Bericht des Bundesrates zur Abschreibung der Motion 04.3224 der RK-N vom 29. April 2004 (Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, als Straftatbestand) vom 30. Juni 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2004

M 04.3224

Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, als Straftatbestand (N 7.3.05, Kommission für Rechtsfragen NR; S 15.6.05)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. Juni 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-1374

4851

Bericht 1

Vorgeschichte

Zu Beginn der 1990er-Jahre ereigneten sich verschiedene Vorfälle mit Exponenten der rechtsextremen Szene. Sie gingen einher mit der Verbreitung rassistischer oder gewaltpropagierender Ideologien, verbunden mit einem erheblichen Anstieg des Handels mit entsprechenden Büchern, Videos, CDs und Kennzeichen wie Fahnen, Emblemen oder Uniformen. Besonderes Aufsehen erregte schliesslich der Vorfall am 1. August 2000 auf dem Rütli, bei dem gegen 100 Rechtsextreme eine Rede von Bundesrat Villiger störten. Diese Ereignisse veranlassten die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) im Sommer 2000, der damaligen Bundespolizei den Auftrag zu erteilen, die Lage zu analysieren, die Schwachstellen aufzudecken und entsprechende Massnahmen zur Entschärfung des Problems vorzuschlagen.

Im Rahmen der Erarbeitung eines «Bundesgesetzes über Massnahmen zur Bekämpfung des Rassismus, des Hooliganismus und der Gewaltpropaganda» wurde unter anderem ein Vorentwurf einer Strafnorm (Art. 261ter VE-StGB) erarbeitet. Dieser zielte darauf ab, das Anpreisen, Ausstellen, Anbieten, Tragen, Zeigen oder sonst wie Zugänglichmachen von Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung in der Öffentlichkeit sowie das Herstellen, Einführen, Lagern oder Inverkehrbringen solcher Kennzeichen oder die Verwendung von Parolen, Gesten oder Grussformeln unter Strafe zu stellen1. Der Vorentwurf ging zurück auf die Berichte zweier interdepartementaler Arbeitsgruppen2, in denen auch Vertreter der Kantone mitwirkten.

Im Frühjahr 2003 wurde der Vorentwurf in die Vernehmlassung geschickt und stiess bei einer Mehrheit der Vernehmlasser grundsätzlich auf Zustimmung3.

1

2

3

Der Vorentwurf vom 12. Februar 2003 ist abrufbar unter: http://www.ejpd.admin.ch/etc/ medialib/data/sicherheit/bwis.Par.0017.File.tmp/030212c_ges-d.pdf und lautete wie folgt: Art. 261ter (neu) Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung 1. Wer Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung, wie Fahnen, Abzeichen, Insignien oder Embleme, oder Gegenstände mit derartigen Kennzeichen öffentlich anpreist, anbietet, ausstellt, trägt, zeigt oder sonst wie zugänglich macht, wer Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung oder Gegenstände mit derartigen Kennzeichen zur Verbreitung oder Verwendung im Sinne von Absatz 1 herstellt, einführt, lagert oder in Verkehr bringt, wer Parolen, Gesten oder Grussformeln mit rassendiskriminierender Bedeutung öffentlich verwendet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

2. Die Kennzeichen und Gegenstände werden eingezogen.

3. Die Ziffern 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Verwendung der Kennzeichen oder Gegenstände schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken dient.

Die Arbeitsgruppe «Rechtsextremismus» wurde im Jahre 2000 eingesetzt und hatte den Auftrag, die Lage zu analysieren, die Schwachstellen aufzudecken und entsprechende Massnahmen zur Entschärfung des Problems vorzuschlagen; die Arbeitsgruppe «Koordination und Umsetzung von Massnahmen im Bereich des Rechtsextremismus» wurde 2001 eingesetzt und hatte den Auftrag, die Umsetzung der von der Arbeitsgruppe «Rechtsextremismus» vorgeschlagenen Massnahmen zu koordinieren.

Vernehmlassungsergebnisse abrufbar unter: http://www.ejpd.admin.ch/etc/ medialib/data/sicherheit/bwis/ergebnisse_vernehmlassung.Par.0001.File.tmp/ 041222_BWIS_Ergebnisse_VL-d.pdf

4852

Am 22. Dezember 2004 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung zum Gesetzgebungspaket «Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda» Kenntnis. Er entschied, das Paket in zwei Vorlagen aufzuteilen, um die jeweils eigenständigen Ziele der Revision besser erreichen zu können. Dabei beschloss er unter anderem, dass mit einer Revision des Strafgesetzbuches4 (StGB) und des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 19275 (MStG) eine zusätzliche Bestimmung zur Bekämpfung des Rassismus eingeführt werden sollte: das Verbot von rassistischen Symbolen. Weiter sollte sich die Revision des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 20006 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) auf die Aufnahme des geltenden Artikels 261bis StGB (Rassendiskriminierung) in den Katalog der überwachungswürdigen Delikte beschränken. Auf den ebenfalls vorgeschlagenen Tatbestand der Gründung einer rassendiskriminierenden Vereinigung, des Beitritts zu einer solchen oder des Aufrufs zur Gründung oder zum Beitritt zu einer solchen (Art. 261quater VE-StGB)7 sollte aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse hingegen verzichtet werden. Der Bundesrat beauftragte das EJPD, eine Botschaft in diesem Sinne zu erarbeiten.

