10.034 Botschaft über die Genehmigung des Vertrags mit dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Umweltabgaben im Fürstentum Liechtenstein vom 5. März 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über den Vertrag vom 29. Januar 2010 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Umweltabgaben im Fürstentum Liechtenstein mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. März 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-3060

1789

Übersicht Seit den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts sind die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein über ein vielfältiges Vertragsnetz eng miteinander verbunden. Insbesondere der Zollvertrag von 1923 und die Einführung des Schweizerfrankens als gesetzliche Währung in Liechtenstein im Jahr 1924 bilden die Grundlage für den gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum der beiden Nachbarstaaten. Aufgrund des Zollvertrags kommt nicht nur die schweizerische Zollgesetzgebung, sondern auch die übrige Bundesgesetzgebung, soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt, in Liechtenstein zur Anwendung.

Seit 1998 kennt das schweizerische Umweltrecht Lenkungsabgaben, mit denen über finanzielle Anreize oder über den Preis von Produkten umweltgerechtes Verhalten gefördert wird (Lenkungsabgaben auf Stoffe und Produkte, namentlich auf flüchtige organische Verbindungen, auf «Heizöl Extraleicht» sowie auf Benzin und Dieselöl).

Als bisher letzte Umweltabgabe wurde 2008 die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe eingeführt.

Diese Umweltabgaben sind keine Zölle, sondern haben lenkungspolitischen Charakter. Dennoch sind sich die beiden Nachbarstaaten darüber einig, dass deren Übernahme durch Liechtenstein aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung erforderlich ist, und zwar insbesondere zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Der Einfachheit halber wurde deren Anwendung in Liechtenstein bisher ­ wie zuvor diejenige von Automobilsteuer und Mineralölsteuer ­ im Rahmen des Zollvertrags geregelt. Mit dem neuen Vertrag soll nun dieser hoheitliche Bereich aus dem Zollvertrag herausgelöst und auf eine eigene staatsvertragliche Grundlage gestellt werden. Gegenstand ist die parallele Erhebung der gleichen Umweltabgaben in beiden Staaten, und zwar einerseits durch die Anwendung schweizerischer Bestimmungen in Liechtenstein und andererseits durch eine eigene diesbezügliche Gesetzgebung des Fürstentums. Die Einzelheiten werden in einer Vereinbarung zum Vertrag zwischen den beiden Regierungen geregelt.

Der Vertrag wird ab dem 1. Februar 2010 vorläufig angewendet. Er bedarf der parlamentarischen Genehmigung und untersteht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum. Die Vereinbarung zum Vertrag bedarf dagegen nicht der parlamentarischen Genehmigung.

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Botschaft 1

Grundzüge des Vertrags

1.1

Ausgangslage

Seit den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts sind die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein über ein vielfältiges Vertragsnetz eng miteinander verbunden. Insbesondere der Zollvertrag von 19231 und die Einführung des Schweizerfrankens als gesetzliche Währung in Liechtenstein im Jahr 1924 bilden die Grundlage für den seither bestehenden gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum. Aufgrund des Zollvertrags kommt nicht nur die schweizerische Zollgesetzgebung, sondern auch die übrige Bundesgesetzgebung, soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt, in Liechtenstein zur Anwendung (Art. 4 Zollvertrag).

Nun wurden im Laufe der Jahre die Zölle, welche für den Staat eine wichtige Einnahmequelle bildeten, durch internationale Vereinbarungen mehr und mehr abgebaut. Andererseits wurden, insbesondere mit der Weiterentwicklung der Umweltgesetzgebung in den letzten Jahren, neue Abgaben eingeführt, die rechtlich keine Zölle sind, deren Erhebung aber trotzdem an die Einfuhr ins Zollgebiet anknüpft und auch durch die Zollorgane erfolgt. Die schweizerischen und liechtensteinischen Behörden sind sich darüber einig, dass solche Abgaben, obwohl es sich nicht um Zölle handelt, trotzdem in einem erweiterten Sinne zollrelevant gemäss Artikel 4 Zollvertrag und deshalb im gemeinsamen Zollgebiet Schweiz-Fürstentum Liechtenstein auch in Liechtenstein zu erheben sind. Demzufolge übernahm Liechtenstein z.B. die Automobilsteuer2 und die Mineralölsteuer3. Rechtstechnisch war dies auf einfache Weise möglich, nämlich durch Aufnahme der diesbezüglichen schweizerischen Erlasse in die Anlage I zum Zollvertrag, also die Liste des qua Zollvertrag in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechts (Verweispublikation).

