zu 07.057 Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit («BWIS II reduziert») vom 27. Oktober 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen in Ergänzung der Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Besondere Mittel der Informationsbeschaffung) eine Zusatzbotschaft und einen Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit («BWIS II reduziert») mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Oktober 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-0433

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Übersicht Das Parlament wies im Frühjahr 2009 die Botschaft vom 15. Juni 20071 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit («BWIS II») an den Bundesrat zurück. Die vorliegende Zusatzbotschaft äussert sich zum Rückweisungsauftrag und hält an denjenigen Massnahmen fest, die über eine hohe politische Akzeptanz verfügen oder bei denen es um Anpassungen an die veränderte Organisations- oder Rechtslage oder um Empfehlungen von Aufsichtsbehörden geht.

Das vom Bundesrat zur Frage der Verfassungsmässigkeit in Auftrag gegebene verwaltungsexterne Gutachten gelangte im Juni 2009 im Wesentlichen zum Schluss, dass übergeordnetes Recht (Bundesverfassung [BV; SR 101], Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101]) dem Revisionsanliegen nicht prinzipiell entgegensteht, es in einigen Punkten jedoch der Nachbesserung bedarf.

Seit der Verabschiedung der Botschaft im Jahre 2007 ergaben sich Änderungen mit direkten und indirekten Auswirkungen auf die Gesetzesvorlage. So wurden die nachrichtendienstlichen Teile des Bundesamts für Polizei (fedpol) am 1. Januar 2009 ins Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) transferiert und dort am 1. Januar 2010 mit dem Strategischen Nachrichtendienst in einem neuen Bundesamt (Nachrichtendienst des Bundes) zusammengefasst. Am 1. Januar 2010 wurde auch das Bundesgesetz vom 3. Oktober 20082 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes in Kraft gesetzt.

Bei dessen Umsetzung galt es in Bezug auf die Datenbearbeitung insbesondere, die restriktiveren Auflagen des Bundesgesetzes vom 21. März 19973 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) konsequent einzuhalten, ohne die nachrichtendienstliche Auslandaufklärung unnötig einzuschränken, beziehungsweise die Informationssysteme Äussere Sicherheit und Innere Sicherheit zu integrieren. Im Bericht vom 28. November 20084 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee verlangt die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats die Aufnahme von zwei Änderungen aus dem Bereich der Personensicherheitsprüfungen in die laufende BWIS-Revision. Auch der Bericht vom 21. Juni 20105 der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte über die
Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS nimmt bei den Empfehlungen 7 und 11 direkten Bezug auf die vorliegende Revision.

Im November 2009 beauftragte der Bundesrat das VBS mit der Ausarbeitung einer auf die un- oder weniger bestrittenen Teile der ursprünglichen Gesetzesrevision beschränkten Zusatzbotschaft («BWIS II reduziert»). Alle übrigen Bestimmungen 1 2 3 4 5

BBl 2007 5037 SR 121 SR 120 BBl 2009 3481 BBl 2010 7665

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sollen in eine bis spätestens Ende 2013 auszuarbeitende Gesamtkodifikation für die zivilen Nachrichtendienste («Nachrichtendienstgesetz») aufgenommen werden.

Somit beschränkt sich die Zusatzbotschaft auf die Schliessung der bis zum Vorliegen der Gesamtkodifikation bedeutendsten Lücken, soweit die jeweiligen Massnahmen über eine hohe politische Akzeptanz verfügen und bereits im ursprünglichen Gesetzgebungspaket enthalten waren oder es sich dabei um notwendige Anpassungen an die zwischenzeitlich veränderte Organisations- oder Rechtslage oder um Empfehlungen von Aufsichtsbehörden handelt.

Da mit diesem Vorgehen der Gegenstand der ursprünglichen Vorlage keine Änderung erfährt, die ein grundsätzlich anderes Vernehmlassungsergebnis erwarten liesse, konnte für die Zusatzbotschaft auf ein nochmaliges Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Ausgangslage 1.1 Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit 1.2 Auftrag von National- und Ständerat 1.3 Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes 1.4 Bericht vom 28. November 2008 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee 1.5 Bericht vom 21. Juni 2010 über die Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystems ISIS 1.6 BWIS II reduziert

7846

2 Umsetzung 2.1 Auftrag von National- und Ständerat 2.1.1 Gutachten Biaggini 2.1.1.1 Gutachtensauftrag 2.1.1.2 Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Abklärungen 2.1.2 Rückweisungsauftrag Punkt 1: Die Begriffe «innere und äussere Sicherheit», «geschützte Rechtsgüter» und die abstrakt gehaltenen Verdachtsmerkmale der Artikel 13a und 18a E-BWIS seien zu konkretisieren und eng zu umschreiben 2.1.3 Rückweisungsauftrag Punkt 2: Die Zusammenarbeit der Polizeiorgane des Bundes mit den kantonalen Behörden und deren Auskunftspflichten sowie insbesondere die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen seien zu präzisieren 2.1.4 Rückweisungsauftrag Punkt 3: Die Schnittstellen zwischen der Verwaltung (Polizeiorgane des Bundes) und den Gerichten seien klar zu regeln 2.1.5 Rückweisungsauftrag Punkt 4: Die parlamentarische Aufsicht im Bund sei wirksamer auszugestalten 2.1.6 Rückweisungsauftrag Punkt 5: Die finanziellen Konsequenzen der Vorlage für Bund und Kantone seien aufzuzeigen 2.1.7 Rückweisungsauftrag Punkt 6: Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage sei detailliert zu überprüfen, dies insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV), der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), der Medienfreiheit (Art. 17 BV), der Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV) 2.2 Bericht der GPK-N vom 28. November 2008 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee 2.3 Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 über die Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS 2.4 Zusatzbotschaft «BWIS II reduziert» 2.4.1 Bisheriger Gesetzesentwurf

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2.4.2 Ergänzungen 2.4.2.1 Zuständige Behörden 2.4.2.2 Bewaffnung Nachrichtendienst des Bundes 2.4.2.3 Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse 2.4.2.4 Beobachtungsliste (Listing/Delisting) 2.4.2.5 Personenbezogene Erschliessung nach Art. 3 Abs. 2 BWIS

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3 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 3.1 Vorbemerkung 3.2 Die Artikel im Einzelnen

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Anhang: Änderung bisherigen Rechts

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Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) (Entwurf)

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Zusatzbotschaft 1

Ausgangslage

1.1

Botschaft vom 15. Juni 20076 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit

Nach langjährigen Vorarbeiten verabschiedete der Bundesrat am 15. Juni 2007 die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) (Besondere Mittel der Informationsbeschaffung), das sogenannte BWIS II. In der Folge trat der Nationalrat als Erstrat am 17. Dezember 2008 auf die Vorlage nicht ein.7 Der Ständerat als Zweitrat beschloss am 3. März 2009 Eintreten unter gleichzeitiger Rückweisung an den Bundesrat.8 Diesem Rückweisungsbeschluss stimmte der Nationalrat am 28. April 2009 zu.9

1.2

Auftrag von National- und Ständerat

Der parlamentarische Rückweisungsbeschluss10 verlangt vom Bundesrat Folgendes:

6 7 8 9 10 11

1.

Die Begriffe «innere und äussere Sicherheit», «geschützte Rechtsgüter» und die abstrakt gehaltenen Verdachtsmerkmale der Artikel 13a und 18a E-BWIS sind zu konkretisieren und eng zu umschreiben.

2.

Die Zusammenarbeit der Polizeiorgane des Bundes mit den kantonalen Behörden und deren Auskunftspflichten sowie insbesondere die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen sind zu präzisieren.

3.

Die Schnittstellen zwischen der Verwaltung (Polizeiorgane des Bundes) und den Gerichten sind klar zu regeln.

4.

Die parlamentarische Aufsicht im Bund ist wirksamer auszugestalten.

5.

Die finanziellen Konsequenzen der Vorlage für Bund und Kantone sind aufzuzeigen.

6.

Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage ist detailliert zu überprüfen, dies insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 Bundesverfassung11 [BV]), der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), der Medienfreiheit (Art. 17 BV), der Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV).

BBl 2007 5037 AB 2008 N 1886 AB 2009 S 20 AB 2009 N 673 AB 2009 S 20 SR 101

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1.3

Bundesgesetz vom 3. Oktober 200812 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes

Die eidgenössischen Räte verabschiedeten am 3. Oktober 2008 das Bundesgesetz über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG). Es trat am 1. Januar 2010 in Kraft.

Entsprechend der unterschiedlichen Strenge der rechtlich vorgegebenen Datenbearbeitungsauflagen (u. a. Bewertungspflichten, Qualitätssicherung, Löschungsfristen) werden die Informationen des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) in zwei Informationssystemen bearbeitet, die jeweils einem Regime (BWIS oder ZNDG) unterstellt sind. Es sind dies das vorerst als Pilotbetrieb geführte Informationssystem Äussere Sicherheit (vgl. Art. 17­24 der Verordnung vom 4. Dezember 200913 über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes [ISV-NDB]) und das Informationssystem Innere Sicherheit (vgl. Art. 25­35 ISV-NDB).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des ZNDG ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Aufgaben im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes von zwei organisatorisch getrennten Diensten, dem Strategischen Nachrichtendienst (SND) und dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP), erfüllt werden. In dieser Konstellation hätte jeder Dienst seine Informationen weiterhin im eigenen Informationssystem bearbeitet. Das ZNDG sollte den Informationsaustausch zwischen den Diensten sicherstellen und erteilte darüber hinaus den Auftrag zur gemeinsamen und umfassenden Beurteilung der Bedrohungslage (vgl. Art. 3 ZNDG).

Der Bundesrat zog die Konsequenz aus diesem übergreifenden Auftrag und beschloss die Fusion der beiden Dienste zum NDB. Die Fusion sollte sicherstellen, dass die Auswertung in einer einzigen Organisationseinheit, nach einheitlichen Kriterien und aufgrund aller verfügbaren Informationen erfolgt. Diese Informationen werden nicht nur aktiv durch die operative Beschaffung im In- und Ausland gewonnen, sondern auch über die Nutzung offener Quellen (Internet, Medien, Spezialliteratur, Wissenschaft) oder sie treffen ohne besondere Beschaffungsmassnahmen beim NDB ein, namentlich von nationalen und internationalen Partnerdiensten.

Der NDB sieht sich heute in der besonderen Situation, dass für die Bearbeitung seiner Informationen unterschiedlich strenge gesetzliche Grundlagen gelten. Die restriktiveren Auflagen des BWIS sind konsequent einzuhalten, ohne dass die nachrichtendienstliche Auslandaufklärung unnötig eingeschränkt
wird. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, die strengeren Datenbearbeitungsauflagen des BWIS grundsätzlich auf alle Informationen des NDB auszuweiten, die einen direkten Bezug zur Schweiz und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern aufweisen. Die weniger strengen Auflagen des ZNDG gelten ausschliesslich für Informationen des NDB über das Ausland ohne direkten Bezug zur Schweiz. Eine Weisung des NDB präzisiert den für die Triage massgebenden Begriff des inhaltlichen Bezugs zur Schweiz (Kriterienliste). Von der Triage ausgenommen sind die Meldungen der kantonalen Staatsschutzdienste, die als originäre BWIS-Daten (d. h. Daten, die ausschliesslich über das BWIS erhoben werden können) ausnahmslos dem BWIS-Regime unterstellt werden müssen. Dieser Datenhaushalt ist in der ISV-NDB geregelt und stützt sich

12 13

SR 121 SR 121.2

7847

auf Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung vom 4. Dezember 200914 über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB).

Seit Januar 2010 werden die Daten des NDB, je nachdem ob sie einen direkten inhaltlichen Bezug zur Schweiz (Schweizerbürgerinnen und -bürger, Sachverhalt/ Ereignis/Aufenthalt in der Schweiz) aufweisen oder ausschliesslich das Ausland betreffen, in unterschiedlichen Informationssystemen bearbeitet. Die (Weiter-)Entwicklung der Informationssysteme und insbesondere die Realisierung des Pilotbetriebs des «Informationssystems Äussere Sicherheit» für die Daten mit Auslandsbezug erfolgt in enger Absprache mit der oder dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. Der Bundesrat will die Informationsbearbeitung des NDB auf eine auch modernen Ansprüchen genügende Gesetzesgrundlage stellen und dem Parlament in Kürze eine entsprechende Ergänzung zum ZNDG unterbreiten.

1.4

Bericht vom 28. November 200815 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) erstattete am 28. November 2008 Bericht über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee. Zwei der insgesamt sechs Empfehlungen der GPK-N an den Bundesrat enthalten Auflagen, die im Rahmen der laufenden BWIS-Revision umgesetzt werden sollen. Sie betreffen den Zeitpunkt der Personensicherheitsprüfung sowie die Einsicht in eingestellte und abgeschlossene Strafverfahren.

1.5

Bericht vom 21. Juni 201016 über die Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystems ISIS

Die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte nimmt im eingangs erwähnten Bericht bei zwei Empfehlungen direkten Bezug auf die vorliegende BWIS-Revision:

14 15 16 17

­

Empfehlung 7: «Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, den Eidgenössischen Räten bei der laufenden BWIS-Revision ein klare gesetzliche Definition der so genannten Drittpersonen vorzuschlagen. Diese Definition soll verhindern, dass Personendaten ohne Staatsschutzrelevanz auf Vorrat gesammelt werden.»

­

Empfehlung 11: «Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, den Eidgenössischen Räten bei der laufenden BWIS-Revision für Artikel 18 BWIS anstelle des indirekten Einsichtsrechts ein Auskunftsrecht nach den Modalitäten von Artikel 8 BPI17 vorzuschlagen.»

SR 121.1 BBl 2009 2575 BBl 2010 7665 Bundesgesetz vom 13. Juni 2008 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes; BPI; SR 361.

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Für die Umsetzung der Empfehlungen 7 und 11 wird auf Ziffer 2.3 verwiesen, für die einlässliche Auseinandersetzung mit dem Bericht insgesamt und den übrigen Empfehlungen auf die Stellungnahme des Bundesrates.

1.6

BWIS II reduziert

Der Bundesrat beauftragte am 27. November 2009 das VBS mit der Ausarbeitung einer Zusatzbotschaft, beschränkt auf die unbestrittenen Teile des ursprünglichen Revisionspakets. Alle übrigen Bestimmungen sollen in eine bis spätestens Ende 2013 auszuarbeitende Gesamtkodifikation für die zivilen Nachrichtendienste (Nachrichtendienstgesetz) aufgenommen werden.

2

Umsetzung

2.1

Auftrag von National- und Ständerat

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die für die Zusatzbotschaft notwendigen Punkte.

2.1.1

Gutachten Biaggini

2.1.1.1

Gutachtensauftrag

Die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das VBS, beauftragte im Dezember 2008 Herrn Prof. Dr. iur. Giovanni Biaggini, Ordinarius für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht an der Universität Zürich, mit verfassungsrechtlichen Abklärungen. Aufgabe des Gutachters war die Überprüfung von generell-abstrakt strukturierten Rechtsvorschriften auf Stufe Bundesgesetz (Gesetzesentwurf BWIS II) am Massstab übergeordneter Normen (BV; Konvention vom 4. November 195018 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK]).

2.1.1.2

Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Abklärungen

Das 2009 in der Verwaltungspraxis der Bundesbehörden (VPB) publizierte Gutachten19 (Biaggini, Giovanni, Verfassungsrechtliche Abklärungen betreffend die Teilrevision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, Gutachten vom Juni 2009; nachfolgend Gutachten Biaggini genannt) stellt klar, dass übergeordnetes Recht dem Revisionsanliegen nicht prinzipiell entgegensteht. Weiter gelangt es zu folgenden Schlüssen: Der Gesetzesentwurf genüge in Bezug auf die besonderen Mittel der Informationsbeschaffung den Anforderungen an eine grundrechtskonforme Ausgestaltung der Mittel noch nicht in jeder Hinsicht. Eine Nachbesserung sei insbesondere in folgenden Punkten geboten: 18 19

SR 0.101 VPB 2009.14, S. 238­330

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­

Spezifizierung der Schutzgüter, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff zu rechtfertigen vermöchten bzw. den Eingriff als zumutbar erscheinen lassen würden;

­

Sicherstellung eines wirksamen Schutzes von Grundrechten Dritter, insbesondere in Bezug auf Berufsgeheimnisse;

­

Sicherstellung eines wirksamen Kerngehaltsschutzes;

­

Eingrenzung und Klarstellung der Weitergabemöglichkeiten in Bezug auf mit besonderen Mitteln der Informationsbeschaffung gewonnene Personendaten.

Beim Anordnungs- und Genehmigungsverfahren, beim Dringlichkeitsverfahren, bei der Mitteilungspflicht sowie bei der Berichterstattung bestünden Unklarheiten (nicht aber Verfassungs- und Konventionsverletzungen).

In Bezug auf das Verbot von Tätigkeiten respektiere der Entwurf die bundesstaatliche Kompetenzordnung und sei einer grundrechtskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich. Die Norm bilde weder Grundlage für ein Verbot von Organisationen noch für eine Umkehr der Beweislast.

Sowohl die besondere Auskunftspflicht der Behörden als auch die Auskunftspflicht gewerblicher Transporteure seien im Wesentlichen verfassungskonform. Bemängelt wird das Fehlen hinreichend klarer gesetzlicher Leitplanken für die Weitergabe von Personendaten durch den NDB an Strafverfolgungsbehörden.

Die geplanten Regelungen betreffend die Funkaufklärung würden noch gewisse Defizite aufweisen. Dies gelte sowohl für den Bereich der dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Ausstrahlung aus dem Inland (unklare Verweiskette) als auch für die übrigen Ausstrahlungen (zu offene Delegation an den Bundesrat betreffend Organisation, Verfahren und Funkaufklärung im Einzelnen).

Die Verwendung der Begriffe «innere und äussere Sicherheit», «Terrorismus», «verbotener politischer oder militärischer Nachrichtendienst», «verbotener Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien» und «verbotener Technologietransfer» sei verfassungskonform.

Eine Konkretisierung oder Legaldefinition der Begriffe «innere und äussere Sicherheit» sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Da es sich um Begriffe aus der Verfassung handle, wäre grundsätzlich der Verfassungsgeber (und nicht der Gesetzgeber) für eine Präzisierung zuständig.

Eine Konkretisierung oder Legaldefinition der Begriffe «Terrorismus», «verbotener politischer oder militärischer Nachrichtendienst», «verbotener Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien» und «verbotener Technologietransfer» sei möglich, aber ebenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten (für die Beurteilung der massgebenden grundrechtlichen Abwägungen seien im konkreten Einzelfall andere Kriterien weit wichtiger).

Das «indirekte» Auskunftsrecht sei einer verfassungs- und konventionskonformen Auslegung und Anwendung grundsätzlich zugänglich; dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe insoweit nicht.

7850

2.1.2

Rückweisungsauftrag Punkt 1: Die Begriffe «innere und äussere Sicherheit», «geschützte Rechtsgüter» und die abstrakt gehaltenen Verdachtsmerkmale der Artikel 13a und 18a E-BWIS seien zu konkretisieren und eng zu umschreiben

Nach Gutachten Biaggini erfolgt die Verwendung der Begriffe «innere und äussere Sicherheit» sowie «Terrorismus», «verbotener politischer oder militärischer Nachrichtendienst», «verbotener Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien» und «verbotener Technologietransfer» verfassungskonform.

