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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend die Umsatzsteuern (Vom 30. November 1951)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

;

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend unseren Bericht zum Volksbegehren betreffend die Umsatzsteuern vorzulegen.

Diese Initiative ist mit 88025 gültigen Unterschriften am 4. April 1950 der Bundeskanzlei eingereicht worden. Sie hat folgenden Wortlaut: « Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger, in der Erwägung, dass es notwendig ist, die Konsumenten von unsozialen indirekten Steuern, namentlich von pi eisverteuernden Umsatzsteuern zu entlasten, stellen hiermit gemäss Artikel 121 der Schweizerischen Bundesverfassung und gestützt auf das Bundesgesetz über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Bevision der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 das Volksbegehren, es sei in die Bundesverfassung der folgende Artikel 42, Absatz 2, aufzunehmen: ,Der Bund ist zur Erhebung von Umsatzsteuern nicht befugt' ».

«Les citoyens suisses soussignés, considérant qu'il est nécessaire de décharger les consommateurs des impôts indirects antisociaux, nommément de l'impôt sur le chiffre d'affaires qui augmente les prix, demandent, conformément à l'article 121 de la Constitution fédérale et aux dispositions de la loi fédérale du 27 janvier 1892 concernant le mode de procéder pour les demandes d'initiative populaire, que soit inscrit dans la Constitution fédérale l'article 42, chiffre 2, suivant : ; ,La Confédération n'est pas autorisée à prélever d'impôts sur le chiffre d'affaires'».

· : Bundeeblatt. 103. Jahrg. Bd. III.

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950 Der Ständerat und der Nationalrat haben am 23. Juni bzw. am 28. September von unserm Bericht vom 12.-Mai 1950 (BEI 1950, I, S. 1164) über das Zustandekommen des Volksbegehrens Kenntnis genommen und uns eingeladen, in der Sache selbst Bericht und Antrag einzubringen.

I. Form und Inhalt des Volksbegehrens Die Initiative verlangt in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eine Ergänzung von Artikel 42 der Bundesverfassung. Nach Artikel 121, Absatz 6, der Verfassung und Artikel 8, 9 und 10 des BG vom 27. Januar 1892/5. Oktober 1950 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung haben die eidgenössischen Räte über Annahme oder Ablehnung eines in dieser Form gestellten Partialrevisionsbegehrens innert drei Jahren nach Einreichung der Initiative Beschluss zu fassen. Ein solches Revisionsbegehren ist alsdann der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten, und zwar auch dann, wenn ein übereinstimmender Beschluss der beiden Räte hinsichtlich ihrer Stellungnahme ' zum Initiativentwurf innert gesetzlicher Frist nicht zustande kommt. Beschliesst die Bundesversammlung, dem Entwurf nicht zuzustimmen, so kann sie in der anschliessenden Volksbefragung einen Verwerfungsantrag stellen oder einen von ihr selbst ausgearbeiteten, die nämliche Verfassungsmaterie beschlagenden Revisionsentwurf gleichzeitig der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreiten.

Das Volksbegehren will dem Artikel 42 der Bundesverfassung, der einige der hauptsächlichsten Einnahmequellen des Bundes aufzählt,, einen neuen Absatz 2 folgenden Wortlauts beifügen: «Der Bund ist zur Erhebung von U m s a t z s t e u e r n nicht b e f u g t . » Ziel dieser neuen Verfassungsvorschrift ist, wie aus der Präambel zum Volksbegehren hervorgeht, einerseits die Beseitigung bestehender, «unsozialer indirekter Bundessteuern, namentlich von preis verteuernden Umsatzsteuern», und anderseits, das ausdrückliche Verbot, solche Umsatzsteuern von Bundes wegen inskünftig einzuführen. Angesichts des Unistandes, dass der Bund derzeit verschiedene Umsatzsteuern erhebt, deren Ertrag eine ganz wesentliche Stütze seines Finanzhaushaltes bildet, liegt das Schwergewicht der Initiative unbestreitbar auf der erstgenannten Zielsetzung. Mit den Schlagworten der «Beseitigung unsozialer indirekter Steuern» und des
«Konsumentenschutzes» als Vorspann sollen dem Bund Finanzquellen abgegraben werden, die sowohl für die wirtschaftliche und militärische Landesverteidigung als auch für die Erfüllung seiner sozialen Aufgaben von grösster Bedeutung sind.

Die Initiative verwendet den Ausdruck «Umsatzsteuern» und versteht darunter den Verbrauch belastende indirekte Steuern des Bundes. Der Bund erhebt derzeit verschiedene .Steuern, die sich wegen ihrer Überwälzung mittelbar als Belastung des Verbrauchers auswirken. Zu erwähnen sind : a. Bundesabgaben, die den Umsatz der einzelnen Güter oder Waren belasten, wie die Warenumsatz- und die Luxussteuer, die der Bundesrat in den

951 Jahren 1941 und 1942 kraft seiner ausserordentlichen Kriegsvollmachten eingeführt hat und deren Erhebungsdauer durch die Finanzordnung vom 29. September 1950 bis Ende 1954 verlängert worden ist, und die Biersteuer (Finanzordnung 1951-1954).

b. Bundesabgaben, die den Umsatz eines Geschäftsinhabers in seiner Gesamtheit belasten, wie die 1939 von Volk und Ständen beschlossene und in einem Zusatz zur Bundesverfassung verankerte eidgenössische Ausgleichsteuer (BB vom 21. Juni 1939; BB vom 24. September 1940 über die Ausgleichsteuer) ; , c. Bundesabgaben, die die Warenherstellung belasten, wie die Tabaksteuer (Art. 41ter BV; BG vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung) und die Spezialitätenbranntweinsteuer (Art. 32Ws BV; B G vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser); d. Bundesabgaben, die bei der Wareneinfuhr erhoben werden, wie die Zölle und Zollzuschläge (Art. 28-30 B V).

Nach dem Wortlaut der von den Initianten postulierten Verfassungsbestimmung (Art. 42, Abs. 2 BV) würde dem Bunde nur das Eecht bestritten, eigentliche Umsatzsteuern zu erheben, d. h. .Steuern, die den Umsatz, den Übergang eines Verbrauchsgutes von einer Produktionsstufe zur andern oder zum Verbraucher zum Gegenstande haben. Mithin hätte der Bund inskünftig auf die Erhebung der oben unter lit. a und b genannten Abgaben zu verzichten, und es wäre ihm auch untersagt,, neue derartige Steuern auf irgendwelchen entgeltlichen Lieferungen oder damit verbundenen Leistungen neu einzuführen.

Dagegen wäre es ihm gestattet, nicht an einen Umsatz anknüpfende Wirtschaftsverkehrssteuern wie Fabrikationsabgaben, Einfuhrzölle und Zollzuschläge zu erheben, wiewohl solche Abgaben die nämlichen wirtschaftlichen Wirkungen äussern wie die Umsatzsteuern.