Bei den von der Schweiz später eingeführten Umweltabgaben im Sinne von Lenkungsabgaben (zuletzt insbesondere bei der CO2-Abgabe) erweist es sich nun aber als notwendig, die staatsvertragliche Übernahme ins liechtensteinische Recht aus dem Zollvertrag herauszulösen und in einem separaten Vertrag zu regeln. Dabei spielen für Liechtenstein nicht nur rechtliche, sondern auch innenpolitische Gründe eine Rolle. Diese Umweltabgaben haben nach dem Verständnis beider Seiten lenkungspolitischen Charakter. Es handelt sich somit nicht um Zollrecht, weshalb Liechtenstein zur Übernahme dieser Abgaben in sein Recht eine eigene Gesetzgebung schaffen will. Eine analoge Lösung hat sich im Bereich der Mehrwertsteuer4

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Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (Zollvertrag), SR 0.631.112.514 Automobilsteuergesetz vom 21. Juni 1996 (AStG), SR 641.51 Mineralölsteuergesetz vom 21. Juni 1996 (MinöStG), SR 641.61 Vertrag und Vereinbarung vom 28. Oktober und 28. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Mehrwertsteuer im Fürstentum Liechtenstein (Mehrwertsteuer-Vertrag und -Vereinbarung), SR 0.641.295.142 und SR 0.641.295.142.1

1791

­ a priori keine Zollmaterie ­ sowie der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA)5 bestens bewährt.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Die zwischen den beiderseitigen Fachbehörden (von Seiten der Schweiz Eidgenössische Zollverwaltung, Bundesamt für Umwelt, koordiniert durch die Direktion für Völkerrecht; von Seiten Liechtensteins Amt für Umweltschutz, Amt für Auswärtige Angelegenheiten) seit 2002 ausgehandelte Lösung mit Vertrag und Vereinbarung betreffend die Umweltabgaben im Fürstentum Liechtenstein richtet sich formell nach dem Muster von Mehrwertsteuer-Vertrag und -Vereinbarung bzw. LSVAVertrag und -Vereinbarung. Nachdem sich in der Schweiz die Einführung der CO2-Abgabe abzeichnete, wurden die Verhandlungen sistiert, bis die diesbezügliche Gesetzgebung vorlag, um sie ebenfalls ins Vertragspaket «Umweltabgaben» einbeziehen zu können. Das Aushandeln der Lösung im Bereich CO2-Abgabe erwies sich technisch als nicht ganz einfach. Dies nicht nur wegen der Komplexität der Materie, sondern auch, weil Liechtenstein aufgrund seiner EWR-Mitgliedschaft gleichzeitig die EU-Emissionshandelsrichtlinie umsetzen musste. Dabei geht es darum, Doppelbelastungen von liechtensteinischen Unternehmen zu vermeiden, die von beiden Mechanismen betroffen sind. Das diesbezügliche Übergangsrecht wird in einem separaten Notenaustausch geregelt. Die Verhandlungen konnten im Jahr 2009 abgeschlossen werden.

Bis zur vorläufigen Anwendung ab dem 1. Februar 2010 bzw. zum Inkrafttreten des neuen Vertrags mit Vereinbarung erfolgte bzw. erfolgt indessen ­ analog zur Automobilsteuer und zur Mineralölsteuer ­ die Anwendung des diesbezüglichen schweizerischen Rechts durch die Aufnahme in die Anlage I zum Zollvertrag; diese Liste des in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechts wird halbjährlich per 30. Juni und 31. Dezember bereinigt bzw. aktualisiert. So wird z.B. die CO2-Abgabe seit dem 1. Januar 2008, dem schweizerischen Einführungstermin, auch in Liechtenstein erhoben. Mit der vorläufigen Anwendung bzw. dem Inkrafttreten des Vertrags mit Vereinbarung über die Umweltabgaben werden diese schweizerischen Erlasse im Rahmen der folgenden Bereinigung in der Anlage I zum Zollvertrag zu streichen sein, da sie neu in den Anlagen I und II zur neuen Vereinbarung figurieren bzw.

durch eine analoge liechtensteinische Gesetzgebung abgelöst werden. Im Rahmen der Verhandlungen unterstützten die schweizerischen Fachämter (Eidgenössische Zollverwaltung, Bundesamt für Umwelt) die liechtensteinischen Behörden bei der Redaktion der neuen liechtensteinischen Gesetze und Verordnungen.

