10.033 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Glarus, Zug, Freiburg, St. Gallen, Graubünden und Genf vom 5. März 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Glarus, Zug, Freiburg, St. Gallen, Graubünden und Genf mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. März 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-2876

2153

Übersicht Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Die Gewährleistung wird erteilt, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Erfüllt eine kantonale Verfassungsbestimmung diese Anforderungen, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie eine dieser Voraussetzungen nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Glarus: ­

Kompetenzausscheidung zwischen Kanton und Gemeinden im Schulbereich;

­

Organisationsautonomie Kantonsspital;

­

Rechtsformwechsel der Glarner Kantonalbank;

­

Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften;

im Kanton Zug: ­

neues Verfahren für Einbürgerungen;

im Kanton Freiburg: ­

Schutz vor Passivrauchen;

im Kanton St. Gallen: ­

Erweiterung der Zusammenarbeitsformen unter den Gemeinden;

­

zuständiges Organ für Einbürgerungsbeschlüsse;

im Kanton Graubünden: ­

Aufgabenentflechtung bei der Justiz;

im Kanton Genf: ­

Einführung der elektronischen Stimmabgabe;

­

Unvereinbarkeit zwischen einem Staatsratsmandat und einem Sitz in den eidgenössischen Räten.

Die Änderungen entsprechen Artikel 51 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

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Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Glarus

1.1.1

Kantonale Volksabstimmungen vom 3. Mai 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons Glarus haben an der Landsgemeinde vom 3. Mai 2009 den folgenden Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Kompetenzausscheidung zwischen Kanton und Gemeinden im Schulbereich (Änderung von Art. 37­39 der Kantonsverfassung);

­

Organisationsautonomie Kantonsspital (Änderung von Art. 33 der Kantonsverfassung);

­

Rechtsformwechsel der Glarner Kantonalbank (Änderung von Art. 91 der Kantonsverfassung);

­

Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften (Änderung von Art. 52 der Kantonsverfassung).

Mit Schreiben vom 13. August 2009 ersucht der Regierungsrat des Kantons Glarus um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Kompetenzausscheidung zwischen Kanton und Gemeinden im Schulbereich

Bisheriger Text Art. 37 Abs. 3 Bst. c 3 Der Kanton nimmt im Schulwesen insbesondere folgende Aufgaben wahr: c. er fördert zusammen mit den Gemeinden den Musikunterricht.

Art. 38 Kindergärten und Kinderhorte Der Kanton regelt die Führung der Kindergärten und Kinderhorte.

Art. 39 Abs. 2 Der Kanton und die Gemeinden unterstützen oder führen Sonderschulen und Erziehungsheime.

2

Neuer Text Art. 37 Abs. 3 Bst. c 3 Der Kanton nimmt im Schulwesen insbesondere folgende Aufgaben wahr: c. er fördert den ausserschulischen Musikunterricht.

Art. 38 Kinderhorte Der Kanton regelt die Führung der Kinderhorte.

Art. 39 Abs. 2 Der Kanton unterstützt oder führt Sonderschulen und Erziehungsheime.

2

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Mit der Verfassungsänderung werden die Förderung des ausserschulischen Musikunterrichts sowie die Führung von Sonderschulen zur ausschliesslichen Aufgabe des Kantons erklärt. Die Führung der Kindergärten fällt hingegen neu in die ausschliessliche Kompetenz der Gemeinden. Nach Artikel 62 der Bundesverfassung sind die Kantone für das Schulwesen zuständig und verfügen im Rahmen des Bundesrechts über eine grosse Autonomie in der Organisation desselben. Die Verfassungsänderungen sind bundesrechtskonform, sodass die Gewährleistung erteilt werden kann.

1.1.3

Organisationsautonomie Kantonsspital

Bisheriger Text Art. 33 Abs. 1 1 Der Kanton führt ein Kantonsspital.

Neuer Text Art. 33 Abs. 1 1 Der Kanton gewährleistet den Betrieb eines Spitals mit Standort im Kanton Glarus (Kantonsspital). Das Gesetz regelt die vom Kantonsspital zu erbringenden Leistungen und die Rechtsform.