Wenn sich auch die Initiative auf Umsatzsteuern schlechthin bezieht, so dürfte es doch gerechtfertigt sein, die Warenumsatzsteuer in den Mittelpunkt unserer Darlegungen zu stellen. Dass die Initiative sich in erster Linie,gegen die Warenumsatzsteuer richtet, folgt sowohl aus der Bezeichnung des Initiativkomitees «Komitee gegen die Warenumsatzsteuer» als auch aus 4er französischen Fassung der Präambel des Volksbegehrens. Im Gegensatz zum deutschen Text, der erklärt «in der Erwägung, dass es notwendig ist, die Konsumenten von unsozialen indirekten Steuern, namentlich
von preisverteuernden Umsatzsteuern zu entlasten», lautet die französische Fassung «considérant qu'il est nécessaire de décharger les consommateurs des impôts indirects antisociaux, nommément de l'impôt sur le chiffre d'affaires». Zudem hat bei der Beratung der Finanzordnung 1951 bis 1954 im Nationalrat Herr Nicole, eines der Mitglieder des Initiativkomitees gegen die Warenumsatzsteuer, Verwahrung eingelegt gegen die in unserer Botschaft vom 19. Juli 1950 zur Finanzordnung 1951 bis 1954 enthaltene Feststellung (BEI 1950 II 440), die vorliegende Initiative wolle dem Bunde generell die Befugnis zur Erhebung von Umsatzsteuern entziehen, also nicht nur den Weiterbezug der Warenumsatzsteuer,

952 sondern auch die Erhebung der Luxussteuer, der Tabaksteuer und der Biersteuer verunmöglichen. Herr Nicole erklärte (StenB NB, 1950, 891): «II faut souligner, d'autre part, que l'initiative lancée par le parti du travail n'a pai, les conséquences qu'indiquèrent Messieurs les rédacteurs du message du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale du 19 juillet dernier au sujet du:projet en discussion. Il est absolument faux de déclarer, comme ils le font, que la suppression de l'impôt sur le chiffre d'affaires ne permettrait plus de percevoir l'impôt sur le tabac, l'impôt sur le luxe, l'impôt sur la bière. Comment a-t-on pu oser se servir de «bourdes» pareilles? Comment a-t-on pu les écrire dans un document officiel signé du Conseil fédéral, alors que l'on sait que ces trois impôts sont perçus séparément, en vertu de dispositions légales spéciales et qu'on ne peut ignorer, par exemple, que l'imposition sur le tabac a été fixée dans l'article constitutionnel 41ter, adopté le 6 décembre 1935 en votation populaire?» Angesichts dieser Anaichtsäusserung eines der Initianten, die mit dem vorgeschlagenen und für die Auslegung ausschlaggebenden Verfassungstext*) allerdings im Widerspruch steht, kann es immerhin nicht erstaunen, dass in der Öffentlichkeit die Meinung vorzuherrschen scheint, das Volksbegehren beschränke sich auf die Aufhebung der Warenumsatzsteuer als der Steuer, die wegen ihrer Ergiebigkeit und wegen ihrer bisher üblich gewesenen offenen Überwälzung die wichtigste und bekannteste Form der fiskalischen Belastung des Umsatzes-'in der Schweiz geworden ist.

· ' ·.

u. Die Entwicklung der Umsatzbesteuerung und ihre Stellung im Steuersystem 1. Die Entwickhing der Umsatzsteuer , Die Umsatzsteuer gehört zu den ältesten Steuern. In der neuern Zeit hat sie sich zwar zunächst nur als spezielle Umsatzsteuer auf einzelnen Waren erhalten (sog. Akzisen). Auch:im 19. Jahrhundert gelangten Umsatzsteuern nur sporadisch und vorübergehend zur Erhebung, weil die steuerpolitische Entwicklung sich hauptsächlich in der Eichtung der direkten Steuern vollzog; vor allem galt das Interesse der Fisci und der .Pflichtigen der Einkommenssteuer, die dank der Möglichkeit subtiler Berücksichtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit als die gerechteste Steuer betrachtet wurde und heute noch betrachtet wird. Der erste Weltkrieg
brachte indessen eine Wiederbelebung der Umsatzsteuer. Wenn man angesichts des in unerhörtem, Masse angewachsenen Finanzbedarfs Eaubbau an den bisherigen Finanzquellen vermeiden wollte, musste man auf Fiskalreserven zurückgreifen, die unter günstigeren Voraussetzungen bisher ungenützt bleiben konnten. Man erinnerte sich der in Vergessenheit geratenen Umsatzsteuer, und einzelne Staaten führten sie bereits in den letzten Kriegsjahren ein (z. B. Frankreich, Deutschland). In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg folgten weitere Staaten nach (z. B. Österreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Belgien, Sowjetunion).

; .

*) Der deutsche Text der vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung würde, beiläufig bemerkt, auch den Portbezug der Stempelabgabe auf dem Umsatz von Wertpapieren (Art. 8.8 des BG über die Stempelabgaben) ausschliessen.

953 Eine weitere Ausbreitung erfuhr die Steuer sodann während der Wirtschaftskrise der dreissiger Jahre unter dem Drucke der gespannten Finanzlage.

Sie wurde damals in Holland und in den meisten Staaten der Nordamerikanischen Union eingeführt. Der zweite Weltkrieg zwang auch Staaten, die bisher auf die Umsatzsteuer hatten verzichten können, zur Erschliessung dieser Einnahmequelle (so z. B. England).

In allen Staaten, welche diese ; Steuerquelle zum Fliessen gebracht haben, hat die Umsatzsteuer im Laufe der Jahre verschiedene, zum Teil grundlegende Änderungen erfahren. Zurzeit ist die Gesetzgebung immer noch im Flusse. Die Umsatzsteuer bildet heute zusammen mit der Einkommenssteuer die Hauptstütze der meisten europäischen Steuersysteme.

; ,' . . In der Schweiz ist die Einführung der Umsatzsteuer erstmals nach dem ersten Weltkrieg erwogen worden. An der Finanzexpertenkonferenz von 1920 in Kandersteg und bei der Beratung des Finanzprogrammes 1983 wurde nachdrücklich auf diese ungenützte Finanzquelle hingewiesen und ihre Erschliessung zugunsten des Bundes postuliert. Im Jahre 1936 wurde ihre Einführung zur Beschaffung von Mitteln für die Förderung der Warenausfuhr und der Fremdeniridustrie befürwortet; sie unterblieb jedoch, weil man diese Steuer dem Bunde als letzte grosse Beserve erhalten wollte. In seiner Botschaft vom 18. März 1938 über die verfassungsmässige Neuordnung des Finanzhaushaltes des Bundes erörterte der Bundesrat das Urnsatzsteuerproblem, ohne indessen Anträge zu stellen. Bei der Diskussion über die Ausgleichsteuer wurden: neuerdings Vorschläge für die Einführung einer Warenumsatzsteuer eingebracht; wie früher setzte sich aber die Auffassung durch, dass die Umsatzsteuer eine Finanzreserve darstellenderen Nutzung für Notzeiten aufgespart werden müsse.

Der zweite Weltkrieg schuf eine Lage, welche eine Besteuerung der Warenumsätze unvermeidlich machte. Die Einnahmen aus den Grenzzöllen gingen sprunghaft zurück. Die Vermögen und Einkommen waren bereits mit ausserordentlichen Bundessteuern erheblich belastet. Das führte zwangsläufig zur Erkenntnis, dass zur Deckung der hohen Mobilisations- und Soziallasten nicht ausschliesslich direkte Bundessteuern beansprucht werden können, zumal darauf Bücksicht zu nehmen ist, dass die Kantone und Gemeinden für die Deckung ihres Finanzbedarfs zur
Hauptsache auf direkte Steuern vom Einkommen und Vermögen angewiesen sind. Unter diesen Umständen konnte auf eine die kantonale und kommunale Finanzgebarung nicht beeinträchtigende und dem Finanzbedarf des Bundes angemessene Umsatzsteuer nicht mehr verzichtet werden.

Mit seiner Botschaft vom 19. Januar 1940 (BEI 1940, 37) schlug der Bundesrat die Erhebung eines einmaligen Wehropfers sowie einer befristeten Wehrsteuer und einer Umsatzsteuer vor. Die Bäte stimmten zu (BB vom 11. April 1940; BB11940,432), doch konnte die Verfassungsvorlage der Volksabstimmung nicht unterbreitet werden, weil die aussenpolitischen Spannungen zu raschem Handeln zwangen. Am 30. April 1940 setzte der Bundesrat auf Grund seiner Vollmachten ein die vorgesehenen ausserordentlichen Fiskalmassnahmen

954 umfassendes Finanzprogramm (Wehropfer, Wehrsteuer und Warenumsatzsteuer) in Kraft. Am 29. Joli 1941 erliess er den Ausführungsbeschluss zur Warenumsatzsteuer. Mit Beschluss vom 18. Oktober 1942 ordnete er als Ergänzung die Erhebung einer Steuer auf den Umsätzen von Luxuswaren an.