5

Vertrag und Vereinbarung vom 11. April 2000 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Fürstentum Liechtenstein (LSVA-Vertrag und -Vereinbarung), SR 0.641.851.41

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1.3

Würdigung

Das Resultat der Verhandlungen trägt den Interessen beider Seiten Rechnung und ist Ausdruck der altbewährten freundnachbarlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarstaaten. Das neue Vertragswerk ermöglicht dem Fürstentum die Übernahme der schweizerischen Regelungen auf dem Gebiet der Lenkungsabgaben mittels eigener Gesetzgebung, womit Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden; es wahrt damit die Kohärenz der Rechtsordnungen im gemeinsamen Wirtschaftsund Währungsraum Schweiz-Liechtenstein. Das Vertragswerk reiht sich ins bilaterale Zollvertragswerk im weitesten Sinn ein und ist vergleichbar mit dem Mehrwertsteuer-Vertrag6, dem LSVA-Vertrag7 oder auch den Regelungen in den Bereichen Heilmittelgesetzgebung8 und Landwirtschaft9, bei denen die Übernahme schweizerischer Gesetzgebung und die Behördenzusammenarbeit sowohl materiell wie technisch in analoger Weise geregelt wurden.

Rechtstechnisch handelt es sich, analog zum Mehrwertsteuer- und zum LSVAVertrag mit dazugehörenden Vereinbarungen, um ein kurzes Grundabkommen mit einer konkretisierenden Regierungsvereinbarung mit Anhängen (anwendbares schweizerisches Recht, Berechnungsformel betreffend die CO2-Abgabe) sowie einem Notenaustausch betreffend übergangsrechtliche Fragen im Bereich CO2 Abgabe. Im Gegensatz zum Vertrag bedürfen Vereinbarung und Notenaustausch nicht der parlamentarischen Genehmigung (s. Ziff. 7.1). Die in der Vereinbarung enthaltenen administrativ-technischen Regeln der Erhebung der Umweltabgaben in Liechtenstein werden in der Botschaft ebenfalls kommentiert (s. Ziff. 3).

Die politische Akzeptanz ist durch die enge bilaterale Zusammenarbeit auf Regierungs- wie auf Behördenebene ­ von Seiten der Schweiz nicht nur auf Stufe Bund, sondern insbesondere von Seiten der Nachbarkantone St. Gallen und Graubünden, aber auch durch die Teilnahme der Regierung Liechtensteins in den Regierungskonferenzen der Kantone ­ gegeben und unbestritten. Der vorliegende Vertrag hat aber auch keine Auswirkungen auf das schweizerische Landesrecht, da die Schweiz die Regelungen des Vertrags bereits im Landesrecht verankert hat. Er regelt die Anwendung bestehenden und künftigen schweizerischen Rechts in Liechtenstein.

Der Bestand und die Weiterentwicklung desselben werden durch den Vertrag nicht berührt. Auf eine Vernehmlassung konnte somit aufgrund von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes10 verzichtet werden.

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Vertrag und Vereinbarung vom 28. Oktober und 28. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Mehrwertsteuer im Fürstentum Liechtenstein (Mehrwertsteuer-Vertrag und -Vereinbarung), SR 0.641.295.142 und SR 0.641.295.142.1 Vertrag und Vereinbarung vom 11. April 2000 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Fürstentum Liechtenstein (LSVA-Vertrag und -Vereinbarung), SR 0.641.851.41 Notenaustausch vom 11. Dezember 2001 zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Geltung der schweizerischen Heilmittelgesetzgebung in Liechtenstein, SR 0.812.101.951.4 Vereinbarung in Form eines Notenaustauschs vom 31. Januar 2003 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zur Regelung der Beteiligung Liechtensteins an Markt- und Preisstützungsmassnahmen der schweizerischen Landwirtschaftspolitik, SR 0.916.051.41 Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG), SR 172.061

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2

Inhalt des Vertrags

Titel und Präambel Der kurz gefasste Vertrag verweist in der Präambel auf den gemeinsamen Wirtschaftsraum Schweiz-Liechtenstein mit offenen Grenzen und bringt den gemeinsamen Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, in Bezug auf die Umweltabgaben eine einheitliche Regelung, Auslegung und Durchsetzung zu gewährleisten. Dabei wird berücksichtigt, dass Liechtenstein seit dem 1. Mai 1995 Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist, dementsprechend im Bereich der Umweltabgaben das EU-Recht umsetzen muss, und dass dieses Recht und die schweizerische Bundesgesetzgebung gleichwertig sind. Beide Rechtsordnungen verfolgen in Umsetzung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen das Ziel, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren.

