Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden1 (Vertikalbekanntmachung, VertBek) Beschluss der Wettbewerbskommission vom 28. Juni 2010 Die Wettbewerbskommission erlässt die folgende allgemeine Bekanntmachung in Erwägung nachstehender Gründe: I.

Gemäss Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG; SR 251) kann die Wettbewerbskommission in allgemeinen Bekanntmachungen die Voraussetzungen umschreiben, unter denen einzelne Arten von Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 KG in der Regel als gerechtfertigt gelten. Wenn ein Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit es erfordert, kann sie in analoger Anwendung von Artikel 6 KG auch andere Grundsätze der Rechtsanwendung in allgemeinen Bekanntmachungen veröffentlichen.

II.

Vertikale Vereinbarungen können die volkswirtschaftliche Effizienz innerhalb einer Produktions- oder Vertriebskette erhöhen, weil sie eine bessere Koordinierung zwischen den beteiligten Unternehmen ermöglichen. Sie können insbesondere die Transaktions- und Distributionskosten der Beteiligten verringern und deren Umsätze und Investitionen optimieren.

III. Die Wahrscheinlichkeit, dass derartige effizienzsteigernde Wirkungen stärker ins Gewicht fallen als wettbewerbsschädliche Wirkungen, die von Beschränkungen in vertikalen Abreden verursacht werden, hängt von der Marktmacht der beteiligten Unternehmen und somit vom Ausmass des Wettbewerbs zwischen Anbietern verschiedener Marken (Interbrand-Wettbewerb) ab. Dabei geht die Wettbewerbskommission davon aus, dass vertikale Abreden im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs führen, sofern keines der an einer vertikalen Abrede beteiligten Unternehmen einen Anteil von mehr als 30 % am relevanten Markt hält und es sich nicht um eine qualitativ schwerwiegende Abrede handelt.

IV. Im Rahmen der KG-Revision 2003 wurden mit dem Artikel 5 Absatz 4 KG neue Tatbestände eingeführt mit dem Ziel, Preisbindungen und Abschottungen des schweizerischen Marktes zu verhindern und den markeninternen Wettbewerb (Intrabrand-Wettbewerb) zu fördern. Gemäss Artikel 5 Absatz 4 KG wird die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs vermutet bei der Festsetzung von Mindest- oder Festpreisen (Preisbindungen zweiter Hand) sowie bei gebietsabschottenden Klauseln, die ein Verbot des Passivverkaufs an Händler oder Endkunden statuieren.

V.

1

Der Gesetzgeber hat in der KG-Revision 2003 zum Ausdruck gebracht, dass er die Festsetzung von Mindest- und Festpreisen sowie gebietsabschottende Klauseln in vertikalen Vereinbarungen als potenziell besonders schädlich erachtet. Die Wettbewerbskommission hat diese Einschätzung in ihren bisherigen Entscheiden konkretisiert und bereits in der Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden vom 2. Juli 2007

Massgebend ist der im Bundesblatt veröffentlichte Text.

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2010-1781

(Vertikalbekanntmachung 2007) entsprechende Kriterien zur Beurteilung vertikaler Abreden erlassen, insbesondere hinsichtlich der Widerlegung der Vermutung der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs (Art. 5 Abs. 4 KG), der Erheblichkeit (Art. 5 Abs. 1 KG) sowie der Rechtfertigungsgründe (Art. 5 Abs. 2 KG).

VI. Vorliegende Bekanntmachung basiert auf der Vertikalbekanntmachung 2007, welche sich an die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABI 1999 L 336/21) sowie an die Mitteilung der Kommission betreffend Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl 2000 C 291/1) anlehnte. Diese Rechtsgrundlagen wurden am 1. Juni 2010 ersetzt durch die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl 2010 L 102/1) und die entsprechenden Leitlinien (ABl 2010 C 130/1), welche in einzelnen Punkten Anpassungen vorsehen. Mit den Änderungen soll im Wesentlichen den Marktentwicklungen Rechnung getragen werden, vor allem der gewachsenen Nachfragemacht grosser Einzelhandelsunternehmen und der Entwicklung des Online-Vertriebs.