2

Motion 04.3224 vom 29. April 20048 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats betreffend Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, als Straftatbestand

Während die Arbeiten zur Auswertung des Vernehmlassungsverfahrens von 2003 noch im Gange waren, prüfte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) am 29. April 2004 die von der Jugendsession im Jahre 2003 eingereichte Petition 04.20109, die von der Bundesversammlung die Durchsetzung des Verbotes jeglicher Symbole, welche den Nationalsozialismus und den Faschismus öffentlich verherrlichen, verlangte. Aufgrund der Tatsache, dass das Gesetzgebungspaket «Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda» bereits einen entsprechenden neuen Straftatbestand vorsah, beschränkte 4 5 6 7

8

9

SR 311.0 SR 321.0 SR 780.1 Der Vorentwurf vom 12. Februar 2003 ist abrufbar unter: http://www.ejpd.admin.ch/etc/ medialib/data/sicherheit/bwis.Par.0017.File.tmp/030212c_ges-d.pdf und lautete wie folgt: Art. 261quater (neu) Rassendiskriminierende Vereinigung Wer eine Vereinigung gründet, die bezweckt oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Handlungen vorzunehmen, die gemäss Art. 261bis mit Strafe bedroht sind, wer einer solchen Vereinigung beitritt, wer zur Bildung solcher Vereinigungen oder zum Beitritt zu solchen Vereinigungen auffordert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Wortlaut der Motion 04.3224 Abrufbar unter: http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20043224 «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament möglichst schnell eine Vorlage über Massnahmen zur Bekämpfung des Rassismus, des Hooliganismus und der Gewaltpropaganda zu unterbreiten. Die Vorlage soll namentlich die öffentliche Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, unter Strafe stellen».

AB 2005 N 166 ff.; AB 2005 S 641

4853

sich die RK-N darauf, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf in diesem Bereich zu bejahen. Sie wollte aber die neue strafrechtliche Gesetzgebung nicht auf den Gebrauch rechtsextremistischer Symbole beschränken. Die RK-N unterbreitete deshalb im Sinne von Artikel 126 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200210 (ParlG) eine Kommissionsmotion (04.3224)11, welche den Bundesrat beauftragt, dem Parlament möglichst schnell eine Vorlage über Massnahmen zur Bekämpfung des Rassismus, des Hooliganismus und der Gewaltpropaganda zu unterbreiten, wobei die Vorlage namentlich die öffentliche Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, unter Strafe stellen sollte.

Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme vom 25. August 2004, die Motion anzunehmen. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Motion mit dem Gesetzgebungspaket «Bundesgesetz gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda» weitgehend entsprochen werde12.

Am 7. März bzw. am 15. Juni 2005 nahmen der Nationalrat bzw. der Ständerat die Motion an. In der parlamentarischen Debatte13 über diese Motion wurde u.a.

bemerkt, dass nicht jede Organisation, die als extremistisch gilt, gleichzeitig auch Gewalt verherrlicht oder zu Rassismus aufruft. Es sei deshalb notwendig, dass der neue Straftatbestand die drei Begriffe der Motion «extremistisch», «gewaltverherrlichend» und «zu Rassendiskriminierung aufrufend» kumulativ vorsehen sollte.

Denn ohne eine solche Kumulation würden auch jene Gruppierungen erfasst, die ohne Gewalt und ohne Rassendiskriminierung die Demokratie und den Rechtsstaat infrage stellen. Solche Bewegungen müssten in einem freiheitlichen Staat möglich sein. Die neue Strafnorm sollte vielmehr die Kennzeichen jener extremistischen Bewegungen erfassen, welche die Demokratie, die Menschenrechte oder den Rechtsstaat ablehnen und bereit seien, zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten zu verüben oder zu Rassendiskriminierung aufzurufen.

