09.094 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 27. November 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Abkommens vom 2. Oktober 1996 mit den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-2769

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Übersicht Am 23. September 2009 wurde mit den USA ein Protokoll zur Änderung des geltenden Abkommens vom 2. Oktober 1996 unterzeichnet.

Hauptgegenstand dieses Protokolls ist die Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch gemäss dem OECD-Standard. Dabei konnten die bundesrätlichen Eckwerte eingehalten werden.

Weitere Revisionspunkte umfassen die Einführung einer Schiedsgerichtsklausel sowie die Ausdehnung der im geltenden Abkommen vorgesehenen Steuerbefreiung für an Pensionseinrichtungen gezahlte Dividenden auf weitere Vorsorgeformen.

Andere Revisionspostulate (dazu gehören seitens der Schweiz der Nullsatz für gewisse Beteiligungsdividenden und seitens der USA die Anpassung der Bestimmung über die Einschränkung von Abkommensvorteilen an das neue amerikanische Musterabkommen) wurden angesichts des beidseitigen Interesses an einer raschen Inkraftsetzung der Anpassung der Amtshilfebestimmung auf eine spätere Teilrevision verschoben. Die entsprechenden Verhandlungen sollen innerhalb von zwei Jahren seit der Unterzeichnung des vorliegenden Protokolls aufgenommen werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände haben den Abschluss dieses Änderungsprotokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Abkommenspolitik richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser dem Wohlstandsziel am nächsten kommt. Wesentliche Elemente sind die klare Zuordnung des Besteuerungsrechts für natürliche und juristische Personen, möglichst keine oder sehr tiefe Sockelsteuern auf Zinsen, Dividenden und Lizenzen sowie generell die Vermeidung von Besteuerungskonflikten auf dem Rücken der international tätigen Steuerpflichtigen. Dabei besteht seit jeher ein Spannungsfeld zwischen günstigen Rahmenbedingungen einerseits und internationaler Anerkennung unserer Steuerordnung anderseits. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

Am 13. März 2009 hat der Bundesrat beschlossen, die Amtshilfe in Steuersachen an die internationale Politik anzupassen.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (SR 0.672.933.61, hiernach DBA-US) wurde am 2. Oktober 1996 abgeschlossen und seither nicht geändert.

Unmittelbar nach der Ankündigung des Bundesrates vom 13. März 2009 bekundeten die Vereinigten Staaten von Amerika ihr Interesse an einer Aufnahme des neuen Standards im bestehenden Abkommen. Anlässlich des bilateralen Treffens der Finanzminister am 25. April 2009 in Washington bekräftigten beide Staaten ihren Willen zu einer raschen bilateralen Umsetzung der neuen schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Amtshilfe.

Im Laufe der Verhandlungen, die vom 28.­30. April 2009 in Bern und vom 16.­18. Juni 2009 in Washington stattfanden, zeigte sich, dass beidseits ein Bedürfnis besteht, neben der Bestimmung über den Informationsaustausch auch weitere Abkommensbestimmungen anzupassen. Die schweizerische Wirtschaft ist seit längerer Zeit an einer Senkung der Quellensteuer für gewisse Beteiligungsdividenden von heute 5 Prozent auf 0 Prozent interessiert. Die USA ihrerseits streben u.a. eine Anpassung der Bestimmung über die Einschränkung von Abkommensvorteilen (Art. 22 DBA-US) an das neue amerikanische Musterabkommen an.

Beide Delegationen kamen aber zur Einsicht, dass eine derart weit gefächerte Teilrevision viel Zeit in Anspruch nehmen und damit dem Interesse an einer raschen Anpassung der Amtshilfebestimmung zuwiderlaufen würde. Es wurde deshalb 237

beschlossen, diese und allfällige weitere Änderungen des bestehenden Abkommens in einer separaten Verhandlung innert zwei Jahren nach Unterzeichnung des vorliegenden Protokolls an die Hand zu nehmen.