Eine Konkretisierung oder Legaldefinition der Begriffe «innere und äussere Sicherheit» ist dem Gutachten zufolge verfassungsrechtlich nicht geboten. Da es sich um Begriffe aus der Verfassung handelt, wäre für eine Präzisierung der Verfassungsgeber, und nicht der Gesetzgeber, zuständig. Mangels Zuständigkeit wird deshalb auf entsprechende Vorschläge im Rahmen des BWIS verzichtet.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung zwischen innerer und äusserer Sicherheit immer schwieriger wird und bisweilen kaum mehr möglich ist. Nach herkömmlichem Verständnis bezeichnet jedoch die innere Sicherheit den Schutz der Gesellschaft und des Staates vor Bedrohungen, die sich aus dem Inneren der Gesellschaft selbst heraus entwickeln. Sie ist dann betroffen, wenn die Beständigkeit und Verlässlichkeit der verfassungsmässigen politischen Staatseinrichtungen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Staates und das ordnungsgemässe Funktionieren dieser Einrichtungen sowie die Sicherheit der der Schweizer Bevölkerung bedroht sind. Demgegenüber wird unter äusserer Sicherheit die Sicherheit eines Staates in Bezug auf Bedrohungen militärischer Natur durch andere Staaten oder Staatengruppen verstanden. In den letzten Jahren kamen auch nichtmilitärische Risiken wie illegale Migration, Pandemien oder etwa Hacking zum Zwecke der wirtschaftlichen, militärischen oder politischen Spionage hinzu. Die äussere Sicherheit ist dann betroffen, wenn die Beständigkeit und Verlässlichkeit der Unabhängigkeit eines Staates, seine Fähigkeit, seine Grenzen und seine verfassungsmässige Ordnung nach aussen zu verteidigen, sowie sein gutes Einvernehmen mit anderen Staaten bedroht sind.

Eine Konkretisierung oder Legaldefinition der Begriffe «Terrorismus», «verbotener politischer oder militärischer Nachrichtendienst», «verbotener Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien» und «verbotener Technologietransfer» ist dem Gutachten zufolge zwar möglich, aber verfassungsrechtlich nicht geboten. Entsprechend der Möglichkeit einer
Konkretisierung wurde die Regelung über die besondere Auskunftspflicht der Behörden auftragsgemäss mit entsprechenden Kriterien und einer beispielhaften Aufzählung geschützter Rechtsgüter angereichert.

Die Artikel 18a­18m E-BWIS betreffen die besondere Informationsbeschaffung, an der im Rahmen der Zusatzbotschaft nicht länger festgehalten wird. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.

7851

2.1.3

Rückweisungsauftrag Punkt 2: Die Zusammenarbeit der Polizeiorgane des Bundes mit den kantonalen Behörden und deren Auskunftspflichten sowie insbesondere die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen seien zu präzisieren

Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden Die nachrichtendienstlichen Teile des Bundesamts für Polizei (fedpol) wurden per 1. Januar 2009 ins VBS transferiert und ein Jahr später, am 1. Januar 2010, mit dem SND zum NDB zusammengelegt. Gleichzeitig wurden das ZNDG und die V-NDB verabschiedet. Mit dem Inkrafttreten der V-NDB wurde die Verordnung vom 27. Juni 200120 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (VWIS) ­ und damit die bisherige Detailregelung der Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden und ausländischen Stellen ­ aufgehoben. Gleichzeitig wurden mit der Schaffung der Verordnung vom 4. Dezember 200921 über verwaltungspolizeiliche Massnahmen und Informationssysteme des Bundesamtes für Polizei sämtliche diesbezüglichen Regelungen der VWIS ausgelagert.

Heute gründet die Zusammenarbeit des NDB mit den kantonalen Behörden in erster Linie auf dem ZNDG, dem BWIS und der V-NDB. Insofern wurde die Zusammenarbeit bereits geprüft und soweit notwendig präzisiert.

Gleich wie bisher ist für die innere Sicherheit seines Gebietes in erster Linie der Kanton verantwortlich. Soweit der Bund nach Verfassung und Gesetz für die innere Sicherheit verantwortlich ist, leisten ihm die Kantone Amts- und Vollzugshilfe.

Das ZNDG sieht vor, dass die Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes andere Stellen des Bundes und der Kantone über alle Vorgänge informieren, welche die gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen bei der Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit betreffen. Die Zusammenarbeit wird vom Bundesrat geregelt.

Nach V-NDB kann der NDB im Rahmen der Gesetzgebung und des ihm erteilten Grundauftrags u. a. mit Dienststellen der Kantone zusammenarbeiten. Insbesondere darf er Personendaten an die Behörden der Kantone, die Aufgaben im Sinne des BWIS erfüllen, weitergeben (vgl. Anhang 3, Ziff. 4 V-NDB). Im Übrigen arbeitet der NDB eng mit der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) und der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) zusammen. Im Gegenzug werden die kantonalen Behörden verpflichtet, dem NDB unaufgefordert Meldung über folgende Bereiche zu erstatten:

20 21

­

Aktivitäten, Bestrebungen und Vorgänge, die die äussere Sicherheit der Schweiz oder die sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz im Ausland gefährden;

­

terroristische Aktivitäten: Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung von Staat und Gesellschaft, die durch die Begehung oder Androhung von schweren Straftaten sowie mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt werden sollen;

SR 120.2 SR 120.52

7852

­

verbotener Nachrichtendienst im Sinne der Artikel 272­274 und 301 des Strafgesetzbuches22 (StGB);

­

gewalttätiger Extremismus: Bestrebungen von Organisationen, deren Vertreterinnen und Vertreter die Demokratie, die Menschenrechte oder den Rechtsstaat ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten verüben, befürworten oder fördern;

­

verbotener Handel mit radioaktiven Materialien und verbotener Technologietransfer;

­

weitere Aktivitäten sowie Bestrebungen und Vorgänge im In- und Ausland, welche die innere Sicherheit der Schweiz gefährden.

Zusätzlich sind dem NDB durch kantonale Behörden unaufgefordert und ohne Verzug u. a. zu melden: ­

die in der vertraulichen Liste des VBS nach Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe a BWIS genannten Vorgänge und Feststellungen, soweit die Liste den Behörden bekannt gegeben wird;

­

alle Feststellungen über Organisationen und Gruppierungen, die in der vertraulichen Beobachtungsliste des VBS nach Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b BWIS oder in einem Prüfverfahren nach Artikel 25 der V-NDB genannt sind;

­

die zur Durchführung präventiver Operationen und präventiver Fahndungsprogramme benötigten Informationen;

­

die in Anhang 1 der V-NDB aufgeführten Feststellungen. Es sind dies: ­ sich abzeichnende oder eingetretene Situationen und Ereignisse, in denen einzelne kantonale Polizeibehörden nicht mehr in der Lage sind, die Sicherheit ohne die Hilfe anderer Kantone zu gewährleisten (IKAPOL-Einsätze); ­ illegale Grenzübertritte durch vom NDB zu bezeichnende Personen oder Personengruppen aus bestimmten Herkunftsländern; ­ Beeinträchtigungen der Sicherheitslage an der Grenze; ­ Informationen über Aktivitäten von Personen oder Gruppierungen mit rassistischem oder gewalttätig-extremistischem Hintergrund; ­ Feststellung von Propagandamaterial mit rassistischem oder gewalttätig-extremistischem Hintergrund; ­ Sicherstellungen von Material, das zu Propagandazwecken dienen kann und dessen Inhalt konkret und ernsthaft zur Gewalttätigkeit gegen Menschen oder Sachen aufruft.

Bei Aufgaben nach dem BWIS erfüllen die Kantone ihre Aufträge in der Regel selbständig und schreiten bei gegebener Verdachtslage zur aktiven Informationsbeschaffung. Auch kann der NDB die Sicherheitsorgane der Kantone mit der Beobachtung von Vorgängen an öffentlichen und allgemein zugänglichen Orten sowie mit deren Aufzeichnung auf Bild- und Tonträger beauftragen. Ansonsten stellen die Kantone dem NDB Antrag, wenn nach ihren Erkenntnissen Personen und Organisationen in die Informationsbeschaffung einzubeziehen oder daraus zu entlassen sind.

22

SR 311.0

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Der Bund finanziert den Kantonen im Bereich Staatsschutz rund 80 Vollzeitstellen, die organisatorisch in die kantonalen Polizeiorgane bzw. im Kanton Basel-Stadt in die Staatsanwaltschaft integriert sind. Die Dienstaufsicht in den Kantonen wird durch ein vom Vollzugsorgan getrenntes Kontrollorgan wahrgenommen. Das Kontrollorgan überprüft, ob die Verwaltungsabläufe den massgebenden Rechtsvorschriften entsprechen, namentlich, ob die Daten zur Wahrung der inneren Sicherheit von übrigen polizeilichen Informationen getrennt bearbeitet werden. Es kann Einsicht nehmen in Daten des Bundes, soweit der NDB ausdrücklich zustimmt. Die Einsicht kann namentlich verweigert werden, wenn der Quellenschutz oder wesentliche Sicherheitsinteressen dies erfordern.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der NDB eng mit den Kantonen zusammenarbeitet, diesen bei der Auftragserfüllung ein hohes Mass an Autonomie gewährt und auch auf überkantonaler Ebene ­ z. B. im Rahmen der KKJPD oder der KKPKS ­ kooperativ tätig ist und dass hierzu bereits ein enges Regelwerk besteht.

Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen Die Zusammenarbeit der Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes mit ausländischen Dienststellen regelt der Bundesrat; insbesondere legt er die Grundsätze der Verwendung von Informationen ausländischer Dienststellen für die Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes fest (Art. 3 Abs. 4 Bst. c ZNDG).

Nach V-NDB (vgl. 4. Abschnitt: Zusammenarbeit des NDB mit ausländischen Dienststellen) nimmt der NDB die Verbindungen zu ausländischen Nachrichtendiensten sowie zu anderen ausländischen Dienststellen wahr, die Aufgaben im Sinne des BWIS und des ZNDG erfüllen. Auch vertritt der NDB die Schweiz in internationalen nachrichtendienstlichen Gremien. Weiter erstellt der NDB eine Kontaktplanung, koordiniert alle Kontakte und legt eine gemeinsame Partnerdienstpolitik fest.

Die Aufnahme regelmässiger Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Der NDB kann Informationen an ausländische Dienststellen weiterleiten, soweit dies durch Gesetz oder Staatsvertrag erlaubt oder für die Sicherheit der Eidgenossenschaft erforderlich ist. Personendaten kann er auch mittels gemeinsamer Übermittlungseinrichtungen mit ausländischen Behörden direkt austauschen. Er setzt bei der Weitergabe von Personendaten
die Empfängerin oder den Empfänger über die Bewertung und die Aktualität der Daten in Kenntnis und weist sie oder ihn auf den Zweck hin, für welchen sie oder er die Daten ausschliesslich verwenden darf, und darauf, dass er sich vorbehält, Auskunft über die vorgenommene Verwendung zu verlangen. Der NDB registriert jede Weitergabe sowie jede Empfängerin oder jeden Empfänger, Gegenstand und Grund. Im Verkehr mit Strafverfolgungsbehörden beachtet er die Grundsätze des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198123. Die Kantone informieren den NDB über ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Dienststellen, die zur Wahrnehmung von Aufgaben im Sinne des BWIS und des ZNDG erfolgt.

In Bezug auf die innere Sicherheit, namentlich die Bereiche Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst, gewalttätiger Extremismus, verbotener Handel mit Waffen und radioaktiven Materialien sowie verbotener Technologietransfer, hält das BWIS ausdrücklich fest, dass der Verkehr mit den ausländischen Behörden, die Sicherheitsaufgaben erfüllen, Sache des Bundes ist. Für Sicherheitsfragen im Grenzgebiet können die Kantone mit den dafür zuständigen ausländischen Polizeibehörden 23

SR 351.1

7854

zusammenarbeiten. Der NDB kann im Einzelfall Personendaten an Sicherheitsorgane von Staaten weitergeben, mit denen die Schweiz diplomatische Beziehungen pflegt, wenn ein Gesetz oder eine genehmigte zwischenstaatliche Vereinbarung es vorsieht oder wenn: ­

die Information benötigt wird, um ein auch in der Schweiz strafbares Verbrechen oder Vergehen zu verhindern oder aufzuklären;

­

damit ein schweizerisches Ersuchen um Information begründet werden muss;

­

es im Interesse der betroffenen Person liegt und diese zugestimmt hat oder wenn deren Zustimmung aufgrund der Umstände angenommen werden kann;

­

es zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der Schweiz oder des Empfängerstaates unerlässlich ist.

Die Weitergabe ins Ausland muss unterbleiben, wenn die betroffene Person durch die Datenübermittlung der Gefahr einer Doppelbestrafung oder ernsthafter Nachteile für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne der EMRK ausgesetzt werden könnte.

Der NDB wird somit bei der Wahrnehmung seiner Auslandskontakte vom Bundesrat eng geführt. Zu betonen bleibt, dass die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit allen ausländischen Stellen auf freiwilliger Basis beruht, insbesondere auf Vertrauen und gemeinsamen strategischen Interessen. Informationen werden gegenseitig nach dem Grundsatz des Gebens und Nehmens (do ut des) zur Verfügung gestellt, was kein ausschliesslich passives Verhalten zulässt. Kann die Zusammenarbeit mit dem Ausland wegen allzu eng begrenzter innerstaatlicher Handlungsmöglichkeiten nur ungenügend wahrgenommen werden, droht die Schweiz von Informationen aus dem Ausland abgeschnitten zu werden. Auch besteht die Gefahr, dass selbst Dienste, mit denen schon ein Austausch besteht, zur Wahrung ihrer Interessen auf Schweizer Gebiet verbotenerweise tätig werden, wenn diese die Zusammenarbeit mit den Schweizer Behörden als ungenügend beurteilen. Entsprechende Fälle sind bereits bekannt.

2.1.4

Rückweisungsauftrag Punkt 3: Die Schnittstellen zwischen der Verwaltung (Polizeiorgane des Bundes) und den Gerichten seien klar zu regeln

Mit dem Transfer der mit nachrichtendienstlichen Aufgaben befassten Teile vom EJPD (fedpol) ins VBS und der anschliessenden Zusammenlegung von DAP und SND zum NDB wurde gleichzeitig die angestrebte Trennung zwischen den nachrichtendienstlichen Aufgaben des NDB und den polizeilichen Aufgaben von fedpol vollzogen.

Für gerichtspolizeiliche Ermittlungen im Kompetenzbereich des Bundes sind die Strafverfolgungsorgane des Bundes, d. h. die Bundesanwaltschaft (BA) und die Bundeskriminalpolizei (BKP), zuständig.

Als Grundsatz gilt, dass der NDB seine Erkenntnisse anderen Stellen des Bundes und der Kantone ohne Verzug zur Verfügung stellt, wenn sie zur Strafverfolgung oder zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens dienen können bzw. die gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen bei der Wahrung der inneren oder äusseren Sicher7855

heit betreffen (Art. 4 ZNDG bzw. Art. 9 V-NDB sowie Art. 2 Abs. 3 BWIS). Somit ist der NDB gesetzlich verpflichtet, strafverfolgungsrelevante Informationen unaufgefordert an inländische Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Je nach Konkretisierungsgrad der übermittelten Hinweise können die Strafverfolgungsbehörden dann direkt zu einer formellen Eröffnung der Strafverfolgung schreiten oder zur weiteren Abklärung des Tatverdachts andere Vorabklärungen veranlassen.

In umgekehrter Richtung haben die in den Artikeln 3 und 4 ZNDG und 13 BWIS genannten Behörden (namentlich die BKP, die BA sowie die Grenzwacht- und Zollorgane) dem NDB unaufgefordert Meldung zu machen, wenn sie konkrete Gefährdungen der inneren oder äusseren Sicherheit feststellen (vgl. Art. 4 V-NDB).

Rechtlich ist diese gegenseitige Kooperation in einem umfassenden Normengefüge (Gesetz, Verordnung, Vereinbarungen, Weisungen) verankert.

Die Regelung der Schnittstellen zwischen den Strafverfolgungsorganen des Bundes und den Gerichten ist Sache der einschlägigen materiellen und formellen Gesetzgebung (StGB; Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200724, StPO) und der internen Organisationsreglemente von BA und fedpol.

Eine ausführliche Darstellung der repressiven Bundeskompetenzen zur Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen und der diesbezüglichen Schnittstellen findet sich im Bericht des Bundesrates vom 9. Juni 200625 in Erfüllung des Postulats der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates betreffend die effizientere Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen, worauf verwiesen werden kann.

Davon zu unterscheiden ist die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsorganen und dem NDB (vgl. oben).

Zusammenfassend baut die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden des Bundes und dem NDB auf bewährten Grundsätzen, woran festzuhalten ist.

Da die Zusatzbotschaft auf die in der Botschaft vom 15. Juni 2007 noch vorgesehene Informationsbeschaffung mit besonderen Mitteln verzichtet, erübrigen sich Ausführungen zur Frage der gerichtlichen Verwertbarkeit von so beschafften Informationen. Hingegen wird dieser Problematik in der bis spätestens Ende 2013 auszuarbeitenden Gesamtkodifikation («Nachrichtendienstgesetz») durch den Erlass einer umfassenden Kollisionsnorm Rechnung zu tragen sein.

2.1.5

Rückweisungsauftrag Punkt 4: Die parlamentarische Aufsicht im Bund sei wirksamer auszugestalten

Der NDB gewährt, gestützt auf Artikel 25 BWIS, den parlamentarischen Aufsichtsorganen jederzeit zu sämtlichen Räumlichkeiten, Akten und elektronischen Systemen uneingeschränkten Zugang und steht zu seinen Tätigkeiten umfassend Red und Antwort. Die parlamentarischen Aufsichtsorgane machten denn auch bisher nie geltend, sie könnten ihrer Aufsicht nicht nachkommen, weil sie über zu wenig Rechte verfügten oder weil die Verwaltung sonstwie ihre Mittel beschränken würde.

24 25

SR 312.0; AS 2010 1881 BBl 2006 5693

7856

Nach Auffassung des Bundesrates übt die Geschäftsprüfungsdelegation heute ihr Amt angemessen und kritisch aus. Vorbehalten bleibt die Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht vom 21. Juni 201026 über die Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS. Sollte die parlamentarische Aufsicht verstärkt werden, müsste das primär vom Parlament selbst geprüft und formuliert werden.

2.1.6

Rückweisungsauftrag Punkt 5: Die finanziellen Konsequenzen der Vorlage für Bund und Kantone seien aufzuzeigen

Beim Erlass des BWIS im Jahre 1997 rechnete die damalige Botschaft mit jährlichen Vollzugskosten (d. h. Kosten, die der Bund den Kantonen vergütet) von zehn bis zwanzig Millionen Franken. Tatsächlich betragen die einschlägigen Kosten heute «nur» rund 8,5 Millionen Franken. Der damals dem Parlament signalisierte Kostenrahmen für den Vollzug in den Kantonen wurde demnach nie erreicht.