VII. Die aktuelle Revision der Bekanntmachung trägt der jüngsten Fallpraxis der Wettbewerbskommission sowie den Anpassungen im europäischen Recht ­ unter Berücksichtigung der in der Schweiz herrschenden rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen ­ Rechnung. Damit stellt sie sicher, dass in der Schweiz im Bereich der vertikalen Abreden weiterhin möglichst die gleichen Regeln zur Anwendung kommen wie in der Europäischen Union, eine Isolierung der schweizerischen Märkte vermieden und Rechtssicherheit geschaffen wird. In diesem Sinne gelten die europäischen Regeln (vgl.

Erw. VI.) analog auch für die Schweiz.

VIII. Ziffer 10 konkretisiert die Abreden, bei welchen gemäss Artikel 5 Absatz 4 KG vermutet wird, dass sie zu einer Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs führen. Ziffer 11 macht deutlich, dass für eine Widerlegung der Vermutung auf einer Gesamtbetrachtung des Marktes (Intrabrand- und Interbrand-Wettbewerb auf dem relevanten Markt)
abgestellt wird.

IX. Kann die Vermutung widerlegt werden, ist die Erheblichkeit der Abrede gemäss Ziffer 12 (1) zu prüfen. Dabei sind sowohl qualitative wie auch quantitative Kriterien zu berücksichtigen, wobei die Abwägung dieser beiden Kriterien einzelfallweise in einer Gesamtbeurteilung erfolgt. Ziffer 12 (2) zeigt auf, welche Abreden aufgrund des Gegenstands als qualitativ schwerwiegend betrachtet werden. Bei solchen Abreden genügen in quantitativer Hinsicht tiefere Anforderungen, um sie als erhebliche Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren.

X.

Ziffer 13 macht deutlich, dass in der Regel keine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt, falls die Marktanteilsschwelle von 15 % nicht überschritten wird und sich die Abrede nicht kumulativ mit anderen Abreden auf den Markt auswirkt (Bagatellfälle). Wird die Marktanteilsschwelle von 15 %

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überschritten oder wirkt sich die Abrede kumulativ mit anderen Abreden auf den Markt aus, wird die Wettbewerbsbeeinträchtigung im Einzelfall geprüft.

XI. Ziffer 15 bringt zum Ausdruck, wie Preisempfehlungen gewürdigt werden und welche Umstände Anlass geben können, Preisempfehlungen aufzugreifen.

XII. Kann die Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs widerlegt werden und liegt eine den Wettbewerb erheblich beeinträchtigende Abrede vor, ist zu prüfen, ob die Abrede durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann. In Ziffer 16 werden die Voraussetzungen umschrieben, unter denen vertikale Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 KG in der Regel als gerechtfertigt gelten. Sind keine Effizienzgründe ersichtlich, ist die Abrede unzulässig. Unzulässige Wettbewerbsabreden nach Artikel 5 Absatz 4 KG sind nach Artikel 49a KG sanktionsbedroht, selbst wenn die Vermutung der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs widerlegt werden kann.

XIII. Diese Bekanntmachung bindet die Zivilgerichte, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht nicht bei der Auslegung der kartellrechtlichen Bestimmungen.

A. Begriffe Ziff. 1

Vertikale Wettbewerbsabreden

Erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (vgl. Art. 4 Abs. 1 KG) von Unternehmen verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken und Geschäftsbedingungen betreffen, zu denen die beteiligten Unternehmen bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können.

Ziff. 2

Aktiver Verkauf

Die aktive Ansprache einzelner Kunden (Endkunden oder Händler) in einem Gebiet oder einzelner Mitglieder einer Kundengruppe, das bzw. die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschliesslich einem anderen Händler zugewiesen hat.