2. Die Stellung der Umsatzsteuer im Steuersystem Die Umsatzsteuer ist ihrer rechtlichen Form nach eine Wirtschaftsverkehrssteuer; ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach charakterisiert sie sich als eine allgemeine Verbrauchsabgabe. Die Steuer wird zu einem bestimmten Ansätze auf dem Umsatz erhoben und wirkt sich wie irgendein anderer Kostenfaktor (Zoll, Transport- und Versicherungsspesen, Eeklamekosten usw.) auf die Preisbildung aus. Sie führt somit zu einer dem Betrag der Steuer entsprechenden Erhöhung des Preisniveaus und auf diese Weise zu einer Belastung des Verbrauchs. Das entspricht durchaus der Absicht des Gesetzgebers, der grundsätzlich den Konsumenten als Steuerträger betrachtet und die Steuerbelastung nach der Leistungsfähigkeit des Konsumenten bemisst, die im Geldaufwand für den Warenverbrauch zum Ausdruck kommt. Hier setzt nun die an den Verbrauchsabgaben geübte Kritik mit dem Einwand ein, die Umsatzsteuer belaste die Minderbemittelten verhältnismässig stärker als die gut- .

situierten Volksschichten, weil bei kleinen Einkommen ein grösserer Prozentsatz im Warenverbrauch aufgehe als bei grossen Einkommen.

Dass Warenumsatzsteuern solche Wirkungen haben können, soll nicht bestritten werden. Ein Finanzsystem, das (wie beispielsweise dasjenige Busslands) den Bedarf vorwiegend durch das Mittel einer allgemeinen und einheitlichen Besteuerung der Umsätze decken würde, wäre darum sozialpolitisch unter Verhältnissen, wie sie in der Schweiz gegeben sind, nicht zu rechtfertigen und stände im Widerspruch zum Postulat einer gerechten, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerträger angemessenen Besteuerung. Anders verhält es sich aber, wenn, wie es in den Ländern; Westeuropas einschliesslich der Schweiz der Fall ist, eine Abgabe dieser Art in den Eahmen eines vorwiegend auf progressiven direkten Steuern beruhenden Steuersystems eingebaut wird, und wenn überdies durch ihre Ausgestaltung unsoziale Wirkungen behoben oder doch sehr weitgehend abgeschwächt werden.

Keine .Steuer bietet für sich allein Gewähr für
eine gerechte, die ökonomische Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen in ihren verschiedenen Erscheinungsformen berücksichtigende Lastenverteilung. Alle modernen Steuersysteme beruhen darum auf einer Kombination verschiedener Steuerarten.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit äussert sich zwar am unmittelbarsten im Einkommen, in der Gesamtheit der Mittel, die dem Einzelnen während1 eines bestimmten Zeitraumes ohne Schmälerung seines Vermögens zur Verfügung stehen. Sie offenbart sich aber auch im Besitz und in seiner Vermehrung. Der Besteuerung des Vermögens kann jedoch dadurch ausgewichen werden, dass man die verfügbaren Mittel verbraucht. Wer Einkommen, das zur Vermögens-

955 bildung verwendet werden könnte, verbraucht, ist indessen nicht weniger leistungsfähig und verdient nicht grössere Schonung als der ; Sparende, der die Besteuerung seiner Ersparnisse und ihres Ertrags auf sich nehmen muss.

Deshalb erfüllt die Belastung des Verbrauchs durch Umsatzsteuern eine beachtenswerte Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion.

Ebensowichtig ist eine steuerpolitische und steuertechnische Nebenfunktion der Umsatzsteuer. Sie ermöglicht eine rationelle, weniger Umtriebe und Kosten verursachende Ausgestaltung der direkten Steuer. Dem Postulate der Allgemeinheit der Steuer, d. h. der Forderung, dass als Korrelat seiner politischen Eechte grundsätzlich jedem Bürger die Pflicht zur Leistung eines seinen Kräften angemessenen Beitrages an die Kosten des öffentlichen Haushalts aufzuerlegen sei, könnte die direkte Einkommens- und Veimögensbesteuerung für sich allein nur dann gerecht werden, wenn keine oder sehr niedrige steuerfreie .Existenzminima und soziale Abzüge gewährt würden. Die Durchführung des mit der Erhebung direkter Steuern notwendigerweise verbundenen Veranlagungs.verfahrens verursacht aber, für die am Verfahren Beteiligten einen Aufwand, der sich dort schwer rechtfertigen lässt, wo bei kleinen Einkommen und Vermögen nur geringe Steuerleistungen beansprucht werden können. Der Widerspruch, der in diesen Fällen zwischen den Postulaten der Allgemeinheit und der rationellen Gestaltung der Besteuerung besteht, lässt sich am besten ausgleichen durch eine vernünftige Kombination direkter Steuern mit verhältnismässig hohen Freigrenzen und einem System verschiedener Umsatzsteuern,! durch die in einem nur relativ geringe Kosten verursachenden Verfahren auch die Personen geringer steuerlicher Leistungsfähigkeit zu einem nach der Art und dem Umfang ihres Warenverbrauchs bemessenen Beitrag an die Kosten des öffentlichen Haushalts herbeigezogen werden können.

Die Umsatzsteuer hat den Vorzug der Einfachheit. Die Konsumenten werden durch Formalitäten nicht belästigt, und die Steuer kann ohne bedeutende Verwaltungskosten bezogen werden. Ihr Nachteil besteht darin, dass die Umsatzsteuer ihrer Natur nach auf die individuellen Verhältnisse ihres Trägers nicht in gleich subtiler Weise Bücksicht nehmen kann wie es, wenigstens theoretisch, bei einer amtlich veranlagten direkten Steuer der Fall ist.
Dieser Unterschied darf aber nicht überschätzt werden. Auch die direkte Steuer kann nicht vollkommen nach der Leistungsfähigkeit abgestuft werden.

Das Gesetz muss z. B. von der Fiktion ausgehen, dass alle Familienväter mit zwei Kindern und 5000 Franken Einkommen gleich leistungsfähig seien. Dies trifft, aber gar nicht zu, da die im Einzelfall gegebene Leistungsfähigkeit von zahlreichen Umständen und verschiedenartigen persönlichen Verhältnissen abhängt, auf die das Gesetz nicht Eücksicht nehmen kann. Anderseits ist auch bei der Umsatzsteuer, allerdings auf Kosten der Einfachheit und deshalb nur im Eahmen des technisch Durchführbaren, die Möglichkeit gegeben, durch zweckmässige Auswahl der Objekte und durch Abstufung der Steuersätze auf die Leistungsfähigkeit des Steuerträgers Eücksicht zu nehmen. Dies kann so geschehen, dass die Umsätze lebenswichtiger Waren nur zu einem ; niedrigen

956 Satz oder überhaupt nicht besteuert, und dass anderseits die Umsätze entbehrlicher Güter höher belastet werden. Das Beispiel der schweizerischen Warenumsatzsteuei zeigt, dass es möglich ist, eine übermässige Belastung der Minderbemittelten zu vermeiden und, wenn auch keine Anpassung der Belastung des einzelnen Umsatzvorganges-an die individuelle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers, so doch eine Gesamtwirkung der Steuer zu erzielen, die weder als ungerecht noch als asozial bezeichnet werden darf.

DI. Die eidgenössische Warenumsatzsteuer 1. Die Belastung des Verbrauchers Die Kritik an der Warenumsatzsteuer und an der Luxussteuer findet in einer hergebrachten grundsätzlichen Abneigung weiter Kreise gegen indirekte Steuern im allgemeinen und gegen Verbrauchsabgaben im besondern einen günstigen Nährboden. Gegen die doktrinäre Einstellung, welche einzig und unter allen Umständen nur. in den direkten Steuern ein taugliches Mittel gerechter Lastenverteilung erblickt, ist, wie gegen jede doktrinäre, d. h. jeder Nachprüfung vprgefasster Meinungen abholde und ausweichende Einstellung überhaupt, schwer aufzukommen.