Finanzielle Konsequenzen Bund: Nach Botschaft vom 15. Juni 2007 werden die für die Umsetzung erforderlichen Stellen, Investitionen und Betriebskosten vom EJPD intern kompensiert. Mit dem zwischenzeitlichen Transfer der mit nachrichtendienstlichen Aufgaben befassten Teile vom EJPD (fedpol) ins VBS und der anschliessenden Zusammenlegung von DAP und SND zum NDB ist zwar eine neue Situation entstanden. Doch wird entsprechend dem Willen des Bundesrates auch inskünftig an der verwaltungsinternen Kostenkompensation festgehalten werden. Das Gesetzgebungspaket wird deshalb weder in seiner ursprünglichen Fassung, noch in seiner Fassung nach Zusatzbotschaft neue Kosten verursachen.

In Bezug auf die verwaltungsintern zu kompensierenden Kosten werden in der ursprünglichen Botschaft jährliche Personalkosten von etwa sechseinhalb Millionen Franken, einmalige Investitionskosten von etwa einer Million Franken und jährlich wiederkehrende Kosten für Ersatzanschaffungen von etwa 100 000 Franken ausgewiesen. Mit dem in der Zusatzbotschaft vorgesehenen Wegfall der «besonderen Informationsbeschaffung» ist neu mit einem deutlich tieferen personellen Mehrbedarf zu rechnen. Wie viele Stellen konkret für die Umsetzung des Gesetzgebungspaketes notwendig sein werden (z. B. Sachverhaltsabklärungen und Antragsstellung beim Tätigkeitsverbot; zusätzliche Umtriebe im Zusammenhang mit dem Listing/ Delisting bei der Beobachtungsliste; vermehrte Abklärungen in Zusammenhang mit der Auskunftspflicht von Behörden und gewerblichen Transporteuren einschliesslich der Klärung entsprechender Streitigkeiten; Sicherstellung von Schutzmassnahmen für Informantinnen und Informanten; Bildung und Pflege resp. Unterhalt von Tarnidentitäten usw.) lässt sich erst in Kenntnis der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Massnahmen sagen. Im Sinne einer Grobschätzung wird der personelle Mehrbedarf auf etwa 10 Stellen beziffert, d. h. es ist durch den Verzicht auf die Mittel
der besonderen Informationsbeschaffung in dieser reduzierten Vorlage von einer Reduktion auf etwa einen Viertel der ursprünglich veranschlagten Kosten auszugehen. Im Übrigen bemüht sich der NDB, allfälligen Mehrbedarf, wenn immer möglich, durch die Realisierung von im Zuge der Zusammenlegung von DAP und SND freigewordenen Synergien aufzufangen.

26

BBl 2010 7665

7857

Finanzielle Konsequenzen Kantone: In einer ersten Phase wird durch die erweiterten Auskunftspflichten in den Kantonen voraussichtlich in bescheidenem Ausmass zusätzliches Arbeitsvolumen entstehen. Dem steht als Gegenwert ein höheres Sicherheitsniveau auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene gegenüber. Mittelund langfristig darf jedoch ­ dank der inhaltlich verbesserten und formell erleichterten Abklärungsmöglichkeiten ­ auch mit Entlastungen gerechnet werden. Alles in allem dürften sich deshalb die Belastungen mit den Entlastungen in etwa die Waage halten.

2.1.7

Rückweisungsauftrag Punkt 6: Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage sei detailliert zu überprüfen, dies insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV), der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), der Medienfreiheit (Art. 17 BV), der Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV)

Das Gutachten Biaggini gelangt zum Schluss, dass übergeordnetes Recht dem Revisionsanliegen nicht prinzipiell entgegensteht, und demnach die Verfassungsmässigkeit grundsätzlich gegeben ist. Soweit im Einzelfall Nachbesserungen als notwendig erachtet wurden, wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln verwiesen.

2.2

Bericht der GPK-N vom 28. November 200827 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee

Die GPK-N empfahl mit Blick auf die laufende Gesetzesrevision Folgendes: «... Empfehlung 2

Einsicht in eingestellte und abgeschlossene Strafverfahren

Der Bundesrat sorgt dafür, dass im Rahmen der laufenden BWIS-Revision die nötigen Vorkehren getroffen werden, dass die Fachstelle bei Personensicherheitsprüfungen der höchsten Stufe auch in abgeschlossene oder eingestellte Strafverfahren Einsicht in die Akten nehmen kann.

Empfehlung 5

Zeitpunkt der Personensicherheitsprüfung

Die GPK-N ersucht den Bundesrat zu prüfen, ob es zweckmässig sei, bei gewissen Funktionen mit höchster Verantwortung die Personensicherheitsprüfung vor der Ernennung durchzuführen. Weiter sorgt der Bundesrat dafür, dass im Rahmen der laufenden BWIS-Revision die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, dass der Wortlaut von Artikel 19 Absatz 3 BWIS in allen drei Amtssprachen inhaltlich gleich lautet. ...» Die Empfehlungen 2 und 5 wurden aufgenommen und in den Artikeln 19 Absatz 3 und 20 Absatz 2 Buchstabe d des Gesetzesentwurfs nach Zusatzbotschaft umgesetzt.

27

BBl 2009 3425

7858

Hinzu kommen Anpassungen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Prüfbehörde bzw. der teilweisen Auslagerung von Prüfbereichen an die Bundeskanzlei (Art. 21 E-BWIS).

Für die Detailkommentierung wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln (nachfolgende Ziff. 3) verwiesen.

2.3

Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 über die Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS

Die Empfehlung 7 verlangt eine klare gesetzliche Definition der sogenannten Drittpersonen. Damit soll verhindert werden, dass Personendaten ohne Staatsschutzrelevanz auf Vorrat gesammelt werden.

Die Datenbearbeitungsregeln für das Informationssystem ISIS-NT sind heute zur Hauptsache in der ISV-NDB geregelt. Nach Artikel 2 Buchstabe i der genannten Verordnung gilt als Drittperson jede Person oder Organisation, die nur über den Bezug zu einem Objekt eine Staatsschutzrelevanz hat. Auch der Begriff Objekt ist in der Verordnung geregelt.

Der Bundesrat erachtet deshalb für die Klärung des Begriffs Drittperson grundsätzlich nicht wie von der GPDel angeregt das Gesetz (BWIS), sondern vielmehr die Verordnung (ISV-NDB) als treffenden Regelungsort. Ansonsten ist er zur gewünschten Präzisierung bereit.

In Bezug auf die von der GPDel in Empfehlung 11 vorgeschlagene Änderung des indirekten Auskunftsrechts nach den Modalitäten von Artikel 8 BPI versteht dies der Bundesrat als Minimalforderung und geht einen Schritt weiter, indem er das direkte Auskunftsrecht verankert;; diesbezüglich wird auf Artikel 18 des Gesetzesentwurfs verwiesen.

2.4

Zusatzbotschaft «BWIS II reduziert»

2.4.1

Bisheriger Gesetzesentwurf

Sowohl im Vernehmlassungsverfahren als auch in der politischen Auseinandersetzung und in der Berichterstattung der Medien zählte die besondere Informationsbeschaffung (d. h. das Überwachen des Post- und Fernmeldeverkehrs, das Beobachten an nicht allgemein zugänglichen Orten, auch mittels technischem Überwachungsgerät, sowie das geheime Durchsuchen eines Datenverarbeitungssystems) zu den mit Abstand am stärksten kritisierten Massnahmen. Analoges gilt für die mit diesen Massnahmen einhergehenden Durchführungsbestimmungen (Art. 18a­j, 27 Abs. 1bis Bst. b, 14 Abs. 3 des Gesetzesentwurfs vom 15. Juni 2007), so vor allem für das Anordnungs-, das Genehmigungs- und das Dringlichkeitsverfahren oder etwa für die Bestimmungen zur Überwachung Dritter und zum Schutz des Berufsgeheimnisses.

Deshalb, und weil sich nach der Zusammenlegung von DAP und SND zum NDB ohnehin in vielen Belangen gemeinsame Lösungen aufdrängen, wird auf diese Massnahmen im Rahmen der Zusatzbotschaft vorläufig verzichtet. Damit erübrigen sich auch eine Neugliederung des BWIS und ein separater Rechtsschutzartikel;

7859

letztgenanntem Anliegen kann bei den jeweiligen Artikeln direkt Rechnung getragen werden.

Die übrigen Artikel des ursprünglichen Gesetzesentwurfs wiesen eine deutlich höhere politische Akzeptanz auf. Entsprechend wird ­ unter gleichzeitiger Ergänzung nach Ziffer 1.5.2 ­ an diesen Bestimmungen festgehalten. Vorbehalten bleibt einerseits die im Rahmen der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen vorgesehene Koordinationsbestimmung beim Informationsaustausch, auf die wegen zwischenzeitlich weggefallener verfassungsrechtlicher Grundlagen verzichtet werden muss.

Andererseits wird die in der Zusatzbotschaft ursprünglich vorgesehene Regelung über die Funkaufklärung neu in das kommende Nachrichtendienstgesetz zurückgestaffelt: Zum einen soll eine für den gesamten Nachrichtendienst einheitliche Lösung gefunden werden. Dazu bedarf es heute noch fehlender Erfahrungswerte.

Zum anderen soll die heute für die Kontrolle zuständige, aber für die kommenden Anforderungen kaum genügende Organisation (UKI) nicht auf Gesetzesstufe angehoben und verankert werden. Vor allem jedoch erwies es sich, dass der Begriff Funkaufklärung funktional und inhaltlich eng mit der Kommunikationsüberwachung zusammenhängt und deshalb im Sinne eines einheitlichen Ansatzes mit ihr geregelt werden muss, zumal sich die heutigen Kommunikationswege im ständigen Fluss befinden und gerade im Auslandbereich noch viele Fragen der Klärung bedürfen.

2.4.2

Ergänzungen

Seit der Verabschiedung der Botschaft im Jahre 2007 veränderte sich das rechtliche Umfeld der Gesetzesrevision. Insbesondere wurden die nachrichtendienstlichen Teile des Bundesamts für Polizei (fedpol) per 1. Januar 2009 ins VBS transferiert und dort per 1. Januar 2010 mit dem Strategischen Nachrichtendienst (SND) in einem neuen Bundesamt (Nachrichtendienst des Bundes, NDB) zusammengefasst.

Den sich daraus ergebenden direkten und indirekten Auswirkungen auf die ursprüngliche Gesetzesrevision ist im Rahmen der Zusatzbotschaft Rechnung zu tragen.

2.4.2.1

Zuständige Behörden

Mit dem am 1. Januar 2009 erfolgten Transfer der nachrichtendienstlichen Teile von fedpol ins VBS und der anschliessenden Schaffung des NDB konzentriert sich die Verantwortlichkeit für die zivilen nachrichtendienstlichen Belange beim Vorsteher oder der Vorsteherin des VBS.

2.4.2.2

Bewaffnung Nachrichtendienst des Bundes

Das Bundesgesetz vom 20. Juni 199728 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) nimmt Polizeibehörden ausdrücklich vom Geltungsbereich aus.

Da mit der Schaffung des NDB per 1. Januar 2010 bisherige Anknüpfungspunkte mit dem Polizeibereich teilweise wegfielen, muss klargestellt werden, dass auch der 28

SR 514.54

7860

NDB ­ weil ein dienstlich begründeter, auf Notwehr und Notstand beschränkter Schusswaffengebrauch nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. nachfolgend) ­ vom Geltungsbereich des Waffengesetzes auszunehmen ist.

Der gesetzliche Aufgabenbereich des NDB im Inland beziehungsweise die damit einhergehende mögliche Gefährdungslage von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vermag grundsätzlich eine Bewaffnung von Teilen des NDB zu rechtfertigen (vgl.

Erläuterungen in Ziff. 3). Deshalb und zur Klärung der Rechtslage soll im BWIS eine formellgesetzliche Grundlage geschaffen werden, die die gezielte Bewaffnung zum Selbstschutz von besonders exponierten Mitarbeitenden des NDB erlaubt. Die Detailkriterien hierzu ­ und für die erforderliche Ausbildung ­ soll der Bundesrat im Rahmen einer Delegationsnorm, welche die wichtigsten Kriterien nennt, erlassen.

Dabei soll der Waffeneinsatz beim NDB jedoch einzig und allein bei Notwehr oder Notstand ­ beschränkt auf eine den Umständen angemessenen Weise ­ zulässig sein, nicht aber zur Erfüllung eines Auftrages, was exekutivpolizeilichen Befugnissen gleichkäme. Selbstredend ist einer oder einem durch Waffengebrauch Verletzten die nötige Hilfe zu leisten. Dieser Grundsatz wird ebenfalls explizit auf Gesetzesstufe genannt.

2.4.2.3

Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse

Eine weitere Folge des teilweisen Wegfalls von polizeilichen Anknüpfungspunkten (vgl. vorangehende Ziffer) ist, dass der NDB seit dem 1. Januar 2010 zu keiner der in Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200029 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) ausdrücklich genannten Behörden gehört, denen Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse erteilt werden dürfen. Da Auskünfte über Fernmeldeanschlüsse («Wem gehört die Telefonnummer XY?») zum nachrichtendienstlichen Tagesgeschäft gehören, erweist sich die heutige Rechtslage als sanierungsbedürftig. Analog der zur Auskunft berechtigten Behörden wie fedpol oder kantonale und städtische Polizeikommandos ist auch für den NDB im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips ein Auskunftsrecht vorzusehen, d. h. beschränkt auf die Erfüllung von nachrichtendienstlichen Aufgaben. Zu betonen bleibt, dass Gesprächsinhalte oder historische Verbindungsdaten oder Randdaten nicht zur Disposition stehen, da die Überwachung bzw. Beschaffung derselben nur im Rahmen einer Fernmeldedienstüberwachung von den zuständigen Untersuchungsbehörden angeordnet werden kann.

2.4.2.4

Beobachtungsliste (Listing/Delisting)

Nach Artikel 11 Absatz 2 BWIS hält das Departement in einer vertraulichen Liste (auch Beobachtungsliste genannt) die Organisationen und Gruppierungen fest, bei denen der konkrete Verdacht besteht, dass sie die innere oder äussere Sicherheit gefährden. Die Liste ist dem Bundesrat jährlich zur Genehmigung und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) zur Kenntnisnahme zu unterbreiten. Die Aufnahme einer Organisation oder Gruppierung in die Liste bewirkt, dass die Sicherheitsorgane über sie und ihre Exponentinnen und Exponenten alle verfügbaren 29

SR 780.1

7861

Informationen bearbeiten dürfen, also auch solche, die unter die Schranken von Artikel 3 BWIS fallen würden.

Bereits im Jahr 2005 hat die GPDel die Frage des Listings und Delistings internationaler Gruppierungen, die auf internationalen Listen geführt werden, aufgeworfen.

Anlässlich der Behandlung der Botschaft und des Gesetzesentwurfs vom 15. Juni 2007 in der Kommission für Rechtsfragen stellte Nationalrat Fluri folgenden Antrag: «... Antrag Fluri vom 20. Mai 2008 Ad Art. 11 Der Bundesrat habe die Beobachtungsliste nach Artikel 11 BWIS den seit Erlass des BWIS in Bezug auf internationale Listen geänderten Verhältnissen und damit auch den Artikel 11 selbst anzupassen, namentlich was die Übernahme aus internationalen Listen in die Beobachtungsliste und die Löschung daraus betrifft ...».

Die Beobachtungsliste ist ein Führungsinstrument des Bundesrates. Seit dem 11. September 2001 geht die internationale Gemeinschaft verstärkt gegen den Terrorismus vor. Die Bedeutung der Abstimmung der Beobachtungsliste auf internationale Präventionsmassnahmen nahm damit in einem Masse zu, wie dies der Gesetzgeber nicht hatte voraussehen können. Durch den Einbezug der internationalen Listen hat die Beobachtungsliste in den vergangenen Jahren eine beträchtliche Erweiterung erfahren. Deshalb soll nun eine gesetzliche Regelung für die Übernahme von Daten aus internationalen Listen geschaffen werden, namentlich was das Listing und Delisting betrifft.

2.4.2.5

Personenbezogene Erschliessung nach Art. 3 Abs. 2 BWIS

Artikel 3 Absatz 2 BWIS regelt die Informationsbeschaffung und -bearbeitung beim begründeten Verdacht, dass die Ausübung von politischen Rechten oder Grundrechten als Vorwand für die Vorbereitung und Durchführung von terroristischen, nachrichtendienstlichen oder gewalttätig extremistischen Tätigkeiten dient. In der jüngsten Vergangenheit wies die verwaltungsinterne nachrichtendienstliche Aufsicht auf Klärungsbedarf bezüglich der dabei anzuwendenden Frist hin und das Bundesamt für Justiz (BJ) äusserte sich in einem Gutachten zur Frage, ob Informationen, die nach Artikel 3 Absatz 1 BWIS beschafft wurden, bestätigt sein müssen, bevor sie personenbezogen erschlossen werden dürfen, oder ob Informationen nach Artikel 3 Absatz 1 BWIS beschafft und so lange personenbezogen erschlossen werden dürfen, bis sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten bestätigt.

Angesichts der aufsichtsrechtlichen Bedenken, der nicht eindeutigen Formulierung von Absatz 2 und weil die Bearbeitung von Daten, die mit der Ausübung von politischen Rechten im Zusammenhang stehen, immer ein hochsensibles Gebiet betrifft, soll mit der vorliegenden Teilrevision eine eindeutige Klärung im Sinne der heutigen Praxis erfolgen.

7862

3

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

3.1

Vorbemerkung

Der Gesetzesentwurf der Zusatzbotschaft ersetzt denjenigen der Botschaft vom 15. Juni 2007. Den Erkenntnissen aus dem Gutachten Biaggini wurde weitestgehend Rechnung getragen und die geäusserten Empfehlungen direkt in die Anpassung der Normen umgesetzt.

3.2

Die Artikel im Einzelnen

Art. 3 Abs. 2 Der bisherige Absatz 2 wurde in dreierlei Hinsicht überarbeitet: ­

Ersatz Negativformulierung durch positive Umschreibung;

­

Beschränkung in zeitlicher Hinsicht durch Höchstdauer;

­

Ersatz von «strafbarem Verhalten» durch konkrete Tätigkeiten analog Absatz 1.

Das BJ gelangte in seinem Gutachten vom 12. Mai 2009 zur Auslegung von Artikel 3 Absatz 2 BWIS30 u. a. zu folgendem Schluss: «... Zur Klärung der Frage, ob der Verdacht auf ein deliktisches Verhalten bestätigt werden kann, müssen die erhobenen Informationen zu einer Person in Relation gebracht werden können. Erst wenn nähere Abklärungen über die betroffene Person erfolgt sind, kann beurteilt werden, ob sich der Verdacht erhärtet oder entkräftet hat. Daraus folgt, dass Informationen bei Vorliegen eines Erstverdachts während einer gewissen Zeitspanne personenbezogen erschlossen werden müssen, bis sich der Verdacht erhärtet ...».

Entsprechend diesen Erkenntnissen wird die missverständliche bisherige Regelung mit einer klaren Norm ersetzt, die das zulässige Vorgehen positiv umschreibt.

In einem zweiten Schritt wurden die von der nachrichtendienstlichen Aufsicht geäusserten Bedenken durch die Verankerung eines Zeitrahmens aufgenommen: Der Nachweis ist spätestens innert Jahresfrist zu erbringen. Gelingt dies nicht oder können entsprechende Tätigkeiten bereits früher ausgeschlossen werden, sind alle einschlägigen Daten nach Wegfall des Verdachts umgehend zu löschen.