Ziff. 3

Passiver Verkauf

Die Erfüllung unaufgeforderter Bestellungen einzelner Kunden (Endkunden oder Händler) aus einem Gebiet oder einzelner Mitglieder einer Kundengruppe, das bzw.

die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschliesslich einem anderen Händler zugewiesen hat, d.h. das Liefern von Waren an bzw. das Erbringen von Dienstleistungen für solche Kunden. Allgemeine Werbe- oder Verkaufsförderungsmassnahmen, die Kunden in Gebieten oder Kundengruppen, die anderen Händlern (ausschliesslich) zugewiesen sind, erreichen, die aber eine vernünftige Alternative zur Ansprache von Kunden ausserhalb dieser Gebiete oder Kundengruppen, z.B. im eigenen Gebiet, darstellen, sind passive Verkäufe. In diesem Sinne gelten Internetverkäufe als passive Verkäufe, ausser wenn sich Verkaufsbemühungen gezielt an Kunden ausserhalb des zugewiesenen Gebiets richten.

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Ziff. 4

Selektive Vertriebssysteme

(1) Allgemein Vereinbarungen zwischen Anbietern und Händlern, wonach i.

der Anbieter die Vertragswaren oder -dienstleistungen nur an Händler verkaufen darf, die aufgrund festgelegter Merkmale ausgewählt werden (zugelassene Händler) und

ii.

diese Händler die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler weiter verkaufen dürfen, die nicht zum Vertrieb zugelassen sind.

(2) Rein qualitativer Selektivvertrieb Ein Vertriebssystem, bei dem die Auswahl der Händler ausschliesslich nach objektiven qualitativen Kriterien erfolgt, die sich nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten, z.B. in Bezug auf die Verkäuferschulung, den in der Verkaufsstätte gebotenen Service oder ein bestimmtes Spektrum der angebotenen Produkte.

Ziff. 5

Querlieferungen

Die gegenseitige Belieferung von Händlern gleicher oder unterschiedlicher Marktstufen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems.

Ziff. 6

Wettbewerbsverbote

Alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen. Des Weiteren alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Abnehmers, mehr als 80 % seiner auf der Grundlage des Einkaufswertes des vorherigen Kalenderjahres berechneten gesamten Einkäufe von Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie ihrer Substitute auf dem relevanten Markt vom Anbieter oder einem anderen vom Anbieter bezeichneten Unternehmen zu beziehen.

Ziff. 7

Know-how

Eine Gesamtheit nicht patentierter praktischer Kenntnisse, die der Anbieter durch Erfahrung und Erprobung gewonnen hat und die i.

geheim, d.h. nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich sind,

ii.

wesentlich, d.h. für die Verwendung, den Verkauf oder den Weiterverkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen bedeutsam und nützlich sind, und

iii. identifiziert sind, d.h. umfassend genug beschrieben sind, so dass überprüft werden kann, ob die Merkmale «geheim» und «wesentlich» erfüllt sind.

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B. Regeln Ziff. 8

Geltungsbereich

(1) Diese Bekanntmachung gilt für vertikale Wettbewerbsabreden.

(2) Diese Bekanntmachung findet auch Anwendung, wenn Wettbewerber eine nicht gegenseitige vertikale Vereinbarung treffen und a.

der Anbieter zugleich Hersteller und Händler von Waren ist, der Abnehmer dagegen Händler, jedoch kein Wettbewerber auf der Herstellungsebene; oder

b.

der Anbieter ein auf mehreren Handelsstufen tätiger Dienstleister ist, der Abnehmer dagegen Waren oder Dienstleistungen auf der Einzelhandelsstufe anbietet und auf der Handelsstufe, auf der er die Vertragsdienstleistungen bezieht, kein Wettbewerber ist.

(3) Die Anwendung der vorliegenden Bekanntmachung schliesst nicht aus, dass ein Sachverhalt ganz oder teilweise als horizontale Wettbewerbsabrede gemäss Artikel 5 Absatz 3 KG qualifiziert oder von Artikel 7 KG erfasst wird. Diesfalls ist der Sachverhalt unabhängig von der vorliegenden Bekanntmachung gemäss den einschlägigen Vorschriften des Kartellgesetzes zu beurteilen.