Da bereits anlässlich der Beratung der Motion in den Räten darauf hingewiesen wurde, dass die Umsetzung des Motionsauftrages alles andere als einfach sein werde14, beauftragte der Vorsteher des EJPD im Februar 2006 das Bundesamt für Justiz (BJ), vorgängig eine Problemanalyse vorzunehmen und Lösungsmöglichkeiten
aufzuzeigen. Der Abschluss der diesbezüglichen Arbeiten verzögerte sich dann aber, weil im gleichen Bericht auch dargelegt werden sollte, ob der Tatbestand der Leugnung, Verharmlosung oder Rechtfertigung von Völkermord oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus rassistischen Motiven (Art. 261bis Abs. 4, zweite Satzhälfte StGB) einer Änderung bedarf. Am 21. Dezember 2007 nahm der Bundesrat ein Arbeitspapier des BJ15 vom Mai 2007 zur Frage des Revisionsbedarfs von Artikel 261bis StGB zur Kenntnis und beschloss, dass zurzeit kein Handlungsbedarf zur weiteren Konkretisierung dieser Strafnorm bestehe.

10 11 12 13 14 15

SR 171.10 AB 2005 N 166 ff.; AB 2005 S 641 ff.

AB 2005 N 166 ff.

AB 2005 N 166 ff.; AB 2005 S 641 ff.

AB 2005 N 166 ff.; AB 2005 S 641 ff.

Abrufbar unter: http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/ rassismus.Par.0001.File.tmp/arbeitspapier-hearing-d.pdf

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Im April 2008 gab das BJ einen verwaltungsinternen Berichtsentwurf zu Fragen der Umsetzung, Anwendung und Durchsetzung einer Strafnorm, wie sie von der Motion der RK-N verlangt wird, in die Ämterkonsultation. Dieser Bericht kam zum Schluss, dass auf eine Ergänzung des StGB und des MStG mit einer Strafnorm betreffend extremistische, gewaltverherrlichende und rassistische Kennzeichen zu verzichten sei. Um eine umfassende Diskussion zu dieser Frage zu ermöglichen, beschloss der Bundesrat am 1. Juli 2009 in teilweiser Erfüllung des Motionsauftrages der RK-N, einen Vorentwurf zur Ergänzung des StGB beziehungsweise des MStG mit neuen Bestimmungen, welche die öffentliche Verwendung, Verbreitung, Herstellung, Lagerung sowie Ein-, Durch- und Ausfuhr von rassistischen Symbolen unter Strafe stellen sollen, einer Vernehmlassung zu unterziehen, obschon im Jahr 2003 bereits ein solches Verfahren zu einer ähnlichen Vorlage stattfand. Seither waren sechs Jahre vergangen und die Ausgangslage hatte sich geändert. Der Bundesrat bemühte sich, in diesem Vorentwurf jene Aspekte des Motionsauftrages, welche die Meinungsäusserungsfreiheit einschränkten, in einem verhältnismässigen Rahmen und auch gesetzestechnisch konsequent umzusetzen. Die vorgeschlagene Strafnorm beschränkte sich auf die öffentliche Verwendung und Verbreitung rassistischer Symbole und verzichtete auf den Bezug dieser Symbole zu einer bestimmten Bewegung. Die geschützten Rechtsgüter waren somit wie beim geltenden Artikel 261bis StGB (Rassendiskriminierung) die Menschenwürde und der öffentliche Frieden. Der Entscheid, ob ein Symbol rassistisch ist, wurde damit allerdings weitgehend dem Ermessen der Strafverfolgungsbehörden überlassen. Der Bundesrat war sich dabei aber schon bewusst, dass ein Verbot rassistischer Symbole in der Praxis mit grossen Vollzugsproblemen verbunden wäre.

3

Vernehmlassung

3.1

Bericht und Vorentwurf des Bundesrates

Im Zentrum des Vernehmlassungsberichts standen nebst Ausführungen zur Vorgeschichte, einem Rechtsvergleich, einem Kapitel über Grundsatzfragen und Schwierigkeiten zur Umsetzung der Motion der RK-N ein Vorentwurf einer Strafnorm betreffend Verwendung und Verbreitung rassistischer Symbole (Art. 261ter

4855

VE-StGB bzw. Art. 171d VE-MStG)16 mit Erläuterungen. Im Bericht wurde auch eine bundesrechtliche präventive Regelung geprüft. Da aber solche präventiven Regelungen das Polizeirecht betreffen, welches aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzaufteilung in die Zuständigkeit der Kantone fällt, wurde aus den im Bericht näher dargelegten Gründen eine Regelung auf Bundesebene abgelehnt.

Mit der vorgeschlagenen Strafnorm sollten die öffentliche Verwendung, Verbreitung, Herstellung, Lagerung sowie die Ein-, Durch- und Ausfuhr von rassistischen Symbolen oder von Abwandlungen davon unter Strafe gestellt werden. Als von der neuen Norm anvisierter Hauptanwendungsfall wurden die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden Symbole ausdrücklich im neuen Artikel 261ter VE-StGB genannt. Ob andere Symbole oder Abwandlungen davon rassistisch sind, sollte dem Ermessen der Strafverfolgungsbehörden obliegen. Die vorgeschlagene Strafnorm nannte ferner auch Gegenstände, die rassistische Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten. Gedacht wurde dabei z.B. an die Abbildung eines rassistischen Symbols auf einer CD/DVD-Hülle oder auf einem Buchumschlag, an eine Büste des «Führers» oder an eine Armbinde mit Hakenkreuz. Solche Gegenstände sollten gemäss Artikel 261ter Ziffer 2 VE-StGB eingezogen werden können.

