zu 08.407 Parlamentarische Initiative Erleichterte Zulassung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss Bericht vom 5. November 2009 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Januar 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 5. November 2009 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Januar 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-3152

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat der von Nationalrat Jacques Neirynck am 19. März 2008 eingereichten parlamentarischen Initiative (08.407 Erleichterte Zulassung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss) zugestimmt und in der Folge eine Vorlage erarbeitet, die sie am 19. Juni 2009 einem Vernehmlassungsverfahren unterziehen liess.

Die Mehrheit jener 23 Kantone, von denen Antworten eingegangen sind, begrüsst die Vorlage grundsätzlich. Acht Kantone (ZH, UR, FR, SO, SH, AI, SG, TG) sprachen sich gegen die Vorlage aus. Fünf in der Bundesversammlung vertretene Parteien haben zur Vorlage Stellung genommen: Vier (FDP, CVP, SP, Grüne) befürworten die Vorlage, die SVP lehnt sie ab. Von den Dachverbänden und anderen Organisationen sprach sich einzig der Verband Schweizerischer Arbeitsämter gegen die Vorlage aus, wenn auch nur teilweise. Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer, welche die Vorlage grundsätzlich befürworten, äusserten indessen Vorbehalte. So wurde unter anderem ausdrücklich kritisiert, dass die angestrebte Lockerung für sämtliche Aus- und Weiterbildungen gilt. Die gewählte Formulierung beträfe auch Absolventinnen und Absolventen von kurzen Weiterbildungen und von Sprachkursen. Von den Gegnerinnen und Gegnern der Vorlage sind die einen der Meinung, dass das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer eventuell durch eine gewisse Lockerung bei der Kontingentszuteilung für Bewilligungen angepasst werden könnte, andere lehnen die Gesetzesrevision als unnötig ab.

An ihrer Sitzung vom 5. November 2009 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrats von den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis genommen und Artikel 21 Absatz 3 mit einem zweiten Satz ergänzt; demzufolge sollen Ausländerinnen und Ausländer für eine Dauer von sechs Monaten nach dem Ende ihrer Ausbildung vorläufig zugelassen werden, um eine Anstellung zu finden, falls ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse an der angestrebten Erwerbstätigkeit besteht. Die Vorlage wurde mit 16 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden des Rates verabschiedet.

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Stellungnahme des Bundesrates

Gemäss Vorlage soll die geltende Vorrangregelung so modifiziert werden, dass auch Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss ohne Prüfung des Vorrangs der inländischen Arbeitskräfte und der Arbeitskräfte aus den EU- und EFTA-Staaten zugelassen werden können, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist. Bei der Zulassung zu einer Aus- oder Weiterbildung soll zudem im Hinblick auf eine mögliche spätere Berufstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung nicht mehr eine «gesicherte Wiederausreise» als Bedingung vorausgesetzt werden, sondern die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen der betreffenden Personen sollen massgebend sein.

Schliesslich sollen bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung nachträglich angerechnet werden, wenn die gesuch-

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stellende Person während zwei Jahren ununterbrochen im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung war.

Mit der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer ist der Bundesrat der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Änderungen grösstenteils gerechtfertigt sind. Sie entsprechen überdies mit Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt auch der heute geltenden Praxis, da Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss in aller Regel eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn sie eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle in der Schweiz finden und wenn für diese Tätigkeit ein ausgewiesener Arbeitskräftemangel besteht. Mit der Änderung von Artikel 21 wird die seit dem 1. Januar 2009 geltende Bestimmung, wonach der Vorrang dann nicht mehr geprüft werden muss, wenn eine Person aus einem Drittstaat in der Schweiz ein Studium abgeschlossen hat und ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist, von der Verordnung ins Gesetz überführt.

Nicht zustimmen kann der Bundesrat hingegen der nachträglich zum Vernehmlassungsverfahren vorgeschlagenen Ergänzung von Artikel 21 Absatz 3, wonach Ausländerinnen und Ausländer für eine Dauer von sechs Monaten nach dem Ende ihrer Ausbildung vorläufig zugelassen werden sollen, um eine Anstellung von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse suchen zu können. Angesichts des Umstands, dass sich acht Kantone grundsätzlich gegen die Änderung der Vorrangsregelung im Rahmen des Vernehmlassungsentwurfs ausgesprochen hatten, erachtet der Bundesrat diese noch weitergehende Öffnung des Arbeitsmarkts als nicht gerechtfertigt und teilt die Ansicht der Kommissionsminderheit, wonach die Garantie eines vorläufigen Aufenthaltsrechts für eine Dauer von sechs Monaten nach Abschluss der Ausbildung zu streichen ist.

Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion «Investitionen in die Ausbildung ausländischer Akademiker am Standort Schweiz nutzen» der FDP-Liberalen Fraktion (08.3376) festgehalten hat, waren im Herbstsemester 2007/08 an den universitären Hochschulen (ohne Fachhochschulen) ungefähr 28 000 ausländische Studierende immatrikuliert. Dies entspricht ungefähr 24 Prozent aller Studierenden.

Von den ausländischen Studierenden stammten knapp 9000 (32 %) aus Nicht-EU/ Nicht-EFTA-Staaten. Die Zahl der ausländischen
Studierenden nahm seit 2001 um 43 Prozent zu, während die Zunahme bei den Schweizerinnen und Schweizern lediglich 15,5 Prozent betrug. Von den neu immatrikulierten Ausländerinnen und Ausländern studieren heute rund 40 Prozent Naturwissenschaften, 27 Prozent Geistes- und Sozialwissenschaften und 19 Prozent Wirtschaftswissenschaften.

Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Studium an ausländische Studienabsolventinnen und -absolventen zwecks Stellensuche birgt nach dem Prinzip der rechtsgleichen Behandlung die erhebliche Gefahr, dass auch zahlreichen Personen der grundsätzliche Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird, deren Fachabschluss von der Wirtschaft nur in geringem Mass oder gar nicht nachgefragt wird. Der Bedarf des Arbeitsmarkts richtet sich nicht nach der Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen oder gar nach dem Ausbildungsangebot der Hochschulen, sondern nach arbeitsmarktlichen und wirtschaftlichen Kriterien; er kann sich zudem schnell verändern. Es dürfte daher kaum möglich sein, die notwendige Rechtssicherheit bei den Prognosen darüber zu wahren, wann und wo mögliche zukünftige Anstellungen von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse sein werden. Etliche Drittstaatsangehörige mit Schweizer Hochschulabschluss könnten somit in der Schweiz verbleiben, ohne dass sie sich der Konkurrenz 447

auf dem Arbeitsmarkt hätten stellen müssen. Dies liegt nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weder im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft noch der schweizerischen Hochschulen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat mit Beschluss vom 4. Dezember 2009 für das Kontingentsjahr 2010 vorerst nur die Hälfte der Kontingente für Kurz- und Aufenthaltsbewilligungen für Drittstaatsangehörige freigegeben hat, um der Situation auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Dies gilt auch für Hochschulabgängerinnen und -abgänger, die vor dem Einstieg in den Arbeitsmarkt stehen.

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Antrag

Der Bundesrat beantragt die Streichung von Artikel 21 Absatz 3 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Entwurf der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats).

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