Aus diesem Grunde beschränkten sich die beiden Delegationen darauf, neben der Amtshilfebestimmung lediglich einige wenige Punkte in die laufende Teilrevision einzubeziehen. Auf Begehren der Schweiz wurde vorgesehen, die Quellensteuerbefreiung für Dividendenzahlungen an anerkannte Pensionseinrichtungen auf Einrichtungen der gebundenen Selbstvorsorge auszudehnen und neu eine Schiedsgerichtsklausel in das Abkommen aufzunehmen.

Die Paraphierung des Protokolls erfolgte im Rahmen der zweiten Verhandlungsrunde am 18. Juni 2009 in Washington.

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Würdigung

Aufgrund der neuen Politik der Schweiz in Sachen Informationsaustausch, die am 13. März 2009 vom Bundesrat angekündigt wurde, drängte sich eine Revision des Abkommens auf. Der Entwurf für das Änderungsprotokoll enthält eine neue Klausel über einen mit dem OECD-Standard kompatiblen Informationsaustausch und erfüllt die vom Bundesrat festgelegten Vorgaben.

Die übrigen im Abkommen vorgenommenen Änderungen spiegeln die Entwicklung der schweizerischen Abkommenspolitik wider, insbesondere in Sachen Dividendenausschüttungen an Vorsorgeeinrichtungen sowie auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit.

Auch wenn aufgrund des beidseitigen Interesses an einer raschen Anpassung der Amtshilfebestimmungen weitere wünschbare Änderungen des Abkommens auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden mussten, konnte mit diesem Protokoll, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und rechtlichen Möglichkeiten beider Länder, ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Protokolls

Die im Protokoll vom 23. September 2009 vereinbarten Änderungen des DBA-US werden nachstehend erläutert.

Art. 1 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 10 Abs. 3 des Abkommens (Dividenden) Die Quellenbesteuerung von Dividenden bedeutet für Pensionseinrichtungen eine endgültige Belastung auf dem Ertrag ihres Vorsorgekapitals, weil sie in ihrem Ansässigkeitsstaat mangels subjektiver Steuerpflicht für die residuale Quellensteuer keine Anrechnung verlangen können. Gemäss geltendem Abkommen sind Dividendenzahlungen an anerkannte Pensionseinrichtungen von der Besteuerung im Quellenstaat unter bestimmten Voraussetzungen befreit (vgl. Art. 10 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 4 DBA-US). Einzelheiten zu dieser Quellensteuerbefreiung (Umschreibung der Vorsorgeeinrichtungen, für die diese Befreiung gilt, 238

sowie Verfahrensbestimmungen) haben die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten am 25. November und 3. Dezember 2004 in einer Verständigungsvereinbarung festgelegt.

Neu ist vorgesehen, diese Quellensteuerbefreiung auch auf schweizerische anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) und auf amerikanische «Individual Retirement Accounts» auszudehnen. Die Umsetzung dieser Ausweitung der Quellensteuerbefreiung wird eine Anpassung der bestehenden Verständigungsvereinbarung zwischen den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten erfordern.

Art. 2 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25 des Abkommens (Verständigungsverfahren) Die Bestimmung über das Verständigungsverfahren gemäss Artikel 25 enthält keine Erfolgspflicht («... die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten werden sich bemühen, Schwierigkeiten oder Zweifel [...] zu beseitigen.»). Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen nicht gelingt, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Bezüglich der Rechtssicherheit ist diese Situation generell unbefriedigend. Dieser Mangel wird nun mit einer Schiedsgerichtsklausel behoben, wodurch die Situation der Steuerpflichtigen verbessert wird. Zu diesem Zweck wurde Artikel 25 DBA-US durch die beiden neuen Absätze 6 und 7 ergänzt.

