09.096 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Eurojust vom 4. Dezember 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für einen Bundesbeschluss zu dem am 27. November 2008 unterzeichneten Abkommen zwischen der Schweiz und Eurojust mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. Dezember 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1627

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Übersicht Das Abkommen, das den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft zur Genehmigung unterbreitet wird, institutionalisiert die Zusammenarbeit mit Eurojust, der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union. Ziel der Kooperation ist die verstärkte Bekämpfung schwerer internationaler Kriminalität wie Terrorismus, Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Menschenhandel, Drogenhandel, Betrug oder Geldwäscherei.

Ausgangslage Die Schweiz hat bereits anlässlich der Verhandlungen über die Bilateralen II ihr Interesse an einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit Eurojust bekundet und dies schriftlich festgehalten in der Vereinbarten Niederschrift zu den Verhandlungen über den Schengener Assoziierungsvertrag1 und in der Schlussakte zum Betrugsbekämpfungsabkommen2.

Schon heute arbeitet die Schweiz im Justiz- und Strafverfolgungsbereich eng mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammen. Optimierungsmöglichkeiten bestehen aber etwa im Bereich der Koordination. Gerade für die erfolgreiche Bekämpfung der schweren Kriminalität, bei der vermehrt ein organisiertes und sich über mehrere Staaten erstreckendes Vorgehen festzustellen ist, ist eine verstärkte Koordination und Kooperation der Strafverfolgungsbehörden in den betroffenen Ländern erforderlich.

Derartige koordinierende und unterstützende Aufgaben übernimmt Eurojust, eine von der Europäischen Union geschaffene Einrichtung mit dem Ziel, die schwere Kriminalität auf justizieller Ebene verstärkt zu bekämpfen. Eurojust soll die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen einzelstaatlichen Behörden verbessern, vor allem durch die Erleichterung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen.

Durch das Abkommen mit Eurojust kann die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Strafrechtshilfe im Interesse einer effizienten Verbrechensbekämpfung weiter optimiert werden.

Einzelfallweise findet im Rahmen des nach schweizerischem Recht Zulässigen bereits heute eine Kooperation zwischen der Schweiz und Eurojust statt. Im Interesse der Transparenz und der Rechtssicherheit drängte sich aber die Aushandlung eines Instruments auf, das die Zusammenarbeit institutionalisiert und den Rahmen und die Modalitäten für die Kooperation vertraglich festlegt.

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Vereinbarte Niederschrift zu den Verhandlungen über das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31.

Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, SR 0.351.926.81.

Mit dem polizeilichen Gegenstück zu Eurojust, dem Europäischen Polizeiamt Europol, hat die Schweiz bereits einen Zusammenarbeitsvertrag abgeschlossen. Dieser ist seit März 2006 in Kraft.

Inhalt der Vorlage Das Abkommen schafft eine Rechtsgrundlage für die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust. Es sieht den Austausch von Informationen vor und regelt in diesem Zusammenhang auch den Schutz der übermittelten Daten sowie Haftungsfragen. Das Bundesamt für Justiz wird als Schweizer Kontaktstelle für Eurojust bezeichnet. Die zuständigen schweizerischen Behörden erhalten die Möglichkeit, an operativen und strategischen Sitzungen, die von Eurojust organisiert werden, teilzunehmen oder selber um Einberufung solcher Sitzungen zu ersuchen. Das Abkommen enthält ausserdem die rechtliche Grundlage für eine allfällige spätere Entsendung eines Schweizer Verbindungsbeamten zu Eurojust.

Das Abkommen gibt die Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust vor (Prinzip der Kooperation, sachlicher Anwendungsbereich, zuständige Behörden, Informationskanäle, Schutz der übermittelten Daten, Haftung).

Bezüglich Umfang und Modalitäten der Kooperation im konkreten Einzelfall, wie etwa die Voraussetzungen für die Übermittlung von Informationen oder Verweigerungsgründe, wird demgegenüber auf die diesbezüglichen spezifischen Rechtsvorschriften der betroffenen Staaten verwiesen. Das geltende Rechtshilferecht der Schweiz wird vom Abkommen somit nicht tangiert. Explizit vorbehalten sind auch die Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Abkommen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen der Schweiz und der EU bzw.

deren Mitgliedstaaten. Das Abkommen schafft demnach keine neuen, mit dem schweizerischen Recht nicht vereinbaren Zusammenarbeitsverpflichtungen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Für die wirksame Verbrechensbekämpfung wird eine gut funktionierende internationale Zusammenarbeit zunehmend wichtiger. Die einzelnen Staaten sind nämlich immer weniger in der Lage, die vom internationalen Verbrechen ausgehenden Herausforderungen im Alleingang zu bewältigen. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um Verbrechen mit grenzüberschreitenden Dimensionen und einem hohen Organisationsgrad handelt. Im Bereich der schweren internationalen Kriminalität, etwa beim Terrorismus, bei der Beteiligung an einer kriminellen Organisation, beim Menschenoder Drogenhandel sowie in Fällen von grossem Betrug und Geldwäscherei, ist dies oft der Fall. Häufig führen in solchen Fällen nur ein zwischen den betroffenen Staaten abgesprochenes und aufeinander abgestimmtes Handeln und die rasche Leistung umfassender Rechtshilfe zum Erfolg.

