen Kantone zu informieren sind. Das Raumplanungsgesetz (SR 700) sieht zum Beispiel in Artikel 7 Absatz 3 ausdrücklich vor, dass die Grenzkantone die Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden des benachbarten Auslandes suchen, wenn sich ihre Projekte über die Grenzen auswirken.

Neben ihren eigenen Aktivitäten im Bereich der grenzüberschreitenden und interterritorialen Zusammenarbeit sind die Kantone im Rahmen der kantonalen Gemeindegesetzgebung für die Festlegung der Bereiche und des Umfangs der Kompetenzen zuständig, die den Gemeinden auf diesem Gebiet zustehen. Das Protokoll Nr. 3 hat keine Veränderungen in der landesrechtlichen Aufteilung der Kompetenzen zwischen den institutionellen Staatsebenen zur Folge.

Ein Beitritt der Schweiz zum Protokoll Nr. 3 ist opportun und wünschenswert, obwohl Recht und Praxis unseres Landes schon jetzt die Schaffung einer Einrichtung für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit zulassen, die die Merkmale eines VEZ hat. Zuerst einmal geht es darum, die Initiativen des Europarats im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Rechtsbestandes in diesem Bereich mit einem politischen Signal zu unterstützen. Zudem trägt der Beitritt der Schweiz zur Gewährleistung der Rechtssicherheit bei, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Kantone mit ausländischen Partnern erforderlich ist, insbesondere mit den Nachbarländern der Schweiz, mit denen besonders intensive Beziehungen bestehen, die konkrete Projekte betreffen.

Da die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Umsetzung des Protokolls in der Schweiz in die Zuständigkeit der Kantone fällt, wurden die Kantone, durch die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), vom EDA zur Frage des Beitritts der Schweiz formell konsultiert (Schreiben vom 24. Februar 2010). In ihrer Antwort vom 31. Mai 2010 teilte die KdK mit, dass die siebzehn Kantone, die Stellung genommen hatten, den Beitritt der Schweiz befürworteten.

1.3

Tragweite des Protokolls

Mit dem Beitritt zum Protokoll Nr. 3 verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Errichtung von Einrichtungen für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit gemäss den Bestimmungen des Protokolls im Rahmen ihrer innerstaatlichen Verfahren zu gestatten. Die auf der Grundlage des Protokolls Nr. 3 geschaffenen Einrichtungen werden als «Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit» (VEZ) bezeichnet.

Es wird Sache der regionalen und örtlichen Gebietskörperschaften ­ in der Schweiz also der Kantone und Gemeinden ­ sein zu entscheiden, ob sie solche Einrichtungen gründen wollen.

Das Protokoll sieht vor, dass die VEZ über Rechtspersönlichkeit nach Massgabe des Rechts des Vertragsstaats verfügen, in welchem die Gründungsmitglieder den Sitz des VEZ festlegen. Andere Bestimmungen betreffen die Zusammensetzung der VEZ, die Gründungsmodalitäten, die Satzung, die Aufgaben und den Tätigkeitsbereich, die Haftung, die verwaltungsrechtliche und gerichtliche Überprüfung ihrer Tätigkeit und die Dauer.

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Das Protokoll kommt nur bei der Errichtung eines VEZ zur Anwendung. Das bedeutet, dass es den Gebietskörperschaften und Behörden, auch jenen von Vertragsstaaten des Protokolls Nr. 3, frei steht, andere Einrichtungen für die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit zu errichten als im Protokoll Nr. 3 vorgesehen. Bereits bestehende Einrichtungen können ihre Tätigkeit selbstverständlich auf der Grundlage der Statuten, Vereinbarungen oder anderer Bestimmungen, auf denen sie beruhen, weiterführen.

Die verschiedenen institutionellen Ebenen in föderalistischen Staaten werden in Artikel 16 Absatz 2 des Protokolls ausdrücklich berücksichtigt. Artikel 18 des Protokolls besagt zudem, dass die verwendeten Begriffe die gleiche Bedeutung haben wie im Madrider Übereinkommen und in den beiden Zusatzprotokollen.

Mit dem Begriff «Staat» bezeichnet das Protokoll sowohl die Bundes- wie die Kantonsebene. Mit den Begriffen «innerstaatliche Gesetzgebung/innerstaatliches Recht» kann sowohl Bundes- wie Kantonsrecht gemeint sein.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Protokolls

Art. 1 Dieser Artikel sieht vor (Abs. 1), dass unter den im Protokoll Nr. 3 festgelegten Bedingungen eine Einrichtung für die grenzüberschreitende oder interterritoriale Zusammenarbeit in Form eines «Verbunds für euroregionale Zusammenarbeit» (VEZ) errichtet werden kann.