Art. 1 Gemäss Artikel 1 regeln die beiden Regierungen die Einzelheiten zur Erhebung der Umweltabgaben in Liechtenstein parallel zur Erhebung in der Schweiz, die Übernahme der schweizerischen Bundesgesetzgebung über diese Abgaben in das liechtensteinische Recht sowie deren Vollzug in einer separaten Vereinbarung (Abs. 1), und zwar in Beachtung der Fiskalautonomie der beiden Vertragsstaaten. Der Inhalt der Vereinbarung wird in Ziff. 3 der Botschaft separat erläutert.

Gemäss Absatz 2 ist die Verwendung der Abgabenerträge nicht Gegenstand der Vereinbarung, mit Ausnahme der Rückverteilung der CO2-Abgabe an die Wirtschaft. Zur Sicherstellung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Wirtschaftsraum sieht Liechtenstein Bestimmungen zur Rückverteilung der CO2-Abgabe an Unternehmen in Liechtenstein vor, die jenen in der Schweiz entsprechen.

Absätze 3 und 4 regeln das Verfahren bei Änderungen des schweizerischen bzw.

liechtensteinischen Rechts und bei neuen Rechtsetzungen (Evolutivklauseln): Die Vertragsstaaten verpflichten sich zu rechtzeitiger gegenseitiger Information und bemühen sich, bei möglichen Interessenkollisionen gemeinsame Lösungen zu finden.

Art. 2­5 Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung und der Anwendung des Vertrags werden auf diplomatischem Weg gelöst, nötigenfalls durch ein Schiedsgerichtsverfahren. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann jederzeit innert zwölf Monaten auf Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Er wird ab dem 1. Februar 2010 vorläufig angewendet (s. Ziff. 7.3) und tritt in Kraft, sobald sich die Vertragsstaaten den Abschluss der hierfür erforderlichen innerstaatlichen Verfahren mitgeteilt haben.

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3

Konkretisierung des Vertrags durch eine Regierungsvereinbarung

Die Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen zur Durchführung des Vertrages gemäss Artikel 1 Absatz 1 des Vertrages gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel I Allgemeine Bestimmungen statuiert in Artikel 1 den Grundsatz der Übernahme des schweizerischen Rechts über Umweltabgaben in das liechtensteinische Landesrecht.

Die relevante Bundesgesetzgebung ist in der Anlage I zur Vereinbarung aufgeführt (Abs. 2). Es handelt sich um Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes11, des CO2-Gesetzes12, der Verordnung über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten13, der Verordnung über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen14, der Verordnung über die Lenkungsabgabe auf «Heizöl Extraleicht» mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 Prozent15, der Verordnung über die Lenkungsabgaben auf Benzin und Dieselöl mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,001 Prozent16, der CO2-Verordnung17 und der CO2-Anrechungsverordnung18. Die Übernahme erfolgt in Form eigener liechtensteinischer Erlasse.

Weiter zählt die Anlage II zur Vereinbarung diejenigen Bundeserlasse auf, welche im Zusammenhang mit den Umweltabgaben in Liechtenstein direkt anwendbar sind (Abs. 2). Es handelt sich um das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren19, das Bundesgerichtsgesetz20, das Verwaltungsgerichtsgesetz21, das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht22, die Luftreinhalte-Verordnung23, die Verordnung des UVEK über das nationale Emissionshandelsregister24 und die Gebührenverordnung BAFU25.