Aus diesen Überlegungen heraus hat die Europäische Union 2002 Eurojust geschaffen.3 Die unabhängige, mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete EU-Einrichtung mit Sitz in Den Haag wurde mit der Aufgabe betraut, bei Bedarf die Koordination zu fördern und zu verbessern in Fällen, in denen zwei oder mehr Mitgliedstaaten Ermittlungen und Strafverfolgungsmassnahmen im Zusammenhang mit einem schweren Verbrechen, insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität, durchführen. Allgemein soll eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen einzelstaatlichen Behörden erreicht werden, insbesondere durch die Erleichterung der internationalen Rechtshilfe inklusive Auslieferung. Eine neu vorgesehene, rund um die Uhr tätige Eurojust-Einsatzzentrale soll dabei sicherstellen, dass die EU-Einrichtung jederzeit Ersuchen entgegennehmen und bearbeiten kann. Einen wesentlichen Beitrag zur effizienteren Verbrechensbekämpfung leistet Eurojust generell durch die Bereitstellung einer Plattform, die es Staatsanwältinnen und Staatsanwälten verschiedenster Sprachkreise aus Staaten mit unterschiedlich ausgestaltetem Prozessrecht ermöglicht, sich persönlich auszutauschen und die in ihren jeweiligen Staaten vorzunehmenden Strafverfolgungs- und Prozesshandlungen gemeinsam zu planen und zu koordinieren. Eurojust unterstützt die zuständigen Behörden auch auf andere Weise, um die Wirksamkeit der Ermittlungen und der Strafverfolgungsmassnahmen zu erhöhen. Eurojust kommt damit koordinierende und
unterstützende Funktion zu. Die EU-Einrichtung kann jedoch nicht selber ermitteln oder Strafverfolgungen leiten.4 Es ist überdies nicht vorgesehen, bestehende Zusammenarbeitsinstrumente zu ersetzen. Die Tätigkeiten von Eurojust ergänzen somit das Dispositiv der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen.

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Beschluss 2002/187/JI des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (ABl. L 63 vom 6.3.2002, S. 1), ergänzt durch den Beschluss 2003/659/JI des Rates vom 18. Juni 2003 (ABl. L 245 vom 29.9.2003, S. 44) und durch den Beschluss 2009/426/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 138 vom 4.6.2009, S. 14).

Gemäss Beschluss 2009/426/JI erhalten die von den EU-Mitgliedstaaten entsandten nationalen Mitglieder im Bereich der Anordnung von Ermittlungsmassnahmen künftig zwar gewisse Befugnisse. Diese betreffen aber das Verhältnis zum eigenen Staat und haben keine Auswirkungen auf die Schweiz.

Die Mitgliedschaft bei Eurojust ist EU-Mitgliedstaaten vorbehalten. Mit Billigung des EU-Rats kann die Einrichtung aber Zusammenarbeitsverträge mit anderen Staaten oder Institutionen abschliessen. Solche Verträge wurden bereits mit Island, Norwegen, den USA, Kroatien und Mazedonien5 sowie mit dem Europäischen Polizeiamt (Europol) und dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ausgehandelt.

Die Schweiz hat schon im Rahmen der Verhandlungen über die Bilateralen II ihr Interesse an einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit Eurojust zum Ausdruck gebracht.6 Dieses Interesse ergab sich anlässlich grenzüberschreitender Fälle, bei denen Eurojust von Anfang an eine nützliche Brückenfunktion wahrnehmen konnte.

Entsprechend findet heute in der Praxis im Einzelfall und nach Massgabe des nach schweizerischem Recht Zulässigen bereits eine Kooperation mit Eurojust statt. Im Interesse der Transparenz und der Rechtssicherheit drängte sich nun aber die Aushandlung eines Instruments auf, das die Zusammenarbeit institutionalisiert und den Rahmen und die Modalitäten für die Kooperation vertraglich festlegt.

Eurojust ist an einer institutionalisierten Kooperation mit der Schweiz gleichermassen interessiert. Die EU-Einrichtung räumte den Verhandlungen mit der Schweiz erste Priorität ein und lud die Schweiz formell zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Am 29. September 2006 erteilte der Bundesrat das Verhandlungsmandat. Dessen Eckpunkte waren die Regelung des Informationsaustauschs bei Gewährleistung eines hohen Datenschutzstandards, der Vorbehalt bestehender Rechtshilfeübereinkommen sowie die Benennung einer im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) angesiedelten Schweizer Kontaktstelle für die Belange von Eurojust.

Zwischen April 2007 und März 2008 wurde das Abkommen ausgehandelt, am 6. März 2008 konnte der Text paraphiert werden. Im Rahmen der drei Verhandlungsrunden wurde der von Eurojust unterbreitete Mustertext angepasst, um den Anliegen und Bedürfnissen der Schweiz Rechnung zu tragen. Dies betraf insbesondere den Umfang der Zusammenarbeit, die Beibehaltung der Kontrolle über mögliche künftige Änderungen sowie das Verhältnis zu anderen Instrumenten der justiziellen Strafrechtszusammenarbeit. Die Vorgaben gemäss Verhandlungsmandat fanden vollumfänglich Berücksichtigung.