Der Kanton Glarus hat beschlossen, seinem Kantonsspital künftig mehr Organisationsautonomie einzuräumen, um den Herausforderungen des Marktes besser begegnen zu können. In der geänderten Verfassungsbestimmung ist nur noch vorgeschrieben, dass der Kanton den Betrieb eines Spitals auf seinem Gebiet zu gewährleisten hat. Im Spitalwesen verfügen die Kantone über eine bedeutende Autonomie. Das übergeordnete Bundesrecht steht einer Änderung von Artikel 33 Absatz 1 der Kantonsverfassung nicht entgegen, weshalb die Gewährleistung erteilt werden kann.

1.1.4

Rechtsformwechsel der Glarner Kantonalbank

Bisheriger Text Art. 91 Bst. k Dem Landrat obliegen: k. die Abnahme der Rechnungen und Geschäftsberichte der Glarner Kantonalbank und der Kantonalen Sachversicherung.

Neuer Text Art. 91 Bst. k Dem Landrat obliegen: k. die Abnahme der Rechnung und des Geschäftsberichtes der Kantonalen Sachversicherung.

Die Geschäftsstrategie der Glarner Kantonalbank (GLKB) der vergangenen Jahre führte im Jahr 2008 zu einem enormen Wertberichtigungsbedarf und hohen Verlusten. Im Rahmen der Korrekturmassnahmen hat der Landrat unter anderem beschlossen, die GLKB von einer selbstständigen öffentlichen Anstalt in eine 2156

spezialgesetzliche Aktiengesellschaft umzuwandeln. Die Abnahme der Rechnungen und des Geschäftsberichtes der GKLB wird in Zukunft nicht mehr Sache des Landrates sein, sondern diejenige der Generalversammlung. Dies erfordert eine Änderung von Artikel 91 Buchstabe k der Kantonsverfassung. Diese Änderung steht in Einklang mit dem Bundesrecht. Die Verfassungsänderung kann deshalb vom Bund gewährleistet werden.

1.1.5

Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften

Bisheriger Text Art. 52 Abs. 1 1 Der Kanton, die Gemeinden und die andern öffentlich-rechtlichen Körperschaften müssen ihren Haushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit führen und auf die Bedürfnisse der Volkswirtschaft ausrichten.

Neuer Text Art. 52 Abs. 1 1 Der Kanton, die Gemeinden und die andern öffentlich-rechtlichen Körperschaften müssen ihren Haushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, des Haushaltgleichgewichts, der Sparsamkeit, der Dringlichkeit, der Wirtschaftlichkeit, des Verursacherprinzips, der Vorteilsabgeltung, der Wirkungsorientierung, der Zielorientierung und des Verbots der Zweckbindung von Hauptsteuern, unter Vorbehalt der kantonalen Bausteuer, führen.

Die neue Fassung von Artikel 52 Absatz 1 KV orientiert sich weitgehend an der Mustervorlage des Finanzhaushaltgesetzes, das von der kantonalen Konferenz der Finanzdirektoren (FDK) im Rahmen ihres «Handbuchs für ein harmonisiertes Rechnungslegungsmodell für die Kantone und Gemeinden (HRM2)» vorgeschlagen worden ist. Hauptzielsetzung von HRM2 ist, die Rechnungslegung unter den Kantonen und Gemeinden möglichst weitgehend zu harmonisieren und sie zugleich auf das neue Rechnungsmodell des Bundes abzustimmen. Als Richtlinie kommt ihr indessen nur faktische, nicht aber eine rechtliche Bindungswirkung zu. Artikel 52 Absatz 1 KV weicht insofern von dem in der erwähnten Mustervorlage vorgesehenen Verbot der Zweckbindung von Hauptsteuern ab, als er einen Vorbehalt zugunsten einer kantonalen Bausteuer (objektgebundene Steuer zur Finanzierung grosser Infrastruktur-Bauvorhaben) vorsieht. Die Kantone sind in Bezug auf die Organisation ihres Finanz- und Rechnungslegungswesens weitgehend autonom. Da weder die Bundesverfassung (insbesondere Artikel 127 BV, der die Grundsätze der Ausgestaltung der Besteuerung regelt) noch das Finanzhaushaltgesetz vom 7. Oktober 2005 (SR 611.0) oder andere Erlasse des Bundes ein Verbot der Zweckbindung von solchen Hauptsteuern vorsehen, steht das Bundesrecht der Änderung nicht entgegen. Sie kann gewährleistet werden.