(4) Diese Bekanntmachung gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, die Bestimmungen enthalten, welche die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten auf den Abnehmer oder die Nutzung solcher Rechte durch den Abnehmer betreffen, sofern diese Bestimmungen Hauptgegenstand der Vereinbarung sind und sofern sie sich nicht unmittelbar auf die Nutzung, den Verkauf oder den Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Abnehmer oder seine Kunden beziehen.

Ziff. 9

Verhältnis zu anderen Bekanntmachungen

(1) Die Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Abreden im Kraftfahrzeughandel vom 21. Oktober 20022 (Kfz-Bekanntmachung) geht dieser Bekanntmachung vor. Soweit sich die Kfz-Bekanntmachung nicht äussert, sind die Vorschriften dieser Bekanntmachung anwendbar.

(2) Diese Bekanntmachung geht der Bekanntmachung betreffend Abreden mit beschränkter Marktwirkung vom 19. Dezember 20053 (KMU-Bekanntmachung) vor.

Ziff. 10

Vermutungstatbestände

(1) Bei vertikalen Wettbewerbsabreden wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs nach Artikel 5 Absatz 4 KG vermutet, wenn sie Folgendes zum Gegenstand haben:

2 3

a.

Festsetzung von Mindest- oder Festpreisen;

b.

Zuweisung von Gebieten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen werden (insbesondere Verbot des Passivverkaufs an Händler oder Endkunden).

Abrufbar unter www.weko.ch.

Bundesblatt 2006, S. 883 ff. (abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/ff/2006/883.pdf).

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(2) Artikel 5 Absatz 4 KG umfasst auch Abreden, welche indirekt zu Mindest- oder Festpreisen oder einem absoluten Gebietsschutz führen.

(3) Artikel 5 Absatz 4 KG umfasst auch in Empfehlungsform gekleidete Abreden, die auf einer Vereinbarung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise beruhen und eine Festsetzung von Mindest- oder Festpreisen oder einen absoluten Gebietsschutz bezwecken oder bewirken.

Ziff. 11

Widerlegung der Vermutung

Für die Widerlegung der Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs ist eine Gesamtbetrachtung des Marktes unter Berücksichtigung des Intrabrand- und Interbrand-Wettbewerbs massgebend. Ausschlaggebend ist, ob genügend Intrabrand- oder Interbrand-Wettbewerb auf dem relevanten Markt besteht oder die Kombination der beiden zu genügend wirksamem Wettbewerb führt.

Ziff. 12

Erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen

(1) Bei der Prüfung der Frage, ob eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 KG vorliegt, sind sowohl qualitative wie auch quantitative Kriterien zu berücksichtigen. Die Abwägung dieser beiden Kriterien erfolgt einzelfallweise in einer Gesamtbeurteilung. Dabei kann eine qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung trotz quantitativ geringfügiger Auswirkungen erheblich sein. Umgekehrt kann eine Beeinträchtigung mit quantitativ beträchtlichen Auswirkungen den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen, auch wenn sie qualitativ nicht schwerwiegend ist.

(2) Abreden werden als qualitativ schwerwiegend betrachtet, wenn sie Folgendes zum Gegenstand haben: a.

Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters, Höchstverkaufspreise festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken;

b.

Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer, vorbehältlich einer etwaigen Beschränkung in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung, Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf; eine qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung des Wettbewerbs aufgrund des Gegenstandes liegt jedoch nicht vor bei i. Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschliesslich einem anderen Händler zugewiesen hat, vorausgesetzt dass Passivverkäufe uneingeschränkt möglich sind; ii. Beschränkungen des Direktverkaufs von Grossisten an Endverbraucher; iii. Beschränkungen des Verkaufs an nicht zugelassene Händler durch die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets;

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iv. Beschränkungen der Möglichkeit des Abnehmers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt; c.

Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, Mitgliedern des Systems zu untersagen, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben;

d.