Die der Kritik an der Umsatzsteuer zugrunde liegende verallgemeinernde Behauptung, dass indirekten Verbrauchsabgaben die Tendenz innewohne, die weniger bemittelten Bevölkerungskreise verhältnismässig stärker als die begüterten Kreise zu belasten, genügt keineswegs, um über der eidgenössischen Warenumsatzsteuer als Einzelfiskalmassnahme und als Glied ;eines gesamtschweizerischen. Steuersystems den Stab zu brechen.

Bei der Gestaltung der eidgenössischen Warenumsatzsteuer wurden im Eahmen des steuertechnisch Zulässigen soziale Erwägungen weitgehend berücksichtigt. Neben dem Umsatz von Gas, Wasser, elektrischem Strom und Zeitungen ist von Anfang an der Umsatz der notwendigsten Lebensmittel von der Besteuerung ausgenommen worden. Die Umsätze der übrigen Waren wurden mit bloss 2 Prozent des Detailwertes belastet. Als infolge der langen Dauer des Krieges der Finanzbedarf über das ursprünglich voraussehbare Mass hinaus anstieg, wurde eine Erhöhung der direkten und indirekten Bundessteuern notwendig. Der Ndrmalsatz der Warenumsatzsteuer wurde auf 4 Prozent festgesetzt. Gleichzeitig wurde aber der Umsatz weiterer Esswaren von der Besteuerung ausgenommen und die Umsätze der übrigen Lebensmittel, der
Seifen, Waschmittel, festen und flüssigen Brennstoffe weiterhin mit nur 2 Prozent steuerbar erklärt. Auf den 1. Januar 1950 wurde die Steuerfreiheit auf die Umsätze aller notwendigen Lebensmittel ausgedehnt und auf den 1. Januar 1951 endlich ist die Befreiung der Gesamtheit aller Esswarenumsätze angeordnet worden (Finanzordnung 1951-1954).

Die weniger bemittelten Kreise und die kinderreichen Familien, bei denen ein erheblicher Teil der gesamten Aufwendungen für Warenanschaffungen auf Auslagen für Lebensïnittel und Brennstoffe entfällt, sind durch diese ,Mass-

957 nähme spürbar entlastet worden. Wenn ihrer Natur nach die Warenumsatz- !

Steuer nicht progressiv gestaltet werden kann, so gelang es doch; eine mit sinkendem Einkommen prozentual steigende Belastung zu vermeiden.

Unter der Annahme, die Warenumsatzsteuer werde.stets voll auf den Verbraucher überwälzt, ergibt sich für die Zeit nach dem 1: Januar 1950 auf Grund der Haushaltungsrechnungen für Familien mit Einkommen zwischen 7000 und 12000 Franken eine unmittelbare Belastung von l bis 1,1 Prozent des Einkommens. Darüber, wie sich die auf die Umsatzbesteuerung zurückzuführende Verteuerung der Produktionsmittel mittelbar auf die Konsumgüterpreise auswirkt, lässt sich ebensowenig Zuverlässiges aussagen wie über die komplexen und wandelbaren Überwälzungsvorgänge bei den direkten Steuern, die ebenfalls nicht ohne Einfluss auf die Produktionskosten bleiben.

Der Einfluss der Besteuerung des Produktionsmittelumsatzes auf die inländischen Lebenshaltungskosten ist um so weniger feststellbar, als über den Export und den Fremdenverkehr auch der ausländische Käufer einen Teil der Steuerbelastung trägt und auch die öffentliche Hand als Verbraucher auftritt.

Mit der Feststellung, dass die Besteuerung des Warenumsatzes eine entsprechende Preissteigerung bewirkt, ist nicht zugleich ausgesprochen, dass die Belastung auch endgültig und in vollem umfang vom Verbraucher der Konsumgüter getragen wird. Die Ausgaben für Nahrungsmittel, Brennmaterial, Leuchtstoffe, Bekleidung und Miete, welche auch die Warenumsatzsteuerbelastung in ihrem vollen Umfange einschliessen, sind massgebend für die Berechnung des Lebenskostenindexes. Dieser hat aber für die Gestaltung des Niveaus der Löhne und Gehälter eine ausschlaggebende Bedeutung, erhalten.

Auf dem Umweg über die Löhne wird die Steuerbelastung dem Arbeitgeber ' Überbunden. Auch damit ist freilich der umständliche Überwälzungsprozess nicht abgeschlossen, weil das gesteigerte Lohnniveau sich naturgemäss wieder irgendwie auf die Warenpreise auswirkt. Der Prozess setzt sich so fort und.

verliert sich in der Preis-Lohnspirale unter Bedingungen, die nicht einheitlich gestaltet sind und sich mit der Konjunktur verändern. Sicher ist aber, dass ein beachtlicher Teil der von den Arbeitnehmern auf die Arbeitgeber abgewälzten Belastungen in den Preis von Exportgütern eingerechnet
und damit dem Ausland überbürdet wird, und dass weitere Teile sonstwie im Güterproduktionsund Güterverteilüngsprozess versickern und den inländischen Konsumenten nicht mehr erreichen.

Eine Beurteilung der Belastung des Konsumenten durch die Warenumsatzsteuer wäre unvollständig, wenn die übrigen Verbrauchssteuern unberücksichtigt blieben. Unter ihnen stehen an erster Stello die Zölle, sodann sind zu nennen die Biersteuer, dia Abgaben auf gebrannten Wassern (Alkoholmonopol), die fiskalische Belastung des Tabaks, die Luxussteuer sowie die kantonalen Verbrauchs- und Aufwandsteuern, von denen die Automobilsteuern und die Vergnügungssteuern fiskalisch die wichtigsten sind. Es handelt sich vorwiegend um Abgaben, die nicht den unentbehrlichen Verbrauch, sondern den Luxusverbrauch belasten. Dies gilt auch für die Zölle, deren Ansätze entsprechend

958 weitgehend nach der Entbehrlichkeit der Bedarfsgegenstände abgestuft sind.

Die Zolleinnahmen betrugen im Durchschnitt der Jahre 1949/50 438 Millionen Franken; davon entfielen aber gegen 200 Millionen Franken auf nicht zum lebensnotwendigen Bedarf gehörende Güter (Automobile, Benzin, Tabak, Malz, Gerste, Bier, Fasswein, Schaumweine, Liköre, Wermut, Parfümeriewaren, Edelmetallwaren, Porzellan).

Die fiskalische Belastung des entbehrlichen Verbrauchs durch Bund, Kantone und Gemeinden geht aus Tabelle l hervor.

Tabelle l Fiskalische Belastung des entbehrlichen Bedarfs durch Bund, Kantone und Gemeinden Art der Steuer oder Abgabe

1. Entbehrlicher Bedarf: Kantonale und kommunale Verbrauchs- lind Aufwandsteuern *) Bier- und Tabaksteuer "Überschuss der Eidgenössischen Alkoholverwaltung 2) Zölle auf Luxuswaren3) Eidgenössische Luxussteuer Warenumsatzsteuer auf Luxuswaren4) Total 2. Übriger Bedarf Aufwand- und Verbrauchssteuern insgesamt5) .

Durchschnittsertrag 1949/50 Millionen Fr. : Prozent

66,3 78,0

6,3 7,4

19,6 195,8 17,9 54,5 432,1

1,8 18,5 1,7 5,1

626,8

40,8 59,2

1058,9

100,0

*) Automobilsteuern, Hundesteuern, Vergnügungssteuern, Getränkesteuern, diverse Aufwandsteuern.

2 ) Geschäftsjahre 1948/49 und 1949/50.

3 ) Fasswein, Automobile, Benzin, Tabak, Malz, Gerste, Bier, Parfümerien, Schaumweine, Branntwein, Likör, Wermut, Edelmetallwaren, Porzellan.

4 ) Automobile, Tabak, alkoholische Getränke, Benzin und Waren, die der Luxussteuer unterliegen.

5 ) Inkl. Betriebsüberschuss der Eidgenössischen Alkoholverwaltung.