2157

1.2

Verfassung des Kantons Zug

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 27. September 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons Zug haben in der Volksabstimmung vom 27. September 2009 der Änderung von § 41 der Kantonsverfassung (Neues Verfahren für Einbürgerungen) mit 20 921 Ja gegen 11 696 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 28. September 2009 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Zug um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Neues Verfahren für Einbürgerungen

Bisheriger Text § 41 Bst. p Dem Kantonsrat kommen folgende Obliegenheiten zu: p. die Erteilung des Kantonsbürgerrechtes

Neuer Text § 41 Bst. p Aufgehoben

Zurzeit entscheidet der Kantonsrat (Legislative) auf kantonaler Ebene über Einbürgerungen. Künftig soll der Regierungsrat entscheiden, unter dessen Verantwortung schon bisher das zum Entscheid führende Vorverfahren stand.

Um diesen Kompetenztransfer zu ermöglichen, wird in der Kantonsverfassung § 41 Buchstabe p aufgehoben. Die bundesrechtlichen Mindestvorschriften im Bürgerrechtsgesetz vom 29. September 1952 (SR 141.0), die sich ihrerseits auf Artikel 38 BV stützen, enthalten keine Vorschriften, welche Instanz innerhalb des Kantons den Einbürgerungsentscheid zu fällen hat. Die Änderung der zugerischen Kantonsverfassung steht damit im Einklang mit dem übergeordneten Bundesrecht und kann gewährleistet werden.

1.3

Verfassung des Kantons Freiburg

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung vom 30. November 2008

Die Stimmberechtigten des Kantons Freiburg haben in der Volksabstimmung vom 30. November 2008 der Änderung von Artikel 68 der Kantonsverfassung (Schutz vor Passivrauchen) mit 50 852 Ja gegen 29 492 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 3. April 2009 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Freiburg um die eidgenössische Gewährleistung.

2158

1.3.2

Schutz vor Passivrauchen

Neuer Text Art. 68 Abs. 2 (neu) 2 Er [der Staat] ergreift Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Passivrauchen.

Diese Verfassungsnorm verpflichtet den Staat, Massnahmen zu ergreifen, welche die Bevölkerung vor dem Passivrauchen schützen sollen. Die Verfassungsnorm ist sehr generell formuliert und enthält im Wesentlichen einen Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Sie ist mit dem übergeordneten Recht vereinbar. Insbesondere ist sie vereinbar mit dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 zum Schutz vor Passivrauchen, das am 1. Mai 2010 in Kraft tritt (AS 2009 6285; SR 818.31). Dieses sieht vor, dass die Kantone strengere Vorschriften zum Schutz vor Passivrauchen erlassen dürfen. Der Gewährleistung der neuen Bestimmung der Kantonsverfassung steht nichts entgegen.

1.4

Verfassung des Kantons St. Gallen

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 17. Mai 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen haben in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 den folgenden Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Erweiterung der Zusammenarbeitsformen unter den Gemeinden (Änderung der Art. 96 und 97 der Kantonsverfassung) mit 71 541 Ja gegen 15 684 Nein;

­

Zuständiges Organ für Einbürgerungsbeschlüsse (Änderung der Art. 55, 95 und 104 sowie neuer Art. 104a der Kantonsverfassung) mit 58 803 Ja gegen 31 238 Nein.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2009 ersucht das Departement des Innern des Kantons St. Gallen um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Erweiterung der Zusammenarbeitsformen unter den Gemeinden

Bisheriger Text Art. 96 Zusammenarbeit a. Grundsatz 1 Die Gemeinde arbeitet durch Vereinbarung mit anderen Gemeinden zusammen, insbesondere durch: b. Schaffung von Gemeindeverbänden.

Art. 97 b. Gemeindeverband Gemeinden können sich zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben zu einem Gemeindeverband zusammenschliessen. Das Gesetz regelt das Verfahren.

2 Die Gemeinde entscheidet über Beitritt und Austritt. Eine Gemeinde kann nach Massgabe des Gesetzes zur Mitgliedschaft verpflichtet werden, wenn ein wirtschaftlicher Mitteleinsatz oder eine wirksame Aufgabenerfüllung es verlangen.

1

2159

3

Die Stimmberechtigten der im Gemeindeverband zusammengeschlossenen Gemeinden bilden die Verbandsbürgerschaft. Diese entscheidet nach Massgabe der Verbandsvereinbarung.