Ein VEZ hat gemäss Absatz 2 den Zweck, die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit zwischen seinen Mitgliedern zu fördern, zu unterstützen und zu entwickeln. Gemäss dieser Bestimmung müssen zukünftige Mitglieder eines VEZ über die erforderlichen Kompetenzen gemäss dem innerstaatlichen Recht des betreffenden Staates verfügen. Das Protokoll Nr. 3 überträgt den regionalen und örtlichen Gebietskörperschaften keine Kompetenzen, welche über diejenigen gemäss innerstaatlichem Recht hinausgehen; es schränkt sie aber natürlich auch nicht ein.

Art. 2 Dieser Artikel sieht vor, dass eine Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in der Form eines VEZ errichtet wird, über eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Ein VEZ wird in Bezug auf die Rechtspersönlichkeit, sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit dem Recht des Staates unterstellt, in dem dessen Sitz festgelegt wurde (Abs. 1 und 2).

Die dem VEZ zugrundeliegende Vereinbarung präzisiert das anwendbare Recht (Abs. 3). Bei der Wahl der juristischen Person für die zu errichtende Einrichtung haben die Mitglieder des VEZ freie Hand.

In Absatz 4 wird der Grundsatz der Budgetautonomie des VEZ bestätigt (Abs. 4).

Die Mitglieder müssen also dem VEZ die für seine Aufgaben und seine Arbeit erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Der Artikel enthält schliesslich eine nicht erschöpfende Aufzählung (Abs. 5) der übrigen rechtlichen Befugnisse, über die ein VEZ verfügen muss (Abschluss von 8231

Verträgen, Personalgewinnung, Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Vermögen, Prozessfähigkeit).

Art. 3 Dieser Artikel regelt die Zusammensetzung der VEZ. Als erstes werden die Gebietskörperschaften oder Behörden aufgeführt. Ein VEZ muss auf jeden Fall die regionalen oder lokalen Behörden umfassen. In der Schweiz sind dies die Kantone und Gemeinden. Staaten können ebenfalls Mitglied eines VEZ werden (Abs. 1, erster Satz). In der Schweiz können neben den Kantons- auch Bundesbehörden einem VEZ beitreten.

Andere juristische Personen, die Bedürfnisse im öffentlichen Interesse erfüllen (z.B.

Handelskammern, Umweltorganisationen, Forschungsanstalten oder kulturelle Vereinigungen beidseits einer Landesgrenze), können Mitglied eines VEZ werden, wenn sie gemäss den Bedingungen von Absatz 1 zweiter Satz öffentlichen Behörden angegliedert sind. Mit dieser Bestimmung bleibt die Errichtung eines VEZ öffentlichen Körperschaften vorbehalten. Natürliche Personen können nicht Mitglied eines VEZ werden (Abs. 1, dritter Satz).

Absatz 2 dehnt die Zusammenarbeit im Rahmen von VEZ auf Staaten aus, die dem Protokoll Nr. 3 nicht beigetreten sind, unter der Bedingung, dass eine entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarung mit einem angrenzenden Vertragsstaat abgeschlossen worden ist.

Mit Absatz 3 soll sichergestellt werden, dass die Kontrolle über die VEZ bei den öffentlichen Körperschaften verbleibt. Dazu müssen die Gebietskörperschaften oder Behörden der Vertragsparteien in den VEZ über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen. Dieser Ansatz wird in Artikel 8 Absatz 2 übernommen, der die Auflösung eines VEZ vorschreibt, wenn die Gebietskörperschaften oder Behörden nicht mehr die Mehrheit der Mitglieder stellen.

Art. 4 Dieser Artikel legt die Modalitäten für die Errichtung eines VEZ fest. Sie erfordert eine schriftliche Vereinbarung zwischen allen Gründungsmitgliedern (Abs. 1).

Gemäss Absatz 2 müssen Unterlagen vorgelegt werden, die nachweisen, dass die Mitglieder über die erforderlichen Kompetenzen im Bereich der grenzüberschreitenden und interterritorialen Zusammenarbeit verfügen. Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass voraussichtliche Mitglieder sich an die im innerstaatlichen Recht vorgeschriebenen Verfahren halten.