Schliesslich wurde das Kriterium des strafbaren Verhaltens fallengelassen beziehungsweise ersetzt. Dies weil die innere Sicherheit der Schweiz auch durch strafloses Tun gefährdet werden kann, vor allem aber weil sich fristauslösendes und fristbeendendes Verhalten am selben Kriterium orientieren soll.

Art. 5a (neu)

Einsatz von Dienstwaffen

Der NDB nimmt nachrichtendienstliche Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit wahr, namentlich in Bezug auf Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst, gewalttätigen Extremismus, verbotenen Handel mit Waffen und radioaktiven Materialien sowie verbotenen Technologietransfer. Seine Aufgabe ist u. a. die Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen. Die mit der Beschaffung befassten 30

SR 120

7863

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegen sich dabei namentlich bei der Anbahnung und der Pflege von Kontakten zu entsprechenden Strukturen teilweise in einem schwerstkriminellen Milieu, in dem ein Menschenleben bisweilen wenig zählt. Seit je versehen die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deshalb ihren Dienst soweit notwendig bewaffnet. Da mit der Schaffung des NDB einerseits bisherige Anknüpfungspunkte mit dem Polizeibereich (und damit der Ausnahme vom Waffengesetz) teilweise wegfallen, und andererseits das nachrichtendienstliche Aufgabengebiet beziehungsweise die mit ihm einhergehende Gefährdungslage die Bewaffnung von bestimmten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nachvollziehbar rechtfertigen kann, soll im Sinne der Nachführung einer bewährten Regelung eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Tragen von Dienstwaffen geschaffen werden. Es geht also mitnichten um eine «flächendeckende» Bewaffnung des NDB, sondern darum, auch inskünftig bei gegebener aufgabenbezogener Gefährdung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDB mit einer ausschliesslich zu ihrem Selbstschutz bestimmten Waffe ausrüsten zu können. In der Praxis betrifft dies rund zehn Prozent des Personals des NDB. In diesem Zusammenhang sei auch ausdrücklich auf Artikel 16 Absatz 4 V-NDB hingewiesen: Gewalt gegen Personen zwecks Informationsbeschaffung ­ und damit die Zwangsanwendung wie bei den Polizeibehörden ­ ist und bleibt verboten.

Abs. 1 Nach Absatz 1 bezeichnet der Bundesrat, ausgehend vom Dienstauftrag, die zu bewaffnenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die dafür notwendige Ausbildung an der Waffe. Das Ziel ist die Beschränkung der Bewaffnung auf Personen, die aufgrund ihrer dienstlichen Funktion gefährdet sind. Davon sind rund zehn Prozent des Personals des NDB betroffen.

Abs. 2 und 3 Nach Absatz 2 ist der Waffengebrauch einzig und allein im Rahmen von Notwehr und Notstand zulässig. Für die bewaffneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten somit dieselben Rechtsgrundsätze wie für jede andere Person in einer vergleichbaren Lage auch. In Absatz 3 wird ausdrücklich festgehalten, dass einer verletzten Person der nötige Beistand zu leisten ist.

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Das öffentliche Interesse am Schutz von Leib und Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDB bei
der Ausübung ihrer Tätigkeit ist offenkundig. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit setzen sowohl Notwehr als auch Notstand voraus, dass das gefährdete Gut preisgegeben werden muss, wenn es dem Berechtigten zuzumuten ist. Der Rechtfertigungsgrund setzt also schon per se die Notwendigkeit verhältnismässigen Eingreifens voraus.

Art. 9 (neu)

Verbot von Tätigkeiten

Das Verbot von Tätigkeiten soll lenkend auf das Verhalten von Privatpersonen einwirken und so konkrete Gefährdungen der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz gar nicht erst entstehen lassen.

Nach heutigem Recht können solche Verbote nur gestützt auf die Bundesverfassung und unter sehr hohen Voraussetzungen verhängt werden. Die Verfassung ermächtigt den Bundesrat, Verordnungen und Verfügungen zur Wahrung der Landesinteressen 7864

zu erlassen (Art. 184 Abs. 3 BV) und Massnahmen gegen unmittelbar drohende schwere Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz zu treffen (Art. 185 Abs. 3 BV). Die auf diese beiden verfassungsrechtlichen Bestimmungen gestützten Verordnungen müssen indessen befristet werden und können nicht auf unbegrenzte Zeit immer wieder verlängert werden.

Andernfalls würde die Verfassung ausgehöhlt. Deshalb soll auf Gesetzesebene eine Möglichkeit geschaffen werden, bei gegebener Gefährdung der Sicherheit der Schweiz bestimmte Tätigkeiten verbieten zu können.

Die neue Bestimmung berührt die erwähnten Kompetenzen des Bundesrates nach den Artikeln 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV nicht. Sie bleiben parallel weiter bestehen.

Der Rechtsmittelweg verläuft bei Verboten oder Massnahmen, die vom Bundesrat kraft der Bundesverfassung verhängt werden, anders als bei einem Verbot durch das Departement gemäss der vorgeschlagenen Neuregelung. Die Entscheide des Bundesrates sind Regierungsakte; sie können nur dann vor einem Bundesgericht angefochten werden, wenn das Völkerrecht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt31. Ist dem nicht so, sind Entscheide des Bundesrates endgültig. Demgegenüber ist vorgesehen, dass gegen gestützt auf das BWIS ergangene Verfügungen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht möglich ist, dessen Entscheid an das Bundesgericht weiterziehbar ist. Die in diesem Zusammenhang von vereinzelten Vernehmlassungsteilenehmerinnen und -teilnehmern ausdrücklich oder sinngemäss erhobene Kritik, die Beschwerdemöglichkeit laufe auf eine Umkehr der Beweislast hinaus, wird im Gutachten Biaggini (vgl. Ziff. 2.1.1) ausdrücklich verneint. Vielmehr soll und muss Korrelat der neuen Kompetenz ein starker Rechtsschutz sein!

Zu gegebener Zeit wird zu prüfen sein, ob das Tätigkeitsverbot ­ weil zwangspolizeilicher Natur ­ in das zurzeit im Ausarbeitungsstadium befindlichen Bundesgesetz über die polizeilichen Aufgaben des Bundes (PolAG) zu transferieren sein wird. Da sich jedoch das Parlament voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt mit dem PolAG befassen wird, steht der Behandlung der Norm im vorliegenden Gesetzgebungspaket nichts entgegen.

Im Übrigen ist (mit Blick auf vergleichbare Erlasse in der Vergangenheit) im langjährigen Vergleich mit
einem bis maximal einigen wenigen Fällen pro Jahr auszugehen, weshalb der beim EJPD damit verbundene Aufwand nicht separat ausgewiesen wird.

Abs. 1 Die Vorsteherin oder der Vorsteher des EJPD erhält die Kompetenz, gegen Tätigkeiten, mit denen eine konkrete Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz einhergeht, ein verwaltungsrechtliches Verbot zu verhängen. Vorgängig ist zwingend der NDB anzuhören bzw. wird in der Regel der NDB hierzu einen begründeten Antrag stellen. Damit wird ein analoges Vorgehen wie bei der Sicherstellung, Beschlagnahme und Einziehung von Propagandamaterial nach dem heutigen Artikel 13a BWIS gewählt (Verfügung EJPD bzw. fedpol nach Anhörung VBS bzw.

NDB).

31

Vgl. BGE 125 II 417 ff.; Diese Rechtsprechung ist auch in Art. 83 Bst. a des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (SR 173.110) und in Art. 32 Abs. 1 Bst. a des Verwaltungsgerichtsgesetzes (SR 173.32) verankert.

7865

Es gibt Handlungsweisen, die auf den ersten Blick harmlos oder gar fördernswert scheinen, wie beispielsweise Geldsammlungen für einen in einem ausländischen Krisengebiet gelegenen Witwen- und Waisenfonds. Nicht selten gelangen dabei aber einerseits erpressungsähnliche Druckmassnahmen zur Anwendung (so werden beispielsweise die Mitglieder der hier ansässigen Diaspora direkt auf im Heimatland verbliebene Familienangehörige angesprochen und diesen für den Fall einer verweigerten Spende Benachteiligungen in Aussicht gestellt), sofern die Sammlung nicht von einem anerkannten Hilfswerk ausgeht. Anderseits werden die so gesammelten Gelder teilweise nicht dem in der Schweiz für die Sammlung angegebenen, sondern mindestens teilweise einem ganz anderen Zweck zugeführt, wie beispielsweise dem Kauf von Waffen für eine im Krisengebiet aktive Widerstandsbewegung. Für solche Machenschaften lässt sich indessen oft kaum ein direkter Beweis erbringen: Die in der Schweiz zu Spenden genötigten Personen schweigen aus Angst um sich und ihre im Heimatland verbliebenen Familienangehörigen, Freunde und Bekannten. Der Transfer des Geldes ins Ausland lässt sich zwar verfolgen, doch verliert sich dann die Spur des Geldes in verschlungenen Geldtransfers, in mangelnden, gefälschten oder korrupt erlangten echten, aber inhaltlich falschen ausländischen Bescheinigungen über die Verwendung des Geldes und so fort. Auch direkte Nachfragen im Zielland scheiden wegen der möglichen Gefährdung der involvierten Personen aus.

Hinzu kommt, dass die zur Spendensammlung benutzten Organisationen oft häufig den Namen wechseln, ihr Auftreten immer wieder ändern und zur «Spendensammlung» nicht selten im Ausland wohnhafte Drittpersonen einsetzen.

Der Departementsvorsteher oder die Departementsvorsteherin des EJPD muss Umfang und Inhalt des Verbotes so genau wie möglich umschreiben. Geprüft und verworfen wurde die im Vernehmlassungsverfahren teilweise geforderte Auflistung von zu verbietenden Handlungen im Gesetz: Eine solche Liste mit verbotsfähigen Handlungen wäre einerseits eine direkte Einladung zur Umgehung, und andererseits bestünde keine Möglichkeit, andere oder neue Bedrohungsformen rasch zu unterbinden. Sollen möglichst alle Schattierungen des unerwünschten, sicherheitsgefährdenden Verhaltens erfasst werden, lassen sich die Kriterien
kaum enger fassen.

Entgegen der Befürchtung einzelner Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ist das Tätigkeitsverbot kein Instrument zur Bekämpfung der Opposition.

Vielmehr richtet es sich nur gegen Bestrebungen, die terroristische oder gewaltextremistische Umtriebe fördern und damit die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz konkret gefährden. Im Vordergrund steht somit die Verhinderung einer ­ nicht a priori strafbaren ­ konkreten Gefährdungshandlung.

In der Verbotsverfügung erfolgt der Hinweis auf die Strafdrohung nach Artikel 292 StGB, soweit bei Ungehorsam eine Bestrafung erfolgen soll. Ein gesetzlicher Verweis auf die strafrechtliche Norm erübrigt sich, da ihm bloss deklaratorischer Charakter zukäme.

Abs. 2 Verbote nach Absatz 1 können die Betroffenen an der Ausübung von Grundrechten hindern, weshalb sie zu befristen sind. Die Behörden werden so gezwungen, nach Ablauf der Gültigkeit eines Verbotes wiederum zu prüfen, ob die Anordnungsvoraussetzungen nach wie vor erfüllt oder hinfällig sind.

Sind die Anordnungsvoraussetzungen nach wie vor erfüllt, kann die Gültigkeitsdauer eines Verbots so lange verlängert werden, wie es die Umstände erfordern. Als Folge der jeweils maximal zulässigen Befristung auf 5 Jahre ist das Departement zur 7866

regelmässigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen verpflichtet. Sind die Anordnungsvoraussetzungen hinfällig, so ist das Verbot von der Vorsteherin oder dem Vorsteher des EJPD ­ also derselben Instanz wie bei der Anordnung ­ umgehend aufzuheben.

Abs. 3 und 4 Hier wird die Grundlage geschaffen, dass, gestützt auf das BWIS, ergangene verwaltungsrechtliche Verbote bestimmter Tätigkeiten mit voller Kognition beim Bundesverwaltungsgericht angefochten und anschliessend an das Bundesgericht weitergezogen werden können.

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Das Verbot von Tätigkeiten ist ein schwerer Grundrechtseingriff und kann mehrere Grundrechte tangieren, soweit diese Grundrechte die entsprechenden Tätigkeiten schützen, so beispielsweise die Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV), die Glaubensund Gewissensfreiheit (Art. 15 BV), die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) oder die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Nach Artikel 36 BV müssen solche Beschränkungen vor allem durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Das öffentliche Interesse ergibt sich aus der im Aufgabenbereich des BWIS verankerten Pflicht, frühzeitig Gefährdungen durch Terrorismus und gewalttätigen Extremismus zu erkennen und zu bekämpfen. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit ist festzuhalten, dass das Verbot einer bestimmten Tätigkeit unter den im Gesetz genannten Bedingungen nicht a priori unverhältnismässig ist; die erforderliche Güterabwägung ist im konkreten Einzelfall vorzunehmen. Das Gutachten Biaggini (vgl. Ziff. 2.1.1) bestätigt, dass die Norm kompetenzgemäss und einer grundrechtskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich ist.

Art. 10a (neu)

Lagedarstellung

Die Bestimmung regelt eine Aufgabe, die bereits seit längerer Zeit von den Sicherheitsorganen des Bundes wahrgenommen wird (vgl. die Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport32, insbesondere Art. 8 Abs. 3 Bst. c und d, sowie Art. 15 Abs. 3 BWIS und Art. 25 Abs. 2 Bst. g ISV-NDB).

Der NDB sorgt für eine umfassende Beurteilung und Darstellung der Bedrohungslage. Dazu führt er unter anderem das Bundeslagezentrum (BLZ), das die relevante Lage aus den Teilbereichen der inneren Sicherheit (Kantone, andere Bundesstellen) zu einem Gesamtbild integriert und bei besonderen Ereignissen (z. B. Grossanlässen) massgeblich an der Führung des nationalen Nachrichtenverbundes mitwirkt.

Zur Aufgabenerfüllung betreibt das BLZ ein elektronisches Informationssystem (Elektronische Lagedarstellung, ELD). Es besteht keine technische Verbindung zwischen dem Staatsschutzinformationssystem (ISIS) und dem Lageinformationssystem. Soweit dies zur Lagedarstellung erforderlich ist, kann das System Personendaten und auch besonders schützenswerte Personendaten (vgl. Art. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199233 über den Datenschutz [DSG]) enthalten. Dies ist notwendig, da das DSG den Begriff der Person und der Personendaten sehr weit 32 33

SR 172.214.1 SR 235.1

7867

fasst und die Darstellung und Beurteilung von sicherheitsrelevanten Ereignissen oft ohne Berücksichtigung der Personendaten unmöglich ist (z. B. Lageverbund zum World Economic Forum (WEF) in Davos: das WEF ist als Stiftung eine vom Datenschutzrecht geschützte juristische Person). Bei besonderen Ereignissen wie bei der EURO 08, bei denen eng mit Partnerstaaten zusammengearbeitet wird (bei der EURO 08 betraf dies Österreich), können Teile des ELD ausnahmsweise auch ausländischen Sicherheits- und Polizeibehörden zugänglich gemacht werden. Dasselbe gilt für private Stellen, wobei mit Privaten nur solche Personen gemeint sind, die bei der Ereignisbewältigung eine wichtige Funktion erfüllen und die in den Nachrichtenverbund integriert sind. Dies kann z.B. die SBB betreffen.

Art. 11 Abs. 2, 3, 4 (neu), 5 (neu), 6 (neu), 7 (neu) Nach Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b BWIS hält das Departement in einer vertraulichen Liste die Organisationen und Gruppierungen fest, bei denen der konkrete Verdacht besteht, dass sie die innere oder die äussere Sicherheit gefährden. Nach Artikel 11 Absatz 3 BWIS ist die Liste dem Bundesrat jährlich zur Genehmigung und anschliessend der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) zur Kenntnisnahme zu unterbreiten. Die Liste (auch Beobachtungsliste genannt) muss alle vier Jahre einer Gesamtbeurteilung unterzogen werden (Art. 27 Abs. 3 V-NDB).

Die Beobachtungsliste ist ein Führungsinstrument des Bundesrates. Seit dem 11. September 2001 geht die internationale Gemeinschaft verstärkt gegen den Terrorismus vor. Die Bedeutung der Abstimmung der Beobachtungsliste auf internationale Präventionsmassnahmen nahm damit in einem Masse zu, wie dies der Gesetzgeber nicht hatte voraussehen können. Vor allem durch den Einbezug der internationalen Listen hat die Beobachtungsliste in den vergangenen Jahren eine beträchtliche Erweiterung erfahren.

Mit der Aufnahme einer Organisation oder Gruppierung in die Beobachtungsliste sind keine Sanktionen (z. B. Organisationsverbot) wie beim Listensystem des UN-Sicherheitsrates nach Resolution Nr. 1267 verbunden. Im Gegensatz zu dieser Liste werden in die Beobachtungsliste auch keine Einzelpersonen aufgenommen.

Und schliesslich bleibt dank dem jährlichen Genehmigungsverfahren durch den Bundesrat der Handlungsspielraum, eine Gruppierung von der Liste zu entfernen,
vollständig gewahrt.

Bereits im Jahr 2005 hat die GPDel, der die Beobachtungsliste jährlich zur Kenntnisnahme vorgelegt wird, die Frage des Listings und Delistings internationaler Gruppierungen, die auf internationalen Listen geführt werden, in einem Schreiben an den Vorsteher EJPD aufgeworfen. Ende August 2007 wurde das damals zuständige fedpol beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem BJ einen materiellen Vorschlag zur gesetzlichen Verankerung der bereits bestehenden Praxis zur Berücksichtigung der internationalen Listen auszuarbeiten.

Mit der vorgeschlagenen Teilrevision des BWIS soll dem Anliegen der GPDel Rechnung getragen und die Bearbeitung von Daten aus den internationalen Listen genügend gesetzlich geregelt werden.

Abs. 2 Der bisherige Absatz 2 Buchstabe a. BWIS wird neu zu Absatz 2.

7868

Abs. 3 Neben der bisherigen Regelung der Aufnahme von Organisationen und Gruppierungen in die Beobachtungsliste, über die der konkrete Verdacht besteht, dass sie die innere oder die äussere Sicherheit gefährden (1. Satz) erfährt die Beobachtungsliste eine Erweiterung auf die Daten, die aus den internationalen Listen übernommen werden (2. Satz).

Die Voraussetzungen für die Aufnahme der Daten sind unterschiedlich. So werden im Normalfall Organisationen und Gruppierungen in die Beobachtungsliste aufgenommen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass sie die innere oder äussere Sicherheit gefährden. Die Organisationen und Gruppierungen aus den internationalen Listen hingegen werden in die Beobachtungsliste bereits gestützt auf die Tatsache ihrer Aufnahme in eine dieser Listen aufgenommen. In periodischen Zeitabständen wird vor allem in formeller Hinsicht abgeklärt, ob sie weiterhin auf den internationalen Listen figurieren und ob eine Gefährdung der Sicherheit der Schweiz durch sie nicht weitgehend ausgeschlossen werden kann. Eine materielle Überprüfung ist nicht immer möglich, so vor allem dann, wenn die entsprechende Organisation in der Schweiz (noch) nicht aktiv ist. Dennoch ist es wichtig, dass sie so lange auf der Beobachtungsliste geführt werden, als sie auf den internationalen Listen figurieren. Nur so z. B. kann ein Ausweichen einer international als gefährlich eingestuften Organisation in die Schweiz frühzeitig erkannt und können geeignete Massnahmen gegen ihre Ausbreitung getroffen werden.