Um der mit einer solchen Strafnorm anvisierten generalpräventiven Wirkung ­ aber auch der gesellschaftlichen Ächtung derjenigen, die gegen diese Norm verstossen ­ Nachachtung zu verschaffen, erachtete der Bundesrat eine Ausgestaltung der neuen Strafnorm als Übertretung, d.h. als mit Busse17 bedroht, als angemessen. Damit sollte auch ein Einschreiten der Strafbehörden ermöglicht werden, das die Betroffenen nicht übermässig stigmatisieren sollte.

16

17

Abrufbar unter: http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/ rassistischesymbole.Par.0004.File.tmp/vn-ber-d.pdf Art. 261ter VE-StGB Verwendung rassistischer Symbole 1. Wer rassistische Symbole, insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon, wie Fahnen, Abzeichen, Embleme, Parolen oder Grussformen, oder Gegenstände, die solche Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten, wie Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, öffentlich verwendet oder verbreitet, wer derartige Symbole oder Abwandlungen davon, oder derartige Gegenstände, zur öffentlichen Verwendung oder Verbreitung herstellt, lagert, ein-, durch- oder ausführt, wird mit Busse bestraft.

2. Die Gegenstände werden eingezogen.

3. Die Ziffern 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die öffentliche Verwendung oder Verbreitung der Symbole oder Gegenstände schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken dient.

Art. 171d VE-MStG Verwendung rassistischer Symbole 1. Wer rassistische Symbole, insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon, wie Fahnen, Abzeichen, Embleme, Parolen oder Grussformen, oder Gegenstände, die solche Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten, wie Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, öffentlich verwendet oder verbreitet, wer derartige Symbole oder Abwandlungen davon, oder derartige Gegenstände, zur öffentlichen Verwendung oder Verbreitung herstellt, lagert, ein-, durch- oder ausführt, wird mit Busse bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. Die Gegenstände werden eingezogen.

3. Die Ziffern 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die öffentliche Verwendung oder Verbreitung der Symbole oder Gegenstände schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken dient.

Vgl. dazu Art. 103 ff. StGB.

4856

Nicht strafbar sollte die öffentliche Verwendung oder Verbreitung der Symbole oder Gegenstände sein, wenn diese schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken dienten. Dabei sollte der Begriff «kulturell» wie bei den Artikeln 135 und 197 StGB als Oberbegriff verstanden werden, der die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, politischen, literarischen, historischen, religiösen und zeitgeschichtlichen Lebensäusserungen erfasst.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis zum 30. Oktober 2009.

3.2

Ergebnisse im Allgemeinen

Von 92 zur Stellungnahme eingeladenen Adressaten sind 60 Antworten (25 Kantone; 8 politische Parteien und 27 interessierte Kreise) eingegangen.18 Der Vorschlag des Bundesrates, das StGB beziehungsweise das MStG mit neuen Bestimmungen zu ergänzen, welche die öffentliche Verwendung, Verbreitung, Herstellung, Lagerung sowie die Ein-, Durch- und Ausfuhr rassistischer Symbole unter Strafe stellen sollen, wurde von 20 Kantonen19, 2 politischen Parteien20 und einer knappen Mehrheit von 11 interessierten Kreisen21 grundsätzlich begrüsst.

5 Kantone22, 6 politische Parteien23 und 10 interessierte Kreise24 lehnten den Vorentwurf ab. 6 interessierte Kreise25 verzichteten ausdrücklich auf eine inhaltliche Stellungnahme.

Rein numerisch befürwortete somit eine Mehrheit von 33 Vernehmlassern den Vorentwurf. Allerdings äusserten 1926 unter ihnen hinsichtlich der Praktikabilität der vorgeschlagenen Strafnormen gewichtige Bedenken. 21 Vernehmlasser lehnten den Vorentwurf ab.

3.3

Die wichtigsten Vorbehalte und Ablehnungsgründe

Verletzung des Bestimmtheitsgebots OW, BE, SO, FDP, SVP, Identität Schweiz und FVS waren der Meinung, dass der Vorentwurf das Bestimmtheitsgebot verletze, weil die vorgeschlagenen Strafnormen nicht die gebotene Klarheit aufwiesen, dass entscheidbar würde, ob jemand einen der Tatbestände erfülle oder nicht. Es sei jedoch Aufgabe des Gesetzgebers und nicht des Richters, die Grenzen der Strafbarkeit zu ziehen.