Die Vereinbarung muss den Namen des VEZ, die Adresse des Sitzes, Dauer,
Zielsetzung und Aufgabenbereich sowie den räumlichen Geltungsbereich enthalten.

Wenn die Haftung der Mitglieder gegenüber Dritten beschränkt ist, muss dies im Namen des VEZ erwähnt werden (Abs. 3; siehe auch Art. 9 Abs. 4).

Die innerstaatlichen Behörden müssen nach Massgabe der innerstaatlichen Vorschriften vorgängig informiert oder um Genehmigung gebeten werden (Abs. 4). In der Schweiz richten sich die Beziehungen der Kantone mit dem Ausland und das Verfahren zur Information der Bundesbehörden nach den oben erwähnten Bestimmungen der Gesetzgebung über die Regierungs- und Verwaltungsorganisation, wenn es sich um Kantone handelt, die Partner eines VEZ werden wollen. In der Schweiz 8232

ist keine Genehmigung für den Abschluss von Vereinbarungen zwischen Kantonsbehörden und untergeordneten ausländischen Behörden erforderlich (siehe Art. 56 BV).

Absatz 5 regelt die Verweigerung der Genehmigung für Länder, die eine vorgängige Genehmigung für den Abschluss eines VEZ vorsehen, präzisiert jedoch, dass eine Verweigerung begründet sein muss.

Laut Absatz 6 können die Staaten eine Erklärung abgeben, wonach sie auf die innerstaatliche Genehmigungs- oder Informationspflicht verzichten. Nach Auffassung der Bundesbehörden hat sich das Verfahren gemäss RVOG bewährt. Deshalb sollte bei der Errichtung eines VEZ, dem Kantonsbehörden angehören, nicht auf die Information verzichtet werden. Die Kantonsbehörden haben dies ebenfalls nicht gewünscht.

Die Schweiz wird deshalb keine Erklärung gemäss Absatz 6 abgeben. Bei einem VEZ, dessen Mitglieder Gemeindebehörden sind, ist das kantonale Recht massgebend.

Absatz 7 sieht vor, dass die Vereinbarung zur Gründung eines VEZ gemäss dem in den einzelnen Staaten anwendbaren Verfahren veröffentlicht wird. Die Vereinbarung muss sowohl im zukünftigen Sitzstaat als auch in allen anderen Staaten, denen die Mitglieder angehören, registriert oder veröffentlicht werden.

Absatz 8 bekräftigt die Notwendigkeit, übergeordnete Behörden über die offizielle Errichtung eines VEZ, d.h. konkret das Inkrafttreten der Vereinbarung zu deren Errichtung, zu informieren.

Die Vereinbarung über die Errichtung eines VEZ muss in der Sprache oder den Sprachen des Staates, in dem der Verbund seinen Sitz hat, sowie in der Sprache oder den Sprachen der Mitglieder abgefasst werden (Abs. 9).

Art. 5 Gemäss diesem Artikel müssen VEZ eine eigene Satzung haben, die integraler Bestandteil der Vereinbarung zur Errichtung des VEZ bildet. Die Aufzählung der in der Satzung zu regelnden Fragen (siehe Abs. 3) ist nicht erschöpfend; es handelt sich um Mindestanforderungen.

Art. 6 Jede Änderung der Vereinbarung und jede wesentliche Änderung der Satzung erfolgen nach demselben Verfahren wie bei der Erstellung der Vereinbarung und der Satzung. Eine Satzungsänderung gilt als wesentlich, wenn sie eine Änderung der Vereinbarung zur Folge hat.

Art. 7 Die Aufgaben eines VEZ werden von den Gründungsmitgliedern festgelegt. Sie müssen im Einklang mit den Zuständigkeiten der Mitglieder nach dem für sie geltenden
innerstaatlichen Recht stehen. Die Aufgaben müssen sowohl in der Vereinbarung als auch in der Satzung aufgeführt werden (Abs. 1).

Gemäss Absatz 2 sorgt der VEZ für die Umsetzung seiner Beschlüsse in seinem Tätigkeitsgebiet (erster Satz). Der zweite Satz dieser Bestimmung sieht vor, dass die

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Mitglieder die Umsetzung der Beschlüsse des Verbundes, insbesondere auf ihrem Hoheitsgebiet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erleichtern müssen.