Eund zwei Fünftel der Einnahmen aus Verbrauchs- und Aufwandsteuern belasten den entbehrlichen Verbrauch^ tiotzdem dieser hur ungefähr 15 Prozent des gesamten schweizerischen Warenkonsums ausmachen dürfte. Auch die übrigen drei Fünftel dürfen jedoch nicht gesamthaft als steuerliche Belastung des unentbehrlichen Verbrauchs betrachtet werden. Sie rühren zu einem wesentlichen Teil aus Zöllen und Umsatzsteuern auf Eohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten her, die keine oder keine unmittelbare Belastung des unentbehrlichen Verbrauchs zur Folge haben. Wenn hierüber auch keine Zahlenmassigen Feststellungen möglich sind, so besteht, wie sich aus dieser Zusammen-

959 Stellung ergibt, doch kein Zweifel, dass die Behauptung, die Verbrauchssteuern seien von vornherein unsozial, weil sie vor allem die unbemittelte Bevölkerung belasten, einer sachlichen Prüfung nicht standhält. Für uiiser gegenwärtiges Verbrauchssteuersystem ist sie jedenfalls unbegründet.

2. Die Einnahmen aus der Warenumsatzsteuer Seit ihrer Einführung (1. Oktober 1941) bis Ende 1950 brachte die Warenumsatzsteuer dem Bunde 3 Milliarden Franken ein. Der höchste Steuerertrag ^wurde im Jahre 1948 mit 462,6 Millionen Franken erreicht. Infolge der Bück:bildung der Hochkonjunktur sanken die Einnahmen 1949 um nahezu 30 , Millionen Franken auf 435 Millionen Franken. Die Erweiterung der Freiliste jauf alle notwendigen Lebensmittel und andere Erleichterungen hätten für 1950 einen "weiteren Einnahmenausfall von rund 50 Millionen Franken zur Folge gehabt, wenn nicht die mit der weltpolitischen Lage zusammenhängende Konjunkturentwicklung ein gewisses Gegengewicht gebildet hätte. So ergab sich für 1950 ein Ertrag von 414 Millionen Franken. Für das Jahr 1951 darf jauf Grund der ersten drei Quartalsergebnisse mit einem ungefähr gleich hohen Ertrag gerechnet werden. Für das Jahr 1952 ist bei Annahme einer unveränderten Wirtschaftslage ein Ertrag von 410 Millionen Franken budgetiert.

Tabelle 2 Die Erträge der Warenumsatzsteuer \

. Jahre

':

;

· : [·· ; .;'

194l1) 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 19512) 1952 3)

Millionen Franken

6,9 133,7 200,5 248,8 282,5 350,8 435,6 462,6 435,0 414,5 410,0 410,0

,

Im Durchschnitt der Jahre 1949/50 machte der Ertrag der Warenumsatzsteuer 14,7 Prozent der gesamten Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern .aus. Ein Vergleich mit den Belationen, in denen im Ausland der Ertrag der Umsatzbesteuerung zu denen der gesamten Steuereinnahmen steht, ergibt folgendes Bild: l ). I.Oktober bis 31. Dezember.

2 ) Schätzung.

) Voranschlag.

3

960 Tabelle 3 Warenumsatzsteuer und Verbrauchssteuern im Ausland

Länder

Beigion

Fiskaljahre

.

Dänemark. . . .

Deutschland (Bundesrepublik) Frankreich . . . .

Holland Italien Norwegen 3) . . .

Österreich . . . .

Sowjetrussland 4) .

USA

. .

Schweiz

1949 1950 1949/50 1950/51 !)

1949/50 1950/51 1949 1950 1949 1950 1949/50 1950/51 i) 1949/50 1950/51 2) 1949 1950 1949 1950 1948/49 1949/50 1949 1950

Innere VerEinnahmen der Waren- "Warenumsatz- brauchssteuern umsatzsteuer in % Steuer (ohne Zölle) der Totalsteuereinnahmen (Staat, Pro Kopf der Bevölkerung Provinzen, Gemeinden) in Franken

26,6 28,0 12,4 12,4 22,4 26,2 49,5 45,3 16,2 18,8 22,8 23,1 15,6 15,4 21,5 24,2 79,2 75,8 7,9 8,6 16,1 13,5

167 167 62 59 :

87

107 187 218 94 109 34 37 97 96 30 45 483 436 106 115 93 88

·

261 246 211 189 198 226 202 234 160 179 99 103 255 251 61 81 -- -- 318 840 129 127

!) Budget.

Provisorische Ergebnisse.

Warenumsatz- und Luxussteuer.

) Offizielle Unterlagen fehlen.

2 ) 3 ) 4

Die Tabelle zeigt, dass der Anteil der Warenumsatzsteuer am gesamten Steueraufkommen in den USA und in Dänemark niedriger ist als in der Schweiz.

Die auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden Warenumsatzsteuern weisen nur in Dänemark, Italien und Österreich eine geringere Quote auf, während die Kopfquote der innern Verbrauchsabgaben nur in Österreich und Italien unter dem schweizerischen Ergebnis liegt. Eine überragende Bolle spielt die Warenumsatzsteuer im französischen Staatshaushalt. Sie wird aber weit übertroffen durch die russische Umsatzsteuer, die dank einer schonungslosen Belastung des lebenswichtigen Verbrauchs für mehr als die Hälfte der Gesamtkosten des Staatshaushalts aufzukommen vermag.

961

IV. Die Bedeutung der Umsatzsteuer im schweizerischen Steuersystem 1. Die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden 'Die einzelne Bundessteuer darf nicht für sich allein betrachtet werden; sie ist im Bahmen des gesamten Systems der Bundes-, Eantons- und Gemeindesteuern zu würdigen, wenn darüber, ob sie tragbar und gerecht sei, ein zutreffendes Urteil abgegeben werden soll. Denn dem Einzelnen kommt es weniger darauf an, von welcher Steuerhoheit er in Anspruch genommen wird und welcher Art die ihm auferlegten Steuern sind, als vielmehr darauf, in welchem Umfange er gesamthaft belastet wird.

Tabelle 4 Gesamtsteuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden nach Steuerarten seit 1935-1939 Jahr bzw. Jahresdurchschnitt

Einkommens-, Vermögens- und Vermögensverkehrssteuern Prozent *)

Mio. Fr.

1935-1939 1940-1944 1945-1946 1947 . .

1948 . .

1949 2 . .

: 1950 ) .

:

Verbrauchs- und Aufwandsteuern Mio. Fr.

Prozent ')

383 359 609 1007

38

62 75 73 62 64 63 65

635 1101

1606 1667

1870 1710 1988 '·

1061 996 1082 ·

·· ' al) In Prozent des Totais der Steuereinnahmen.

) Provisorische Ergebnisse.

25

Total der Steuereinnahmen

i

27 38 36 37

Mio. Fr.

Prozent

1018

100 100 100 100 100 100 100

1460

2215

2674 2931

2700 3070

35 '

·.· Dieser Aufstellung ist zu entnehmen, dass gesamtschweizerisch betrachtet das Hauptgewicht auf die Besteuerung des Einkommens und ^Vermögens gelegt ist, und dass sich das Verhältnis zwischen Einkommens-, Vermögens- und Vermögensverkehrssteuern einerseits und Aufwand- und Verbrauchssteuern anderseits im Laufe der Jahre nicht wesentlich verändert hat. Die Verschiebung zugunsten der direkten Steuern in den Jahren 1940 bis 1946 ist hauptsächlich auf den Eückgang der Zollerträge sowie auf die Erhebung der zwei Wehropfer ,und der Kriegsgewinnsteuer zurückzuführen. In den letzten 4 Jahren machen die .Verbrauchs- und Aufwandsteuern trotz Warenumsatzsteuer sogar einen . etwas kleineren Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen aus als im Mittel der Jahre 1935-1939.