Das Gesetz präzisiert den Begriff «internationale Listen». Dabei handelt es sich um Listen von internationalen Organisationen für kollektive Sicherheit wie diejenige der Organisation der Vereinten Nationen, oder von supranationalen Gemeinschaften wie diejenige der Europäischen Union. Diese Konkretisierung erlaubt es, andere Listen auszuschliessen, die z. B. von einem einzelnen Land oder von Organisationen verfasst wurden, die dazu vom internationalen Recht nicht ermächtigt sind oder deren Mandat keine internationale Geltung hat. Die Herausgeber der internationalen Liste müssen folglich internationale Organisationen oder supranationale Gemeinschaften sein, die über ein Mandat zur Wahrung der internationalen Sicherheit und zum Kampf gegen den Terrorismus verfügen.

Abs. 4 Die Aufnahme einer Organisation oder
Gruppierung in die Liste bewirkt, dass die Sicherheitsorgane über sie und ihre Exponenten alle verfügbaren Informationen bearbeiten dürfen, also auch solche, welche unter die Schranken von Artikel 3 BWIS fallen würden (z. B. Veranstaltung einer friedlichen Kundgebung, Durchführung von Propagandaaktionen). Diese Bearbeitung kann wichtig sein, um sich ein Gesamtbild über die Tätigkeit, das Potenzial oder die Führungsstrukturen einer als gefährlich beurteilten Organisation machen zu können.

Abs. 5, 6 und 7 In Absatz 5 wird das sogenannte «Delisting» geregelt: Aufhebung der Nennung auf einer internationalen Liste nach Absatz 3 und kein konkreter Verdacht auf Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz.

Absatz 6 nimmt in Bezug auf die massgeblichen Listen internationaler Organisationen oder supranationaler Gemeinschaften bzw. der jeweiligen Überprüfungskriterien eine Delegation an den Bundesrat vor. Absatz 7 verankert das Prinzip der Genehmigung durch den Bundesrat und der Orientierung der GPDel.

7869

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Die Teilrevision von Artikel 11 bewegt sich im Rahmen des BWIS, das sich seinerseits auf die ungeschriebene Bundeskompetenz zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz und die Aufgaben des Bundes zur Wahrung der inneren Sicherheit (Art. 173 BV) stützt. Sie hält sich in jeder Hinsicht an den in Artikel 2 Absatz 1 und 2 BWIS verankerten Aufgabenbereich.

Die im Rahmen der vorliegenden Änderung vorgeschlagene Erweiterung der Beobachtungsliste kann in Grundrechte eingreifen. Tangiert werden können insbesondere die Privatsphäre (Art. 13 BV), die Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV) oder die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV).

Nach dem Wortlaut von Artikel 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz der Grundrechte Dritter gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren. Zudem darf der Kern der Grundrechte nicht verletzt werden. Einschränkungen eines Grundrechtes sind zulässig, sofern konkrete Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit in schwerwiegender Weise gefährdet oder verletzt werden.

Die Aufnahme von Organisationen und Gruppierungen in die Beobachtungsliste ist formell im BWIS verankert. Damit ist dieses Kriterium erfüllt. Das öffentliche Interesse besteht im Schutz der inneren oder äusseren Sicherheit sowie in der frühzeitigen Erkennung von Gefährdungen durch Terrorismus oder gewalttätigen Extremismus. Zweifellos ist ein legitimes öffentliches Interesse vorhanden. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit des staatlichen Eingriffs sind grundsätzlich auch die mit den jeweiligen Massnahmen einhergehenden Begleitumstände im Einzelfall zu berücksichtigen. Bewirkt die Aufnahme der auf den internationalen Listen figurierenden Organisationen und Gruppierungen in die Beobachtungsliste eine Sensibilisierung der zuständigen Behörden und eine Steigerung ihrer Aufmerksamkeit bezüglich der Tätigkeiten dieser Organisationen und Gruppierungen im Ausland, so stellt diese Aufnahme in die Beobachtungsliste das angemessene Mittel dar, um nützliche Informationen zu gewinnen, anhand derer die Gefährdung beurteilt und ihr vorgebeugt werden kann. Bezüglich der Notwendigkeit des Mittels ist es offensichtlich, dass die Aufnahme in die
Beobachtungsliste den nötigen Überblick über mögliche Gefährdungspotentiale verschaffen kann. Hervorzuheben ist, dass die Beobachtungsliste ein Führungsinstrument des Bundesrates darstellt und mit der Aufnahme einer Organisation oder Gruppierung keine Sanktionen verbunden sind. Die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn, das heisst, das Abwägen, ob das öffentliche Interesse dasjenige der betroffenen Organisation oder Gruppierung überwiegt, lässt sich erst im konkreten Einzelfall beurteilen. Die Verfassungskonformität ist gegeben.

Art. 13 Abs. 1bis (neu), 3 und 4 Abs. 1bis (neu) Seit dem 1. Januar 2010 gehört der NDB zu keiner der in Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200034 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) ausdrücklich genannten Behörden mehr, denen Auskünfte 34

SR 780.1

7870

über Fernmeldeanschlüsse (Name, Adresse und, sofern vorhanden, Beruf der Teilnehmerin oder des Teilnehmers bzw. Kommunikationsparameter und Nummerierungselemente wie Kennzahlen, Rufnummern und Kurznummern bzw. Art der Anschlüsse) erteilt werden dürfen. Da das Einholen solcher Auskünfte zum nachrichtendienstlichen Tagesgeschäft gehört, soll einerseits das BÜPF (vgl. nachfolgende «Änderung bisherigen Rechts») entsprechend angepasst, und andererseits ­ aus Transparenzgründen ­ der für die Auskünfte zuständige Dienst im BWIS aufgeführt werden. Dies geschieht in einem eigenständigen Absatz, um die Unterscheidung zwischen den Strafverfolgungsbehörden einerseits und dem NDB andererseits zu betonen. Selbstredend ist das Auskunftsrecht im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips auf die Erfüllung von nachrichtendienstlichen Aufgaben beschränkt.

Zu betonen bleibt, dass der Inhalt der Kommunikation vollständig geschützt bleibt und in keinerlei Hinsicht zur Disposition steht. Gleiches gilt für die sogenannten Verkehrs- oder Randdaten, die nur den Strafverfolgungsbehörden nach der Genehmigung durch ein Zwangsmassnahmengericht zur Verfügung stehen.

Abs. 3 Da Erkenntnisse über eine Bedrohung durch Terrorismus, verbotenen politischen oder militärischen Nachrichtendienst, verbotenen Handel mit Waffen und radioaktiven Materialien oder durch verbotenen Technologietransfer dauerhaft mitzuteilen sind (vgl. Art. 13a nachfolgend), ist in Artikel 13 die Delegation an den Bundesrat auf die verbleibenden Bereiche zu beschränken. Es sind dies der gewalttätige Extremismus und der verbotene wirtschaftliche Nachrichtendienst.

Abs. 4 Die in diesem Absatz bisher enthaltene Regelung wird aufgehoben und neu als eigenständiger Artikel gegliedert (vgl. Art. 13b nachfolgend).

Art. 13a

Besondere Auskunftspflicht der Behörden

Der geltende Artikel 13a BWIS (Sicherstellung, Beschlagnahme und Einziehung von Propagandamaterial) wird aus gesetzessystematischen Gründen neu zu Artikel 13e; materielle Änderung geht mit der Verschiebung keine einher (vgl. Erläuterung zu Art. 13e).

Bezogen auf Artikel 13 handelt es sich beim neuen Artikel 13a um eine Spezialnorm. Einerseits beschränkt sie sich auf einen Teilbereich des gesetzlichen Aufgabenbereichs. Andererseits geht sie weiter, weil sie für alle Behörden des Bundes, der Kantone und für Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, Geltung beansprucht. Nicht darunter fallen aber beispielsweise Kantonalbanken, da diese nicht hoheitlich handeln.

Abs. 1 Absatz 1 legt für bestimmte Gefährdungsarten eine Auskunftspflicht fest, sofern diese bedeutsame Rechtsgüter zu verletzen drohen.

Die Gefährdungsarten sind in Buchstabe b abschliessend aufgezählt. Es geht dabei um terroristische Tätigkeiten, verbotenen politischen oder militärischen Nachrichtendienst und Proliferation, d. h. um Gefährdungen, die aufgrund ihres Potenzials die Grundwerte der Schweiz bedrohen können. Als solches richten sie sich gegen parlamentarische, richterliche oder Regierungsinstitutionen und stellen die Existenz oder das richtige Funktionieren der Schweiz in Frage. Werden Bürgerinnen und 7871

Bürger bei der Ausübung ihrer Volksrechte behindert oder eingeschüchtert, fördert dies ein Gefühl der Unsicherheit und der Staat läuft Gefahr, dass sein demokratisches System unterminiert wird. Entsprechend dem mit der Rückweisung an den Bundesrat verbundenen Auftrag wurden die Bedrohungen soweit möglich konkretisiert, mit der V-NDB abgestimmt (vgl. Art. 4 Abs. 1 V-NDB) und die dafür massgeblichen Rechtsgüter beispielhaft genannt. Damit besteht auch eine klare Grenze zu Bagatellfällen.

Die Bestimmung verpflichtet im Rahmen und nach den Grundsätzen der Amtshilfe grundsätzlich alle Behörden und Verwaltungseinheiten des Bundes und der Kantone zur Auskunft. Der Adressatenkreis ergibt sich aus Artikel 13 Absatz 3 BWIS bzw.

aus der Verordnung vom 7. November 200135 betreffend die Ausdehnung der Auskunftspflichten und des Melderechts von Behörden, Amtsstellen und Organisationen zur Gewährleistung der inneren und äusseren Sicherheit («Auskunfts- und Meldeverordnung»). Leitgedanke ist, dass sich das Gemeinwesen integral (Bund, Kantone, Gemeinden) an der Gefahrenabwehr beteiligen soll, wenn im eingeschränkten Anwendungsbereich dieser Bestimmung (terroristische Tätigkeiten, politischer und militärischer Nachrichtendienst, verbotener Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien und verbotener Technologietransfer) eine konkrete Gefahr für die Sicherheit der Schweiz vorliegt. Zu den Verwaltungseinheiten des Bundes zählen zum Beispiel auch die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) oder die für Ausweise zuständigen Behörden. Zu den Verwaltungseinheiten der Kantone gehören auch diejenigen der Gemeinden; sie sind vom Begriff «Kanton» miterfasst. Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, werden ebenfalls zur Auskunft verpflichtet. Nach Artikel 2 Absatz 4 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199736 (RVOG) handelt es sich dabei um mit Verwaltungsaufgaben betraute Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung angehören. Eine Auflistung der betroffenen Organisationen im BWIS selber ist aus praktischen Gründen nicht möglich. Zudem wäre eine solche Auflistung in einem Gesetz zu einschränkend, weil gegebenenfalls den rasch ändernden Verhältnissen nicht rechtzeitig Rechnung getragen werden könnte. Deshalb soll von einer Auflistung im Gesetz
abgesehen und stattdessen für die Bezeichnung der Organisationen, die der Auskunftspflicht unterstehen, eine Delegation an den Bundesrat vorgesehen werden (vgl. Abs. 3).

Die Formulierung «im Einzelfall» soll verdeutlichen, dass die zur Auskunft verpflichteten Behörden zwar dauerhaft, aber nur bezogen auf bestimmte, konkrete Einzelfälle und erst auf entsprechendes Auskunftsersuchen des NDB oder in seinem Auftrag handelnder kantonaler Sicherheitsorgane hin Auskunft zu erteilen haben.

Weil die Auskunftspflicht nur einzelfallweise und einzig bezogen auf konkrete Gefahren gegeben ist, rechtfertigt sich auch der tendenziell breiter gefasste Adressatenkreis.

Die bei den Behörden und Organisationen eingeholten Auskünfte richten sich an den NDB; er ist der Empfänger. Die von den Kantonen mit Sicherheitsaufgaben betrauten Behörden können im Auftrag des Bundes tätig werden und unmittelbar bei den auskunftspflichtigen Behörden und Organisationen Auskünfte einholen, um sie dem NDB zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorgehen ist mit dem im Gesetz vorgesehenen System kohärent (vgl. Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 BWIS). Kommt es 35 36

SR 120.1 SR 172.010

7872

hinsichtlich der Auskunftspflicht zu einer Meinungsverschiedenheit, besteht diese zwischen der auskunftsverweigernden Behörde oder Organisation und dem NDB, nicht aber mit der kantonalen Behörde, die im Auftrag des NDB die umstrittene Auskunft einholen wollte.

Der Sicherheit von Expertinnen und Experten des schweizerischen Expertenpools für zivile Friedensförderung und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die humanitären oder im Menschenrechtsbereich tätigen Organisationen zur Verfügung gestellt wurden, ist während im Ausland laufender Missionen besondere Achtung zu schenken. Insbesondere gilt es allfälligen Vertraulichkeitsklauseln, speziellen Verhaltenscodes oder «standard operating procedures» in geeigneter Form Rechnung zu tragen. Massgebend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

Abs. 2 Artikel 13a regelt die Aufhebung des Amtsgeheimnisses. In diesem Zusammenhang machten die Sozialversicherungs- und Steuerbehörden geltend, in ihrem Bereich gehe es nicht bloss um die Aufhebung eines Amtsgeheimnisses, sondern um die Aufhebung eines qualifizierten Amtsgeheimnisses. Dies bedürfe einer speziellen Regelung.

Im Sozialversicherungsbereich ist die Datenweitergabe in den jeweiligen Spezialgesetzen detailliert geregelt und bildet eine in sich geschlossene, umfassende und abschliessende Ordnung. Entsprechend wird das Amtsgeheimnis gegenüber den Sicherheitsorganen von Bund und Kantonen in den jeweiligen Spezialerlassen aufgehoben, wenn und soweit die Bedingungen von Artikel 13a erfüllt sind. Analoge Regelungen in den jeweiligen Spezialgesetzen finden sich für Sozialhilfebehörden, Zivilgerichte, Strafgerichte, Strafuntersuchungsbehörden, Betreibungsämter und Steuerbehörden.

Weniger einheitlich präsentiert sich die Situation im Steuerbereich. Zwar finden sich in einigen Bestimmungen Vorschriften über die Geheimhaltungspflicht oder die Schweigepflicht, doch besteht für die Datenweitergabe kein mit dem Sozialversicherungsbereich vergleichbares System. Auch ist der Begriff des Steuergeheimnisses nirgends explizit definiert (Umschreibungen finden sich jedoch in der Fachliteratur, so beispielsweise: «Steuergeheimnis ist jede einer mit steuerlichen Aufgaben betrauten Person in Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit anvertraute oder ihr sonst wie zur Kenntnis gelangte persönliche Tatsache eines
Steuerpflichtigen, die Steuerakten sowie die Verhandlungen innerhalb der Steuerbehörden37»). Hingegen schützt das Steuergeheimnis über das allgemeine Amtsgeheimnis hinaus auch private Interessen (Persönlichkeitsschutz). Alles in allem rechtfertigt es sich deshalb, dem Steuergeheimnis mit einer Spezialregelung Rechnung zu tragen. Verankert wird vorab der Grundsatz, dass auch die Steuerbehörden auskunftspflichtig sind. Ansprechpartner für die Auskunftserteilung ist die für die jeweilige Steuer zuständige eidgenössische oder kantonale Behörde. Besteht zwischen dem NDB und der zuständigen Behörde Einigkeit über die Auskunftspflicht, kann die Auskunft ohne weitere Formalitäten erteilt werden. Bei Dissens gelangt das Verfahren nach Artikel 13b (Streitigkeiten über die Auskunftspflicht) zur Anwendung, d. h. der abschliessende Entscheid über die Auskunftspflicht obliegt bei eidgenössischen Steuern dem Bundesrat und bei kantonalen oder kommunalen Steuern dem Bundesverwaltungsgericht. Mit diesem

37

Weber, M.: Berufsgeheimnis im Steuerrecht und Steuergeheimnis, Zürich 1982, S. 139.

7873

Vorgehen kann auch eine gleichmässige Anwendung des Melderechts nach Artikel 13a Absatz 5 des Gesetzesentwurfs gefördert werden.

Abs. 3 Die Sicherheitsorgane entscheiden nicht alleine über die Auskunftspflicht einer Organisation. Deshalb soll der Bundesrat die verpflichteten Organisationen auf dem Verordnungsweg abschliessend bezeichnen.

Abs. 4 Absatz 4 regelt die Datenweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden. Nach Gutachten Biaggini (vgl. Ziff. 2.1.1) ist dabei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es um die Weitergabe von Personendaten geht, ­

die von Behörden ausserhalb des Sicherheitsbereichs zu ganz anderen Zwecken erhoben wurden, und

­

die nur unter qualifizierten Voraussetzungen (Art. 13a) zum NDB gelangen konnten.

Diesem Umstand wird dadurch Rechnung getragen, dass eine Datenweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden nur dann erfolgt, wenn die Erkenntnisse zur Aufklärung schwerer Straftaten im Sinne von Artikel 141 StPO dienen (Artikel 13a soll zielgerichtete nachrichtendienstliche Abklärungen gegen verdächtige Personen ermöglichen, nicht aber zu einer (verpönten) «fishing expedition» zugunsten der Strafverfolgungsbehörden führen).

Abs. 5 Die in Absatz 1 genannten Stellen, welche die in Absatz 3 erwähnten Stellen mitumfassen, sind auch ermächtigt, den mit Aufgaben nach dem BWIS befassten Behörden von Bund und Kantonen von sich aus Sachverhalte zu melden, von denen sie annehmen, dass eine Verbindung zu Terrorismus, verbotenem politischem oder militärischem Nachrichtendienst oder verbotenem Handel mit Waffen oder radioaktiven Materialien oder verbotenem Technologietransfer bestehen könnte. Die in Absatz 1 und 3 genannten Stellen sollen somit vor dem Vorwurf bewahrt werden, eine Amtsgeheimnisverletzung zu begehen. Es besteht indessen keine Pflicht für ein systematisches Meldewesen.

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Mit dem neuen Artikel 13a soll die Bestimmung des heutigen Artikels 13 Absatz 3 BWIS auf Gesetzesstufe nachvollzogen werden. Es betrifft dies die Möglichkeit des Bundesrates, für begrenzte Zeit andere als die in Artikel 13 Absatz 1 BWIS aufgeführten Behörden der Auskunftspflicht zu unterstellen. Der Bundesrat machte davon Gebrauch, indem er nach den Al-Qaïda-Terroranschlägen vom 11. September 2001 die sogenannte Auskunfts- und Meldeverordnung erliess. Nach dreimaliger Verlängerung gilt diese Verordnung nun noch bis zum 31. Dezember 2011 (vgl. AS 2008 6269).