Neuer Text Art. 96 Zusammenarbeit a. Grundsatz 1 Die Gemeinde arbeitet durch Vereinbarung mit anderen Gemeinden zusammen, insbesondere durch: b. Schaffung von: 1. Gemeindeverbänden zur Erfüllung mehrerer Aufgaben; 2. Zweckverbänden zur Erfüllung einer oder mehrerer sachlich zusammenhängender Aufgaben. Körperschaften und Anstalten, die Gemeindeaufgaben erfüllen, können dem Zweckverband angehören, wenn sie zum Verbandszweck eine besondere Beziehung haben.

Art. 97 b. Gemeindeverband und Zweckverband Die Gemeinde entscheidet über die Mitgliedschaft im Gemeindeverband oder im Zweckverband. Sie kann nach Massgabe des Gesetzes zur Mitgliedschaft verpflichtet werden, wenn ein wirtschaftlicher Mitteleinsatz oder eine wirksame Aufgabenerfüllung es verlangen. Die Stimmberechtigten der im Gemeindeverband zusammengeschlossenen Gemeinden bilden die Verbandsbürgerschaft.

2 Die Bürgerschaften der in einem Zweckverband beteiligten Gemeinden entscheiden nach Massgabe von Verbandsvereinbarung und Gemeindeordnung.

1

Mit der neuen Verfassung des Kantons St. Gallen (in Kraft seit 1. Januar 2003) sind die beiden früheren Zusammenarbeitsformen Gemeindeverband und Zweckverband durch eine einzige, inhaltlich neu ausgestaltete Zusammenarbeitsform unter der Bezeichnung Gemeindeverband abgelöst worden. Bei dieser Verbandsform haben die Stimmberechtigten der angeschlossenen Gemeinden neu ein Mitspracherecht in Verbandsangelegenheiten (Art. 97 Abs. 3 KV). In der Praxis ist die Anwendung dieser Bestimmung immer dann auf kaum überwindbare Schwierigkeiten gestossen, wenn dem Zweckverband auch ausserkantonale Mitglieder angehören sollten. Zum einen hätte in einem solchen Fall bei einer Abstimmung von dem für die Ausübung der politischen Rechte massgeblichen Territorialitätsprinzip (Kantonsgebiet) abgewichen werden müssen. Zum andern hätten Staatsverträge zwischen dem Kanton St. Gallen und den Nachbarkantonen zur Ermöglichung solcher interkantonaler Gemeindeverbände abgeschlossen werden müssen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons St. Gallen haben daher als Lösung einen sogenannten Nachtrag zur Kantonsverfassung (Teilrevision KV) angenommen, der den Gemeinden neben dem Gemeindeverband als zusätzliche mögliche Zusammenarbeitsform auch den früheren Zweckverband wieder zur Verfügung stellt. Nach der verfassungsmässigen Aufgabenteilung (Art. 3 und 43 BV) fällt die Organisation der Gemeinden und damit die Bestimmung der Zusammenarbeitsformen vollständig in die Kompetenz der Kantone (Art. 50 Abs. 1 BV). Da die vorliegende kantonale Verfassungsänderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

2160

1.4.3

Zuständiges Organ für Einbürgerungsbeschlüsse

Bisheriger Text Art. 55 Abs. 1 Bst. b 1 Die Beschlüsse fassen je unabhängig voneinander: b. Gemeindeparlament und Rat.

Art. 95 Abs. 1 1 Organe der Gemeinde sind: a. die Bürgerschaft, die in der Bürgerversammlung oder an der Urne entscheidet; b. der Rat; c. das Parlament in Gemeinden ohne Bürgerversammlung; d. die Geschäftsprüfungskommission in Gemeinden mit Bürgerversammlung.

Art. 104 1 Die Stimmberechtigten der politischen Gemeinde beschliessen über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts auf Antrag des Einbürgerungsrates. Besteht ein Gemeindeparlament, fasst dieses Beschluss.

2 Die Regierung beschliesst über die Erteilung des Kantonsbürgerrechts, nachdem das Gemeindebürgerrecht erteilt worden ist.

3 Das Gesetz regelt das Verfahren. Es kann Mindestvoraussetzungen aufstellen.

Neuer Text Art. 55 Abs. 1 Bst. b sowie Abs. 3 (neu) 1 Die Beschlüsse fassen je unabhängig voneinander: b. Gemeindeparlament, Rat und Einbürgerungsrat.

3 Die von der Ortsgemeinde bezeichneten Mitglieder des Einbürgerungsrates, die dem Gemeindeparlament angehören, treten bei Beschlüssen des Gemeindeparlamentes über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts in Ausstand.

