zu 08.445 Parlamentarische Initiative Angemessene Wasserzinsen Stellungnahme des Bundesrates zuhanden der UREK-S betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 25. November 2009 über eine Änderung des Energiegesetzes (Kostendeckende Einspeisevergütung KEV) vom 13. Januar 2010

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Beschluss des Nationalrates vom 25. November betreffend die parlamentarische Initiative 08.445 S Angemessene Wasserzinsen und zu den damit gleichzeitig beschlossenen Änderungen im Energiegesetz1 zu den kostendeckenden Einspeisevergütungen nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes2 nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Januar 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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SR 730.0 SR 171.10

2009-3155

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Der Ständerat hat am 19. März 2009 mittels der parlamentarischen Initiative3 08.445 als Erstrat einer Anpassung der Wasserzinsen zugestimmt. In der anschliessenden Behandlung dieses Geschäftes in der Kommission des Zweitrates (Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates UREK-N) wurde diese Vorlage mit einer Änderung des Energiegesetzes (EnG) betreffend die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) verknüpft. Der Rechtsdienst der Parlamentsdienste hat mit Notiz vom 4. November 2009 an die UREK-N die formale Konformität dieser Verknüpfung bestätigt. Sachlich können beide Geschäfte als zusammengehörend betrachtet werden, weil beide einen Einfluss auf den Strompreis haben. Die Mehrheit der UREK-N stimmte in der Folge einer Deblockierung der KEV im Energiegesetz bei einer gleichzeitigen Erhöhung des Wasserzinsmaximums zu. Die Beschlüsse der UREK-N zu angemessenen Wasserzinsen lagen dabei vollumfänglich auf der Linie der Version des Ständerats. Der Bundesrat hatte zum Entwurf der UREK des Ständerats bereits am 25. Februar 2009 Stellung genommen4.

Die UREK beider Räte haben sich mehrfach ausführlich über die Situation bei der KEV informieren lassen. Die UREK des Nationalrats hat an mehreren Sitzungen Lösungen diskutiert und schliesslich die beiden Vorlagen miteinander verknüpft.

Damit schlug die Kommissionsmehrheit dem Nationalrat vor, den Deckel der KEV auf 1,2 Rp/kWh zu verdoppeln, die Begrenzungen für die einzelnen Technologien fallenzulassen, aber den Anteil des Zuschlags für die Photovoltaik (teuerste Technologie) in den nächsten drei Jahren auf je 0,04 Rp/kWh (entspricht etwa 23 Mio.

Franken Beiträge pro Jahr) zu begrenzen.

Am 25. November 2009 hat nun der Nationalrat auf Antrag einer Kommissionsminderheit beschlossen, den für die KEV bereitgestellten Betrag auf 0,9 Rp/kWh zu erhöhen; im Übrigen ist er der Kommissionsmehrheit gefolgt. Damit geht nun das Geschäft zurück an den Ständerat; dessen UREK wird sich am 28. Januar 2010 in der Differenzbereinigung damit auseinandersetzen.

Der Bundesrat hat zwar am 25. Februar 2009 zur Parlamentarischen Initiative Angemessene Wasserzinsen in der Version der UREK-S im ordentlichen Verfahren Stellung genommen, hatte jedoch aus zeitlichen Gründen keine Gelegenheit mehr, sich zum neuen Vorschlag der UREK-N (Verknüpfung mit einer Änderung des EnG) zu äussern. Dies soll nun mit der vorliegenden Stellungnahme nachgeholt werden.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Vollzug des Systems der kostendeckenden Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien ist blockiert: Vom 1. Mai 2008 bis zum im Februar 2009 verfügten Stopp haben sich über 6000 Anlagen angemeldet. Würden sie alle realisiert, wäre 3 4

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BBl 2009 1229 BBl 2009 1255

der vom Parlament im Energiegesetz festgehaltene maximale Zuschlag von 0,6 Rp/kWh auf den Stromkonsum bei Weitem gesprengt. Es konnten denn auch nur knapp 3000 Projekten eine KEV zugesichert werden; die anderen Gesuche sind auf Wartelisten gesetzt worden. Diese Listen wurden inzwischen noch um 2500 Projekte länger. Klar zeigt sich damit, dass das Ziel einer Steigerung der erneuerbaren Energien um 5400 GWh mit der Grenze von 0,6 Rp/kWh nicht erreichbar ist; selbst wenn alle auf den Wartelisten stehenden Vorhaben realisiert würden, wären nur rund 4800 GWh produzierbar. Wahrscheinlicher ist aber (wegen aus Umwelt- und Raumplanungsgründen nicht realisierbaren Vorhaben), dass mit den 0,6 Rp/kWh nur eine Steigerung um rund 3000 GWh erzielt werden kann. Das Ziel, bis im Jahr 2030 jährlich 5400 GWh mehr erneuerbare Elektrizität zur Verfügung zu haben, würde demnach mit der KEV als wichtigstem Instrument in ihrer geltenden Ausgestaltung deutlich verfehlt.

Aus der Analyse (zusammengefasst im Bericht des BFE an die UREK-N für deren Sitzung vom 19. Oktober 2009) wird deutlich, dass die KEV ein grosses Potenzial an erneuerbaren Energien abrufen kann, dies aber nur, wenn die wichtigsten Nachteile behoben werden können. Hauptprobleme, die zur unerwartet grossen Nachfrage und schliesslich zur Blockierung führten, sind die Mengenbeschränkungen für die einzelnen Technologien und die enge Limitierung durch die maximal 0,6 Rp/kWh. Nur eine Gesetzesrevision kann Kontinuität ins System bringen. In der UREK-N stand deshalb die Aufhebung des Gesamtzuschlags oder dessen Anhebung auf 1,2 Rp/kWh zur Diskussion. Diese zweite Variante hat die Mehrheit der Kommission schliesslich dem Nationalrat vorgeschlagen.