Absatz 3 schränkt den Handlungsspielraum der VEZ ein: Ein VEZ darf keine Massnahmen treffen, die die Rechte und Freiheiten Einzelner berühren könnten, und er darf keine Steuern erheben.

Gemäss Absatz 4 dürfen die Mitglieder eines VEZ ohne Zustimmung einer übergeordneten staatlichen Behörde dem VEZ keine Zuständigkeiten übertragen, die ihnen von dieser Behörde übertragen wurden.

Art. 8 Dieser Artikel sieht vor (Abs. 1), dass die Vereinbarung und die Satzung angeben müssen, ob der VEZ befristet oder unbefristet ist. Der Entscheid darüber liegt bei den Gründungsmitgliedern.

Absatz 2 schreibt vor, dass der VEZ aufgelöst werden muss, wenn der Zeitraum, für den er errichtet wurde, abgelaufen ist oder wenn auf die Gebietskörperschaften oder Behörden nicht mehr die Mehrheit der Stimmrechte entfällt. Ferner kann der VEZ jederzeit durch einstimmigen Beschluss der Mitglieder aufgelöst werden.

Art. 9 Dieser Artikel regelt die Haftung des VEZ und seiner Organe für alle Handlungen mit Rechtsfolgen, selbst wenn diese Handlungen nicht in seinen Aufgabenbereich fallen.

Absatz 1 sieht vor, dass der VEZ mit seinem eigenen Vermögen haftet. Reicht dieses nicht aus, ist eine gemeinschaftliche Haftung der Mitglieder vorgesehen.

Absätze 2 und 3 regeln die Haftung des VEZ gegenüber seinen Mitgliedern und die Haftung der statutarischen Organe gegenüber dem VEZ. Unter dem Ausdruck «das Recht, dem er unterliegt» ist sowohl das Recht des Staates zu verstehen, in dem der VEZ seinen Sitz hat, als auch das innerstaatliche Recht der Gebietskörperschaften, in denen der VEZ tätig ist, und die Gründungsvereinbarung des VEZ, einschliesslich seiner Satzung.

Gemäss Absatz 4 kann die Haftung der Mitglieder beschränkt werden, sofern das innerstaatliche Recht eines Mitglieds eine beschränkte Haftung vorsieht. Eine solche Beschränkung muss in der Satzung erwähnt werden.

Nach Absatz 5 kann ein Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Sitz eines VEZ errichtet werden soll, die Registrierung oder die Veröffentlichung der Gründungsakte dieses VEZ untersagen, wenn eines oder mehrere der voraussichtlichen Mitglieder gemäss dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem sie angehören, nur beschränkt haften.
Art. 10 Absätze 1 und 2 umfassen die Regeln für die Bestimmung der Gerichte, die zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern eines VEZ oder zwischen einem VEZ und Dritten zuständig sind.

Absatz 3 ist Grundlage für den (freiwilligen) Abschluss einer Schiedsvereinbarung (erster Satz). Eine Schiedsvereinbarung ist vorgeschrieben, wenn sich der Wohnsitz

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oder Sitz eines Dritten nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats des Europarats befindet (zweiter Satz).

Absätze 4 und 5 gewährleisten die Rechte Dritter. Diese behalten gegenüber Gebietskörperschaften oder Behörden, in deren Auftrag ein VEZ bestimmte Aufgaben ausführt, alle Rechte, die sie hätten, wenn diese Aufgaben nicht vom VEZ ausgeführt würden. Ausserdem umfassen die Rechte natürlicher und juristischer Personen in jedem Fall das Recht, bei allen zuständigen Einrichtungen und Gerichten Rechtsmittel einzulegen, einschliesslich des Rechts auf Zugang zu Diensten in ihrer eigenen Sprache und des Rechts auf Zugang zu Informationen.

Art. 11 Beschlüsse und Handlungen des Verbundes unterliegen derselben Aufsicht und derselben verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Überprüfung der Rechtmässigkeit, wie sie für Beschlüsse und Handlungen von Gebietskörperschaften oder Behörden in dem Staat, in dem der Verbund seinen Sitz hat, vorgeschrieben sind (Abs. 1).

Aus diesem Grund hat ein VEZ den zuständigen Behörden der Staaten, denen die Gebietskörperschaften oder Behörden angehören, die Mitglied des VEZ sind, alle erforderlichen Informationen zu liefern, die diese brauchen, um ihrer Aufsichts- und Kontrollfunktion nachzukommen (Abs. 2).