Art. 95 Abs. 1 Bst. bbis (neu) Organe der Gemeinde sind: bbis. der Einbürgerungsrat;

1

Art. 104 a. Verfahren 1 Der Einbürgerungsrat beschliesst über die Erteilung des Gemeinde- und des Ortsbürgerrechts.

Er gibt die Einbürgerung im amtlichen Publikationsorgan der politischen Gemeinde bekannt und legt seinen Beschluss mit Informationen über die Eignung der gesuchstellenden Person für die Einbürgerung öffentlich auf.

2 Stimmberechtigte der politischen Gemeinde können beim Einbürgerungsrat nach Massgabe des Gesetzes schriftlich und begründet Einsprache gegen die Einbürgerung erheben. Der Einbürgerungsrat gibt der um das Bürgerrecht nachsuchenden Person Gelegenheit zur Stellungnahme.

3 Über die Einbürgerung, gegen die gültig Einsprache erhoben wurde, entscheidet in Gemeinden mit Bürgerversammlung die Bürgerversammlung, in Gemeinden mit Parlament das Gemeindeparlament.

4 Die Regierung beschliesst über die Erteilung des Kantonsbürgerrechts, nachdem das Gemeindebürgerrecht erteilt worden ist.

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Art. 104a (neu) b. ergänzendes Recht 1 Das Gesetz kann Mindestvoraussetzungen für die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts aufstellen.

2 Das Gesetz regelt: a. das weitere Verfahren; b. die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Einsprache, insbesondere die Anforderungen an die Begründung; c. den Rechtsschutz.

Im Anschluss an die vom Volk am 1. Juni 2008 abgelehnte eidgenössische Volksinitiative «für demokratische Einbürgerungen» beschlossen die eidgenössischen Räte eine Revision des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG, SR 141.0). Dieses setzt den Kantonen neu gewisse Leitplanken zur Ausgestaltung des Einbürgerungsverfahrens auf Kantons- und Gemeindeebene. Artikel 15b Absatz 1 verpflichtet die Einbürgerungsinstanz, die Ablehnung von Einbürgerungsgesuchen zu begründen. Sind die Stimmberechtigten die zuständige Einbürgerungsinstanz, so können sie ein Einbürgerungsgesuch nur dann ablehnen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt und auch begründet wurde (Art. 15b Abs. 2). Artikel 50 BüG verpflichtet zudem die Kantone, Gerichtsbehörden einzusetzen, die als letzte kantonale Instanzen Beschwerden gegen ablehnende Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen.

Die Revision der Kantonsverfassung führt einen Einbürgerungsrat ein. Dieser beschliesst bei ordentlichen Einbürgerungen über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts, was konform mit dem aus Artikel 15a Absatz 2 BüG sich ergebenden Verbot der Urnenabstimmung ist. Die Beschlüsse werden im amtlichen Publikationsorgan der jeweiligen Gemeinde bekanntgegeben und sie werden mit Informationen über die Eignung der gesuchstellenden Personen öffentlich aufgelegt.

Den Stimmberechtigten wird auf diese Weise die Möglichkeit eingeräumt, innert einer gesetzlich noch festzulegenden Frist gegen Beschlüsse des Einbürgerungsrates schriftlich und begründet Einsprache zu erheben. Die Gesuchsteller können zu allfällig eingereichten Einsprachen Stellung nehmen, womit ihnen das rechtliche Gehör gewährt wird. Bestrittene Gesuche um Einbürgerung werden anschliessend den Stimmberechtigten der Bürgerversammlung beziehungsweise dem Gemeindeparlament zum Entscheid vorgelegt. Auf diese Weise kann über solche Einbürgerungsgesuche in Kenntnis aller entscheidrelevanten Elemente diskutiert und entschieden werden. Ausserdem können ablehnende Entscheide künftig gerichtlich überprüft werden. Dies ergibt sich aus den Artikeln 104a Absatz 2 Buchstabe c KV sowie 50 BüG in Verbindung mit den Artikeln 86 Absatz 3 sowie 114 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110). Die Kantone werden
dadurch verpflichtet, Gerichtsbehörden einzusetzen, die als letzte kantonale Instanzen Beschwerden gegen ablehnende Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen. Die Änderung der Kantonsverfassung steht mit dem übergeordneten Bundesrecht in Einklang und kann gewährleistet werden.