Die Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments sind über das Vorhaben informiert worden, wie es Artikel 152 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027 vorsieht. Die Interessenwahrung durch die Kantone wurde 5 6

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Das Abkommen mit Mazedonien wurde am 28. November 2008 unterzeichnet.

Vereinbarte Niederschrift zu den Verhandlungen über das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31; Schlussakte zum Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, SR 0.351.926.81.

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung, SR 171.10.

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dadurch sichergestellt, dass die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) einen Vertreter der Kantone in die Schweizer Verhandlungsdelegation entsandte.

Der EU-Rat genehmigte das Abkommen am 24. Juli 2008, der Bundesrat am 15. Oktober 2008. Am 27. November 2008 wurde es von der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und dem Präsidenten des EurojustKollegiums am Rande eines Justiz- und Innenministertreffens in Brüssel unterzeichnet.

1.3

Überblick über den Inhalt des Abkommens

Das Abkommen schafft die rechtliche Grundlage für die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust.

Die Kooperation umfasst alle in den Zuständigkeitsbereich von Eurojust fallenden Delikte und kann sich auf alle Aufgaben beziehen, für welche die Einrichtung gemäss Eurojust-Beschluss kompetent ist (Art. 3 Abs. 1). Die Delikte, für die eine Zusammenarbeit vorgesehen ist, sind im Wesentlichen identisch mit denjenigen, bei deren Vorliegen die Schweiz aufgrund eines Abkommens auf polizeilicher Ebene bereits mit Europol zusammenarbeitet. Mit Blick auf künftige Erweiterungen des Eurojust-Mandats konnte folgende Regelung vereinbart werden: Für den Fall, dass Eurojust diesbezüglich einen Antrag stellt, ist eine entsprechende Ausdehnung des Anwendungsbereichs möglich, aber nur, wenn die Schweiz einer solchen vorgängig ausdrücklich zugestimmt hat (Art. 3 Abs. 2).

Konkret besteht die Zusammenarbeit im Austausch von Informationen sowie der Teilnahme an operativen und strategischen Sitzungen (Art. 9 und 10).

Das Abkommen gibt die Leitlinien und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit vor. Neben den Formen der Zusammenarbeit bezeichnet es insbesondere die zuständigen Behörden und Informationskanäle, stellt datenschutzrechtliche Grundsätze auf und regelt Haftungsfragen. Ob in einem konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Informationsübermittlung gegeben sind und ob und in welchem Umfang Informationen ausgetauscht werden, untersteht aber dem Recht des ersuchten Staates.

Von grosser praktischer Bedeutung ist die Bezeichnung einer Schweizer Kontaktstelle, über welche die Informationen von und an Eurojust laufen. Das Bundesamt für Justiz wird diese Funktion als Kontaktstelle wahrnehmen (Art. 7). Für den Fall, dass die Schweiz die Entsendung eines Verbindungsbeamten zu Eurojust dereinst als erforderlich erachtet, enthält das Abkommen eine rechtliche Grundlage für die Entsendung (Art. 6).

1.4

Würdigung

Das Abkommen mit Eurojust stellt eine weitere Optimierung der Kooperation mit den EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Strafrechtshilfe dar.

Zwar bestehen im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden in Europa bereits verschiedene Instrumente. Diverse multilaterale Übereinkommen und bilate28

rale Verträge regeln die Rechtshilfe in Strafsachen8. Die entsprechenden Bestimmungen bleiben auch mit dem vorliegenden Abkommen vorbehalten. Eurojust bietet nun aber eine echte Unterstützung bei der Umsetzung dieser Instrumente.

Über die jeweiligen nationalen Mitglieder steht Eurojust in ständigem Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden der einzelnen Staaten, die strafverfolgerische Anliegen, welche der Diskussion in einem grösseren Kreis und der Koordination bedürfen, an Eurojust herantragen können. Die EU-Einrichtung stellt in der Folge eine Plattform inklusive logistische Unterstützung bereit, die es den beteiligten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten der einzelnen Staaten ermöglicht, sich persönlich zu treffen, an einem Tisch Probleme, die in der Zusammenarbeit aufgetaucht sind, zur Sprache zu bringen, gemeinsame Ermittlungsstrategien festzulegen sowie konkret geplante Strafverfolgungs- und Prozesshandlungen zu besprechen und zu koordinieren.9 Eurojust schafft die Rahmenbedingungen, um den für die gemeinsame effiziente Bekämpfung einer Straftat mit grenzüberschreitenden Dimensionen notwendigen Dialog zwischen Staatsanwälten aus verschiedenen Staaten zu ermöglichen und zu vereinfachen ­ ein Dialog, der sonst aufgrund von Verständnisschwierigkeiten oder unterschiedlich ausgestalteten Verfahrens- und Prozessrechten unter Umständen massiv erschwert oder nicht möglich wäre.

Daneben sorgt die EU-Einrichtung allgemein für den Informationsaustausch zwischen den zuständigen einzelstaatlichen Behörden, leistet einen Beitrag zur Klärung von Zuständigkeitsfragen und hilft generell bei der Klärung rechtlicher Fragen wie auch bei der Lösung praktischer Probleme. Aufgrund seiner Zusammensetzung aus je einem nationalen Mitglied der EU-Mitgliedstaaten, die alle in Den Haag unter einem Dach zusammenarbeiten, kann Eurojust einen für den Erfolg oftmals entscheidenden raschen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten, die etwa in der Komplexität der bestehenden Rechtshilfeinstrumente, in der ungenügenden Kenntnis des Rechts eines anderen Staates oder in sprachlichen Schwierigkeiten begründet sind.

