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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Vertrag zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend Abänderung des Zollanschlussvertrages (Vom 26. Januar 1951)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über einen Vertrag zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend Abänderung von Artikel 35, erster Absatz, und Artikel 36 des Vertrages über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet zu unterbreiten.

I.

Artikel 35 des Vertrages zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über den Ansehluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet bestimmt, dass das Fürstentum als Anteil an den Einnahmen aus den Zöllen und Gebühren, welche in Anwendung der im Fürstentum Liechtenstein geltenden Bundesgesetzgebung erhoben werden, aus der Bundeskasse jährlich einen Betrag von 150000 Franken erhält. Dieser liechtensteinische Pauschalanteil gilt grundsätzlich für unbestimmte Dauer. Artikel 36 des ZollanscLlussvertrages sieht ausdrücklich die Abänderung der Berechnung des Anteils vor, sofern von einem der beiden vertragschliessenden Teile mindestens ein Jahr vor Ablauf einer vom Inkrafttreten dieses Vertrages an zu berechnenden dreijährigen Periode ein dahingehendes Begehren gestellt wird». Infolge der Zunahme der schweizerischen Zoüeinnahmen und auf Begehren des Fürstentums fand diese Bestimmung mehrmals Anwendung, und zwar erstmals im Jahre 1926, als der liechtensteinische Anteil auf 250 000 Franken angesetzt wurde.

Weitere Erhöhungen erfolgten am 1. Januar 1931 und am 1. Januar 1936, wobei der Anteil auf 850 000 bzw. 450 000 Franken festgesetzt wurde.

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IL Im Zeitraum von 1939 bis 1945 verminderten sich die schweizerischen Zolleinnahmen um mehr als die Hälfte von 368 400 000 Franken auf 151 000 000 Franken. In Anbetracht dieser Tatsache und im Einvernehmen mit den liechtensteinischen Behörden wurde der liechtensteinische Anteil im Jahre 1944 auf 850000 Franken und ab I.Januar 1945 auf 250000 Franken festgesetzt.

Obwohl in beiden Fällen das Abänderungsbegehren die in Artikel 86 des Vertrages vorgesehene Frist nicht einhielt, gab die liechtensteinische Eegierung ihr Einverständnis zur Herabsetzung ihres Anteils, was ihren guten Willen beweist.

Das gleiche traf zu für das Jahr 1946, als die liechtensteinische Eegierung sich damit einverstanden erklärte, wie im Jahre 1945 den Anteil auf 250 000 Franken festzusetzen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die schweizerischen Zolleinnahmen in der Zwischenzeit merklich gestiegen waren.

III.

Zwischen der Eidgenössischen Oberzolldirektion und der Fürstlichen Eegierung fanden Verhandlungen zum Zwecke der Festsetzung des liechtensteinischen Anteils für 1947 und die folgenden Jahre statt. Es wurde vereinbart, den Anteil proportional (d.h. in Prozenten) zu den von der Eidgenössischen Oberzolldirektion errechneten Bruttozolleinnahmen festzusetzen. Der Anteilsatz sollte auf folgender Grundlage berechnet werden: Der liechtensteinische Anteil beträgt inskünftig 1700 Franken für jede Million der von der Eidgenössischen Oberzolldirektion erzielten Bruttozolleinnahmen, wobei von dem so errechneten Betrag 150 000 Franken als jährlicher Beitrag Liechtensteins an die Kosten der Zollerhebung und Grenzbewachung abzuziehen sind.

Der Anteil von 1700 Franken pro Million wurde auf Grimd des damaligen Verhältnisses der Einwohnerzahlen beider Länder und der Annahme, dass die Konsumkraft pro Einwohner in Liechtenstein nur 66% derjenigen in der Schweiz ausmacht, errechnet. Mit Zustimmung der liechtensteinischen Behörden wurde dieser Betrag noch um 100 Franken auf 1600 Franken herabgesetzt, und zwar, um den Besonderheiten der liechtensteinischen Volkswirtschaft Eechnung zu tragen, die, verglichen mit der Schweiz, bedeutend weniger vom Aussenhandel (mit Drittstaaten) abhängt. Die Anteile des Fürstentums, die gemäss der neuen Formel auf Grund der Bruttozolleinnahmen der entsprechenden Vorjahre errechnet wurden, beliefen sich auf folgende Beträge: für 1947 . .

425 500 Franken für 1948 . .

688 560 » für 1949 . .

710 480 » IV.

Die so errechneten liechtensteinischen Anteile werden theoretisch immer noch als Pauschalbeträge ausgerichtet, wie dies Artikel 35 dea Zollanschluss-

301 Vertrages vorsieht. Der Abschluss einer formellen staatsvertraglichen Begelung ' drängt sich auf. Der Vertragsschluss hat sich indessen wegen verschiedener anderer Fragen verzögert. Es erschien notwendig oder angezeigt, diese vorgängig zu regehi. Sie betrafen namentlich das Problem eines Beitrages Liechtensteins an die dem Bund während des Krieges für die Landesversorgung, für die Tiefhaltung der Lebenskosten und für die Erhaltung der Währung entstandenen Kosten. Eine Lösung konnte im Eahmen der anlässlich der Bereinigung der schweizerisch-liechtensteinischen Grenze geführten Verhandlungen gefunden werden.