In den Kantonen und Gemeinden liegt das Schwergewicht bei den Einkommens- und Vermögenssteuern, die 90 Prozent des Ertrags aller Kantonsund Gemeindesteuern ausmachen. Der Bund ist dagegen in stärkerem Masse auf die Ausschöpfung der Verkehrs- und Verbrauchssteuern angewiesen. Die Hauptpfeiler seiner Steuereinnahmen bilden die Zölle und die Umsatzsteuern.

962 Tabelle 5

Steuereinnahmen des Bundes Bundesanteil in Millionen. Franken Zölle und Preiszuschläge

.

Sonstige Verbrauchssteuern Warenumsatzsteuer Luxussteuer Ausgleichsteuer Tabaksteuer Biersteuer Übrige Steuern Stempelabgaben . . .

Verrechnungssteuer .

Sicherüngssteuer Zertifizierungssteuer Krisenabgabe Wehrsteuer Wehropferlundll Kriegsgewinnsteuer

.

. . . . . . .

Total Steuern

1949

1950

390,4

485,5

540,4

526,1

435,0 17,8 12,8 63,4 11,4

414,5 .17,5 13,0 69,1 12,0

308,6

500,7

71,8 70,5 0,5 .0,2 0,1 105,6 12,4 47,5

80,2 75,4 0,5 1,7 0,0 312,3 5,3 25,3

1839.4

.

1512,3

Die Zölle und die sonstigen Verbrauchssteuern machten somit im Jahre 1950 67 Prozent, die Umsatzsteuern allein 35 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Bundes aus.

Die Einnahmen aus Zöllen und sonstigen Verbrauchssteuern sind, wenn man von den Kriegsjahren absieht, im Verhältnis der Gesamtsteuereinnahmen konstant geblieben, haben also trotz der Einführung der Warenumsatzsteuer auf den 1. Oktober 1941 gegenüber den Vorkriegsjahren keine relative Steigerung erfahren. Diese Tatsache ist bei einer derart massiven und weit über die Geldentwertung hinausgehenden Erhöhung der Gesamteinnahmen an öffentlichen Abgaben nicht selbstverständlich. Bei steigendem Pinanzbedarf drängt sich die Heranziehung aller verfügbaren Steuerquellen auf, so dass eine überproportionale Steigerung der allgemeinen Verbrauchsabgaben an sich verständlich wäre. Dass eine solche nicht eintrat, zeigt, dass zunächst die Einkommens- und Vermögenssteuern ausgeschöpft und indirekte Abgaben erst dann vermehrt herangezogen wurden, als die weitere Steigerung der Belastung von Einkommen und Vermögen nicht mehr angezeigt erschien.

Ein Verzicht auf die Erhebung der Umsatzsteuer würde das Verhältnis der Einkommens- und Vermögenssteuern zu den Verbrauchssteuern wesentlich verschieben. Wenn dieses Verhältnis zuverlässige Schlüsse über die endgültige Lastenverteilung auch nicht zulässt, so kommt ihm doch eine gewisse historische

963 Bedeutung zu. Da die direkten Steuern seit den dreissiger Jahren im Sinne sozialer Gestaltung modernisiert worden sind, lässt die praktisch unveränderte Relation der Besitz- und Verbrauchssteuern bei einer Verdreifachung der gesamten Steuereinnahmen den Schluss zu, dass jedenfalls keine Verschiebung des BelastungsVerhältnisses zu ungunsten der wirtschaftlich schwachen Volkskreise eingetreten ist.

_ Dass unser Volk für diese Zusammenhänge Verständnis hat. hat es in der Volksabstimmung vom 3. Dezember 1950 bewiesen. Es hat der die Warenumsatzsteuer mitumfassenden Finanzordnung 1951 bis 1954 mit 516 704 gegen 227131 Stimmen und einem Standmehr von 23 gegen 2 Stimmen zugestimmt.

2. Kann die Umsatzsteuer durch eine andere Steuer ersetzt werden ?

Dem Bund sind bei der Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Finanzquellen Grenzen gesetzt. Bei den nach der Warenmenge bemessenen, den Geldwertschwankungen nicht folgenden Grenzzonen lassen sich wegen der bestehenden Handelsverträge und aus wirtschaftspolitischen Bücksichten nicht beliebige Tarifänderungen vornehmen. Der Bückgang der Importe während der Kriegszeit musste deshalb trotz fortschreitender Teuerung zu einer Verminderung der Zolleinnahmen führen (Jahresdurchschnitt der Zollerträge 1935-1939 280 Millionen Franken, 1942-1945 127 Millionen Franken); in den Nachkriegsjahren überstiegen die Zolleinnahmen zwar nominell die Eingänge der Vorkriegszeit (1946-1950 409 Millionen Franken) ; ihr Bealwert blieb aber wegen der Geldentwertung hinter demjenigen der Vorkriegsjahre zurück.

Eine Möglichkeit, den Ertrag der Warenumsatzsteuer auch nur teilweise durch Grenzzölle aufzubringen, besteht demnach nicht. Es ist vielmehr gerade die Warenumsatzsteuer, die -- wenigstens zum Teil -- der Deckung der Zollertragsausfälle dient. Im übrigen ist kaum anzunehmen, dass die Gegner der Umsatzsteuer einer, wesentlichen Steigerung der Zolleinnahmen, namentlich der Fiskalzölle, beipflichten würden. Denn bei gleichem Ertrag belasten Zölle die Verbraucher eher stärker als Umsatzsteuern, weil die Zölle oft nicht nur die Importwaren verteuern, sondern zugleich zu einer Preissteigerung gleichartiger inländischer Waren führen, die im Schatten des Zollschutzes erzeugt werden.

Das Verhältnis zwischen Fiskalertrag und Belastung ist deshalb für:den Verbraucher bei der
Warenumsatzsteuer in der B>egel günstiger als bei den Zöllen.

Bei der Erhebung von Einkommens- und Vermögenssteuern hat der Bund auf Kantone und Gemeinden Bücksicht zu nehmen, die auf die direkten Steuern als Deckungsmittel angewiesen sind. Die Gesamtbelastung der Einkommen und Vermögen soll vernünftigerweise ein Ausmass, bei dem mit wirtschaftsschädigenden Auswirkungen gerechnet werden musste, nicht erreichen.

Den nachstehenden Berechnungen legen wir für die Warenumsatzsteuer den im Voranschlag 1952 aufgeführten Jahresertrag von 410 Millionen Franken zugrunde. Von der Wehrsteuer, kann auf Grund der geltenden Ordnung ein Ertrag von 280 Millionen Franken im Jahresdurchschnitt erwartet werden (vgl. Erläuterungen zum Voranschlag 1952), wovon dem Bund 70 Prozent oder

964 196 Millionen Franken zukommen. Bei einer Ersetzung der Umsatzsteuern durch einen Wehrsteuerzuschlag könnten die Kantonsanteile an diesem Zuschlag natürlich nicht auf der heutigen Höhe von 80 Prozent belassen werden.

Nimmt man an, die Kantone Hessen sich für den Zuschlag mit einer zehnprozentigen Veranlagungs- und Bezugsprovision zufrieden stellen, so ergäbe ein hundertprozentiger Zuschlag zur Wehrsteuer für den Bund einen Ertrag von rund 250 Millionen Franken.

Um den Ausfall der Warenumsatzsteuer im Umfange von 410 Millionen Franken auszugleichen, müsste somit zur gegenwärtigen Wehrsteuer noch ein Zuschlag in der Höhe von rund 165 Prozent erhoben werden. Der gleichzeitige Wegfall der Luxussteuer, die 1952 18 Millionen Franken einbringen soll, würde eine Erhöhung des Zuschlages auf rund 170 Prozent erfordern. Da nach dem Wortlaut des Revisionsbegehrens auch eine weitere Besteuerung des Bieres (Ertrag: 12 Millionen Franken) so wie. die Erhebung der Ausgleichsteuer (Ertrag: 13 Millionen Franken) und des Effektenumsatzstempels (Bundesanteil : 3,5 Millionen Franken) in Frage gestellt wäre, müsste sich der Zuschlag zur Wehrsteuer auf rund 180 Prozent erhöhen.