18

19 20 21 22 23 24 25 26

Eine Auswertung der einzelnen Vernehmlassungen findet sich im Bericht «Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Bericht und den Vorentwurf zur Ergänzung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) und des Militärgesetzes (MStG) betreffend rassistische Symbole» des EJPD von Januar 2010.

AG, AR, BE, BL, GL, GR, JU, LU, NE, NW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG.

CSP, SP.

SGB, KKPKS, KSBS, SIG-PLJS, GRA, UNIL, VSPB, Schweizerischer Gemeindeverband, SSV, EKR, SU.

AI, BS, GE, OW, ZH.

EDU, FDP, GPS, SVP, auto-partei.ch, PPS.

SIUG, Identität Schweiz, Centre Patronal, mediawatch.ch, DJS, FVS, SPI, UNIGE, EB, TF.

ZV, SKS, SBV, SVR, Schweizerischer Arbeitgeberverband, kvschweiz.

BE, LU, SZ, NW, ZG, SH, SG, TG, TI, VD, NE, JU, SSV, SGB, KKPKS, KSBS, SIG-PLJS, UNIL, VSPB.

4857

Anwendungsschwierigkeiten Zahlreiche Kantone27, FDP, EDU sowie verschiedene interessierte Kreise28 waren der Meinung, dass die vorgeschlagenen Strafnormen wegen der Unbestimmtheit der Begriffe wie «rassistische Symbole» oder «Abwandlungen davon» in der Praxis nicht oder nur mit den grössten Schwierigkeiten angewendet werden könnten. Die Vollzugsbehörden dürften nicht vor praktisch unlösbare Aufgaben gestellt werden.

Es werde verkannt, dass insbesondere die Beurteilung von Abwandlungen rassistischer Symbole Schwierigkeiten bereiten könne. Eine saubere Abgrenzung der ins Auge gefassten Symbole würde sich vielfach als unmöglich erweisen. Es wurde befürchtet, dass durch den Erlass dieser Strafnormen ein hoher Erwartungsdruck auf die Vollzugsorgane entstehen würde, dem in Anbetracht der voraussehbaren Vollzugsschwierigkeiten nicht Stand gehalten werden könne. Eine Strafnorm, die sich nicht durchsetzen lasse, die auf der Ebene aller Strafbehörden zu zahlreichen und kostspieligen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen nicht strafbarem und strafbarem Verhalten führe, sei abzulehnen.

Strafrecht kein geeignetes Mittel Zahlreiche Vernehmlasser29 waren der Meinung, dass eine Regelung im StGB beziehungsweise im MStG keine oder nur eine unvollständige Lösung sei. Rassendiskriminierung sei ein gesellschaftliches Phänomen, das mit strafrechtlichen Mitteln weder verhindert noch in befriedigender Weise geahndet werden könne. So befürworteten mehrere Vernehmlasser30 neben oder anstelle einer strafrechtlichen Sanktion eine bessere Prävention, insbesondere eine effektivere Bekämpfung in Familie, Schule, Ausbildung und Alltag. Dadurch könne Rassismus besser begegnet werden als mit einer Strafbestimmung. Prävention sei zur Lösung gesellschaftlicher Probleme viel effektiver als Repression, da bekanntlich repressive Massnahmen erst greifen würden, nachdem ein Problem aufgetreten sei. In einer aufgeklärten Gesellschaft müsse das Argument über Verbote triumphieren. Eine gesellschaftliche Ausgrenzung des Rechtsextremismus sei weit effektiver als staatliche Repression. Wolle man wirklich etwas gegen rassistische Positionen ausrichten, bedürfe es vor allem der intensiven Aufklärung, der politischen Bildung sowie der Aufklärungs- und Aussteigerprojekte. Die geschichtlichen Realitäten, Ursprung, Bedeutung und Folgen rassistischen
Gedankenguts und rassistischer Bewegungen sowie die daraus resultierenden Gefahren für demokratische Rechtsstaaten seien eingehend zu vermitteln.

Kein dringender Handlungsbedarf Einige Vernehmlasser31 wiesen darauf hin, dass sich aufgrund der Statistiken der letzten Jahre die vorgeschlagene Ergänzung des StGB beziehungsweise des MStG nicht aufdränge, da davon auszugehen sei, dass sie nur in ganz wenigen Fällen anwendbar wäre, und da es auch keinen dringenden Handlungsbedarf, namentlich keinen Nachholbedarf einer Angleichung an die Länder der EU gebe. Zwar bestünde in der Schweiz eine einschlägige Szene, die ab und zu für Schlagzeilen sorge, hin27 28 29 30 31

VD, TG, SO, SH, NE, NW, BS, ZH, AI, OW, UR, BE, LU, GE.