Gerade bei der Bekämpfung der schweren grenzüberschreitenden Kriminalität ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Staaten von grosser Bedeutung. Ein koordiniertes Vorgehen bei in mehreren Staaten
durchzuführenden Strafverfolgungs- oder Beweissicherungsmassnahmen kann für den Erfolg einer Operation entscheidend sein. Mit Blick auf eine möglichst effiziente Verbrechens8

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Als für die Praxis wichtigste seien erwähnt: das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.1), das Zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.12), das Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (SR 0.311.53), das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (SR 0.353.1) und dessen zwei Zusatzprotokolle (SR 0.353.11 und SR 0.353.12) sowie die Rechtshilfebestimmungen des von der Schweiz aufgrund der Assoziierung an Schengen anwendbaren Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19, 34 ff.).

Zur Illustration der Zusammenarbeit vgl. etwa ein im Eurojust-Jahresbericht 2008 (www.eurojust.europa.eu/press_annual_report_2008.htm) erwähnter Fall von illegalem Schmuggel von Immigranten, bei dem mit Hilfe von Eurojust ein europaweit agierender Menschenschmuggel-Ring ausgehoben werden konnte. Aufgrund koordinierter Aktionen konnten im Juni 2008 75 verdächtige Personen verhaftet werden. Die Ermittlungen und Verhaftungen fanden in Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Norwegen, den Niederlanden, Schweden und dem Vereinigten Königreich statt. Mehr als 1300 Polizeibeamte waren involviert.

29

bekämpfung liegt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust daher im Interesse beider Vertragsparteien.10 Die Schweiz kann im Speziellen von der Wissens- und Koordinationsplattform, die sich aus den heute 27 Mitgliedstaaten der EU zusammensetzt, profitieren und deren Leistungen in Anspruch nehmen. Das Abkommen mit Eurojust leistet in diesem Sinn einen weiteren Beitrag zur schweizerischen Politik, die Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit im Interesse der Gewährleistung der inneren Sicherheit optimal zu nutzen.

Die im Verhandlungsmandat formulierten Eckwerte fanden im Abkommen vollumfänglich Berücksichtigung. Die Rechtshilfebestimmungen gemäss Schweizer Gesetzes- und Vertragsrecht werden vom Abkommen nicht tangiert. Detaillierte Bestimmungen gewährleisten einen hohen Datenschutzstandard mit Bezug auf die ausgetauschten Informationen.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Art. 3

Umfang der Zusammenarbeit

Die Eurojust im Eurojust-Beschluss11 zugewiesenen Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben bestimmen den Umfang, in dem eine Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust in Frage kommt (Abs. 1). Die verwendete Verweistechnik findet sich standardmässig in den Zusammenarbeitsverträgen zwischen Eurojust und Drittstaaten.

Eurojust ist im Wesentlichen für diejenigen Delikte zuständig, für welche die Schweiz auf polizeilicher Ebene seit 2006 bereits mit Europol zusammenarbeitet.12 Darunter fallen unter anderem die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, der Drogenhandel, der illegale Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen, der Menschenschmuggel und -handel, der Terrorismus und seine Finanzierung, die Geldfälschung, die Korruption, die Geldwäscherei, der Betrug, die Umweltkriminalität, die Computerkriminalität, der illegale Organhandel und die Geiselnahme. Auch andere Delikte, die zusammen mit den erwähnten begangen werden, fallen in den Zuständigkeitsbereich von Eurojust. Im Gegensatz zu Europol kann Eurojust zudem bei weiteren Delikten auf Antrag der zuständigen Behörde eines betroffenen Staates die Ermittlungen und Strafverfolgungsmassnahmen ergänzend unterstützen.

Mit den Aufgaben von Eurojust gemäss den Artikeln 6 und 7 des Eurojust-Beschlusses sind die bereits erwähnten Unterstützungs- und Koordinationsfunktionen sowie die Befugnisse der EU-Einrichtung gemeint, im Verhältnis zu Mitgliedstaaten gewisse Handlungen anzuregen. In diesem Rahmen kann Eurojust die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten etwa darum ersuchen in Erwägung zu ziehen, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfol10

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Die Bedeutung der Schweiz für Eurojust ergibt sich aus der jüngsten Statistik: 2008 war die Schweiz nach Massgabe der Anzahl Fälle und Koordinationstreffen nach den USA von den Drittstaaten die wichtigste Partnerin von Eurojust.

Beschluss 2002/187/JI des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (ABl. L 63 vom 6.3.2002, S. 1).

Vgl. SR 0.362.2; Erweiterung der Zusammenarbeit gemäss Briefwechsel vom 7. März 2006/22. November 2007 auf weitere Kriminalitätsbereiche, SR 0.362.21.

gung aufzunehmen. Eurojust kann aber nicht selber Strafverfolgungs- oder Beweissicherungsmassnahmen anordnen.

Das Abkommen gibt die Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust vor, etwa den Grundsatz der Zusammenarbeit sowie deren sachlichen Anwendungsbereich, die zuständigen Behörden, die Informationskanäle, den bei übermittelten Daten einzuhaltenden Schutz sowie die Haftung für unrichtige Daten.