Artikel 13 Absatz 3 BWIS, auf den sich die «Auskunfts- und Meldeverordnung» stützt, verlangt eine zeitliche Befristung der entsprechenden Erlasse des Bundesrates. Die sich auf diese Bestimmungen abstützende Verordnung kann damit nicht beliebig verlängert werden. Sinn der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Befristung ist es, dass die Normen ins ordentliche Recht überführt werden, wenn deren Bestimmungen über einen längeren Zeitraum in Kraft bleiben sollen. Die nötige 7874

Gesetzgebung ist einzuleiten, sobald sich abzeichnet, dass die darin enthaltenen Regeln dauerhaft notwendig sind. Dieses Kriterium ist vorliegend erfüllt.

Nach den Anschlägen in Madrid 2004 erlangte die Bedrohung Europas durch den islamistischen Terrorismus im Juli 2005 eine neue Dimension.38 Nach heutiger Beurteilung ist die Schweiz zwar nicht ein direktes und primäres Ziel des Terrorismus. Die allgemeine Gefahr für terroristische Aktionen hingegen bleibt weltweit gross, wovon auch die Schweiz ­ wie andere Länder ­ betroffen ist. Der Mittelmeerraum und Kontinentaleuropa sind nicht länger nur Ruhe- oder Vorbereitungsraum.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass Terrororganisationen bereit sind, bei sich bietender Gelegenheit mit terroristischen Anschlägen gegen westliche Interessen vorzugehen. Es ist mit einer langdauernden Auseinandersetzung zu rechnen; ein Ende der Bedrohung ist zum heutigen Zeitpunkt nicht absehbar.

Der Bundesrat beauftragte das EJPD im Dezember 2002, die «Auskunfts- und Meldeverordnung» auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und ihm Bericht zu erstatten. In der Folge wurde bei den Polizeikorps der Kantone und bei denjenigen der Städte Zürich und Bern eine Umfrage durchgeführt. Dabei wurde das Schwergewicht nicht auf das Meldeaufkommen als solches (Quantität), sondern auf den inhaltlichen Wert (Qualität) der Meldungen gelegt.

Zur Evaluation wurde ursprünglich beabsichtigt, die in einem Zusammenhang mit den erweiterten Befugnissen stehenden Meldungen im Staatsschutzinformationssystem ISIS speziell zu kennzeichnen. Dieses Unterfangen stellte sich jedoch als viel zu aufwändig heraus, so dass darauf verzichtet werden musste. Zum anderen erwies es sich, dass mit der blossen Markierung von Meldungen beim Bund die Auswirkungen der «Auskunfts- und Meldeverordnung» auf kantonaler Ebene gar nicht oder bloss unzureichend erfasst wurden. Dies namentlich in denjenigen Fällen, in denen auf kantonaler Ebene Meldungen dank der erweiterten Kompetenzen mit entsprechend kleinerem Aufwand abgeklärt werden konnten, ohne dass eine spezielle Meldung an den DAP erfolgte.

Weiter wurde festgestellt, dass die «Auskunfts- und Meldeverordnung» zwar auf polizeilicher Seite, nicht jedoch auf Seiten der zur Auskunft berechtigten oder verpflichteten Personen ausreichend bekannt war. Diesem Umstand wurde anlässlich
der letzten Verlängerung mit einem entsprechend breit gestreuten Kreisschreiben an die Kantone Rechnung getragen.

Insgesamt ergab sich eine zahlenmässig eher geringe, inhaltlich jedoch deutliche Verbesserung des Meldeaufkommens.

Zusammenfassend erwies sich die Verordnung sowohl innen- wie auch aussenpolitisch von nicht zu unterschätzender Bedeutung (innenpolitisch: Gradmesser für den Willen des Bundesrates zum Kampf gegen den Terrorismus; aussenpolitisch: Signal für die Bereitschaft der Schweiz, ihre Rolle im internationalen Staatenverbund zur Bekämpfung des Terrorismus wahrzunehmen). Mit anderen Worten besteht an ihrer Weiterführung bzw. Überführung in das permanente Recht ein gewichtiges öffentliches Interesse.

Das zahlenmässig geringe, qualitativ aber hochstehende Meldeaufkommen belegt die Verhältnismässigkeit der Massnahme.

38

Bericht innere Sicherheit 2005, S. 27

7875

Art. 13b (neu)

Streitigkeiten über die Auskunftspflicht

Der Anwendungsbereich von Artikel 13b ist gegeben, wenn der NDB oder ein in seinem Auftrag tätiges kantonales Sicherheitsorgan, gestützt auf Artikel 13 oder 13a, eine Auskunft verlangt, die angefragte Stelle indessen nicht bereit ist, diese zu erteilen.

Abs. 1 Sind lediglich Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung (vgl. Art. 7 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199839 [RVOV]) hinsichtlich der Auskunftspflicht geteilter Meinung, entscheidet die gemeinsame Aufsichtsbehörde, das heisst die Vorsteherin oder der Vorsteher des antragstellenden Departements, oder bei departementsübergreifenden Fällen der Bundesrat (vgl. Art. 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 196840 [VWVG]). Käme es beispielsweise hinsichtlich einer Auskunft, die der NDB vom Bundesamt für Migration verlangt, zu Meinungsverschiedenheiten, so würde der Bundesrat entscheiden.

Abs. 2 Nach Artikel 36a des Bundesgesetzes vom 17. Juni 200541 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten in der Amts- und Rechtshilfe zwischen Bundesbehörden und zwischen den Behörden des Bundes und denjenigen der Kantone, soweit ein Bundesgesetz dies vorsieht. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist endgültig (Art. 83 Bst. v des Bundesgesetzes vom 17. Juni 200542 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Entsprechend verweist Absatz 2 auf die genannte Norm.

Art. 13c (neu)

Auskunftspflicht gewerblicher Transporteure

Abs. 1 Diese neue Auskunftspflicht gleicht derjenigen nach Artikel 13a und setzt auf die gleichen Voraussetzungen; diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu Artikel 13a Absatz 1 verwiesen werden. Hingegen wurde der Adressatenkreis aus Verhältnismässigkeitsgründen auf gewerbliche Transporteure eingeschränkt. Die Bestimmung gilt beispielsweise für Taxiunternehmen, Flug- und Eisenbahngesellschaften, Autovermietungen oder Strassentransporteure.

Aktionen von erkannten gefährlichen Personen (z. B. Spionen, Terrorverdächtigen, im Proliferationsbereich tätigen Ingenieuren) lassen sich rückwirkend oft nur mit Auskünften über ihr Mobilitätsverhalten erkennen (z. B. Unterlagen über Automiete). Analoges gilt für unmittelbar bevorstehende oder bereits erfolgte Transporte von vermuteten Proliferationsgütern oder entsprechenden Technologietransfer.

Die Transporteure sind gehalten, Auskunft über bereits vorhandene, von ihnen für ihre eigenen Zwecke erhobene Daten zu erteilen. Artikel 13c verpflichtet sie somit nicht zur Erhebung oder Aufbewahrung zusätzlicher Daten. Da die Auskunftsertei39 40 41 42

SR 171.010.1 SR 172.021 SR 173.32 SR 173.110

7876

lung über ohnehin bereits vorhandenes Datenmaterial für die Transporteure keinen nennenswerten Mehraufwand verursacht, ist keine spezielle Entschädigung durch die Sicherheitsorgane vorgesehen; die Auskunft erfolgt unentgeltlich.

Mit der Formulierung «im Einzelfall» wird verdeutlicht, dass nur dann eine Auskunftspflicht besteht, wenn der NDB oder ein in seinem Auftrag handelndes kantonales Sicherheitsorgan in einem konkreten Einzelfall mit einem Auskunftsbegehren an den Transporteur gelangt.

Abs. 2 Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auskunftspflicht von gewerblichen Transporteuren hat der NDB, sofern er an der Auskunft festhält, eine entsprechende Verfügung zu erlassen und darin insbesondere die strengen Anordnungsvoraussetzungen darzulegen. Die Verfügung kann vom gewerblichen Transporteur in erster Instanz beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden und diesen Entscheid gegebenenfalls an das Bundesgericht weiterziehen. Mit anderen Worten ausgedrückt besteht ein umfassender Rechtschutz.

Abs. 3 Es wird auf die Ausführungen zum identischen Artikel 13a Absatz 4 verwiesen, die hier analog gelten.

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b BWIS dürfen die Sicherheitsorgane für die Erfüllung ihrer Aufgaben Auskünfte einholen. Gelangen sie dafür an private Personen (seien es natürliche oder juristische), so verweigern diese teilweise unter Hinweis auf die Datenschutzgesetzgebung die Auskunft. Um im Bereich des für die Sicherheitsorgane besonders wichtigen gewerblichen Transportgewerbes solches zu verhindern, soll eine Auskunftspflicht für gewerbliche Transporteure eingeführt werden. Mit der Auskunftspflicht wird einerseits in die Berufssphäre des Transporteurs und andererseits in die Privatsphäre der so beobachteten Person eingegriffen.

Es gilt deshalb zu prüfen, ob der Eingriff in Bezug auf das zur Diskussion stehende öffentliche Interesse verhältnismässig ist. Zu betonen ist, dass Erkenntnisse von privaten Transporteuren bei der Beurteilung einer potenziellen Gefährdung von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Bewegungen bestimmter Personen (z. B.

Angehörige ausländischer Tarnunternehmen) oder Güter (z. B. Transport von vermuteten Proliferationsgütern) oder Erkenntnisse über die Häufigkeit solcher Bewegungen erlauben oftmals erst, bestimmte
konkrete Hinweise auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Zugang zu dieser Art von Informationen ist ein ebenso geeignetes wie auch notwendiges Mittel, damit der NDB die ihm übertragene präventive Gefahrenabwehr erfolgreich wahrnehmen kann.

Die Verhältnismässigkeit der Massnahme hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Wie bereits erwähnt, ist Grundvoraussetzung für die Auskunftspflicht gewerblicher Transporteure, dass die Auskunft im Einzelfall notwendig ist für das Erkennen und Abwehren einer konkreten Gefahr für die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz, die in einem der oben erwähnten, bereits beschränkten, Aufgabengebiet des BWIS vorhanden ist und ein bedeutsames Rechtsgut wie Leib und Leben betrifft. In diesem eng begrenzten Rahmen gilt es zu beachten, dass der Transporteur einzig gehalten ist, Auskunft über ihm bereits bekannte Informationen zu erteilen.

Zur aktiven Informationsbeschaffung oder zur besonderen Datenhaltung ist er nicht 7877

verpflichtet. Der Eingriff in seine Berufssphäre ist deshalb nicht unverhältnismässig.

Weiter betrifft die Auskunft keinen durch ein Berufsgeheimnis oder ein spezielles Vertrauensverhältnis geschützten Bereich. Vielmehr geht es im Regelfall um Auskünfte über Vorgänge an allgemein zugänglichen Orten wie Strassen oder Eisenbahnen. Ein unverhältnismässiger Eingriff in die Privatsphäre liegt auch hier nicht vor.

Nichtsdestotrotz wird in der Praxis ­ gleich wie bei jedem anderen Grundrechtseingriff auch ­ in jedem konkreten Einzelfall das zu schützende öffentliche Interesse gegen das ebenso zu schützende private Interesse, insbesondere den Schutz der Privatsphäre, sorgfältig und umfassend abzuwägen sein. Im Ergebnis soll also nur zum Erkennen und Abwehren von wichtigen Gefahren an gewerbliche Transporteure gelangt werden.

Art. 13d (neu)

Berufsgeheimnis

Bestimmte Berufe können «nur dann richtig und einwandfrei ausgeübt werden, wenn das Publikum auf Grund einer unbedingten Garantie der Verschwiegenheit das unentbehrliche Vertrauen zum Inhaber des Berufes hat.» (BGE 84 IV 108). Diese Voraussetzung wird zum einen durch die Strafbarkeit von Verletzungen eines Berufsgeheimnisses (z. B. Art. 321 StGB43; Art. 35 DSG) und zum andern durch die Einräumung des Rechts, auch gegenüber Behörden dem Berufsgeheimnis unterliegende Auskünfte zu verweigern, sichergestellt. Dieses Recht dient somit dem Schutz eines besonderen Vertrauensverhältnisses, welches nicht nur in gerichtlichen Verfahren, sondern immer dann zu beachten ist, wenn Private gegenüber Behörden zur Auskunft verpflichtet werden.

Das Berufsgeheimnis wird von der vorliegenden Revision nicht berührt. Dies wird entsprechend seiner Bedeutung in Artikel 13d unmissverständlich festgehalten.

Folglich ist z. B. ein Kantonsarzt im Rahmen seiner Amtstätigkeit nach Artikel 13a zwar zu allgemeinen Auskünften verpflichtet, nicht aber zu Auskünften über sein unter die ärztliche Schweigepflicht fallendes Wissen.

Art. 13e (neu)

Sicherstellung, Beschlagnahme und Einziehung von Propagandamaterial

Der eingefügte Artikel 13a BWIS muss aus gesetzessystematischen Gründen innerhalb von Artikel 13 verschoben werden. Er wird neu als Artikel 13e aufgeführt. Der Wortlaut ist mit der bisherigen Fassung identisch; materielle Änderung erfolgt keine.

Im Übrigen wird auch bei dieser Norm wegen ihrer zwangspolizeilichen Natur zu gegebener Zeit ein Transfer ins PolAG zu prüfen sein.

Art. 14a (neu)

Informantinnen und Informanten

Die Sicherheitsorgane sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf Mitteilungen und Auskünfte von Personen angewiesen, die Zugang zu relevanten Informationen haben. Während das heutige BWIS den Einsatz von Informantinnen oder Informanten impliziert (vgl. insbesondere Art. 14 Abs. 2 Bst. b und d BWIS zum Einholen von Auskünften und Entgegennehmen von Meldungen; für den Auslandbereich vgl.

Art. 16 Abs. 1 Bst. a V-NDB), finden sich keine spezifischen Bestimmungen über

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SR 311.0

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deren Einsatz, deren Rechte, Pflichten oder über Leistungen seitens des Staats. Diese rudimentäre Rechtslage soll präzisiert werden.

Abs. 1 Damit wird dem NDB ausdrücklich erlaubt, im Vollzugsbereich des BWIS Informantinnen und Informanten einzusetzen. Diese teilen dem NDB regelmässig oder einzelfallweise Erkenntnisse mit, die sie bereits wissen oder die sie freiwillig beschafft haben.

Bei Informantinnen und Informanten handelt es sich um Personen, die freiwillig mit Sicherheitsorganen zusammenzuarbeiten, ohne dass damit ein Arbeitsvertrag im Sinne von Artikel 319 des Obligationenrechts44 (OR) oder des Bundespersonalrechts zu Stande kommt. Der Umstand, dass diesen Personen Auslagen erstattet oder Prämien entrichtet werden (vgl. Abs. 2), ist kein Grund dafür, dieses Verhältnis als Arbeitsvertrag zu qualifizieren. Für einen Arbeitsvertrag im Sinne von Artikel 319 OR bedürfte es weiterer konstituierender Elemente wie eines formalrechtlichen Unterordnungsverhältnisses, wodurch die Informantin oder der Informant personalrechtlich, organisatorisch und zeitlich vom NDB abhängig würde. Eine solche Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist klar nicht der Fall.

Abs. 2 Damit Informantinnen oder Informanten, die den NDB mehr oder weniger regelmässig mit Informationen versorgen, durch ihre Tätigkeit keine finanziellen Einbussen erleiden, werden ihnen ihre Unkosten zurückerstattet. Es handelt sich bei diesen Entschädigungen nicht um steuerbares Einkommen oder Lohn im Sinne der AHVGesetzgebung. Unkosten sind Auslagen, die der Informantin und dem Informanten bei der Ausführung ihrer Tätigkeit entstehen, namentlich Kosten für Reisen oder Telekommunikation.

Zudem können Informantinnen und Informanten für besonders wichtige Informationen fallweise Prämien erhalten. Die Prämien bewegen sich in der schon heute geübten Praxis auf einem bescheidenen Niveau von höchstens wenigen Tausend Franken jährlich und erreichen die Höhe eines existenzerhaltenden Einkommens bei Weitem nicht. Damit kein falsch verstandener Erfolgsdruck entsteht, soll der finanzielle Anreiz für die Tätigkeit einer Informantin oder eines Informanten erklärtermassen nicht ausschlaggebend sein. Bescheidene Prämien werden entrichtet, wenn die Person Informationen geben kann, welche die weitere Informationsbeschaffung oder die Beurteilung
der Gefährdungslage wesentlich erleichtern. Der NDB berichtet der GPDel bereits heute jährlich über entsprechende Tätigkeiten und ihre Ergebnisse und Kosten.

Abs. 3 Das Verhältnis der Sicherheitsorgane zu Informantinnen und Informanten beruht auf gegenseitigem Vertrauen und auf der Vertraulichkeit der Beziehung nach aussen.

Würde ihre Tätigkeit zugunsten der Sicherheitsorgane der Zielperson bekannt, wären sie entsprechend den staatsschutzrelevanten Einsatzgebieten höchsten Risiken ausgesetzt. Sie können deshalb weder in Personalakten des Amtes figurieren, noch bei Sozialversicherungen gemeldet werden (und sei es auch nur zur Feststellung, dass sie von der Versicherungspflicht befreit sind). Hingegen wird ihr Einsatz schon 44

SR 220

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heute von der nachrichtendienstlichen Aufsicht im VBS und von der Geschäftsprüfungsdelegation als ordentliche Kontrollorgane des BWIS auf Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit hin kontrolliert.

Mit Absatz 3 soll neu klargestellt werden, dass allfällige Entschädigungen keiner Abgabepflicht unterliegen, wenn und soweit es für den Quellenschutz oder die weitere Informationsbeschaffung notwendig ist. Weder die Betroffenen noch das Gemeinwesen erleiden dadurch einen spürbaren Schaden, da es sich im Einzelnen wie auch insgesamt um geringe Beträge handelt; der Verwaltungsaufwand für deren Erfassung und Erhebung würde die zu erwartenden Beiträge um ein Vielfaches übersteigen.

Analoges gilt für den Auslandbereich; vgl. den neuen Artikel 7 Absatz 2 ZNDG (Die in Art. 16 Abs. 1 Bst. a der V-NDB für den Auslandbereich erwähnten «Vertrauenspersonen und Quellen» sind unter den Begriff «Informantinnen und Informanten» zu subsumieren; die sprachliche Bereinigung soll mit der Anpassung der Verordnung erfolgen).

Art. 14b (neu)

Schutz von Informantinnen und Informanten

Das Ziel dieser Massnahmen ist der Schutz von Personen, die für die Beschaffung von Informationen für die Zwecke des BWIS Risiken auf sich nehmen. Darunter fallen namentlich zwei Personengruppen: Einerseits geht es um den Schutz von Personen, die von sich aus mit den Sicherheitsorganen kooperieren und deswegen Repressalien befürchten müssen. Andererseits soll mit der Gewährung entsprechenden Schutzes aussagewilligen Personen die Kooperation ermöglicht bzw. erleichtert werden, um so notwendige Informationen zu beschaffen. Damit wird vermieden, dass (wie dies in der Vergangenheit in der Schweiz bereits mehrfach geschah) hochkarätige aussagewillige Informanten an ausländische Nachrichtendienste, die entsprechenden Schutz gewähren können, «abgegeben» werden müssen, weil die Schweiz über keine entsprechenden Schutzmöglichkeiten verfügt.

