09.091 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland vom 27. November 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 7. September 2009 unterzeichneten Protokolls zur Änderung des Abkommens vom 8. Dezember 1977 zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht Das am 8. Dezember 1977 abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland ist dreimal geändert worden; letztmals durch ein Änderungsprotokoll, das am 26. Juni 2007 unterzeichnet worden und am 22. Dezember 2008 in Kraft getreten ist.

Nach der Entscheidung des Bundesrates vom 13. März 2009, die Amtshilfe in Steuersachen an die internationale Politik anzupassen, hat Grossbritannien die Schweiz ersucht, das Abkommen entsprechend anzupassen. Das Änderungsprotokoll ist am 9. Juli 2009 paraphiert und am 7. September 2009 in London unterzeichnet worden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Protokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz seit jeher den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

Am 13. März 2009 hat der Bundesrat beschlossen, die Amtshilfe in Steuersachen an die neuen Gegebenheiten der internationalen Politik anzupassen.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen vom 8. Dezember 1977 zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (SR 0.672.936.712, hiernach DBA-GB) ist mit den Protokollen vom 5. März 1981, vom 17. Dezember 1993 und vom 26. Juni 2007 revidiert worden.

Das Protokoll vom 26. Juni 2007, ergänzt durch den dazu gehörigen Notenwechsel, sieht einen Informationsaustausch in Sachen Steuern vor, der der Politik entspricht, welcher die Schweiz bis vor Kurzem gefolgt ist. Es handelt sich im Wesentlichen um den Informationsaustausch auf Verlangen in Fällen der ordentlichen Anwendung des Abkommens und für die Anwendung des innerstaatlichen Rechts des anderen Vertragsstaates in Fällen von Holdinggesellschaften sowie in Fällen von Steuerbetrug oder dergleichen. Dieses Protokoll ist am 22. Dezember 2008 in Kraft getreten.

Nach dem Entscheid des Bundesrates vom 13. März 2009, den Vorbehalt der Schweiz gegenüber dem Informationsaustausch nach dem Musterabkommen der OECD zurückzuziehen, hat Grossbritannien die Schweiz ersucht, in Verhandlungen zur Einführung einer Bestimmung in das Abkommen zu treten, welche die neue Politik der Schweiz in Sachen Informationsaustausch für Steuerzwecke widerspiegelt. Im Rahmen dieser neuen Verhandlung ist auf Ersuchen der Schweiz das Änderungsprotokoll mit der Einführung einer Schiedsgerichtsklausel ergänzt wor261

den. Man hat ausserdem die Bestimmungen aus dem oben erwähnten Notenwechsel in ein Zusatzprotokoll zum Änderungsprotokoll übertragen. Die Verhandlung ist am 9. Juli 2009 mit der Paraphierung abgeschlossen worden. Das Änderungsprotokoll und das Zusatzprotokoll sind am 7. September 2009 in London unterzeichnet worden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben die Änderung des Abkommens begrüsst.

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Würdigung

Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch entspricht den Standards der OECD und berücksichtigt die Zusagen, die die Schweiz gemacht hat, als sie ihren Vorbehalt gegenüber Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zurückgezogen hat.

Mit der Einführung einer Schiedsgerichtsklausel erhält die Schweiz die einzige Gegenleistung, die sie formuliert hatte. Es sei daran erinnert, dass die letzte Anpassung des DBA-GB, die am 22. Dezember 2008 in Kraft getreten ist, bereits sehr vorteilhafte Lösungen bezüglich der Schweizer Interessen gebracht hat.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll sieht zum einen Änderungen der Bestimmungen des DBAGB in Bezug auf das Verständigungsverfahren und deren Ergänzung mit einer Schiedsgerichtsklausel und zum anderen die Änderung des Artikels zum Informationsaustausch vor. Es enthält ausserdem ein Zusatzprotokoll als Ersatz für den Notenwechsel vom 26. Juni 2007. Dieser ist einzig bezüglich den Bestimmungen über den Informationsaustausch geändert worden.

Art. I des Änderungsprotokolls betreffend Art. 24 des Abkommens (Verständigungsverfahren) Die Gelegenheit der Änderung des DBA-GB wurde ergriffen, um den Inhalt dieser Bestimmung zu modernisieren.

Der erste Absatz steht in Einklang mit dem OECD-Musterabkommen und sieht eine Frist von 3 Jahren vor, während der das Verständigungsverfahren eröffnet werden kann. Die Frist beginnt zu laufen, nachdem ein Vertragsstaat eine Massnahme, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führt, zum ersten Mal mitgeteilt hat. Der zweite Absatz ist nicht geändert worden. Beim dritten Absatz wird die entsprechende Bestimmung aus dem OECD-Musterabkommen eingefügt.