KSBS, KKPKS, SIUG, Schweizerischer Städteverband, VSPB.

AI, SO, CSP, SP, SVP, PPS, GPS, FDP, EDU, SGB, DJS, UNIL, mediawatch.ch, SU, TF.

SO, CSP, SP, GPS, FDP, EDU, SGB, DJS.

ZH, GPS, FDP, SPI, FVS, DJS.

4858

sichtlich Mitgliederzahlen und Aktivitäten aber nicht mit den Dimensionen und Verhältnissen z.B. in Deutschland vergleichbar sei. Gegen die Schaffung einer neuen Strafnorm spreche insoweit auch, dass mit der geltenden Rassismusgesetzgebung schwerwiegende Auswüchse bereits bekämpft werden können. Mit der neuen Norm wäre zu befürchten, dass sich Angehörige rassistischer Gruppierungen geradezu verleitet fühlen könnten, immer wieder durch die Verwendung neuer, bisher unbekannter beziehungsweise als unverfänglich erachteter Symbole neue Wege zu finden, um das Gesetz zu umgehen.

4

Schlussfolgerungen und Empfehlung des Bundesrates

Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme vom 25. August 2004 die Motion 04.3224 vom 29. April 2004 der RK-N anzunehmen. Dieser Antrag war damals verständlich und berechtigt, wurde doch der Motion mit dem 2003 in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf weitgehend entsprochen. In der parlamentarischen Debatte 2005 wurde der Motionsauftrag aber dahingehend präzisiert, dass die neue Strafnorm die Symbole nur jener extremistischen Bewegungen erfassen sollte, welche die Demokratie, die Menschenwürde oder den Rechtsstaat ablehnten und bereit seien, zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten zu verüben und zu Rassendiskriminierung aufzurufen. Es sei deshalb notwendig, dass der neue Straftatbestand die drei Begriffe der Motion, nämlich «extremistisch», «gewaltverherrlichend» und zu «Rassendiskriminierung aufrufend», kumulativ vorsehe. Aus den im Vernehmlassungsbericht vom Juni 2009 festgehaltenen und näher erläuterten Gründen ist aber eine wörtliche Umsetzung der Motion abzulehnen. Um den Auftrag der Motion aber zumindest teilweise zu erfüllen, schlug der Bundesrat eine Strafnorm vor, die sich auf die öffentliche Verwendung und Verbreitung rassistischer Symbole beschränkt und auf den Bezug dieser Symbole zu einer bestimmten Bewegung verzichtet. Da auch ein solches auf rassistische Symbole beschränktes Verbot in der Praxis mit grossen Vollzugsproblemen verbunden sein könnte, beschloss der Bundesrat am 1. Juli 2009, über die vorgeschlagene Strafnorm ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.

Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse und einem erneuten sorgfältigen Abwägen der Pro- und Contra-Argumente zieht der Bundesrat folgende Schlussfolgerungen: Zwar wird der Vorentwurf von einer numerischen Mehrheit der Vernehmlasser befürwortet. Allerdings äusserten von diesen zahlreiche hinsichtlich der Praktikabilität gewichtige Bedenken, so namentlich 10 Kantone32, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) und die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS). Hinzu kommt, dass eine gewichtige Minderheit den Vorentwurf ablehnte, darunter 5 Kantone33 und 6 politische Parteien34. Die von den Vernehmlassern befürchteten Anwendungsschwierigkeiten der vorgeschlagenen Strafnormen sind ernst zu nehmen.

32 33 34

BE, LU, NW, ZG, SH, SG, TG, TI, VD, NE.

ZH, BS, GE, OW und AI.

FDP, SVP, GPS, EDU, auto-partei.ch, PPS.