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG), SR 814.01 Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz), SR 641.71 Verordnung vom 26. September 2008 über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten (VASA), SR 814.681 Verordnung vom 12. November 1997 über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOCV), SR 814.018 Verordnung vom 12. November 1997 über die Lenkungsabgabe auf «Heizöl Extraleicht» mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 Prozent (HELV), SR 814.019 Verordnung vom 15. Oktober 2003 über die Lenkungsabgaben auf Benzin und Dieselöl mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,001 Prozent (BDSV), SR 814.020 Verordnung vom 8. Juni 2007 über die CO2-Abgabe (CO2-Verordnung), SR 641.712 Verordnung vom 22. Juni 2005 über die Anrechnung der im Ausland erzielten Emissionsverminderungen (CO2-Anrechnungsverordnung), SR 641.711.1 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG), SR 172.021 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG), SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG), SR 173.32 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR), SR 313.0 Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV), SR 814.318.142.1 Verordnung des UVEK vom 27. September 2007 über das nationale Emissionshandelsregister, SR 641.712.2 Verordnung vom 3. Juni 2005 über die Gebühren des Bundesamtes für Umwelt (Gebührenverordnung BAFU), SR 814.014

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Die schweizerischen Behörden informieren die liechtensteinischen Behörden über Änderungen dieser Bundesgesetzgebung sowie über die Einführung neuer Umweltabgaben und der entsprechenden Bundesgesetzgebung zwecks allfälliger Anpassung bzw. Aufnahme in die Anlagen I und II (Abs. 2 und 3). Dies gilt auch umgekehrt, insbesondere falls sich neue Umweltabgaben in Liechtenstein aufgrund der EWRMitgliedschaft des Fürstentums ergeben. Absatz 5 legt zudem ausdrücklich fest, dass Liechtenstein zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der Gesetzgebung über die Umweltabgaben für strafbare Handlungen zumindest ein dem schweizerischen Recht vergleichbares Strafmass vorsieht.

Der Vollzug der relevanten Gesetzgebung erfolgt gemäss Artikel 2 im Namen und Auftrag Liechtensteins auch in Liechtenstein durch die zuständigen schweizerischen Behörden. Dabei wenden sie die materielle liechtensteinische Gesetzgebung an, jedoch das schweizerische Verfahrensrecht. Auch die Rechtsmittel richten sich nach schweizerischem Recht. Die zuständigen liechtensteinischen Behörden vollziehen die Gesetzgebung analog zu den Zuständigkeiten der entsprechenden Behörden der Schweizer Kantone. Sie vollziehen im Bereich der CO2-Abgabe ferner die Bestimmungen über die Verteilung und Verwendung des Abgabeertrags. Widerhandlungen werden in Liechtenstein gemäss liechtensteinischem Recht von den schweizerischen Bundesbehörden und von den liechtensteinischen Behörden verfolgt und beurteilt.

Sie wenden dabei das jeweilige eigene Verfahrensrecht an, wonach sich auch die Rechtsmittel richten (Abs. 3).

Kapitel II Umweltabgaben ohne CO2-Abgabe legt in Artikel 3 fest, dass die liechtensteinischen Behörden für den Aufwand beim Vollzug wie die Schweizer Kantone entschädigt werden.

Artikel 4 regelt die Verteilung der Erträge aus den Umweltfinanzierungsabgaben (Abgabe zur Sanierung von Altlasten). Die in den Hoheitsgebieten beider Vertragsstaaten und an der Zollgrenze eingenommenen Erträge werden einem vom Eidgenössischen Finanzdepartement zu errichtenden Pool zugeführt (Abs. 1). Für die Abgabe zur Sanierung von Altlasten besteht ein solcher Pool bereits heute. Diese Lösung entspricht derjenigen des Mehrwertsteuervertrags. Jeder Vertragsstaat erhält aus dem Pool Abgeltungen für Leistungen, die gemäss der Gesetzgebung des jeweiligen Vertragsstaats
abgeltungsberechtigt sind (Abs. 2). Die massgebliche Gesetzgebung des Fürstentums Liechtenstein sieht derzeit keine durch die Abgabe zur Sanierung von Altlasten finanzierten Abgeltungen vor.

Artikel 5 andererseits regelt die Verteilung der Erträge aus den Umweltlenkungsabgaben (Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen, Lenkungsabgabe auf «Heizöl Extraleicht» mit Schwefelgehalt von mehr als 0,1 Prozent, Lenkungsabgabe auf Benzin und Dieselöl mit Schwefelgehalt von mehr als 0,001 Prozent).

Auch diese werden einem vom Eidgenössischen Finanzdepartement zu errichtenden Pool zugeführt (Abs. 1). Der Verteilschlüssel wurde wie folgt festgelegt: Jeder Vertragsstaat erhält aus dem Pool jährlich den Anteil am Nettoertrag, der dem Verhältnis der Einwohnerzahl des jeweiligen Staates zur Gesamtzahl der Einwohner beider Staaten nach der jeweils letzten Volkszählung entspricht (Abs. 2). Als Nettoertrag gilt der Ertrag nach Abzug der Rückerstattungen und der Vollzugskosten der Eidgenössischen Zollverwaltung und der anderen Vollzugsbehörden (Abs. 3).