Die Zusammenarbeit im Einzelfall unterliegt den geltenden Rechtsvorschriften der Parteien (Abs. 1, letzter Satz). Diese von der Schweizer Delegation durchgesetzte Bestimmung hat zur Folge, dass etwa das relevante Rechtshilferecht des ersuchten Staates massgebend ist, wenn es um die Anforderungen an den Inhalt eines Informationsersuchens, die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtshilfe oder die Gründe für deren Ablehnung geht. Auch die grundsätzlich umfassende sachliche Zuständigkeit von Eurojust führt damit im Ergebnis zu keiner Ausweitung der Zusammenarbeitspflicht darüber hinaus, was aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Schweiz bereits vorgesehen ist.

Mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Kompetenzen von Eurojust enthält Artikel 3 Absatz 2 eine Evolutivklausel. Diese ermöglicht für den Fall, dass Eurojust diesbezüglich einen Antrag stellt, eine entsprechende Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Abkommens unter der Bedingung, dass die Schweiz einer solchen gemäss ihren innerstaatlichen Verfahren ausdrücklich zustimmt. Damit behält die Schweiz auch bei künftigen Entwicklungen die Kontrolle über den Umfang der Kooperation.

Art. 4

Verhältnis zu anderen Instrumenten der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen

Die Bestimmung wurde auf Ersuchen der Schweiz in den Vertragstext aufgenommen. Damit soll, zusätzlich zum Verweis auf nationales Recht gemäss Artikel 3 Absatz 1, verdeutlicht werden, dass auch die Rechtshilfeinstrumente zwischen der Schweiz und der EU oder deren Mitgliedstaaten vom vorliegenden Abkommen nicht tangiert werden.

Art. 6

Verbindungsstaatsanwalt oder Verbindungsstaatsanwältin bei Eurojust

Gemäss Eurojust-Beschluss kann in Zusammenarbeitsverträgen mit Drittstaaten die Entsendung von Verbindungsbeamten oder Verbindungsrichtern/-staatsanwälten zu Eurojust vereinbart werden.13 Die unmittelbare Entsendung eines Schweizer Verbindungsbeamten zu Eurojust war zwar nicht Bestandteil des Verhandlungsmandats. In einer ersten Phase soll nämlich ausgelotet werden, ob und wie weit die Zusammenarbeit über die nationale Kontaktstelle (Art. 7) sowie durch die Teilnahme der betroffenen Behörden an operativen und strategischen Sitzungen (Art. 9) den praktischen Bedürfnissen genügt. Für den Fall, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt die Notwendigkeit der Entsendung eines Verbindungsbeamten oder einer Verbindungsbeamtin nach Den Haag zeigt, schafft

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Vgl. Art. 27 Abs. 3 Eurojust-Beschluss.

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Artikel 6 aber bereits die entsprechende rechtliche Grundlage für die Entsendung und sieht die näheren Einzelheiten vor.

Die entsandte Person ist offizielle Vertreterin der Schweiz bei Eurojust (Abs. 2).

Entsprechend wird sie wie auch ihr Mandat und die Dauer ihrer Entsendung von der Schweiz bestimmt (Abs. 3). Die Schweiz legt ihre Befugnisse fest, in den Beziehungen zu ausländischen Justizbehörden tätig zu werden ­ Befugnisse, die von Eurojust anzuerkennen und zu achten sind (Abs. 5). Im Hinblick auf eine möglichst effiziente Kooperation ist es sodann wichtig, dass die entsandte Person gleichen Zugang zum nationalen Strafregister oder zu den in jedem anderen Schweizer Register enthaltenen Informationen hat wie ein Staatsanwalt oder eine Person mit gleichwertigen Befugnissen gemäss Schweizer Recht (Abs. 6). Dass die direkte Kontaktnahme zu den Schweizer Strafverfolgungsbehörden möglich sein soll, wie Absatz 7 festhält, versteht sich von selbst.

Eurojust ist darum bemüht, der von der Schweiz entsandten Person hinreichende Einrichtungen (Büroräumlichkeiten, Telekommunikationsdienste etc.) für die Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfügung zu stellen (Abs. 8). Wie anlässlich der Verhandlungen von Seiten von Eurojust ausgeführt wurde, ist die Benutzung dieser Einrichtungen grundsätzlich unentgeltlich. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass in gewissen Ausnahmesituationen oder auch im Rahmen künftiger Budgetbeschränkungen dennoch einmal Beiträge an die Kosten der benutzten Infrastuktur verlangt werden müssen, wird in die Zusammenarbeitsverträge mit Drittstaaten standardmässig eine entsprechende Klausel eingebaut. Eine von der Schweizer Delegation durchgesetzte Beschränkung der Rückerstattung auf die bis drei Monate vor der Erstattungsforderung angefallenen Kosten trägt in einem solchen Fall zur Berechenbarkeit der finanziellen Situation für die Schweiz bei.