Beschränkungen von Querlieferungen zwischen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems, auch wenn diese auf unterschiedlichen Marktstufen tätig sind;

e.

Beschränkungen, die zwischen einem Anbieter von Teilen und einem Abnehmer, der diese Teile weiterverwendet, vereinbart werden, welche den Anbieter daran hindern, die Teile als Ersatzteile an Endverbraucher, an Reparaturbetriebe oder andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder der Wartung seiner Waren betraut hat;

f.

Wettbewerbsverbote, welche für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden; die Begrenzung auf fünf Jahre gilt nicht, sofern der Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen in den Räumlichkeiten und auf Grundstücken des Verkäufers (Eigentum oder Miete/Pacht) anbietet;

g.

nachvertragliche Wettbewerbsverbote; dies gilt nicht, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot i. sich auf Waren oder Dienstleistungen bezieht, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen, ii. sich auf Räumlichkeiten und Grundstücke beschränkt, von denen aus der Abnehmer während der Vertragsdauer seine Geschäfte betrieben hat; iii. unerlässlich ist, um dem Abnehmer vom Anbieter übertragenes Knowhow zu schützen, und es iv. auf einen Zeitraum von höchstens einem Jahr nach Beendigung der Vereinbarung begrenzt ist.

Die Beschränkung der Nutzung und Offenlegung von nicht allgemein zugänglichem Know-how bleibt zeitlich unbegrenzt möglich;

h.

Ziff. 13

Einschränkungen von Mehrmarkenvertrieb in selektiven Vertriebssystemen, welche sich gezielt auf Marken bestimmter konkurrierender Anbieter beziehen.

Unerhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung aufgrund der Marktanteile

(1) Vertikale Wettbewerbsabreden, welche nicht unter Ziffer 12 (2) Bst. a­e fallen, führen in der Regel nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs, wenn kein an der Abrede beteiligtes Unternehmen auf einem von der Abrede betroffenen relevanten Markt einen Marktanteil von 15 % überschreitet.

5084

(2) Wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die kumulativen Auswirkungen mehrerer gleichartiger, nebeneinander bestehender vertikaler Vertriebsnetze beschränkt wird, wird die in Ziffer 13 (1) genannte Marktanteilsschwelle auf 5 % herabgesetzt. In der Regel liegt kein kumulativer Abschottungseffekt vor, wenn weniger als 30 % des relevanten Marktes von gleichartigen, nebeneinander bestehenden vertikalen Vertriebsnetzen abgedeckt werden.

Ziff. 14

Unerheblichkeit von rein qualitativem Selektivvertrieb

Abreden, die einen rein qualitativen Selektivvertrieb zum Gegenstand haben, führen nicht zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung, sofern kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind: i.

die Beschaffenheit des fraglichen Produkts muss einen selektiven Vertrieb erfordern, d.h., ein solches Vertriebssystem muss ein Erfordernis zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs des betreffenden Produkts sein;

ii.

die Wiederverkäufer müssen aufgrund objektiver Kriterien qualitativer Art ausgewählt werden. Diese sind einheitlich festzulegen, allen potenziellen Wiederverkäufern zur Verfügung zu stellen und unterschiedslos anzuwenden;

iii. die aufgestellten Kriterien dürfen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist.

Ziff. 15

Preisempfehlungen

(1) Bei Preisempfehlungen von Anbietern an Wiederverkäufer oder Händler ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 i.V.m. Absatz 1 KG vorliegt.

(2) Preisempfehlungen werden dann als qualitativ schwerwiegend betrachtet, wenn sich diese infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken (vgl. Ziff. 12 (2) Bst. a).

(3) Folgende Umstände können Anlass geben, Preisempfehlungen aufzugreifen: a.

der Umstand, dass Preisempfehlungen in nicht allgemein zugänglicher Weise abgegeben werden, sondern nur an die Wiederverkäufer oder Händler;

b.

der Umstand, dass Preisempfehlungen, die von Herstellern oder Lieferanten in Schweizerfranken auf den Produkten, Verpackungen oder in Katalogen etc. angebracht werden, nicht ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet sind;

c.

der Umstand, dass das Preisniveau der von den Preisempfehlungen betroffenen Produkte bei vergleichbarer Gegenleistung deutlich höher liegt als im benachbarten Ausland;

d.

der Umstand, dass die Preisempfehlungen tatsächlich von einem bedeutenden Teil der Wiederverkäufer oder Händler befolgt werden.