Personen, die von sich aus mit den Sicherheitsorganen kooperieren, gehen unter Umständen erhebliche Risiken ein und müssen Nachstellungen befürchten, sei es aus ihrem persönlichen Umfeld (z. B. Informantinnen und Informanten aus dem hiesigen Umfeld gewalttätiger Gruppierungen), sei es durch fremde Staaten (z. B. menschliche Quellen bei nachrichtendienstlichen Gegenoperationen, die sich zum Schein einem ausländischen Nachrichtendienst verpflichtet haben, tatsächlich aber für die Schweizer Behörden tätig sind). Die Gefährdungslage dieser Personen lässt sich mit derjenigen von verdeckten Ermittlern vergleichen, die über einen weitreichenden Schutz verfügen. Von daher rechtfertigt es sich, auch für Informantinnen und Informanten Möglichkeiten zur Gewährung eines wirksamen Schutzes zu schaffen.

Die Schutzregelungen sind von der Kronzeugenregelung klar zu unterscheiden, die ursprünglich aus dem angloamerikanischen Strafprozessrecht stammt. Als Kronzeugen kommen dort Personen in Frage, die zwar grundsätzlich mitverantwortlich für die in Frage stehende Straftat scheinen, die jedoch unter Zusicherung von Straffreiheit, Strafreduktion oder anderer prozessualer Vorteile dafür gewonnen werden können, gegen Mitbeschuldigte als Zeuginnen auszusagen. Eine Strafbefreiung im Sinne der erwähnten Kronzeugenregelung steht vorliegend nicht zur Diskussion. Bei der Prävention liegt der Fokus nicht auf der Aufklärung von konkreten Straftaten, die mit besonderen Zeugenaussagen erleichtert werden soll, sondern auf dem Erhalt von Informationen, die für die Sicherheit bedeutsam sind; damit sollen Gefährdungs7880

lagen erkannt und entschärft und wenn möglich zukünftige Straftaten verhindert werden.

Im Übrigen soll die Massnahme nur in seltenen Ausnahmefällen mit zu erwartendem hochkarätigem Informationsgewinn angewendet werden. Zu denken ist etwa an den Schutz von Personen, die wichtige Informationen zur Verhinderung von erheblichen sicherheitspolitischen Risiken geben können, beispielsweise über Planung oder Vorbereitung von Terroranschlägen, konkrete Spionageaktivitäten gegen die Schweiz oder Strukturen zur Beschaffung von Massenvernichtungswaffen unter Missbrauch der Schweiz. Um die mit einer Kooperation einhergehende Gefährdung zu minimieren, würden hier nach der ersten Kontaktnahme Sondierungsgespräche erfolgen und bei gegebenen Voraussetzungen eine Schutzvereinbarung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten verhandelt. Daran würde sich die Kooperation im eigentlichen Sinne anschliessen. Ein Schutz vor Strafverfolgung in der Schweiz oder im Ausland wäre damit nicht verbunden.

Abs. 1 Mit der Bestimmung in diesem Absatz wird die rechtliche Grundlage für Massnahmen zum Schutz von Informantinnen und Informanten geschaffen. Bei den notwendigen Massnahmen, die der NDB treffen muss, um Leib und Leben dieser Personen zu schützen, handelt es sich um Personenschutzmassnahmen und örtliche Veränderungen. Unter Personenschutz sind Massnahmen zu verstehen wie der Einsatz von Leibwächtern, Schutzfahrzeugen oder -geräten oder bauliche Massnahmen. Die örtliche Veränderung kann in einem mit Zustimmung der betroffenen Person erfolgten Wechsel an einen anderen Aufenthaltsort im In- oder Ausland bestehen. Geeignete Schutzvorkehrungen zugunsten einer ins Ausland verbrachten Person bedeuten, dass eine Person, der auf Grund der Gesamtumstände trotz allem in der Schweiz kein geeigneter Schutz geboten werden kann, an einen sichereren Ort im Ausland gebracht wird. Um die damit verbundenen Umtriebe, eventuell auch einen Erwerbsausfall, zu kompensieren, muss diese Massnahme mit einer befristeten finanziellen Unterstützung verbunden werden.

Der NDB kann die Schutzmassnahmen entweder selber treffen, oder sie finanzieren.

In der Praxis werden nur wenige solche Massnahmen notwendig sein und sich auch umsetzen lassen. Da sich aufgrund der Grösse der Schweiz hierzulande für bestimmte Gefährdungslagen kaum umfassende Schutzmassnahmen
realisieren lassen, müssten in solchen Fällen ausländische Behörden eingeschaltet werden, womit auch die Kosten kalkulierbar sind. Denkbar ist auch die Gewährung von Teilschutzaspekten, beispielsweise die Zusicherung einer Aufenthaltsregelung (sei es in der Schweiz oder in einem befreundeten Drittstaat). Der zweite Satz von Artikel 1 weist ausdrücklich auf diese Möglichkeit hin.

Abs. 2 Aus denselben Überlegungen muss der NDB auch Schutzvorkehrungen zugunsten von Personen treffen können, die einer Informantin oder einem Informanten nahe stehen, wenn deren Sicherheit von diesen Vorkehrungen abhängt. Mit der KannFormulierung wird der von Fall zu Fall notwendige Ermessensspielraum für geeignete Massnahmen sichergestellt.

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Abs. 3 Diese Bestimmung sieht als Schutzmassnahme das Ausstatten mit einer Tarnidentität vor, die im Unterschied zu den in den Absätzen 1 und 2 genannten Massnahmen erst getroffen wird, wenn der NDB seine Kontakte zu einer Informantin oder einem Informanten beendet und die Informationsquelle nicht länger einsetzt. Ist die Sicherheit dieser Person wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem NDB erheblich gefährdet, kann es diese Person mit einer bleibenden Tarnidentität ausstatten, um sie zu schützen. Die Person ist in der Folge berechtigt, diese Identität nach den Instruktionen des NDB zu benutzen. Voraussetzung für eine Tarnidentität ist die Ermächtigung des Departementvorstehers oder der Departementsvorsteherin des VBS (vgl. unten).

Von dieser Bestimmung zu unterscheiden ist die Informationsbeschaffung unter Verwendung einer Tarnidentität (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 14c).

Das Departement ist nach Artikel 27 Absatz 1bis des vorliegenden Entwurfs dazu verpflichtet, den Bundesrat und die parlamentarischen Kontrollstellen regelmässig über die Zahl der erstellten Tarnidentitäten, über den Zweck, zu dem sie erstellt worden sind, und über ihren konkreten Einsatz zu unterrichten. Dies gilt auch für Tarnidentitäten nach Absatz 3.

Abs. 4 Dieser Absatz bestimmt, dass Schutzvorkehrungen im Normalfall zeitlich zu befristen sind. Das Gesetz kann die Dauer indessen nicht abschliessend festlegen, da sie den Erfordernissen des Einzelfalles angepasst werden müssen. Ausnahmsweise kann der Departementsvorsteher oder die Departementsvorsteherin von einer zeitlichen Begrenzung absehen, wenn eine Person erkennbar auf Dauer besonders stark gefährdet ist; in einem solchen Fall können die Schutzvorkehrungen unbefristet gelten. Im Gegenzug wird das Departement verpflichtet, regelmässig zu prüfen, ob die Anordnungsvoraussetzungen noch gegeben sind und bei deren Wegfall die Schutzmassnahmen aufzuheben.

Art. 14c (neu)

Tarnidentitäten

Nachrichtendienste und polizeiliche Präventionsbehörden sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zum Schutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Beschaffung von Informationen in bestimmten Umfeldern auf die Nutzung von Tarnungen angewiesen. Die Schaffung solcher Tarnidentitäten ist typischerweise auf Dauer angelegt und kann selten erst mit der Aufnahme eines bestimmten Falles begonnen werden. Vielmehr sind ­ abhängig von der Komplexität der erforderlichen Tarnung ­ nicht selten mehrjährige Vorbereitungsarbeiten bis zur Fertigstellung der erforderlichen Tarnung notwendig.

Der strategische Nachrichtendienst SND verfügte seit 1998 auf der Basis von Artikel 99 des Militärgesetzes über die Möglichkeit, seine Beschaffungsorgane mit Tarnidentitäten auszustatten (vgl. Jahresbericht 2002/2003 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation vom 23. Januar 2004; BBl 2004 1743). Die Kontrolle hierüber übten die Vorsteherin oder der Vorsteher des VBS und der Sicherheitsausschuss des Bundesrates aus. Nach der Zusammenlegung von DAP und SND zum NDB sieht Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e. V-NDB in Bezug auf die Auslandbeschaffung ausdrücklich den Einsatz von Tarnpapieren und Legenden vor.

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Die Regelung für die Inlandbeschaffung knüpft an die bewährte Regelung der Auslandbeschaffung an. Sie sieht vor, dass die Vorsteherin oder der Vorsteher des VBS den NDB einzelfallweise ermächtigen kann, bestimmte Personen mit einer Tarnidentität auszustatten. Die Tarnidentität darf einzig und allein für zwei Zwecke benutzt werden: Sicherheit und Informationsbeschaffung.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass nach Artikel 27 Absatz 1bis des vorliegenden Entwurfs das Ausstellen und die Verwendung der Tarnidentitäten Gegenstand einer gezielten, intensiven politischen Kontrolle sein soll, in deren Rahmen das Departement den Bundesrat und die Geschäftsprüfungsdelegation jährlich zu unterrichten hat.

Abs. 1 Dieser Absatz schafft die Grundlage für den Einsatz von Tarnidentitäten zum Zweck der Informationsbeschaffung und zur Gewährleistung der Sicherheit von Beschaffungsorganen. Der Personenkreis, der mit einer Tarnidentität ausgestattet werden kann, wird in Absatz 1 abschliessend aufgezählt: ­

Buchstaben a und b: Nach der Zusammenlegung von DAP und SND zum NDB sind die Sicherheitsorgane nach BWIS zwar weniger stark als früher, aber immer noch in die schweizerischen Polizeilandschaft eingebunden und können sich bei ihrer Beschaffungstätigkeit teilweise darauf abstützen.

Trotzdem ist bei der Anbahnung und der Pflege von Kontakten zu Strukturen, namentlich im Bereich des Terrorismus oder des verbotenen Nachrichtendienstes, bisweilen ein getarntes Vorgehen nötig. Dies nicht zuletzt zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Familienangehörigen.

­

Buchstabe c: Auch Informantinnen und Informanten sollen mit Legenden ausgestattet werden können, wenn dies für die Nachrichtenbeschaffung unentbehrlich ist. Zu denken ist namentlich an Personen, die sich nur so in bestimmte staatsschutzrelevante Kreise einschleusen lassen, und die für ihren Schutz eine Tarnidentität benötigen. Informantinnen und Informanten werden zwar von den Führungsoffizieren der Sicherheitsorgane bezüglich der Informationsbeschaffung eng geführt, stehen aber nicht unter der direkten Dienstaufsicht der Sicherheitsorgane. Der Einsatz von Tarnidentitäten soll deshalb in diesen Fällen zeitlich und örtlich beschränkt werden und nur im Zusammenhang mit einer bestimmten Operation möglich sein.

Mit der Schaffung einer Tarnidentität ist auch das Recht verbunden, unter ihr Rechtsgeschäfte zu tätigen, namentlich Tarnstrukturen zu errichten. Personen mit einer Tarnidentität haben die volle Rechtspersönlichkeit und können Verträge schliessen (z. B. Anmieten von Lokalitäten und Fahrzeugen oder Fernmeldeanschlüssen, Schaffung von Tarnstrukturen wie Firmen oder andere juristische Personen).

Abs. 2 Eine Tarnidentität soll grundsätzlich so lange aufrechterhalten werden können, wie es operativ erforderlich ist. Im Gegenzug ist darauf zu verzichten, sobald die damit verfolgten Ziele erreicht sind. Um die notwendige Flexibilität zu wahren und die mit der Verwendung von Tarnidentitäten einhergehenden Risiken besser kontrollieren zu können, wird die Ermächtigung auf höchstens zwölf Monate (Informantinnen und

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Informanten) bzw. fünf Jahre (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) befristet mit Verlängerungsmöglichkeit um jeweils sechs Monate bzw. drei Jahre.

Sowohl die Grundbefristung, wie auch jeder Verlängerung der Ermächtigung ist ausschliesslich im Sinne eines «so lange wie nötig, längstens aber» zu verstehen.

Abs. 3 und 4 Für die Ausstattung mit einer Tarnlegende ist die Ermächtigung der Departementsvorsteherin oder des Departementsvorstehers des VBS erforderlich. Die Ermächtigung setzt einen entsprechenden Antrag der Direktorin oder des Direktors des NDB voraus. Die Departementsvorsteherin oder der Departementsvorsteher VBS kann einen Antrag gutheissen, gutheissen und zusätzlich mit Einschränkungen und Auflagen versehen (was einer teilweisen Gutheissung entspricht), abweisen oder zur Ergänzung zurückweisen.

Wie oben erwähnt setzt die Ermächtigung einen Antrag der Direktorin oder des Direktors des NDB voraus. Hierzu prüft sie oder er in jedem Einzelfall, ob die Voraussetzungen für die Ausstattung mit einer Tarnidentität gegeben sind. Diese Prüfung, die in den Akten nachvollziehbar dokumentiert werden muss, umfasst folgende vier Kriterien: ­

Buchstabe a: Die Informationsbeschaffung muss im Zusammenhang mit einer konkreten Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz erfolgen.

­

Buchstabe b: Die Informationsbeschaffung muss in einem der folgenden Gefährdungsbereiche erfolgen: terroristische Tätigkeiten, verbotener Nachrichtendienst, gewalttätiger Extremismus, Proliferation.

­

Buchstabe c: Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz wird dahingehend konkretisiert, dass sich die herkömmlichen Mittel als unwirksam erwiesen haben müssen bzw. die Schwere und Art der Gefährdung den Einsatz der Tarnung rechtfertigen.

­

Buchstabe d: Schliesslich darf der Einsatz einer Tarnidentität in keinem Missverhältnis zum angestrebten Informationsgewinn stehen.

Da die vier oben genannten gesetzlichen Kriterien so eng gefasst sind, dass kein Handlungsspielraum mehr besteht, kann auf eine gerichtliche Überprüfung des Antrags verzichtet werden (zumal sich diese ohnehin in den wesentlichen Belangen auf die Angaben des NDB abstützen und die gleichen Kriterien umfassen müsste).

Sind die genannten Kriterien erfüllt (und nur dann), kann die Direktorin oder der Direktor des NDB der Departementsvorsteherin oder dem Departementsvorsteher des VBS Antrag auf Ausstattung mit einer Tarnidentität stellen.

Abs. 5 Das Verlängerungsverfahren ist identisch mit dem Anordnungsverfahren, insbesondere müssen sämtliche Voraussetzungen auf in den Akten zu begründender Weise überprüft werden.

Abs. 6 Absatz 6 regelt die Herkunft der Ausweispapiere: Die dafür zuständigen Behörden sind zur Zusammenarbeit mit dem NDB verpflichtet.

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Abs. 7 Zur Ausstellung von Tarnpapieren und Legenden gehört auch der Schutz vor der Enttarnung (sei diese von Dritten gewollt oder ungewollt). Im schlimmsten Fall dient die mit entsprechenden Massnahmen gewonnene Zeit der gezielten «Flucht».

Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Der Einsatz von Tarnidentitäten kann sowohl bei den Zielpersonen als auch bei unbeteiligten Dritten in Grundrechte eingreifen. Ungeachtet der Schwere des jeweiligen Eingriffs wird deshalb mit Artikel 14c eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Das massgebende öffentliche Interesse liegt auf der Hand. Die Prüfung von Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit durch die Direktorin oder den Direktor des NDB erfolgt immer unmittelbar vorgängig bzw. zusammen mit der staatspolitischen Beurteilung bzw. der Ermächtigung durch die Vorsteherin oder den Vorsteher des VBS. Er oder sie kann seine oder ihre Ermächtigung (auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verankerung) von Bedingungen, Auflagen oder anderen Massnahmen abhängig machen.

Angesichts der unzähligen Einsatzmöglichkeiten bzw. Berührungspunkte von Dritten mit Tarnidentitäten kann das Gesetz keine abschliessende Regelung treffen; die jeweilige Prüfung muss sich an offenen Kriterien orientieren. Entsprechend dieser Offenheit ist eine starke, wirksame Kontrolle umso wichtiger. Sie wird mit der detaillierten Berichterstattung nach Artikel 27 Absatz 1bis E-BWIS sichergestellt, wonach das VBS sowohl den Bundesrat wie auch die parlamentarische Aufsicht ­ die Geschäftsprüfungsdelegation ­ unaufgefordert und umfassend zu orientieren hat.

Art. 15 Abs. 6 Die Bestimmung gründet auf der Regelung der früheren Bundespolizei, bei welcher Gerichtspolizei und Prävention vereint waren. Mit der Trennung von Repression und Prävention und deren organisatorischer Umsetzung wurde die Bestimmung obsolet.

Nach heutigem Recht und Verständnis geht mit dem Informationsfluss von der Repression an die Prävention eine Zweckänderung einher; die Daten werden zu Daten präventiver Natur und sind nach dem in der Prävention anwendbaren Recht zu bearbeiten. Die Aufhebung bedeutet nicht, dass keine Daten mehr ausgetauscht werden könnten.

Art. 17 Abs. 1, 1bis (neu), 1ter (neu), Abs. 3 Bst e (neu) und 5 Abs. 1 Nach den verfassungsrechtlichen Abklärungen von Professor Biaggini (vgl. vorn, Ziff. 2.1.1)
entspricht die Weitergabe von Erkenntnissen, die im Rahmen präventivpolizeilicher Tätigkeiten gewonnen wurden, an die Organe der Strafverfolgung grundsätzlich einem öffentlichen Interesse. Allerdings mangle es an hinreichend klaren gesetzlichen Leitplanken, insbesondere zur Frage, wann entsprechende Informationen an die Strafbehörden sofort weitergegeben werden müssen bzw.

weitergegeben werden können.

Entsprechend dieser Kritik wurde der bisherige Absatz 1 aufgeteilt und mit den Absätzen 1, 1bis und 1ter neu gegliedert. Während Absatz 1 identisch ist mit dem bisherigen ersten Satz von Absatz 1, regelt Absatz 1bis, unter welchen Bedingungen eine Datenweitergabe erfolgen muss, und Absatz 1ter, unter welchen Bedingungen eine Datenweitergabe (vorübergehend) ausgesetzt werden kann.

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Abs. 1bis (neu) Hier wird präzisiert, dass die Datenweitergabe umgehend erfolgen muss, wenn: ­

die gewonnenen Erkenntnisse zur Strafverfolgung oder der Bekämpfung des organisierten Verbrechens dienen können;

­

ein hinreichender Tatverdacht vorliegt; und

­

zur Verfolgung der Straftat eine Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs hätte angeordnet werden können (was eine relative Schwere der fraglichen Delikte voraussetzt).