Art. 7

Kontaktstelle zu Eurojust

Eine wichtige Bestimmung, insbesondere solange die Schweiz nicht über einen Verbindungsbeamten oder eine Verbindungsbeamtin bei Eurojust verfügt, stellt Artikel 7 dar. Dieser bezeichnet das Bundesamt für Justiz als Kontaktstelle der Schweiz zu Eurojust (Abs. 1). Vor allem angesichts der für das Ausland oft nur schwer durchschaubaren föderalistischen Struktur unseres Landes mit Aufteilung in Bundes- und kantonale Gerichtsbarkeit einerseits sowie Strafverfolgungskompetenzen der einzelnen Kantone anderseits ist es von umso grösserer Bedeutung, dass Eurojust in der Schweiz über einen zentralen Ansprechpartner verfügt, der sämtliche eingehenden Anfragen und Ersuchen schnell und unkompliziert direkt an die zuständige Schweizer Behörde weiterleiten kann. Das Bundesamt für Justiz bietet sich aufgrund der ihm im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen gesetzlich übertragenen Entscheidungs-, Übermittlungs- und Kontrollfunktionen (z.B. Art. 17 Abs. 2­5, 29 und 78­79a des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198114) für diese Aufgabe an.

Absatz 2 trägt einem seitens der Schweiz geäusserten praktischen Anliegen Rechnung. Danach soll es auch möglich sein, dass die zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone auf der einen Seite und Eurojust auf der anderen Seite für operative Zwecke im Rahmen ihrer Kompetenzen direkt miteinander in Kontakt treten. Für 14

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Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SR 351.1.

Eurojust wird dies nur dann Sinn machen, wenn jeweils klar ist, welche Behörde in der Schweiz für die Behandlung eines konkreten Falls zuständig ist, zum Beispiel nachdem über das Bundesamt für Justiz bereits ein erster Kontakt hergestellt worden ist. Im Fall einer direkten Kontaktnahme ist das Bundesamt für Justiz jeweils zu informieren.

Art. 9

Operative und strategische Sitzungen

Zusammen mit dem Informationsaustausch gemäss Artikel 10 stellt Artikel 9 einen der Grundpfeiler der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust dar.

Aufgrund seines festen Netzwerks von nationalen Mitgliedern der EU-Mitgliedstaaten, in der Regel Staatsanwälte oder Richter, bietet sich Eurojust als Plattform für die Koordinierung von Strafverfolgungs- und Beweiserhebungsmassnahmen sowie für die Entwicklung von Strategien für die Bekämpfung bestimmter Delikte an. Den in diesem Rahmen durchgeführten strategischen und fallbezogenen Koordinationssitzungen kommt in diesem Zusammenhang eine grosse Bedeutung zu, da die betroffenen nationalen Behörden zusammengeführt und miteinander in Verbindung gebracht werden. Die betroffenen Schweizer Vertreter können auf Einladung von Eurojust an derartigen Sitzungen teilnehmen. Sie können auch selber aktiv um die Teilnahme an oder um Einberufung einer solchen Sitzung ersuchen.

Art. 10

Informationsaustausch

Absatz 1 umschreibt den Umfang des möglichen Informationsaustauschs: Es können alle Informationen ausgetauscht werden, die im Hinblick auf die verstärkte Bekämpfung schwerer Kriminalität erforderlich und relevant sind und nicht über den Abkommenszweck hinausgehen.

Absatz 2 bezeichnet die Kommunikationswege. Solange die Schweiz keine Verbindungsperson zu Eurojust entsandt hat, geschieht der Austausch der Informationen zwischen dem Bundesamt für Justiz als Schweizer Kontaktstelle einerseits und den betroffenen nationalen Mitgliedern oder dem Eurojust-Kollegium (d.h. dem Gremium, in dem alle nationalen Mitglieder zusammengefasst sind) anderseits. Im Rahmen und nach Massgabe von Artikel 7 Absatz 2 des Abkommens ist der Austausch von Informationen auch direkt zwischen den mit der Untersuchung oder Verfolgung eines Falls betrauten Schweizer Strafverfolgungsbehörden und den betroffenen nationalen Mitgliedern oder dem Eurojust-Kollegium möglich.

Bei Bedarf kann in besonderen Fällen auch ein anderer Kanal vereinbart werden (Abs. 3). Absatz 4 dient dem Schutz der Daten und soll sicherstellen, dass keine unbefugten Personen mit den Informationen in Kontakt kommen.

Art. 11 und 12

Übermittlung von Informationen

Diese Bestimmungen nehmen den für die Schweiz wichtigen Gedanken der «Spezialität» auf. Sie stellen sicher, dass die übermittelten Informationen nicht für vom übermittelnden Staat unbeabsichtigte oder ungewollte Zwecke verwendet werden.

Gemäss Absatz 1 unterrichtet die Partei, die Informationen übermittelt, die andere Partei über den Zweck der Übermittlung sowie über allfällige Beschränkungen in deren Handhabung und Verwendung.

Sollen die Informationen an Drittstaaten oder Drittstellen weitergeleitet werden, ist zudem immer vorgängig die Genehmigung der erstübermittelnden Partei einzuholen 33

(Abs. 2). Absatz 3 dient der Übersicht und der besseren Nachvollziehbarkeit für den Fall, dass sich später mit Bezug auf die Übermittlung der Informationen Fragen stellen sollten.