5085

Ziff. 16

Rechtfertigung

(1) Liegt eine den Wettbewerb erheblich beeinträchtigende Abrede vor, ist zu prüfen, ob diese gemäss Artikel 5 Absatz 2 KG gerechtfertigt ist. Sind keine Effizienzgründe ersichtlich, ist die Abrede unzulässig.

(2) Abreden gelten in der Regel ohne Einzelfallprüfung als gerechtfertigt, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen anbietet, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren und -dienstleistungen bezieht, jeweils nicht mehr als 30 % beträgt. Davon ausgenommen sind Abreden nach Ziffer 12 (2) und Abreden, die sich mit anderen kumulativ auf den Markt auswirken und den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen.

(3) Den Wettbewerb erheblich beeinträchtigende Abreden, die von Ziffer 16 (2) nicht erfasst werden, unterliegen einer Einzelfallprüfung. Ein Rechtfertigungsgrund liegt vor, wenn eine Abrede die wirtschaftliche Effizienz im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 KG erhöht ­ beispielsweise durch eine effizientere Vertriebsgestaltung im Sinne einer Verbesserung der Produkte oder Produktionsverfahren oder einer Senkung der Vertriebskosten ­ und die Wettbewerbsbeeinträchtigung dazu notwendig ist.

(4) Unternehmen können im Rahmen der in Artikel 5 Absatz 2 KG genannten Rechtfertigungsgründe namentlich Folgendes geltend machen: a.

Zeitlich begrenzter Schutz von Investitionen für die Erschliessung neuer räumlicher Märkte oder neuer Produktmärkte;

b.

Sicherung der Einheitlichkeit und Qualität der Vertragsprodukte;

c.

Schutz vertragsspezifischer Investitionen, die ausserhalb der Geschäftsbeziehung nicht oder nur mit hohem Verlust verwendet werden können (Holdup Problem);

d.

Vermeidung von ineffizient tiefen Verkaufsförderungsmassnahmen (z.B.

Beratungsdienstleistungen), die resultieren können, wenn ein Hersteller oder Händler von den Verkaufsförderungsbemühungen eines anderen Herstellers oder Händlers profitieren kann (Trittbrettfahrerproblem);

e.

Vermeidung eines doppelten Preisaufschlags, der sich ergeben kann, wenn sowohl der Hersteller als auch der Händler über Marktmacht verfügen (Problem der doppelten Marginalisierung);

f.

Förderung der Übertragung von wesentlichem Know-how;

g.

Sicherung von finanziellen Engagements (z.B. Darlehen), die durch den Kapitalmarkt nicht zur Verfügung gestellt werden.

Ziff. 17

Publikation

Diese Bekanntmachung wird im Bundesblatt veröffentlicht (Art. 6 Abs. 3 KG).

Ziff. 18

Aufhebung der bisherigen Bekanntmachung

Mit dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung wird die Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden vom 2. Juli 20074 aufgehoben.

4

BBl 2007 7597 ff.

5086

Ziff. 19

Übergangsregelung

Diese Bekanntmachung soll während der Periode zwischen dem 1. August 2010 und dem 31. Juli 2011 auf all diejenigen Vereinbarungen nicht zur Anwendung kommen, welche vor dem 1. August 2010 in Kraft traten und den Kriterien der aufgehobenen Bekanntmachung entsprachen, nicht hingegen den Kriterien vorliegender Bekanntmachung genügen.

Ziff. 20

Inkrafttreten

Diese Bekanntmachung tritt am 1. August 2010 in Kraft.

27. Juli 2010

Wettbewerbskommission: Der Präsident: Walter A. Stoffel

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