Mit dem Beschluss des Nationalrates vom 25. November 2009 soll ab 2013 der Gesamtzuschlag nur auf 0,9 Rp./kWh erhöht und dem Bundesrat die Kompetenz gegeben werden, den Zuschlag bis zu dieser Grenze jährlich nach Bedarf festzusetzen. Der effektive Finanzbedarf pro Jahr ergibt sich aus den tatsächlich ans Netz gegangenen Anlagen; die positiv beschiedenen, aber noch nicht realisierten Projekte kosten noch nichts, belegen aber bereits das System. Den weiteren Vorschlägen der UREK-N folgend hat der Nationalrat beschlossen, dass gleichzeitig die Teilbeschränkungen der einzelnen Technologien aufgehoben werden sollen. Einzig
der Photovoltaik sollen bis 2012 Kontingente von jährlich maximal 0,04 Rp./kWh (bedeutet ca. 23 Mio. Franken pro Jahr) zugestanden werden. Danach soll der Bundesrat jährlich über die festzulegende Höhe der Kontingente entscheiden. Grossverbraucher sollen von der Erhöhung des Zuschlags etwas entlastet werden. Zudem soll ein grösserer Kreis von energieintensiven Unternehmen davon profitieren können.

Die Beschlüsse des Nationalrates ermöglichen eine vorläufige Deblockierung des Systems KEV und durch den Wegfall der Teilzuschläge eine flexiblere Handhabung der KEV-Förderinstrumente. Sie sind aus Sicht des Bundesrates zielkonform.

Allerdings weist der Bundesrat darauf hin, dass sowohl die Anhebung des Zuschlags auf 0,9 Rp/kWh als auch die gleichzeitig erfolgende Anhebung der Wasserzinsen zu Erhöhungen des Strompreises führen. Dies belastet die Wirtschaft, vor allem die KMU, und die Bevölkerung in konjunkturell schwachen Zeiten, bevor die vollständige Marktöffnung realisiert ist.

Der Bundesrat erachtet den Vorschlag des Nationalrates, die Grossverbraucher von der Anhebung des Gesamtzuschlags zusätzlich zu entlasten, als problematisch: Eine weitere Gruppe von Unternehmen, diejenige mit Stromkosten von mehr als 353

5 Prozent der Bruttowertschöpfung, soll privilegiert werden. Erstens ist kaum abschätzbar, welche Mindereinnahmen und wie viel zusätzlicher Verwaltungsaufwand dadurch entstehen werden; zweitens geht diese Ausnahmeregelung auf Kosten der KMU und der Haushalte, was die Akzeptanz der KEV in der Gesamtwirtschaft mindern könnte. Der Bundesrat ist daher für die Beibehaltung der Grossverbraucherregelung gemäss dem heute geltenden Artikel 15b Absatz 3 des EnG.

Modellhafte Rechnungen lassen erwarten, dass mit dem Beschluss des Nationalrats eine dauerhafte Deblockierung des Systems nicht ermöglicht wird und das Parlament sich in drei bis fünf Jahren erneut mit dem Geschäft wird befassen müssen. Der Bundesrat geht davon aus, dass angesichts der gesetzten, noch immer relativ tiefen Grenze erneut viele Gesuche vorbeugend und unausgereift eingereicht werden.

Grund dazu ist die Befürchtung, wieder zu spät zu kommen. Solche Gesuche besetzen aber das System erneut, selbst wenn sie dann in den verlangten Zeitspannen nicht realisiert werden können. Mit der Begrenzung auf 0,9 Rp/kWh dürften insgesamt nur die heute bestehenden Wartelisten abgebaut werden können; neue Anmeldungen werden sofort wieder neue Wartelisten ergeben.

Der Bundesrat stellt sich zum heutigen Zeitpunkt hinter den vom Nationalrat beschlossenen Kompromiss und die übrigen Änderungen des EnG zur KEV: In den nächsten Jahren können so aus dem Betrieb des Systems weitere wertvolle Erfahrungen gesammelt werden. Da der Bundesrat gemäss EnG dem Parlament 2012 Bericht erstatten und spätestens 2016 über weitere Massnahmen entscheiden muss, ist bis dahin der vorgesehene Weg zu beschreiten. Eine nächste erforderliche Revision der KEV sollte aber nach Möglichkeit zusammen mit der vollständigen Marktöffnung (Stromversorgungsgesetz)5 erfolgen können.

Bis zu diesen beiden Meilensteinen lässt sich abschätzen, ob oder mit welchen Mehrkosten für die KEV zusammen mit anderen Instrumenten das Ziel von zusätzlich 5400 GWh im Jahre 2030 erreichbar ist.

Konsequent findet der Bundesrat den Beschluss des Nationalrats, auf ökologische Auflagen im EnG zu verzichten. Die Probleme, die mit der KEV im Bereich Umwelt entstehen können, müssen in Zusammenarbeit mit den Kantonen im Vollzug und gegebenenfalls durch Anpassung der spezifischen Umweltrechtserlasse gelöst werden.

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SR 734.7