Art. 13­17

Datenschutz

Ein wichtiges Anliegen beider Vertragsparteien ist der Datenschutz. Die Datenschutzinstrumente des Europarats stellen dabei den Mindest-Massstab dar, der an den Schutz der im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eurojust übermittelten Daten anzusetzen ist (Art. 13, Abs. 1; Art. 14, Abs. 1). Sowohl das entsprechende Übereinkommen15 als auch dessen Zusatzprotokoll16 sind für die Schweiz in Kraft. Für die Verarbeitung von Daten und den Schutz von aus der Schweiz stammenden Daten gelten für Eurojust zudem die Datenschutzregeln gemäss Eurojust-Beschluss und Datenschutz-Geschäftsordnung von Eurojust17 (Art. 13, Abs. 2). Die Schweiz hat ihrerseits den Eurojust-Instrumenten analoge Grundsätze anzuwenden (Art. 14, Abs. 2). Eine entsprechende Bestimmung wird von Eurojust standardmässig in seine Zusammenarbeitsverträge mit Drittstaaten und Drittorganisationen eingefügt und ist für die Schweiz aufgrund ihres eigenen hohen Datenschutz-Standards nicht problematisch. Entsprechend hat dieser Punkt anlässlich der Verhandlungen seitens der Eurojust-Datenschutzbeauftragten auch keine Fragen aufgeworfen. Weitere Bestimmungen betreffen speziell die Datensicherheit und die Berichtigung und Löschung von Daten (Art. 15 und 17).

Hinsichtlich der Rechte der betroffenen Personen auf Zugang zu sie betreffende Daten verweist das Abkommen auf das Recht der Partei, an die das entsprechende Ersuchen gerichtet wird (Art. 16).

Art. 18

Haftung

Diese Bestimmung regelt die Haftung für den Schaden, der einer Person durch die Übermittlung sachlich oder rechtlich fehlerhafter Daten entstanden ist. Eine analoge Regelung findet sich in Artikel 16 des Europol-Abkommens18.

Absatz 1 bezieht sich auf die entsprechende Haftung der Schweiz. Als rechtlich oder sachlich fehlerhafte Daten gelten Informationen, die an irgendeinem Mangel leiden, sei es, dass sie unrichtig sind oder unrechtmässig beschafft oder weitergegeben wurden. Für den dadurch entstandenen Schaden haftet die Schweiz gemäss ihrem innerstaatlichen Recht. Abhängig vom Schadensverursacher kann sich die betroffene Person damit auf die Regelungen des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195819 oder die entsprechenden Regelungen der Kantone stützen. Das Verfahren betreffend Schadenersatzbegehren gestützt auf das Verantwortlichkeitsgesetz ist in 15 16

17

18 19

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Übereinkommen vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, SR 0.235.1.

Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich Aufsichtsbehörden und grenzüberschreitende Datenübermittlung, SR 0.235.11.

Bestimmungen der Geschäftsordnung betreffend die Verarbeitung und den Schutz personenbezogener Daten bei Eurojust vom 21. Oktober 2004, vom Rat genehmigt am 24. Februar 2005 (ABl. C 68 vom 19.3.2005, S. 1).

Abkommen vom 24. September 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt, SR 0.362.2.

Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten, SR 170.32.

der dazugehörigen Verordnung20 geregelt. Diese sieht vor, dass ein solches Begehren schriftlich und mit Begründung beim Eidgenössischen Finanzdepartement einzureichen ist.

Im Verhältnis zur geschädigten Person kann sich die Schweiz nicht darauf berufen, dass Eurojust unrichtige Daten übermittelt hat. Hingegen muss Eurojust in einem solchen Fall der Schweiz auf entsprechenden Antrag hin den geleisteten Schadenersatz zurückerstatten. Dies gilt dann nicht, wenn die Schweiz die Daten abkommenswidrig verwendet hat (Art. 18 Abs. 2).

Absatz 3 regelt den Fall, dass Eurojust aufgrund einer Verletzung des Abkommens durch die Schweiz gegenüber einem EU-Mitgliedstaat, einem Drittstaat oder einer Drittstelle schadenersatzpflichtig wird. In diesem Fall hat die Schweiz Eurojust auf Antrag den bezahlten Schadenersatz zurückzuerstatten.

Absatz 4 bringt zum Ausdruck, dass es sich nur um den Ausgleich für den erlittenen realen Schaden handelt. Ein darüber hinausgehender Ersatz mit Strafcharakter muss der anderen Vertragspartei nicht erstattet werden.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Die Benutzung der von Eurojust für Koordinations- und Informationssitzungen zur Verfügung gestellten Infrastruktur sowie die Teilnahme an den Sitzungen sind für die Schweiz unentgeltlich. Entsprechend der Zielrichtung von Eurojust ist sodann davon auszugehen, dass für die direkt an einem Fall betroffenen und für Koordinations- oder Informationssitzungen beigezogenen Rechtshilfe- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone insgesamt kein zusätzlicher Arbeits- oder Zeitaufwand entsteht beziehungsweise ein punktueller Mehraufwand durch eine Vereinfachung der Zusammenarbeit kompensiert wird.

Hingegen ist absehbar, dass für das Bundesamt für Justiz, das als Ansprechstelle für die Herstellung von Kontakten und den Austausch von Informationen zwischen Eurojust und den betroffenen Schweizer Strafverfolgungs- und Rechtshilfebehörden zuständig ist, für die Koordination in den Einzelfällen und für eine Teilnahme an Sitzungen vor Ort ein Mehraufwand entstehen wird. Dieser ist abhängig von der Anzahl und der Komplexität der eingehenden Geschäfte und kann heute noch nicht genau beziffert werden. Ein allfälliger erhöhter Bedarf an Ressourcen wird departementsintern aufgefangen.