2162

1.5

Verfassung des Kantons Graubünden

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung vom 17. Mai 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons Graubünden haben in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 der Teilrevision der Bündner Kantonsverfassung (Aufhebung von Art. 54 Ziff. 3, Aufgabenentflechtung bei der Justiz) mit 24 092 Ja gegen 15 379 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2009 ersucht die Standeskanzlei des Kantons Graubünden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Aufgabenentflechtung bei der Justiz

Bisheriger Text Art. 54 Ziff. 3 Die Zivil- und die Strafgerichtsbarkeit werden ausgeübt durch: 3. die Kreispräsidentinnen und -präsidenten.

Neuer Text Art. 54 Ziff. 3 Aufgehoben

Voraussichtlich am 1. Januar 2011 werden die Straf- und die Zivilprozessordnung des Bundes in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Kantone ihr Recht anpassen, um die neuen Verfahrensordnungen des Bundesrechts umzusetzen.

Gemäss jeweiligem Absatz 2 der Artikel 122 und 123 BV sind für die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivil- und Strafsachen die Kantone zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Die bündnerische Vorlage besteht aus Rechtsänderungen sowohl auf Verfassungs- als auch auf Gesetzesebene und geht teilweise über das von den neuen Prozessordnungen des Bundes Geforderte hinaus.

Zentraler Punkt der Vorlage ist, dass die bisherigen richterlichen Aufgaben der insgesamt 39 Kreise des Kantons Graubünden im Bereich des Zivilrechts den Bezirksgerichten und im Bereich des Strafrechts der Staatsanwaltschaft übertragen werden. Insbesondere Letzteres ist Konsequenz der Vorgaben der Strafprozessordnung des Bundes vom 5. Oktober 2007 (BBl 2007 6977). Entsprechend ist Artikel 54 Absatz 3 der Kantonsverfassung anzupassen bzw. aufzuheben. Die Verfassungsänderung ist nicht nur mit dem geltenden Bundesrecht vereinbar, sondern auch mit der voraussichtlich per 2011 in Kraft tretenden eidgenössischen Zivil- bzw.

Strafprozessordnung. Die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

2163

1.6

Verfassung des Kantons Genf

1.6.1

Kantonale Volksabstimmung vom 8. Februar 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons Genf haben in der Volksabstimmung vom 8. Februar 2009 den folgenden zwei Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Einführung der elektronischen Stimmabgabe (Art. 48 Abs. 2 und 4 sowie neuer Art. 48 Abs. 5) mit 84 484 Ja gegen 35 854 Nein;

­

Unvereinbarkeiten zwischen einem Staatsratsmandat und einem Sitz in den Eidgenössischen Räten (neuer Art. 106 Abs. 1 Bst. c und Aufhebung von Art. 106 Abs. 4 und 5) mit 97 803 Ja gegen 19 612 Nein.

In zwei Schreiben vom 19. März 2009 ersucht der Staatsrat des Kantons Genf um die eidgenössische Gewährleistung.

1.6.2

Einführung der elektronischen Stimmabgabe

Bisheriger Text Art. 48 Abs. 2 und 4 2 Die kantonalen Wahlen finden in geheimer Listenwahl statt.

4 Das Ergebnis der Abstimmung wird durch den Staatsrat festgestellt, der es nach Massgabe seiner Zuständigkeit als gültig erklärt.

Neuer Text Art. 48 Abs. 2, 4 und 5 (alle neu) die bisherigen Absätze 2 und 4 werden zu den Absätzen 3 und 6 2 Der Wähler kann in einem Stimmlokal, mittels brieflicher Stimmabgabe oder, soweit es das Gesetz vorsieht, mittels elektronischer Stimmabgabe abstimmen.

4 Die Abstimmungen werden durch eine zentrale Wahlkommission kontrolliert, die vom Staatsrat ernannt wird.

5 Die Staatskanzlei ist mit der Erwahrung der Abstimmungsresultate beauftragt und führt im Übrigen bei Wahlen eine zentralisierte Auszählung durch.