Die Grundsätze dieser Schiedsgerichtsklausel entsprechen materiell dem OECDMusterabkommen: Sofern sich die zuständigen Behörden nicht innert zwei Jahren nach Eröffnung des Verständigungsverfahrens gütlich einigen können, kann ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet werden. Die vorgegebene Frist kann, nach Vereinbarung zwischen den Steuerbehörden, für spezielle Fälle ausgedehnt werden.

Kumulative Voraussetzungen für die Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens sind: ­

die Einreichung der Steuererklärung bei mindestens einem Vertragsstaat für das Jahr, das Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens ist,

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die Einigung unter den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten, dass es sich nicht um einen Fall handelt, der sich nicht für einen schiedsgerichtlichen Entschluss eignet, sowie

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die Zustimmung aller Betroffenen, keine in diesem Rahmen erhaltenen Informationen an Drittpersonen zu offenbaren.

Ausgeschlossen ist ein solches Verfahren jedoch, wenn noch Rechtsmittel offen sind oder ein Gericht über die Sache bereits entschieden hat.

In einem Briefwechsel werden die Verfahrensbestimmungen für die Durchführung dieses Schiedsgerichtsverfahrens festgelegt.

Das Schiedsgericht setzt sich zusammen aus je einer von jedem der beiden Vertragsstaaten ernannten Person, die nicht der Steuerbehörde des ernennenden Staats angehören darf, sowie aus einer von diesen beiden Personen bestimmten Person, die den Vorsitz des Schiedsgerichts übernimmt. Letztere darf weder in einem der Vertragsstaaten ansässig sein noch die Staatsangehörigkeit eines dieser Staaten besitzen.

Jeder der beiden Vertragsstaaten hat das Recht, dem Schiedsgericht einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Das Schiedsgericht hat sich für einen dieser beiden 239

Lösungsvorschläge zu entscheiden. Reicht lediglich einer der beiden Vertragsstaaten einen Lösungsvorschlag ein, so muss das Schiedsgericht diesen als Schiedsspruch übernehmen.

Art. 3 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 26 des Abkommens (Informationsaustausch) Der neue Artikel 26 übernimmt grösstenteils den Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Zugeständnisse mussten in einzelnen Formulierungen gemacht werden, um den Bedürfnissen beider Staaten gerecht zu werden.

Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten zum Austausch derjenigen Auskünfte, die für die Anwendung des Abkommens sowie für die Durchführung des innerstaatlichen Rechts beider Vertragsstaaten erheblich sein können. Von amerikanischer Seite war ­ wie im Musterabkommen der OECD vorgesehen ­ eine Anwendung auf Steuern jeglicher Art und Bezeichnung erwünscht worden. Die schweizerische Delegation lehnte dies indessen ab: Weil die USA aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sind, gliedstaatliche und lokale Einkommenssteuern unter das Abkommen fallen zu lassen, könne eine Verwendung von Informationen für die Durchsetzung solcher Steuern aus schweizerischer Sicht nicht in Betracht kommen.

Die USA bekundeten ein besonderes Interesse an Informationen für die Anwendung ihrer Nachlass- und Schenkungssteuern und schlugen daraufhin vor, den Anwendungsbereich auf die unter das Abkommen fallenden Steuern sowie auf sämtliche auf Bundesebene erhobenen Steuern festzulegen. Dies hätte indessen wiederum zu einem Ungleichgewicht geführt, da Erbschafts- und Schenkungssteuern in der Schweiz kantonal geregelt sind. Aus diesen Gründen einigten sich beide Seiten auf eine Einschränkung des Informationsaustauschs auf die unter das Abkommen fallenden Steuern. Gleichzeitig wurde vereinbart, innert zwei Jahren Verhandlungen über eine Revision des aus dem Jahr 1951 stammenden Erbschafts- und Nachlasssteuerabkommens aufzunehmen und die Frage des Informationsaustauschs für diese Steuern in diesem Rahmen zu regeln.