Ein möglicher künftiger Entscheid, einen Schweizer Verbindungsbeamten oder eine Schweizer Verbindungsbeamtin ständig bei Eurojust zu stationieren, wäre mit entsprechenden Mehrkosten für die Schweiz verbunden. In diesem Fall wird zu gegebenem Zeitpunkt in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen sowie mitinteressierten Bundesbehörden im Rahmen eines separaten Antrags an den Bundesrat über einen derartigen Einsatz und die Finanzierung zu entscheiden sein.

20

Verordnung vom 30. Dezember 1958 zum Verantwortlichkeitsgesetz, SR 170.321.

35

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Das Abkommen wird für die Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht keine Auswirkungen haben.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 200821 über die Legislaturplanung 2007­2011 und im Bundesbeschluss vom 18. September 200822 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung23 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge fällt damit in seine Zuständigkeit. Der Bundesrat unterzeichnet die völkerrechtlichen Verträge mit ausländischen Staaten und unterbreitet diese der Bundesversammlung zur Genehmigung (Art. 184 Abs. 2 BV). Gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen Sache der Bundesversammlung.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Beim Abkommen mit Eurojust sind die ersten zwei Voraussetzungen nicht gegeben: Nach Artikel 20 Absatz 1 ist das Abkommen kündbar. Es sieht auch nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt zu prüfen, ob die dritte Voraussetzung erfüllt ist, d.h. ob der Vertrag wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob dessen Umsetzung den Erlass eines Bundesgesetzes erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200224 sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Das mit Eurojust abgeschlossene Abkommen enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Der Schweiz werden durch das Abkommen Rechte erteilt und Pflichten auferlegt. Dies ist insbesondere der Fall bei der Informationsbearbeitung bzw. dem Datenschutz sowie bei der Haftung. Darüber hinaus räumt das Abkommen dem 21 22 23 24

36

BBl 2008 794 822 BBl 2008 8543 8546 SR 101 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung, SR 171.10.

Bundesamt für Justiz die Kompetenz ein, als Kontaktstelle der Schweiz zu Eurojust zu fungieren. Vor diesem Hintergrund untersteht das Abkommen, wie seinerzeit bereits das Europol-Abkommen25, dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das Abkommen ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

Es verstärkt die gemeinsame Bekämpfung der schweren internationalen Kriminalität und dient der weiteren Konsolidierung der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen mit den EU-Mitgliedstaaten. Die konkrete Zusammenarbeit im einzelnen Fall untersteht den geltenden Rechtsvorschriften und dem Rechtsrahmen der Parteien.

Das Abkommen sieht zudem explizit vor, dass die Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Abkommen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen wie auch die Bestimmungen von Abkommen zwischen der Schweiz und der EU nicht tangiert werden.

5.3

Vernehmlassung

Das vorliegende Abkommen hat keine Anpassungen des Landesrechts zur Folge, da die Schweiz die Regelungen des Abkommens bereits im Landesrecht verankert hat.26 Im Sinne von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200527 wurde deswegen auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet. Dieses Vorgehen ist in der Tat vertretbar bei Verträgen ohne oder mit nur geringfügigen Auswirkungen auf das Landesrecht28.

Nicht unbedeutend ist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Vernehmlassung durchzuführen ist, auch die Tatsache, dass die Schweiz bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu den Bilateralen II ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit Eurojust in der Vereinbarten Niederschrift zum Schengener Assoziierungsabkommen29 sowie in der Schlussakte zum Betrugsbekämpfungsabkommen30 ausdrücklich statuiert hat. Als Bestandteil des Schengener Asosziierungsabkommens 25 26

27 28 29

30

Abkommen vom 24. September 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt, SR 0.362.2.

Vgl. etwa den Umstand, dass das Abkommen bezüglich Umfang und Modalitäten der Kooperation im konkreten Einzelfall auf die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften des betroffenen Staates verweist und demnach für die Schweiz keine neuen, mit dem schweizerischen Recht nicht vereinbaren Zusammenarbeitsverpflichtungen schafft.

Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren, SR 172.061.

BK-Leitlinien vom 30. August 2006 zur Konsolidierung der Praxis zu Vernehmlassungen zu völkerrechtlichen Verträgen, Ziff. 2B.

Vereinbarte Niederschrift zu den Verhandlungen über das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31.

Schlussakte zum Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, SR 0.351.926.81.

37

und des Betrugsbekämpfungsabommens war das schriftlich geäusserte Interesse an der Entwicklung von Möglichkeiten zur Beteiligung der Schweiz an den Arbeiten von Eurojust Gegenstand der im Sommer 2004 zu den Bilateralen II durchgeführten Vernehmlassung. Die ins Auge gefasste Kooperation führte weder bei dieser Vernehmlassung noch in den darauf folgenden parlamentarischen Beratungen zu Fragen oder Widerspruch. Die Kantone wurden schliesslich über die KKJPD durch einen eigenen Vertreter in der Schweizer Verhandlungsdelegation von Anfang an miteinbezogen und von diesem regelmässig konsultiert und über die Ergebnisse bzw. den Inhalt des Abkommenstextes informiert.

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