Ausserdem unterliegen Beschlüsse und Handlungen von Gebietskörperschaften oder Behörden, die Mitglied eines VEZ sind, der Aufsicht und der verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Überprüfung der Rechtmässigkeit nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dessen Hoheitsgewalt sie unterstehen (Abs. 3).

Absatz 4 legt fest, dass die Tätigkeit eines VEZ den Bestimmungen über die öffentliche Ordnung, die öffentliche Gesundheit oder die öffentliche Moral sowie das öffentliche Interesse der Staaten entsprechen muss, in denen er tätig ist. Die zuständige Behörde kann die Tätigkeit untersagen oder von den Mitgliedern, die ihrer Hoheitsgewalt unterstehen, den Austritt aus dem VEZ verlangen.

Absatz 5 sieht vor, dass die zuständige Behörde der Vertragspartei, in welcher der Verbund seinen Sitz hat, einen VEZ auflösen kann, wenn er ausserhalb der Grenzen der ihm übertragenen Aufgaben handelt.

Art. 12 Diese Bestimmung sieht eine Rechnungsprüfung der Geschäfts- und Haushaltsführung gemäss dem innerstaatlichen Recht der Vertragspartei vor, in der der VEZ seinen Sitz hat (Abs. 1).
Absatz 2 sieht zudem vor, dass eine solche Rechnungsprüfung auch von den Behörden der anderen Staaten vorgenommen werden kann, in denen der VEZ tätig ist. Ein solches Tätigwerden ist nur unter den im Protokoll aufgeführten einschränkenden Voraussetzungen möglich.

Artikel 13 Gemäss diesem Artikel müssen die Vertragsparteien alle zur Umsetzung des Protokolls erforderlichen gesetzgeberischen oder administrativen Massnahmen ergreifen

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(Abs. 1). In der Schweiz müssen weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene Massnahmen getroffen werden.

Angesichts der Tatsache, dass die Umsetzung des Protokolls in gewissen Ländern, insbesondere in den Staaten, die dem Europarat erst in den letzten zwanzig Jahren beigetreten sind, die Verabschiedung spezifischer Gesetze oder die Anpassung der bestehenden Gesetzgebung erfordern kann, wird der Europarat einen Anhang zum Protokoll ausarbeiten, der als Muster für die Gesetzgebung dienen soll. Die Übernahme dieses Anhangs, der nur als Richtlinie dient, ist freiwillig (Abs. 2­6).

Art. 14 Gemäss Absatz 1 informieren die Vertragsparteien ihre Gebietskörperschaften oder Behörden über die zur Umsetzung des Protokolls getroffenen Massnahmen. Absatz 2 sieht vor, dass die Parteien auch das Generalsekretariat des Europarats informieren.

Schliesslich übermitteln die Parteien dem Generalsekretariat alle geeigneten Informationen über die in Anwendung des vorliegenden Protokolls gegründeten VEZ (Abs. 3).

Art. 15 Dieser Artikel behält die Anwendbarkeit der bestehenden Abkommen und den Abschluss weiterer Verträge zwischen den Parteien vor.

Die Abkommen, die die Schweiz im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit ihren Nachbarländern abgeschlossen hat, bleiben also weiterhin gültig, d.h. der Briefwechsel vom 12. Juli 1973 zwischen der Schweiz und Frankreich über die Schaffung der Regierungskommission für nachbarschaftliche Probleme zwischen dem Kanton Genf und den französischen Departementen Ain und Haute-Savoie, das Übereinkommen vom 23. Januar 1996 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen der Kantone Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau und Jura (in der Folge auf die Kantone Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Bern ausgedehnt), der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik und der Regierung des Grossherzogtums Luxemburg über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen (Karlsruher Übereinkommen), die Vereinbarung vom 21. September 2000 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Raum Oberrhein (die die Vereinbarung vom 22. Oktober 1975 für
diese Region ablöste), die Vereinbarung vom 12. Oktober 2001 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen der Kantone Bern, Waadt, Neuenburg und Jura, und der Regierung der Französischen Republik über die Errichtung der «Conférence TransJurassiennne». Zu erwähnen ist schliesslich auch das Rahmenabkommen vom 24. Februar 1993 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und Behörden (SR 0.131.245.4).

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Art. 16 Die Staaten können den Geltungsbereich des Protokolls einschränken, indem sie gewisse Gebietskörperschaften oder Behörden und juristische Personen ausschliessen (Abs. 1).