Die. aus diesen Zuschlägen zur Wehrsteuer resultierenden Belastungen würden sich für einen Verheirateten ohne Kinder wie folgt stellen: Tabelle 6

Gesamtbelastung des Einkommens durch Wehrsteuer, die Umsatzsteuern ersetzenden Wehrsteuerzuschlagl) und durch die Kantons- und Gemeindesteuern Belastung in Prozenten Arbeitseinkommen Fr.

Mittel der Kantonshauptorte 2) Prozent Zuschlag zur inkl.

Wehrsteuer 3)

:

,

Kantonshauptort mit höchster Belastung !) inkl. . . . Prozent Zusehlag zur Wehrsteuer 3)

165 Prozent 170 Prozeat 180 Prozent 165 Prozent 170 Prozent l8O Prozent 5000

10000 20000 50 000 100 000 Vermögensertrag 3 Prozent von . . .

Pranken Vermögen 100 000 200000 500 000

1 000 000 5 000 000 1

17,5 31,1 41,0

4,1 9,6 17,6 31,4 41,5

4,1 9,7 17,9 32,0 42,5

6,3 14,2 23,3 36,3 46,5

6,3 14,3 23,4 36,6 46,9

6,3 14,4 23,7 37,2 47,9

27,7 35,4 51,3 71,4 100,7

27,7 35,6 51,6 72,0 101,7

27,9 35,7 52,2 73,2 103,8

46,7 57,4 71,5 91,9 123,2

46,8 57,6 71,8 92,5 124,2

46,9 57,9 72,4 93,7 126,3

4,1 9,5 .

) 165%: Ausgleich für die Warenumsatzsteuer.

170%: Ausgleich für die Warenumsatz- und Luxussteuer.

180%: Ausgleich für alle Umsatzsteuern (Warenumsatz-, Bier-, Luxus-, Ausgleichsteuer sowie Effektenumsatzstempel).

2 ) Im Jahre 1950.

' 3) Für, das Jahr 1951.

.

965 Die vorstellende Aufstellung zeigt, dass eine Umlegung der KonsumSteuern des Bundes auf die'Wehrsteuer kaum möglich ist. Sie würde als untragbar empfunden und Abwehrreaktionen auslösen, die sich für, die Gesamtwirtschaft verhängnisvoll auswirken müssten.

Kaum aussichtsreicher wäre der Versuch, die Umsatzsteuer durch eine Bundes-Erbschaftssteuer zu ersetzen. Jährlich werden in der Schweiz im Durchschnitt Vermögen im Werte von l--1,2 Milliarden Franken durch Erbgang übertragen, so dass theoretisch ein Satz von 35--40 Prozent genügen würde, um die Warenumsatzsteuer allein, 40--45 Prozent um alle Konsumsteuern des Bundes zu ersetzen.'Dabei könnten jedoch Erbanfälle an Kinder und Ehegatten keine irgendwie ins Gewicht fallende Privilegierung erfahren. Schon kleinste Erbschaften müssten vielmehr mit sehr hohen Sätzen1 belastet werden; denn weder die Erbanfälle an Entfernt- oder Nichtverwandte noch die grossen Erbschaften sind so zahlreich, dass ihre Besteuerung allein -.-- aiich bei sehr hohen Sätzen -- den erforderlichen Ertrag abwürfe.

: Wiewohl die 'Initiative darauf hinzielt, dem Bund die Erhebung den Verbrauch belastender Steuern zu verbieten, erscheint es doch angezeigt, die Möglichkeiten einer schärferen Belastung des Alkohols und des Luxus kurz zu · streifen, da diese beiden Objekte nicht selten als besonders geeignete Steuerquellen betrachtet werden.

Es ist ganz'ausgeschlossen, die Getränkebesteuerung so auszugestalten, dass der Ertrag einer allgemeinen Warenumsatzsteuer erzielt werden könnte.

Es darf nicht übersehen werden, dass die alkoholischen Getränke heute bereits gegen 100 Millionen Franken abwerfen (Grenzzölle, Abgabe auf gebrannten Wassern, Biersteuer, Warenumsatzsteuer, kantonale Abgaben). Vergleiche mit den ergiebigen Getränkesteuern des Auslandes, insbesondere von Grossbritannien und den skandinavischen Staaten, dürfen die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht ausser acht lassen.

- ' Die den besondern Produktionsverhältnissen unseres Landes Rechnung tragende Getränkesteuer, welche im Eahmen der Vorlage für die Neuordnung .der Bundesfinanzen in Aussicht genommen worden war, würde dem Bund über die bestehende Belastung hinaus 40 Millionen Franken einbringen. Eine Alkoholsteuer, die die Warenumsatzsteuer zu ersetzen vermöchte, müsste demnach zu .Ansätzen
erhoben werden, die das Zehnfache der vorgesehenen Belastung 'betragen, beim Wein beispielsweise rund Fr. 1.50 je Liter., , Einem Ausbau der Luxussteuer steht entgegen, dass die ergiebigen Objekte des Massenkonsums bereits durch .Spezialsteuern erfasst sind (Bier, Tabak, Automobile, Benzin usw.). Eine besondere Schwierigkeit besteht in der Unmöglichkeit, den Luxus objektiv abzugrenzen; Waren gleicher Art können notwendiger und entbehrlicher Verwendung dienen. Abgesehen von dieser Abgrenzungsschwierigkeit gebietet die Rücksichtnahme auf die in unserem Lande verbreitete Qualitätsproduktion Masshalten bei der Festsetzung der Steuersätze. Die Luxussteuer, die in keinem ausländischen Staat zu einer sehr Bundesblatt. 103. Jahrg. Bd. III.

67

966 ergiebigen Steuerquelle entwickelt werden konnte, ist zum Aufbringen wesentlicher Mittel nicht geeignet. Es kommt ihr nur die Bedeutung einer die Warenumsatzsteuer ergänzenden Massnahme zu.

Auch der Versuch, den infolge eines Wegfalls der Warenumsatzsteuer eintretenden Ertragsausfall durch eine Mehrzahl von Ersatzmassnahmen zu decken -- Erhöhung der Steuersätze und Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen bei der Wehrsteuer, Erhöhung des Steuersatzes oder Erweiterung des Anwendungsbereichs bei der Luxussteuer, Einführung einer Bundeserbschafts oder Nachlaßsteuer -- könnte nicht zu einer befriedigenden Lösung führen. Die nachteiligen Auswirkungen, auf die wir hingewiesen haben, würden wohl bei den einzelnen Steuern abgeschwächt, aber nicht aufgehoben.

V. Schlussfolgerungen Die dem Bund übertragenen Aufgaben und die Verpflichtung zur Führung eines geordneten Finanzhaushalts gestatten die Aufhebung der Warenumsatzsteuer nicht. Noch viel weniger kann es in Frage kommen, nach dem Wortlaut des Volksbegehrens, dem Bund ganz allgemein die Befugnis zur Erhebung von Umsatzsteuern zu untersagen, da offenbar niemand -- auch die Initianten selbst nicht -- eine Ausdehnung des Verbotes auf die Iwxussteuer und die Biersteuer sowie auf die Abgabe vom Wertpapierumsatz will.

Halten wir uns aber, wie in unsern bisherigen Ausführungen, weiterhin an den wirklichen Willen der Initianten, an die Aufhebung der eigentlichen Warenumsatzsteuer, so ist zunächst festzustellen, dass ein Ausfall von rund 400 Millionen Franken allein aus der Warenumsatzsteuer durch andere Steuern nicht gedeckt werden könnte. Weder eine massive direkte Bundessteuer noch eine Bundeserbschaftssteuer wären hiezu geeignet. Beide würden zu einer Überbelastung des Einkommens und Vermögens führen, die unzweifelhaft für alle Bevölkerungskreise schwerwiegende Folgen und Eückwirkungen hätte. Hierzu käme, dass die Kantone, welche auf die Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern als ihre Haupteinnahmequellen angewiesen sind, in ihrer finanziellen Bewegungsfreiheit in kaum erträglicher Weise eingeengt würden.