4859

Das Bestimmtheitsgebot von Artikel 1 StGB, welches Verfassungsrang geniesst35, besagt unmissverständlich, dass nur Verhaltensweisen sanktioniert werden dürfen, die im Gesetz ausdrücklich umschrieben sind ­ dies damit für jedermann klar erkennbar ist, was strafbar ist und was nicht. Das Gesetz muss so präzis formuliert sein, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können36. Denn nur Gesetze, deren Wortlaut eine hinreichend feste Basis für die Rechtsanwendung bilden, vermögen richterliche Entscheidungen berechenbar zu machen. Lehre und Rechtsprechung verlangen zwar nicht, dass jede rechtsunterworfene Person in der Lage sein muss, die Auslegung sämtlicher Tatbestandsmerkmale juristisch exakt zu erfassen. Es muss ihr aber möglich sein, den wesentlichen Gehalt einer Strafnorm zu erkennen. Im vorliegenden Fall ist eine klare Definition von rassistischen Symbolen nicht möglich. Dass die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden und bekannten Symbole wie das Hakenkreuz (auch seitenverkehrt) oder die Sigrunen, insbesondere die Doppelsigrune als Zeichen der SS, oder der Hitlergruss unter den Begriff «rassistische Symbole» fallen, ist weitgehend unbestritten. Problematischer wird es aber, wenn Symbole für Gleichgesinnte eine Bedeutung haben, sich ihr Sinn aber Aussenstehenden verschliesst. In diesen Zusammenhang gehören z.B. folgende Zeichen: Zahlendarstellungen wie 88 für «Heil Hitler» (8 steht für den 8. Buchstaben des Alphabets), 18 (Adolf Hitler), 14 (Synonym für die 14 Worte «We must secure the existence of our people and a future for white children») usw. Der unbefangene Dritte weiss nicht, falls er diese Symbole überhaupt wahrnimmt, was diese bedeuten. Es könnte sich ja auch um Zahlen handeln, die von bekannten Sportlern auf ihren Trikots getragen werden. Nur schwer einzusehen ist in diesem Zusammenhang auch, inwiefern das Tragen eines Pullovers oder T-Shirts der Marke «Londsdale» die Menschenwürde oder den Rechtsfrieden bedrohen oder verletzen soll, zumal die Buchstabenkombination «nsda» im Namen «Londsdale» als Anspielung auf die deutsche NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) einem unbefangenen durchschnittlichen Dritten als Zeichen einer
nationalistischen Gesinnung nicht erkennbar sein dürfte.

Die Forderung, Strafnormen so bestimmt wie möglich zu fassen, erhält im vorliegenden Fall insofern ein besonderes Gewicht, als die entsprechenden Verhaltensweisen in den Schutzbereich eines für unsere Demokratie zentralen Grundrechts ­ nämlich der Meinungsäusserungsfreiheit ­ fallen. Der Bundesrat teilt die Auffassung der KKPKS, wonach man mit dieser Vorlage «auf dem Weg zu einer lex imperfecta» wäre.

Der Bundesrat stimmt auch der Feststellung jener Vernehmlasser zu, die einen praktischen Mehrwert dieser Vorlage für die Strafverfolgungsbehörden ­ und auch für die Gesellschaft ­ verneinen. Es ist heute schon voraussehbar, dass ein neuer Artikel 261ter StGB auf den Ebenen aller Strafbehörden von der Polizei bis zum Bundesgericht zu zahlreichen und kostspieligen Abgrenzungsproblemen zwischen nicht strafbarem und strafbarem Verhalten führen würde. Mit dem Erlass der neuen Strafnorm würde ein hoher Erwartungsdruck auf die Vollzugsorgane entstehen, den diese aber in Anbetracht der zu erwartenden Vollzugsschwierigkeiten nicht erfüllen dürften. Dadurch bliebe aber die von der Vorlage erhoffte Wirkung aus. Es erstaunt denn auch nicht, dass die Kantone trotz bestehender Zuständigkeit bisher keine entsprechenden Bestimmungen in ihren Polizeigesetzen statuiert haben. Der Bundes35 36

Art. 5 Abs. 1 BV.

Vgl. statt vieler: BGE 132 I 49; 128 I 327; 119 IV 242.

4860

rat kommt deshalb zum Schluss, dass das vorgeschlagene Verbot rassistischer Symbole die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der Polizei nicht verbessern würde.

Ferner trifft auch die Meinung jener Kantone und Strafverfolgungsbehörden zu, die sich dahingehend äusserten, dass der Vorentwurf keinem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht. Zwar besteht in der Schweiz eine einschlägige Szene, die ab und zu für Schlagzeilen sorgt, hinsichtlich Mitgliederzahlen und Aktivitäten aber nicht mit den Dimensionen und Verhältnissen z.B. in Deutschland vergleichbar ist.

Das Strafrecht kann und soll denn auch nicht jedes sozialschädliche Verhalten verhindern oder als pädagogisches Instrument dienen.

Weit wirksamer als strafrechtliche Repression ist zudem eine bessere Prävention.

Dazu gehören eine noch intensivere Aufklärung und politische Bildung in den Schulen. Dabei sind die geschichtlichen Realitäten, Ursprung, Bedeutung und Folgen rassistischen Gedankenguts und rassistischer Bewegungen sowie die daraus resultierenden Gefahren für demokratische Rechststaaten noch eingehender zu vermitteln.

Auf internationaler Ebene gilt für die Schweiz das Internationale Übereinkommen vom 21. Dezember 196537 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung.

Dieses Übereinkommen verbietet jede Form von Rassendiskriminierung und verpflichtet die Vertragsstaaten zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Um den Anforderungen dieses Übereinkommens Rechnung zu tragen, hat die Schweiz auf den 1. Januar 1995 die Artikel 261bis StGB und 171c MStG in Kraft gesetzt.