Mit der Beschränkung auf Auskünfte, die erheblich sein können, sollen sogenannte «fishing expeditions» verhindert werden. Das Verbot von «fishing expeditions» wird ausserdem in der ebenfalls geänderten Ziffer 10 Buchstabe b) des Protokolls zum Abkommen ausdrücklich bestätigt. Amtshilfegesuche werden wie bisher nur in schriftlicher
Form entgegengenommen.

Der Informationsaustausch erfolgt auf Anfrage (siehe nachfolgend Art. 4 zu Ziff. 10 des Protokolls). Nicht erforderlich für den Informationsaustausch ist, dass die betroffenen Steuerpflichtigen in der Schweiz oder den USA ansässig sind, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Der Grundsatz der Geheimhaltung wird in Absatz 2 verankert. Diese Bestimmung hält fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen oder Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Anwendung, Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung oder Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der Steuern im Sinne von Absatz 1 sowie mit der Aufsicht über diese Funktionen befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden.

Weiter sieht dieser Absatz 2 die Möglichkeit der Verwendung für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig 240

ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte im Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die entsprechenden Verfahrensrechte zu entziehen. Damit kann vermieden werden, dass gleiche Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals beschafft und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des ersuchten Staates ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustauschs vor. Der ersuchte Staat ist nicht gehalten, bei der Beschaffung der ersuchten Auskünfte über seine eigenen Gesetze und Verwaltungspraxis hinauszugehen. Im Fall der Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen sowie die Möglichkeit, einen vorgesehenen Informationsaustausch gerichtlich überprüfen zu lassen, gewahrt bleiben. Der ersuchte Staat braucht ferner weder Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die nach dem Recht oder der Praxis des ersuchenden Staates nicht zulässig sind, noch braucht er Auskünfte zu erteilen, die nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden könnten (vgl. dazu aber die Erläuterungen zu Abs. 5). Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt oder wirtschaftliche Geheimnisse offenbart würden. Dies könnte insbesondere der Fall sein, wenn die Informationen im ersuchenden Vertragsstaat nicht in ausreichendem Masse geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat die verlangten Auskünfte auch dann beschaffen und austauschen muss, wenn er sie selbst für eigene Steuerzwecke nicht benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Staates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen bezüglich Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden oder die Eigentumsverhältnisse an Personen betreffen. Solche Informationen sind auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn sie nach den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchten Staates nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis
auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen.

Die Schweiz besitzt im Falle eines Steuerbetruges die erforderlichen Mittel, um die im Absatz 5 genannten Auskünfte zu beschaffen. Der Informationsaustausch gemäss diesem Protokoll erfordert indessen nicht mehr das Vorliegen eines Steuerdeliktes.

Damit diese Abkommensverpflichtungen durch die Vertragsstaaten umgesetzt werden können, wird in Absatz 5 ergänzend die nötige gesetzliche Grundlage geschaffen, um die verlangten Auskünfte beschaffen zu können. Auf Ersuchen der USA wurde in diesem letzten Satz explizit festgehalten, dass die benötigten Mittel nur insofern zur Verfügung gestellt würden, als sie für die Erfüllung der unter diesen Absatz fallenden Verpflichtungen benötigt werden. Ihre Bedenken lagen in einer allfälligen negativen Auswirkung, die eine pleonastische Formulierung eines ihnen schon zustehenden Rechts auf die Judikative haben könnte.

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Art. 4 des Änderungsprotokolls betreffend Ziff. 10 des Protokolls zum bestehenden Abkommen (Erläuterungen zum Informationsaustausch) Die Bestimmungen von Artikel 26 werden in Ziffer 10 des Abkommensprotokolls weiter konkretisiert.

In Buchstabe a) wird festgehalten, welche Angaben in einem Amtshilfegesuch enthalten sein müssen. Verlangt wird insbesondere eine eindeutige Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person. Dies erfolgt typischerweise mit dem Namen der betroffenen Person und, sofern bekannt, mit weiteren Elementen, die sie eindeutig identifizieren, wie Wohnadresse, Bankkontonummer oder Geburtsdatum.