Die Kantone haben keine entsprechenden Forderungen gestellt, und die Schweiz beabsichtigt, keine solche Erklärung abzugeben.

Für die Erläuterungen zu Absatz 2 wird auf Ziffer 1.3 der Botschaft (Tragweite des Protokolls) verwiesen.

Art. 17 Das Anbringen von Vorbehalten ist im Protokoll nicht vorgesehen.

Art. 18 Wie bereits unter Ziffer 1.3 (Tragweite des Protokolls) ausgeführt, sieht dieser Artikel vor, dass die im Protokoll verwendeten Begriffe und Begriffsbestimmungen dieselbe Bedeutung und denselben Zweck haben wie im Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften oder Behörden, im Zusatzprotokoll und im Protokoll Nr. 2.

Art. 19­22 Diese formellen Schlussbestimmungen regeln die Unterzeichnung und das Inkrafttreten des Protokolls, den Beitritt, die Kündigung und die Notifikationen.

Dem Protokoll Nr. 3 können nur Staaten beitreten, die dem Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften oder Behörden beigetreten sind (Art. 19).

Auch wenn eine Vertragspartei das Protokoll kündigt, bleiben die Rechtspersönlichkeit und die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der VEZ unberührt (Art. 21 Abs. 2). Diese Bestimmung dient dem Schutz der Interessen Dritter, die mit einem VEZ in ein Vertragsverhältnis getreten sind.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Der Beitritt der Schweiz zu diesem Protokoll hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf den Bund.

4

Legislaturplanung

Der Beitritt der Schweiz zu diesem Protokoll wird weder in der Botschaft vom 23. Januar 2008 (BBl 2008 753) noch im Bundesbeschluss vom 18. September 2008 (BBl 2008 8543) über die Legislaturplanung 2007­2011 erwähnt. Er ist jedoch Ausdruck der aktiven Rolle der Schweiz im Europarat bei der Förderung der grenz-

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überschreitenden Zusammenarbeit und der Entwicklung der entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Europarecht sieht die Gründung von europäischen Verbünden für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 vor. Dabei handelt es sich um ein regionalpolitisches Instrument der Europäischen Union (EU), mit dem die grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (gemäss der Terminologie der Brüsseler Behörden) gefördert werden soll.

Schweizerische Partner können zwar an EVTZ teilnehmen. Da aber ein EVTZ nur errichtet werden kann, wenn Partner aus mindestens zwei EU-Staaten beteiligt sind, ist die EG-Verordnung kein Ersatz zum Protokoll Nr. 3 des Europarats. In der Tat, während im trinationalen Raum Basel (Schweiz-Frankreich-Deutschland) oder in der trinationalen Region Espace Mont-Blanc (Schweiz-Italien-Frankreich) ein EVTZ ein geeignetes Instrument sein kann, kann er in den mehrheitlich bilateralen schweizerischen Grenzräumen nicht angewendet werden. Das Protokoll Nr. 3 mit der Bildung von VEZ kann somit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in allen Regionen der Schweiz erleichtern.

Das Protokoll Nr. 3 wurde unter Berücksichtigung der EU-Regelung ausgearbeitet.

Es gilt zu beachten, dass die Gründung eines EVTZ fakultativ bleibt, wie dies gemäss Protokoll Nr. 3 auch für den VEZ gilt.

6

Verfassungsmässigkeit

6.1

Genehmigung

Die Zuständigkeit des Bundes für den Beitritt zum vorliegenden Protokoll ergibt sich aus Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung des völkerrechtlichen Vertrags stützt sich auf Artikel 166 Absatz 2 BV.

6.2

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Das Protokoll Nr. 3 ist kündbar (Art. 21), sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und seine Umsetzung erfordert nicht den Erlass von Bundesgesetzen.

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Es bleibt die Frage, ob das Protokoll Nr. 3 wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält. Unter rechtsetzenden Bestimmungen sind nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtige Bestimmungen sind solche, die im internen Recht im Lichte von Artikel 164 Absatz 1 BV als grundlegend anzusehen sind. Mehrere Bestimmungen des Protokolls, namentlich betreffend Errichtung von Verbünden, Mitgliedschaft, Inhalt von Satzungen oder Haftung, sind rechtsetzend und als wichtig zu erachten, so dass der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Protokolls Nr. 3 aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen ist.

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