Eine ausdrückliche Regelung betreffend ein Verbot rassistischer Symbole verlangt das Übereinkommen indessen nicht. Demgegenüber empfiehlt die Europäische Kommission gegen Rassismus (ECRI) in ihrem Vierten Länderbericht zur Schweiz vom 2. April 200938, die öffentliche Verwendung rassistischer Symbole für strafbar zu erklären und die Gründung rassistischer Organisationen und die Mitgliedschaft in solchen Organisationen zu verbieten. Solche Empfehlungen werden von der Schweiz durchaus ernst genommen. Sie müssen aber nicht zwingend umgesetzt werden. Betreffend ein Verbot rassendiskriminierender Vereinigungen hat der Bundesrat bereits 2004 einen Verzicht beschlossen. Ferner sieht der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates der Europäischen Union vom
28. November 200839 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht vor, bestimmte Symbole wie etwa Hakenkreuze zu verbieten.

Schliesslich weist der Bundesrat darauf hin, dass die Verwendung oder Verbreitung rassistischer Symbole nicht straflos ist, sondern bereits heute nach Artikel 261bis StGB strafbar ist, wenn diese eine Ideologie symbolisieren, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist und dafür in der Öffentlichkeit geworben wird. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid40 den Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 261bis StGB präziser gefasst. Bisher galten Tathandlungen als öffentlich, wenn sie an einen grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Kreis von Personen gerichtet waren. Daher war es bislang möglich, dank angeblich privatem 37 38 39 40

SR 0.104 http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Switzerland/CHE-CbC-IV2009-032-CHE.pdf (19.6.2010) ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55 BGE 130 IV 111 ff.

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Rahmen, welcher sich durch eine Einlasskontrolle oder durch keine öffentliche Bekanntgabe der Lokalität manifestierte, ein Skinhead-Konzert oder ein rechtsextremes Referat zu organisieren. Mit der erwähnten Präzisierung der Rechtsprechung gilt eine rassistische Äusserung bereits dann als öffentlich, wenn sie nicht im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgt. Somit gelten z.B. Versammlungen nicht mehr schon als privat, wenn eine Einlasskontrolle durchgeführt und der Zugang nur einem besonderen Publikum gestattet wird. Auch die Praxis der Militärjustiz wendet diese präzisierte Rechtsprechung des Bundesgerichts an. Rassistische Handlungen, die innerhalb der Armee getätigt werden, gelten grundsätzlich als öffentlich. Die Öffentlichkeit ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil rassistische Handlungen z.B. innerhalb der Kaserne oder ausschliesslich von Angehörigen der Armee wahrgenommen werden. Rassistische Handlungen können mittels Wort, Schrift, Bild, Geste etc. erfolgen. Massgeblich ist die Zielrichtung. Der Täter muss sich an einen öffentlichen Adressatenkreis wenden im Bestreben, diesen zu beeinflussen. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so handelt es sich um ein strafloses Bekenntnis41. So ist z.B. der Hitlergruss zwar Ausdruck einer Ideologie, die auf die systematische Herabsetzung einer Personengruppe aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist. Für diese Ideologie wird allerdings nach geltendem Recht nur dann geworben, wenn sich der Hitlergruss an die Öffentlichkeit richtet mit dem Willen, diese werbend zu beeinflussen. Dass mit diesem Verbot der werbenden Verwendung oder Verbreitung rassistischer Symbole nach Artikel 261bis Absatz 2 StGB die Menschenwürde und der öffentliche Friede geschützt werden, ist nachvollziehbar, geht es doch darum, Angehörige einer Rasse, Ethnie oder Religion vor öffentlicher Diskriminierung zu schützen. Anders verhält es sich aber, wenn dieses werbende Element fehlt. Welches Rechtsgut geschützt werden sollte, wenn eine Einzelperson sich darauf beschränkt, z.B. eine Armbinde mit einem Hakenkreuz zu tragen, ist weit weniger klar. Eine Verurteilung in solchen Fällen würde wegen der Unklarheit über das schützende Rechtsgut einer Überprüfung auf Vereinbarkeit mit der
durch die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleisteten Meinungsäusserungsfreiheit eher nicht standhalten.

Aus diesen Gründen empfiehlt der Bundesrat dem Parlament, auf ein Verbot der öffentlichen Verwendung extremistischern, gewaltverherrlichender und rassistischer Symbole sowie auf eine Ergänzung des StGB und des MStG mit einer Strafnorm betreffend rassistische Symbole zu verzichten. Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung, die Motion 04.3224 abzuschreiben.

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Niggli, Rassendiskriminierung, N 1120; Dorrit Schleiminger in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg], Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch II, 2. Auflage, Basel 2007, N 36 und 40 zu Art. 261bis StGB.

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