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Kapitel III Besondere Bestimmungen zur CO2-Abgabe regelt die Verteilung der Erträge daraus (Art. 6) sowie die Zuteilung von Emissionsrechten (Art. 7) und enthält eine Bestimmung über die Betreiber von Anlagen nach dem Emissionshandelsgesetz (Art. 8). Da die CO2-Abgabe im Hinblick auf den Abschluss von Vertrag und Vereinbarung betreffend die Umweltabgaben analog zur Schweiz in Liechtenstein bereits ab dem 1. Januar 2008 erhoben wird, erweist sich eine übergangsrechtliche Regelung für die Verteilung der Erträge aus der CO2-Abgabe und für liechtensteinische Unternehmen, die dem liechtensteinischen Emissionshandelsgesetz unterstehen, als notwendig. Diese erfolgt in Form eines separaten Notenaustauschs.

Was die Verteilung der Erträge aus der CO2-Abgabe betrifft, wurde in Artikel 6 ebenfalls die Pool-Lösung gewählt (Abs. 1). Liechtenstein erhält aus diesem gemeinsamen Pool jährlich den Anteil, welcher sich aus einer besonderen Berechnungsformel gemäss Anlage III zur Vereinbarung ergibt (Abs. 2). Dieser Anteil orientiert sich an den liechtensteinischen Emissionen aus fossilen Brennstoffen sowie dem angewendeten Abgabesatz, abzüglich des liechtensteinischen Anteils an den Vollzugskosten der schweizerischen Behörden sowie der Rückerstattungen an die liechtensteinischen Unternehmen. Die konkreten Werte zur Berechnung nach der Formel gemäss Anlage III geben sich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das liechtensteinische Amt für Umwelt (AFU) gegenseitig für jedes Jahr bis zum 15. April des Folgejahres bekannt. Die Rückverteilung der CO2-Abgabe an Unternehmen in Liechtenstein richtet sich nach den Grundsätzen, die in der Schweiz angewendet werden (Abs. 3).

Was die Zuteilung von Emissionsrechten betrifft, erhalten gemäss Artikel 7 liechtensteinische Unternehmen, die von der CO2-Abgabe befreit sind, schweizerische Emissionsrechte von den schweizerischen Bundesbehörden zugeteilt. Die Bedingungen und Gebühren richten sich nach der Verordnung des UVEK über das nationale Emissionshandelsregister26 (Abs. 1). Sämtliche Vorgänge über diese Zuteilungen von Emissionsrechten und deren Rückgabe an die Bundesbehörden werden von Seiten der Schweiz protokolliert. Bei einem allfälligen Unterschied zwischen den gesamten Emissionen der befreiten liechtensteinischen Unternehmen und den durch die Schweiz gesamthaft an diese
Unternehmen zugeteilten Emissionsrechten nach Ablauf der Periode 2008­2012 soll zwischen den Behörden beider Vertragsstaaten eine entsprechende Ausgleichsübertragung staatlicher Emissionsrechte (Assigned Amount Units, AAU) erfolgen (Abs. 2).

Gemäss Artikel 8 können liechtensteinische Unternehmen, deren Tätigkeiten in den Anwendungsbereich des Anhangs zum liechtensteinischen Emissionshandelsgesetz vom 23. November 2007 fallen, sich gegenüber den zuständigen Bundesbehörden nicht zur Begrenzung der CO2-Emissionen verpflichten; diese Unternehmen erhalten keine Emissionsrechte zugeteilt und sind von der Rückverteilung der CO2-Abgabe ausgeschlossen. Sie erhalten gegen Nachweis und mit einer Bestätigung der liechtensteinischen Behörde über die Genehmigungspflicht der Tätigkeiten nach dem Emissionshandelsgesetz die bereits entrichteten Abgaben von der Eidgenössischen Zollverwaltung zurückerstattet. Damit wird eine Doppelbesteuerung vermieden. Die übergangsrechtlichen Aspekte werden in einem separaten Notenaustausch geregelt.