Uneingeschränkt vorausgesetzt ist zudem die Angabe des Namens des Informationsinhabers (z.B. der Bank), in dessen Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet; weitere spezifizierende Elemente sind jedoch nur vorausgesetzt, sofern sie bekannt sind. Daraus folgt, dass sich der Informationssaustausch auf konkrete Anfragen im Einzelfall beschränkt.

Buchstabe c) übernimmt die bereits im geltenden DBA-US enthaltene Verpflichtung, die Informationen auf Begehren des ersuchenden Staates in der Form beglaubigter Kopien von unveränderten Originalunterlagen zu übermitteln.

Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird zudem ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches zu nehmen, sofern das interne Recht dies zulässt (Bst. d).

Buchstabe e) stellt klar, dass die Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen gewahrt bleiben, jedoch nicht bezwecken dürfen, den Informationsaustausch in unzulässiger Weise zu behindern oder zu verzögern.

Der Briefwechsel enthält erläuternde Bestimmungen zum Informationsaustausch, die unverändert vom OECD-Kommentar übernommen wurden.

Art. 5 des Änderungsprotokolls betreffend das Inkrafttreten Die neuen Bestimmungen in Bezug auf Quellensteuern finden ab dem 1. Januar des Jahres Anwendung, welches auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgt.

Hinsichtlich der Bestimmungen zum Informationsaustausch verlangten die USA grundsätzlich eine unbeschränkte Rückwirkung, im Sinne eines Kompromisses zumindest aber eine Rückwirkung auf den 1. Januar 2009. Dieses Begehren wurde schweizerischerseits aus rechtlichen
Gründen abgelehnt. Vereinbart wurde schliesslich eine Anwendbarkeit für Auskünfte im Sinne von Artikel 26 Absatz 5 DBA-US (Bankinformationen und Informationen über Beteiligungsverhältnisse an Personen), die sich auf Sachverhalte beziehen, die am oder nach dem Datum der Unterzeichnung des Protokolls bestanden oder verwirklicht wurden, d.h. ab dem 23. September 2009. Für alle anderen Auskünfte gilt der 1. Januar des auf die Unterzeichnung folgenden Jahres als Stichtag.

Die Bestimmungen zur Schiedsgerichtsbarkeit sind auf Verständigungsverfahren anwendbar, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls hängig oder nach diesem Zeitpunkt eingeleitet werden.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Ausdehnung der Steuerbefreiung für Dividendenzahlungen an Einrichtungen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a in der Schweiz, «Individual Retirement Accounts» in den USA) führt für beide Staaten zu einem gewissen Einnahmenausfall durch den Verzicht auf die Erhebung bzw. die volle Rückerstattung der Quellensteuern. Das Ausmass dieser Mindereinnahmen lässt sich indessen nicht beziffern.

Die Einführung einer Schiedsgerichtsklausel wirkt sich nicht unmittelbar auf das schweizerische Steueraufkommen aus. Indessen dürfte der Umstand, dass ein Schiedsgerichtsverfahren verlangt werden kann, dazu beitragen, dass die Vertragsstaaten allfällige Aufrechnungen auf ein vernünftiges Mass begrenzen, was zum Schutz des schweizerischen Steueraufkommens beiträgt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen für einheitliche Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten («global level playing field») und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Änderungsprotokoll begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Änderungsprotokolls. Das zur Genehmigung unterbreitete Änderungsprotokoll wird einen integrierenden Bestandteil des DBA-US bilden.

Dieses ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.

Das Änderungsprotokoll sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge auch in 243

Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Die neue Bestimmung zum Informationsaustausch sieht, entsprechend dem Musterabkommen der OECD, eine erweiterte Amtshilfe vor. Dies ist eine wichtige Neuerung in der schweizerischen Abkommenspraxis. Das neue Abkommen enthält damit eine wichtige Bestimmung im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV gegenüber den bisher mit anderen Staaten vereinbarten Verpflichtungen. Der Bundesbeschluss über das Protokoll zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika wird daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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