In einem am 23. Dezember 1948 gleichzeitig mit dem Vertrag über die Grenzbereinigung unterzeichneten Protokoll wurde bestimmt, dass unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Grenzvertrages ein besonderes Abkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein zur Abänderung von Artikel 35 und Artikel 36 des 2ollanschlussvertrages abgeschlossen und die neue Berechnungsart für den liechtensteinischen Anteil an den schweizerischen Zolleinnahmen in Kraft gesetzt werden sollte.

V.

Das Politische Departement und die Oberzolldirektion hatten gemeinsam einen Entwurf ausgearbeitet, der im November 1949 dem liechtensteinischen Geschäftsträger in Bern ausgehändigt wurde. Im Juni 1950 überreichte dieser dem Politischen Departement einen Gegenentwurf ; in einem begleitenden AideMémoire verlangten die liechtensteinischen Behörden in erster Linie, dass die Schweiz darauf verzichte, den Betrag von 1700 Franken, der den liechtensteinischen Anteil an jeder Million Zolleinnahmen darstellt, um 100 Franken zu kürzen. Ferner sprach die liechtensteinische Begierung den Wunsch aus, die Artikel 85, Absatz l, und 36 des Vertrages vom 29. März 1923 in ihrer neuen Fassung dahin zu präzisieren, dass bei der Berechnimg des liechtensteinischen Anteils nicht nur die jeweilige Höhe der Zolleinnahmen, sondern auch das jeweilige Verhältnis zwischen den Bevölkerungszahlen Liechtensteins und der Schweiz berücksichtigt werden. Die Oberzolldirektion, der der liechtensteinische Gegenentwurf zugestellt wurde, erklärte sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.

Dagegen glaubte sie einem anderen liechtensteinischen Begehren nicht zustimmen zu können, wonach die Anteilsquote höher als auf 66 % hätte angesetzt werden sollen. Die Oberzolldirektion
bemerkte dazu, dass dieser Prozentsatz, der die Konsumkraft Liechtensteins im Verhältnis zu derjenigen der Schweiz wiedergibt, im Jahre 1945 auf Grund eingehender Untersuchungen festgesetzt worden sei und dass sich seither die Verhältnisse nicht wesentlich geändert hätten.

VI.

Von der Antwort der Oberzolldirektion zum liechtensteinischen Gegenentwurf wurde der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern Kenntnis gegeben.

Diese teilte dem Politischen Departement am 20. September 1950 die Zustim-

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mung ihrer Begierung zum neuen Vortragstoxt mit. Nachdem die schweizerische und die liechtensteinische Eegierung ihre Bevollmächtigten, nämlich Herrn Bundesrat Dr. Max Petitpierre, Vorsteher des Poh tischen Depaitementes, bzw.

Seine Durchlaucht den Prinzen Heinrich von Liechtenstein, liechtensteinischen Geschäftsträger in Bern, bezeichnet hatten, wurde der Vertrag am 22. November 1950 in Bern unterzeichnet.

: Der Zollanschlussvertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein vom 29. März 1923 wurde für eine Dauer von fünf Jahren abgeschlossen, wobei er stillschweigend erneuert werden kann, wenn keine der Parteien ein Jahr vor Ablauf des Vertrages den Wunsch äussert, diesen zu kündigen. Das gleiche gilt natürlich für den vorliegenden Vertrag, welcher ja die Abänderung der Artikel 85 und 86 des Zollanschlussvertrages zum Gegenstand hat. Die beiden Verträge unterliegen infolgedessen nicht dem fakultativen Beferendum gemäss Artikel 89, letzter Absatz, der Bundesverfassung, wonach nur Staatsverträge, welche unbefristet oder für eine Dauer von mehr als 15 Jahren abgeschlossen wurden, dem Volke zur Abstimmung zu unterbreiten sind.

Der Vertrag, den wir Ihnen zu unterbreiten die Ehre haben, wird dazu beitragen, die Beziehungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein noch enger zu gestalten. Die neue Lösung betreffend die Festsetzung des liechtensteinischen Anteils trägt den wirtschaftlichen Gegebonheiten besser Bechnung als die entsprechende Bestimmung des Zollanschlussvertrages. Sie hat den Vorteil, dass sie sich laufend den jeweiligen Verhältnissen anpasst. Sie entspricht deshalb den Interessen beider Staaten.

Wir zweifeln deshalb nicht daran, dass Sie dem beiliegenden Beschlussesentwurf zustimmen werden, und benutzen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 26. Januar 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgruber

303 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Genehmigung des Vertrages zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend Abänderung des Zollanschlussvertrages

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 26. Januar 1951, beschliesst: Einziger Artikel Der ani 22. November 1950 unterzeichnete Vertrag zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend Abänderung von Artikel 35, erster Absatz, und Artikel 86 des Vertrages über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1928 wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, ihn zu ratifizieren.

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