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Verordnung des UVEK vom 27. September 2007 über das nationale Emissionshandelsregister, SR 641.712.2

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Kapitel IV umfasst die Schlussbestimmungen: Artikel 9 regelt die Zusammenarbeit der Behörden (gegenseitige Unterstützungsund Informationspflicht, Abs. 1 und 2). So bedürfen Kontrollen von schweizerischen Behörden auf liechtensteinischem Territorium der Vorinformation der liechtensteinischen Behörden, die bei der Durchführung mit anwesend sind (Abs. 2). Dies entspricht der Praxis bei Zusammenarbeitsabkommen mit Liechtenstein. Rechtskräftige Verfügungen eines Vertragsstaates sind auch im anderen Vertragsstaat vollstreckbar (Abs. 3).

Dazu kommen die Datenschutzbestimmung (Art. 10) und die Schiedsgerichtsklausel (Art. 11). Artikel 12 über die vorläufige Anwendung, das Inkrafttreten und die Geltungsdauer entspricht den Artikeln 4 und 5 des Vertrags, von dem die Vereinbarung abhängt.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Der Vertrag hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bund.

Der Verwaltungsaufwand wird mit den Erträgen der verschiedenen Abgaben verrechnet (Art. 5 Abs. 3 der Vereinbarung). Im Übrigen wird auf die Vereinbarung und die Erläuterungen dazu verwiesen (Kap. II und III, Verteilschlüssel und PoolLösungen, s. Ziff. 3).

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200827 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200828 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Sie entspricht dem Ziel, die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten zu festigen, indem sie das bilaterale Zollvertragswerk Schweiz-Liechtenstein im weitesten Sinn ausbaut, wie auch dem Ziel, den Wirtschaftsstandort Schweiz zu stärken, indem sie Wettbewerbsverzerrungen im gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum Schweiz-Liechtenstein verhindert (s. Ziff. 1.3). Die Dringlichkeit der Vorlage wird in Ziffer 7.3 erläutert.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Der vorliegende Vertrag ermöglicht es dem Fürstentum Liechtenstein, das schweizerische Recht in diesem Bereich in sein Recht zu übernehmen und überdies seinen Verpflichtungen als EWR-Mitgliedstaat zur Umsetzung der EU-Richtlinien zum Klimaschutz nachzukommen.

27 28

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

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Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Zuständigkeit des Bundes für den Abschluss des vorliegenden Vertrags ergibt sich aus Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)29, wonach die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, Verträge zu unterzeichnen. Der Bundesversammlung obliegt es gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV, den Vertrag zu genehmigen; eine gesetzliche oder staatsvertragliche Bestimmung, die den Bundesrat zum selbständigen Abschluss ermächtigen würde, liegt nicht vor.

Die Vereinbarung zum Vertrag, die die Einzelheiten zur Erhebung der Umweltabgaben in Liechtenstein parallel zur Erhebung in der Schweiz, die Übernahme der schweizerischen Bundesgesetzgebung über diese Abgaben in das liechtensteinische Recht sowie deren Vollzug regelt, bedarf nicht der Genehmigung durch die Bundesversammlung. Der Vertrag sieht ausdrücklich vor, dass die beiden Regierungen die konkretisierende Vereinbarung abschliessen (Art. 1 Abs. 1 des Vertrags). Damit liegt ein Fall im Sinne von Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes30 vor, wonach der Bundesrat selbständig Staatsverträge abschliessen darf, die dem Vollzug von Staatsverträgen dienen, welche die Bundesversammlung genehmigt hat. Vertrag und Vereinbarung hängen inhaltlich eng zusammen. Die Vereinbarung hat nur insofern eine eigenständige Stellung, als sie die administrativ-technischen Aspekte regelt und im Rahmen des Vertrags den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend von den beiden Regierungen ausgestaltet werden kann. Sie ist als rechtsetzender völkerrechtlicher Vertrag gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b des Publikationsgesetzes31 in der Amtlichen Sammlung zu publizieren. Dasselbe gilt für den Notenaustausch, der die übergangsrechtlichen Aspekte im Bereich CO2-Abgabe regelt.

7.2

Fakultatives Staatsvertragsreferendum

Der Vertrag unterliegt nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge im Sinne der Ziffern 1 und 2 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV.