Abs. 1ter (neu) Bei allen übrigen, nicht unter Absatz 1bis fallenden Erkenntnissen kann die Datenweitergabe aufgeschoben werden. Ein Aufschub der Datenweitergabe ist dann und so lange zulässig, wie überwiegende (in den Akten zu begründende) öffentliche Interessen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit oder zum Schutze privater Interessen dem Interesse an der Strafverfolgung vorgehen. Mit diesem auf dem Verhältnismässigkeitsprinzip basierenden Grundsatz soll den präventiven Behörden in Fällen minderer Schwere ermöglicht werden, ihre Abklärungen ohne Überschneidung mit den Strafbehörden bis zur Klärung der Situation weiterzubearbeiten. Sind jedoch von allem Anfang an die Voraussetzungen für einen Aufschub der Datenweitergabe nicht gegeben, oder fallen sie im Verlaufe des Verfahrens dahin (weil sich beispielsweise ein vorerst bloss vager Verdacht zur Gewissheit verdichtet), sind die entsprechenden Erkenntnisse umgehend an die Strafbehörden zu übermitteln.

Abs. 3 Bst. e (neu) Beim sogenannten Clearing handelt es sich um eine seit langem vom Nachrichtendienst wahrgenommene Aufgabe im Verkehr mit dem Ausland. Er führt auf Ersuchen eines ausländischen Dienstes eine Personensicherheitsprüfung über Schweizerinnen oder Schweizer oder dauerhaft in der Schweiz wohnhafte ausländische Personen durch, um diesen die Mitarbeit an klassifizierten ausländischen Projekten zu ermöglichen. Für die Zusicherung des ersuchenden Staates, über das Einverständnis der betroffenen Person zur Vornahme des Clearings zu verfügen, wird neu ausdrücklich die Schriftform festgelegt, wie dies von vielen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern gewünscht wurde.

Für die Vornahme der Clearings stützt sich der Nachrichtendienst seit je auf Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c BWIS. In der Vergangenheit wurde diese Rechtsgrundlage jedoch von verschiedener Seite in Frage gestellt. Deshalb soll nun eine formelle Gesetzesgrundlage für Clearings geschaffen werden. Dies ist notwendig, um die Zugriffsmöglichkeiten auf VOSTRA (Datenbank für Strafregisterauszüge) zu gewährleisten. Die Strafregisterauszüge bilden für Clearings ein wichtiges Beurteilungselement. Ohne dieses würde das Clearing durch den NDB für das Ausland mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die zu «clearende» Person an Wert verlieren. Sie würde möglicherweise
auch bei ansonsten positivem Ausgang des Clearings nicht mehr als genügend vertrauenswürdig gelten, um im Ausland an geheimen oder vertraulichen Projekten mitzuarbeiten.

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Abs. 5 Mit dieser Ergänzung des bisherigen Absatzes 5, der unverändert weiter gilt, soll eine in jüngerer Vergangenheit erkannte Frage geklärt werden. Konkret geht es darum, ob bei Rechtshilfeverfahren (vgl. z. B. Art. 27 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 193445 über die Bundesstrafrechtspflege, BStP) der nachrichtendienstliche Quellenschutz weiter gilt oder ob er zugunsten eines von Straforganen vermittelbaren Schutzes weichen muss.

Für den NDB ist die Erhaltung des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes von grösster Bedeutung: Menschliche Quellen gehören zum wichtigsten Fundus von Nachrichtendiensten und lassen sich ohne Vertraulichkeit der Beziehung nach innen und aussen weder rekrutieren noch führen. Hinzu kommt die Verpflichtung des NDB, im Verkehr mit dem Ausland den Quellenschutz in jedem Fall zu gewährleisten. Kann er die erforderliche Vertraulichkeit nicht mehr gewährleisten, droht der NDB mit sofortiger Wirkung und ersatzlos von einem gewichtigen Teil seines Informationsaufkommens abgeschnitten zu werden. Um solches zu verhindern, soll der Vorrang des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes verankert werden.

Art. 18 Nach den verfassungsrechtlichen Abklärungen von Professor Biaggini (vgl.

Ziff. 2.1.1) ist das «indirekte» Auskunftsrecht nach Artikel 18 BWIS einer verfassungs- und konventionskonformen Auslegung und Anwendung grundsätzlich zugänglich; dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe insoweit aber nicht.

Demgegenüber verlangte die Motion (08.3852) Leutenegger Oberholzer Susanne «Datensammlung des Bundes, Auskunftsrecht» vom Bundesrat, dass bei allen Datensammlungen des Bundes für die betroffenen Personen ein Auskunftsrecht über die gesammelten Daten nach den Artikeln 8 und 9 DSG sicherzustellen sei. In der Folge beantragte der Bundesrat Annahme der von Frau Hutter Jasmin (SVP) bekämpften Motion.

In der Frühjahrssession 2010 befasste sich der Nationalrat mit dem Geschäft. Nach dem Ausscheiden aus dem Rat von Frau Hutter Jasmin legte Herr Mörgeli Christoph (SVP) die gegen die Motion sprechenden Argumente dar, wobei er sich ausdrücklich auf das sogenannte indirekte Auskunftsrecht nach BWIS bezog. Der Rat folgte seiner Argumentation und lehnte die Motion ­ entgegen dem Antrag des Bundesrates ­ mit 95:64 Stimmen ab.

Der Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010 über die
«Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS» hält hingegen in Empfehlung 11 fest: «Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, den Eidgenössischen Räten bei der laufenden BWISRevision für Artikel 18 BWIS anstelle des indirekten Einsichtsrechts ein Auskunftsrecht nach den Modalitäten von Artikel 8 BPI vorzuschlagen.» Der Bundesrat versteht diese Empfehlung im Sinne einer Minimalforderung und geht in Übereinstimmung mit der von ihm selber zur Annahme empfohlenen Motion (vgl. oben) einen Schritt weiter, indem er das direkte Auskunftsrecht nach Artikel 8 und 9 des Bundesgesetzes über den Datenschutz verankert.

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Art. 19 Abs. 3 Bei Funktionen mit höchster Verantwortung soll die Personensicherheitsprüfung durchgeführt werden, bevor diese Funktionsträger für die Ernennung oder die Übertragung der Funktion vorgeschlagen werden. Als Funktionen mit höchster Verantwortung werden diejenigen Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber bezeichnet, die durch den Bundesrat ernannt werden. Dies können sowohl sogenannte Topkader des Bundes sein (Generalsekretärinnen oder Generalsekretäre, Amtsdirektorinnen oder Amtsdirektoren usw.) als auch höchste Armeekader sowie u. a. Mitglieder von Expertengruppen, ausserordentliche Untersuchungsrichterinnen oder Untersuchungsrichter und andere mehr. Bei zu prüfenden Personen, die nicht durch den Bundesrat gewählt werden, darf die Funktion oder das Amt erst übertragen oder der Zugang zu klassifizierten Informationen, Anlagen oder Materialien erteilt werden, wenn die Personensicherheitsprüfung abgeschlossen ist.

Ferner soll die Wiederholung der Sicherheitsprüfung entsprechend internationalem Standard nicht bloss in Ausnahmefällen, sondern grundsätzlich erfolgen. Eine Prüfungswiederholung findet in der Regel alle fünf Jahre statt. Damit können weitere, wesentliche Sicherheitslücken geschlossen werden.

Der Einschub «vorbehalten bleibt Artikel 113 Absatz 1 Buchstabe d des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995» wurden von den Eidgenössischen Räten bereits am 19. März 2010 im Rahmen der Revision des Militärgesetzes beschlossen und soll ­ nach unbenutztem Ablauf der Referendumsfrist ­ am 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt werden.

Art. 20 Abs. 2 Bst. c und d Bst. c Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 21 verwiesen.

Bst. d Die Personensicherheitsprüfungen (PSP) bilden einen Teil des staatlichen Risikomanagements. Eine der grössten Bedrohungen für den Staat entsteht dann, wenn an wichtigen Schlüsselpositionen eingesetzte Personen Verrat üben, gegen den Staat selber arbeiten oder seine Institutionen auf rechtswidrige Art verändern wollen. Die PSP sollen insbesondere dazu dienen, den Staat vor solchen Schädigungen zu bewahren.

Nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d BWIS können im Rahmen der PSP bei den Strafverfolgungsorganen Auskünfte über laufende Strafverfahren eingeholt werden.

Der Bundesrat teilt die Beurteilung der GPK-N, wonach bei Prüfungen der höchsten Stufe in Zukunft auch die Einsicht in
Akten von abgeschlossenen oder eingestellten Strafverfahren möglich sein muss.

Die Prüfbehörde ist zur Beurteilung des Sicherheitsrisikos aber verpflichtet, unabhängig von der Prüfstufe Einsicht in abgeschlossene oder eingestellte Strafverfahren zu nehmen, da auch Personen der übrigen Prüfstufen (Zugang zu VERTRAULICH oder GEHEIM klassifizierten Informationen, militärischen Anlagen oder Materialien) sicherheitsempfindliche Funktionen bekleiden. Anlässlich dieser Sicherheitsprüfungen muss die Prüfbehörde ebenso bei diesen Personenkategorien über den Inhalt abgeschlossener oder eingestellter Strafverfahren Gewissheit erlangen und

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eine entsprechende Beurteilung vornehmen, ansonsten würde die Personensicherheitsprüfung zur Farce.

Art. 21 Abs. 1, 2 und 4 Die GPK-N empfiehlt, dass der Bundesrat dafür sorgt, die Prüfbehörde [Fachstelle] aus dem VBS auszugliedern und die Angliederung bei der Bundeskanzlei oder bei einem Departement, das nur eine geringe Anzahl von Funktionen aufweist, die einer Personensicherheitsprüfung unterliegen, zu überprüfen.

Der Bereich PSP ist zentral für alle anderen Sicherheitsbereiche und das Gesamtsystem «Integrale Sicherheit». Aus diesen Gründen ist der Bundesrat überzeugt, dass es richtig ist, die Prüfbehörde im VBS und hier in der Informations und Objektsicherheit (IOS), zu belassen. Ein Herausbrechen aus diesem «Sicherheitsverbund» würde nicht nur den in den letzten zehn Jahren aufgebauten und in den Departementen verankerten integralen Sicherheitsansatz zerstören, sondern die Sicherheit als solche nachhaltig schwächen.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Unabhängigkeit der Prüfbehörde des VBS grundsätzlich nur in einem Teil des Verfahrens, nämlich bei der Durchführung der Befragung und bei der Beurteilung des Sicherheitsrisikos von VBS-Topkadern (Topkader: Personen, die durch den Bundesrat ernannt werden) und bei der Überprüfung des IOS-eigenen Personals allenfalls tangiert ist. Beim Gros der PSP ist diese Unabhängigkeit nicht in Frage gestellt. Einzig bezüglich der Prüfungen von Topkadern des Bundes nach Artikel 12 der Verordnung vom 19. Dezember 200146 über die Personensicherheitsprüfungen (PSPV) wird von der GPK-N die Durchführung der PSP ausserhalb des VBS ultimativ gefordert, obschon der Bundesrat, wie festgehalten, lediglich bei der PSP von VBS-Topkadern eine gewisse Einschränkung der Unabhängigkeit sieht. Der Bundesrat gibt hier zu bedenken, dass die Prüfbehörde des VBS in der Vergangenheit verschiedentlich Topkader des Bundes sowohl bei den zivilen Departementen als auch beim VBS als Sicherheitsrisiko beurteilt hat.

Der Empfehlung der GPK-N Folge leistend, ist vorgesehen, die Prüfbereiche Befragung, Risikoanalyse und Erlass der Verfügung bei Topkadern des Bundes durch die Bundeskanzlei durchführen zu lassen. Ferner sollen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IOS (inkl. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VBS-Prüfbehörde) zukünftig durch die Bundeskanzlei geprüft werden. Damit
kann die geforderte Unabhängigkeit der Prüfbehörden vollumfänglich gewährleistet werden. Die übrigen PSP nach Artikeln 10, 11 und 12 PSPV sollen auch weiterhin durch das VBS durchgeführt werden. Damit der Bundeskanzlei selbst kein Unabhängigkeitsproblem entsteht, sollen im Gegenzug die Topkader (Vizekanzler) der Bundeskanzlei durch das VBS geprüft werden. Mit diesen Massnahmen steht sowohl die Unabhängigkeit der Prüfbehörde im VBS als auch die der Bundeskanzlei ausser Frage.

Es sollen aber ebenso die Wirtschaftlichkeit, das Knowhow und die Verwaltungsökonomie berücksichtigt werden. Eine Zusammenarbeit der BK mit dem VBS unter Berücksichtigung einer klar definierten Abgrenzung der Verantwortlichkeit soll diesen Punkten Rechnung tragen. So soll das VBS bei der Prüfung der Topkader die Datenerhebung in den Registern des Bundes und der Kantone zugunsten der Bundeskanzlei vollziehen. Das VBS stellt danach sämtliche erhobenen Daten der Bundeskanzlei wertfrei (physisch und elektronisch) zur weiteren Verarbeitung und 46

SR 120.4

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Beurteilung zur Verfügung. Die Bundeskanzlei führt die Befragungen durch, beurteilt das Sicherheitsrisiko und erlässt die entsprechende Verfügung. Gleichzeitig ist sie bei Topkadern (ausgenommen Topkader BK) Vorinstanz bei Beschwerden vor Bundesverwaltungsgericht gegen die von ihr erlassenen Verfügungen.

Die Unabhängigkeit der Prüfbehörden soll ferner auf Gesetzesstufe verankert werden.

Art. 27 Abs. 1bis (neu), 1ter (neu) Artikel 27 des Gesetzes verpflichtet den Bundesrat, die eidgenössischen Räte, die Kantone und die Öffentlichkeit jährlich oder nach Bedarf über seine Beurteilung der Bedrohungslage und über die Tätigkeiten der Sicherheitsorgane des Bundes zu orientieren. Daran anknüpfend soll das VBS bzw. das EJPD verpflichtet werden, jährlich oder nach Bedarf über die Verwendung der mit vorliegender Revision neu eingeführten Mittel zu informieren. Angesichts der möglichen Beschränkung von Grundrechten der Bevölkerung versteht sich eine solche Berichterstattung eigentlich von selbst. Es betrifft dies den Einsatz von Tarnidentitäten (VBS) und das Verbot von Tätigkeiten (EJPD). Im Übrigen erfolgt bereits heute und ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung eine umfassende Berichterstattung an das Departement und die Geschäftsprüfungsdelegation.

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Anhang

Änderung bisherigen Rechts 1. Bundesgesetz vom 3. Oktober 200847 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes Art. 7 Absatz 2 (neu) Gleich wie im Inlandbereich (vgl. Art. 14a Abs. 3 E-BWIS) sollen auch im Auslandbereich Informantinnen oder Informanten gewährte Entschädigungen oder Prämien weder als steuerbares Einkommen noch als Einkommen im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194648 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung gelten.

2. Strafgesetzbuch49 Art. 317bis Urkundenfälschung ist eine strafbare Handlung (vgl. Art. 251, 252, 255, 317 StGB).

Der heutige Artikel 317bis StGB behält indessen die Herstellung und Verwendung gefälschter Urkunden vor, die zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer Legende im Rahmen einer richterlich genehmigten verdeckten Ermittlung verwendet werden. Diese Strafbestimmung muss angepasst werden, damit auch die Verwendung der Tarnidentitäten nach BWIS vorbehalten bleiben.

Hinzu kommt für Absatz 2 folgender, auf eine Inkohärenz zur aktuellen Regelung im strafprozessualen Bereich zurückzuführende Anpassungsbedarf: Zwar ist die Staatsanwaltschaft nach Artikel 288 StPO ebenfalls befugt, verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler mit einer Legende zu einer Tarnidentität auszustatten. Herstellung, Veränderung und Gebrauch der für die verdeckte Ermittlung erforderlichen Urkunden bleiben jedoch nach dem heutigen Artikel 317bis StGB nur insoweit straflos, als hierfür eine richterliche Genehmigung vorliegt. Diese wird nach Artikel 289 Absatz 4 Buchstabe a StPO jedoch erst dann vom zuständigen Zwangsmassnahmengericht erteilt, wenn ihm der Einsatz von der Staatsanwaltschaft zur Genehmigung vorgelegt wird. Die richterliche Genehmigung zum Aufbau einer Legendierung erfolgt somit zu spät. Dieser Anpassungsbedarf wurde im Rahmen des PolAG erkannt und entsprechend aufgenommen. Da sich die Problematik mit dem Inkrafttreten der StPO konkret stellt, sollte jedoch die Änderung möglichst bald erfolgen.

47 48 49

SR 121 SR 831.10 SR 311.0

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3. Bundesgesetz vom 20. Juni 199750 über Waffen, Waffenzubehör und Munition Wiewohl Artikel 5 E-BWIS eine formellgesetzliche Grundlage für die Bewaffnung von Teilen des NDB schafft, wird er zusätzlich ­ gleich wie etwa die Armee oder die Zoll- und Polizeibehörden ­ vom Geltungsbereich des Waffengesetzes ausgenommen. Für die Ausnahme vom Geltungsbereich sprechen in erster Linie praktische Gründe.

4. Bundesgesetz vom 6. Oktober 200051 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs Es wird auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 13 Absatz 1bis E-BWIS verwiesen, da es vorliegend um die «gegengleiche» Verankerung des Auskunftsrechts geht.

5.­11.: Sozialversicherungsgesetze 5. Bundesgesetz vom 20. Dezember 194652 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) 6. Bundesgesetz vom 19. Juni 195953 über die Invalidenversicherung (IVG) 7. Bundesgesetz vom 25. Juni 198254 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) 8. Bundesgesetz vom 18. März 199455 über die Krankenversicherung (KVG) 9. Bundesgesetz vom 20. März 198156 über die Unfallversicherung (UVG) 10. Bundesgesetz vom 19. Juni 199257 über die Militärversicherung (MVG) 11. Bundesgesetz vom 25. Juni 198258 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvententschädigung (AVIG) Der Gesetzgeber hat im Bereich der Sozialversicherungen die Datenweitergabe in den jeweiligen Gesetzen selber geregelt und damit eine in sich geschlossene, umfassende und abschliessende Ordnung geschaffen. Entsprechend bedarf die Aufhebung des Amtsgeheimnisses gegenüber den Sicherheitsorganen von Bund und Kantonen nach Artikel 13a des vorliegenden Entwurfs der speziellen Anpassung dieser Gesetze. Dabei erfolgt keine umfassende Aufhebung des Amtsgeheimnisses, sondern eine auf die Bedingungen von Artikel 13a beschränkte. Gesetzliche Berufsgeheimnisse (z. B. Arzt, Anwalt, Geistlicher) fallen nicht darunter und bleiben gewahrt. Im Übrigen erfolgt die Aufhebung des Amtsgeheimnisses analog bereits bestehender 50 51 52 53 54 55 56 57 58

SR 514.54 SR 780.1 SR 831.10 SR 831.20 SR 831.40 SR 832.10 SR 832.20 SR 833.1 SR 837.0

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Regelungen für Strafuntersuchungsbehörden, Sozialhilfebehörden, Betreibungsämtern, Steuerbehörden usw.

Zu betonen ist, dass die Auskunftspflicht ihrerseits auf die Bereiche Terrorismus, verbotener politischer oder militärischer Nachrichtendienst und Proliferation beschränkt ist. Einzig in diesem eng begrenzten Gefahrenbereich erfolgt eine Aufhebung des Amtsgeheimnisses.

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