Die Revision von Artikel 48 der Kantonsverfassung führt im Kanton Genf die elektronische Stimmabgabe ein. Insofern als diese Bestimmung die Abstimmungen und Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene betrifft, so ist sie durch die sehr weitgehende Organisationsautonomie (Art. 39 Abs. 1 BV) abgedeckt, über welche die Kantone verfügen, um die Modalitäten der Ausübung des Stimmrechts durch die Gesamtheit ihrer Stimmberechtigten auf kantonaler und kommunaler Ebene zu regeln. Was die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen betrifft, so ist die Verfassungsänderung im Zusammenhang mit dem Pilotprojekt zur elektronischen Stimmabgabe zu sehen, das die Bundeskanzlei seit 2001 durchführt und das insbesondere auf Artikel 8a des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (SR 161.1) sowie auf dem Abschnitt 6a der Verordnung vom 24. Mai 1978 über die politischen Rechte (SR 161.11) beruht. Dank diesem Pilotprojekt konnten in drei Kantonen (namentlich auch im Kanton Genf) die Vorteile und Risiken evaluiert werden. Gegenwärtig wird das Projekt in Etappen weiterentwickelt (siehe auch den Bericht des Bundesrates vom 31. Mai 2006 über die Pilotprojekte zum Vote électronique, BBl 2006 5459 ff. 5529). Die Änderung von Artikel 48 der 2164

Kantonsverfassung steht in engem Bezug zum Entscheid des Bundesrates, den drei Kantonen, welche die elektronische Stimmabgabe eingeführt haben, zu erlauben, ihre Projekte weiterzuverfolgen. Die elektronische Stimmabgabe im Kanton Genf kann in eidgenössischen Angelegenheiten unter der Bedingung weitergeführt werden, dass das übergeordnete Recht und insbesondere die nach der Annahme des bundesrätlichen Berichtes geänderten bundesrechtlichen Bedingungen eingehalten werden (Art. 27c Abs. 3 der Verordnung über die politischen Rechte, BBl 2006 5530 f.). Die Aufnahme in die Kantonsverfassung trägt dazu bei, die Legitimität der elektronischen Stimmabgabe zu erhöhen. Die revidierten Bestimmungen der Kantonsverfassung stehen mit den bundesrechtlichen Vorgaben in Übereinstimmung, weshalb die Gewährleistung erteilt werden kann.

1.6.3

Unvereinbarkeit zwischen einem Staatsratsmandat und einem Sitz in den eidgenössischen Räten

Bisheriger Text Art. 106 Abs. 4 und 5 4 Sie können auch Nationalrat oder Ständerat sein. Jedoch dürfen höchstens zwei von ihnen Nationalrat oder Ständerat sein.

5 Wenn die im Absatz 4 festgesetzte Zahl überschritten wird und ein freiwilliger Verzicht auf das eine oder andere Mandat nicht vorliegt, haben bei einer Wahl in den Staatsrat die amtsältesten Staatsräte den Vorrang und bei einer Wahl in die Bundesversammlung die bisherigen National- und Ständeräte, dann die amtsältesten Staatsräte. Bei gleichem Amtsalter hat der älteste den Vortritt.

Neuer Text Art. 106 Abs. 1 Bst. c (neu), Abs. 4 und 5 (Aufgehoben) 1 Das Mandat eines Staatsrates ist unvereinbar: c. mit dem Mandat eines Nationalrates oder eines Ständerates.

4 Aufgehoben 5 Aufgehoben Art. 182 Abs. 51 (neu) 5 Artikel 106 Absatz 1 Buchstabe c gilt erstmals für die erste Erneuerungswahl des Staatsrates, die auf die Annahme dieses Artikels folgt.

Artikel 106 Absatz 1 Buchstabe c führt eine Unvereinbarkeit zwischen dem Mandat eines Staatsrates und dem eines Stände- oder Nationalrates in die Kantonsverfassung ein. Es handelt sich hier um eine Frage der Behördenorganisation, bei der die Kantone über einen substanziellen Handlungsspielraum verfügen. Der Kanton Genf überschreitet ihn im vorliegenden Fall nicht. Die Gewährleistung kann erteilt werden.

1

Anlässlich der kantonalen Volksabstimmung vom 8. Februar 2009 ist dieser Absatz den Wahlberechtigten als Absatz 4 unterbreitet worden. Zwischenzeitlich erfolgte Änderungen in dieser Übergangsbestimmung (BBl 2009 9137) machen eine Anpassung der Absatznummerierung notwendig.

2165

2

Verfassungsmässigkeit

Die Prüfung hat ergeben, dass die Bestimmungen der geänderten Verfassungen der Kantone Glarus, Zug, Freiburg, St. Gallen, Graubünden und Genf die Anforderungen von Artikel 51 der Bundesverfassung erfüllen. Somit ist die Gewährleistung zu erteilen.

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

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