Der Vertrag ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Er sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 zusätzlich die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes32 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, 29 30 31 32

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV), SR 101 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG), SR 172.010 Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsgesetz, PublG), SR 170.512 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG), SR 171.10

1799

wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Die Umsetzung des vorliegenden Vertrags erfordert zwar nicht den Erlass von Bundesgesetzen. Der Vertrag regelt vielmehr die Anwendung bestehenden und künftigen schweizerischen Rechts im Fürstentum Liechtenstein. Er enthält also in erster Linie für Liechtenstein wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Der Vertrag regelt aber ebenfalls die administrativtechnischen Modalitäten der Übernahme des schweizerischen Rechts durch Liechtenstein. Dabei werden den zuständigen schweizerischen Behörden neue Aufgaben verbindlich zur Erledigung zugewiesen, und wird ihnen die Befugnis erteilt, auf ausländischem Territorium Amtshandlungen vorzunehmen. Der Vertrag enthält damit auch für die Schweiz wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Er untersteht deshalb gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

7.3

Vorläufige Anwendung

Da der Vertrag in beiden Vertragsstaaten im ordentlichen parlamentarischen Verfahren genehmigt werden muss, war eine rasche Ratifikation und Inkraftsetzung nicht möglich. Nach Artikel 7b Absatz 1 RVOG kann der Bundesrat bei völkerrechtlichen Verträgen, für deren Genehmigung die Bundesversammlung zuständig ist, die vorläufige Anwendung beschliessen oder vereinbaren, wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten.

Die wichtigen Interessen der Schweiz sind politischer Natur und ergeben sich aus der Zielsetzung des Vertrags, wie sie in dessen Präambel aufgezählt sind: Wahrung und Festigung des gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraums SchweizLiechtenstein mit offenen Grenzen; gemeinsamer Wille, in Bezug auf die Umweltabgaben eine einheitliche Regelung, Auslegung und Durchsetzung zu gewährleisten, die Berücksichtigung der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins sowie der Tatsache, dass das diesbezügliche EU-Recht und die schweizerische Gesetzgebung in diesem Bereich gleichwertig sind.

Die zeitliche Dringlichkeit ergab sich insbesondere daraus, dass die CO2-Abgabe, die ein wesentliches Element des neuen Vertrags darstellt, bereits ab dem 1. Januar 2008 in beiden Vertragsstaaten erhoben wird und die aktuelle Rechtsgrundlage (Anwendbarkeit der CO2-Gesetzgebung im Rahmen des Zollvertrages) aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst rasch abgelöst, d.h. die Übernahme der Umweltbzw. Lenkungsabgaben insgesamt aus dem Zollvertrag herausgelöst und durch einen neuen Vertrag ersetzt werden muss. Wie in Ziffer 1 oben ausgeführt, ist die zurzeit noch geltende Übergangsregelung für die Umweltabgaben im Rahmen des Zollvertrags rechtlich unbefriedigend, weshalb die liechtensteinische Seite aus innenpolitischen Gründen auf eine rasche Änderung drängte. Ein weiterer Grund für die Dringlichkeit der Vorlage war die oben dargestellte Situation, dass die CO2-Abgabe für liechtensteinische Unternehmen, die dem Emissionshandelsgesetz unterstehen ­ welches Liechtenstein als EWR-Mitgliedstaat aufgrund der EU-Emissionshandelsrichtlinie erlassen musste ­, de facto doppelt erhoben wird. Bevor das neue Vertragswerk angewendet wird, kann die Eidgenössische Zollverwaltung den betroffenen Unternehmen die seit dem 1. Januar 2008 zu viel gezahlten CO2-Abgaben nicht zurückvergüten. Im Rahmen der engen nachbarlichen Zusammenarbeit lag eine rasche Umsetzung der Vorlage auch im Interesse der Schweiz.

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Der Bundesrat beschloss deshalb, nach Konsultation der zuständigen Kommissionen der eidgenössischen Räte (UREK-N und UREK-S) im Januar 2010, den Vertrag gemäss Artikel 152 Absatz 3bis ParlG33 ab dem 1. Februar 2010 vorläufig anzuwenden. Dieser wurde am 29. Januar 2010 unterzeichnet.

Gemäss Artikel 7b Absatz 2 RVOG endet die vorläufige Anwendung, wenn der Bundesrat nicht binnen sechs Monaten ab Beginn der vorläufigen Anwendung der Bundesversammlung den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des betreffenden Vertrags unterbreitet. Die vorliegende Botschaft wurde rechtzeitig vorgelegt.

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Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG), SR 171.10

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