Die Aufhebung der Warenumsatzsteuer würde den Finanzhaushalt des Bundes und indirekt denjenigen der Kantone aus dem Gleichgewicht bringen und die Möglichkeit einer verfassungsmässigen Neuordnung des Bundesfinanzhaushalts in Frage stellen.
Die Deckung des Finanzbedarfs des Bundes erfordert heute und in Zukunft die Heranziehung aller Bevölkerungsklassen zu einer dem öffentlichen Finanzbedarf und der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen angemessenen Steuerleistung. Eine solche Steuerpolitik ist nicht nur durch die Höhe, sondern auch durch die Zusammensetzung der zu deckenden Gesamtausgaben begründet.

Die Wahrung unserer .Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die Förderung unserer Volkswirtschaft, die Erziehung unserer Jugend, die Erhaltung und

967 der Ausbau unserer sozialen Einrichtungen liegen im Interesse aller Bürger und rechtfertigen eine angemessene Verteilung der Steuerlasten auf breiter Grundlage.

Trotz der Einführung der Umsatzsteuer hat die Steuerverteilung für Bund, Kantone und, Gemeinden gesamthaft betrachtet, gegenüber den Vor,kriegsjahren keine grundlegende Änderung erfahren. Das Verhältnis der Einkommens- und Vermögenssteuern zu den Verbrauchssteuern beträgt nach wie vor 2 : 1 . Das Schwergewicht der Besteuerung liegt in ausgesprochenem Masse bei den progressiven direkten Steuern. Die Verbrauchssteuern treten an Bedeutung stark zurück. Aber auch sie lassen die Leistungsfähigkeit des Steuerträgers nicht ausser Betracht. Durch Steuerbefreiung der Esswaren usw., durch Abstufung der Steuersätze, durch zusätzliche Besteuerung von Luxuswaren und spezielle fiskalische Belastung der alkoholischen Getränke und des Tabaks hat man auch bei der Verbrauchsbesteuerung die gebotenen sozialen Eücksichten genommen. Ein Vergleich mit ausländischen Umsatzsteuern, namentlich auch mit denjenigen der Oststaaten, lässt die schweizerische Verbrauchsbesteuerung in einem sehr günstigen Lichte erscheinen.

Wir sind uns bewusst, dass sich die Initianten durch die vorgetragenen Bedenken gegen die Aufhebung der Umsatzsteuer kaum werden überzeugen lassen. Sie werden an der Behauptung festhalten, dass die Umsatzsteuer unsozial sei und darum durch eine Steigerung der stark progressiven Einkommens- und Vermögensbesteuerung ersetzt werden müsse. Wir haben bei der Prüfung der Frage, ob die Umsatzsteuer durch eine andere Steuer ersetzt werden, könnte, zahlenmässig nachgewiesen, dass eine Steigerung der direkten Besteuerung in dem zur Deckung des Einnahmenausfalles erforderlichen Umfange wirtschaftspolitisch gefährlich wäre. Das dürfte auch den Urhebern des Volksbegehrens durchaus klar, aber angesichts ihrer auf die Zerstörung der gegenwärtigen und der Einführung einer grundlegend veränderten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gerichteten politischen Zielsetzung erwünscht sein. Die Mehrheit des Schweizervolkes lehnt, wie die Volksabstimmung vom 8. Dezember 1950 betr. die Finanzordnung 1951 bis 1954 es bewiesen hat, solche Zielsetzungen entschieden ab. Sie wird sich darum auch nicht aus Abneigung gegen eine naturgemäss unbeliebte Fiskalbelastung als Vorspann
für Zwecke missbrauchen lassen, die ihren demokratischen Grundanschauungen widersprechen. In den Oststaaten, wo die wirtschaftlichen und politischen Ziele der Urheber des Volksbegehrens verwirklicht sind, wird der öffentliche Knanzbedarf vorwiegend durch das Mittel von Warenumsatzsteuern gedeckt. Ob die Anhänger der dort verwirklichten Ideologien zur Bekämpfung der «unsozialen indirekten Steuern, namentlich der preisverteuernden Umsatzsteuern», legitimiert sind, erscheint darum zweifelhaft.

Gestützt auf die vorstehenden Darlegungen empfehlen wir Ihnen, das , Volksbegehren abzulehnen und es gemäss dem nachstehenden Beschlusses-

968 entwurf dem Volke und den Ständen mit dem Antrage auf Verwerfung zur Abstimmung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die, Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 30. November 1951.

,

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Ed. von Steiger Der Vizekanzler :.

Ch. Oser

969

(Entwurf)

,

,

Bundesbeschluss über

das Volksbegehren betreffend die Umsatzsteuern

Die Bundesversammlung ; der Schweizerischen Eidgenossenschaft nach Einsicht in : das Volksbegehren vom 4. April 1950 betreifend die Umsatzsteuern und in einen Bericht des Bundesrates vom 80. November 1951, gestützt auf Artikel 121, Absatz 6, der Bundesverfassung und Artikel 8 ff.

des Bundesgesetzes vom 27.. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren lind Abstimmungen über die Eevision der Bundesverfassung, beschliesst:

:

Art. l Das Volksbegehren vom 4. April 1950 betreffend die Umsatzsteuern wird der Abstimmung des Volkes und der Stände" unterbreitet. : Dieses Volksbegehren lautet wie folgt : «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger, in der Erwägung, dass es notwendig ist, die Konsumenten von unsozialen indirekten Steuern, namentlich von preisverteuernden Umsatzsteuern zu entlasten, stellen hiermit gemäss Artikel 121 der schweizerischen Bundesverfassung und gestützt auf das Bundesgesetz über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Bevision der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 das Volksbegehren, es sei in die Bundesverfassung der folgende Artikel 42, Absatz 2, aufzunehmen : ,Der Bund ist zur Erhebung von Umsatzsteuern nicht befugt'.»

·

:

Art. 2

'

'

Dem Volke und den Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

: : ; Art. 3 , Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

427

:

Anhang Einnahmen aus direkten und indirekten Steuern in verschiedenen Ländern

(Steuern des Zentralstaates sowie provinzialer und kommunaler Unterverbände) Land

Belgien ' Kanada Dänemark . .

. . . .

Deutschland 2 ) Frankreich 3) Grossbritannien . . . .

Holland . .

Italien 3) 4) Norwegen 4) Österreich . .

. ·.

Schweden USA . . . .

. . . .

UdSSR 6 ) .

!)

) 3 ) 4 ) 5 ) 6 )

2

Fiskaljahr

Währungseinheit

Gesamtsteuerauf kommen !)

Einkommens-, Vermögensund Vermögensverkehrssteuern

Verbrauchs- und Aufwandsteuern davon Insgesamt Umsatzsteuern

1

1950

Mio. bFr.

60 383

31 457

28 926

16 920

1949/50 1949/50 1950/51 1950 1950/51 1950 1950/51 1950/51 1950 1949/50 1949/50 1950

Mio. $ Mio. dKr.

Mio. DM Mrd. fFr.

Mio. £ Mio. hfl.

Mio. Lire Mio. nKr.

Mio. Sch.

Mio. sKr.

Mio. $

3 023 3 331 18812 1 617 4076 5042 1 048 857 3288 8 648 5 955 46335 312

1818 1 792 7 679 685 2385 3 034 312 185 1 804 4690 3 717 32 398 76

1 205 1 539 11 133 932 1691 2008 736 672 1484 3 958 2 238 13 937 236

415 413 4 925 732 302 952 243 100 505 2093

Mrd. Rbl.

Inkl. Steuern d er Gliedstaate n, Provinzen und Gemeinden (teilweise Schätzung).

Westdeutsche Bundesrepublik, ohne Berlin.

Zahlen über Steuereinnahmen der Unterverbände sind keine erhältlich.

Provisorische Ergebnisse.

Die Umsatzsteuer wurde Ende 1946 aufgehoben.

«Iswestja» vom 14. Juni 1950.

.

5 l

3 987 236

^

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend die Umsatzsteuern (Vom 30. November 1951)

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