Hier ist festzustellen, dass der zweite Satz aus der geltenden Bestimmung, der vorsieht, dass die zuständigen Behörden gemeinsam darüber beraten können, welche Massnahmen zur Verhinderung der ungerechtfertigten Inanspruchnahme des Abkommens zu erwägen sind, nicht erhalten geblieben ist. Denn einerseits enthält das Abkommen eine Bestimmung zur Verhinderung von Missbrauch seit der Änderung, welche am 22. Dezember 2008 in Kraft getreten ist, und andererseits wird das Abkommen eine Bestimmung zum erweiterten Informationsaustausch enthalten, sodass die Anwendung dieser beiden Bestimmungen dazu führen wird, dass unter 262

anderem das gleiche Ziel erreicht wird. Der vierte Absatz ist mit dem geltenden Wortlaut dieser Bestimmung identisch; die britische Delegation hat die Einführung der Möglichkeit einer gemischten Kommission, um zu einer Verständigungslösung zu gelangen, nicht gewünscht. So werden die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten in bewährter Weise weiterhin direkt miteinander kommunizieren.

Ausserdem sieht die vom Komitee für Steuerfragen der OECD im Jahr 2008 verabschiedete Aktualisierung des OECD-Musterabkommens eine Schiedsgerichtsklausel vor, um die grenzüberschreitenden steuerlichen Streitpunkte zu regeln. Nach Ansicht der Schweiz steht eine Schiedsgerichtsklausel in Einklang mit den durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beabsichtigten Zielen. Zudem enthält die Bestimmung über die Beilegung der Streitpunkte (Art. 24 DBA-GB) keine Verpflichtung zu einer Einigung («... die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen sich [...] zu beseitigen ...»). Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass in gewissen Fällen eine Doppelbesteuerung bestehen bleibt. Anerkanntermassen ist eine solche Situation aus Sicht der Rechtssicherheit nicht zufriedenstellend.

Eine Schiedsgerichtsklausel sollte demnach diese Lücke schliessen und dazu beitragen, die Situation der Steuerpflichtigen zu verbessern.

Aus diesen Gründen haben die beiden Vertragsparteien eine Schiedsgerichtsklausel in einem neuen fünften Absatz von Artikel 24 DBA-GB vereinbart. Diese Bestimmung folgt dem OECD-Musterabkommen. Wenn die zuständigen Behörden zu keiner Einigung innerhalb von 3 Jahren nach der Eröffnung eines Verständigungsverfahrens gelangen, kann die betroffene Person ein Schiedsverfahren verlangen.

Dies ist jedoch nicht möglich, falls ein Gericht bereits darüber entschieden hat. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist verbindlich und ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts dieser Staaten durchzuführen. Die Einzelheiten zum Inhalt des Verfahrens werden in einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden geregelt. Zwar weist eine Einigung durch ein Schiedsverfahren den Nachteil eines Eingriffs in die Schweizer Steuersouveränität auf. Indessen muss die steuerpflichtige Person vorab schriftlich ihre Zustimmung zur Eröffnung dieses Verfahrens geben. Zusätzlich muss berücksichtigt werden,
dass eine Schiedsgerichtsklausel von vornherein ein Druckmittel für die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten darstellt, damit diese eine Verständigungslösung finden und dadurch verhindern, dass das Schiedsgericht zu einer möglicherweise weniger günstigen Lösung gelangt. Die Anwendungsfälle sollten deshalb nicht sehr zahlreich sein.

Art. II des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25 des Abkommens (Informationsaustausch) Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz unterstützt seit jeher die diesbezüglichen Bemühungen. Mit Entscheid vom 13. März 2009 hat der Bundesrat zudem beschlossen, den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen und gleichzeitig die Wahrung des Verfahrensschutzes, die Begrenzung auf Amtshilfe im Einzelfall, faire Übergangslösungen, die Beschränkung auf Steuern, die unter das Abkommen fallen, das Subsidiaritätsprinzip sowie die Beseitigung allfälliger Diskriminierungen zu den anzustrebenden Eckwerten des Übergangs auf den OECDStandard erklärt. Auf die Erfüllung der vom Bundesrat festgelegten Richtwerte wird bei der nachfolgenden Kommentierung des Artikels eingegangen.

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Der neue Artikel 25 entspricht grösstenteils dem Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Abweichungen bestehen insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit zum Gebrauch der Informationen für andere Zwecke mit Einverständnis beider Staaten sowie hinsichtlich der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen. Die vorgesehenen Einschränkungen der Amtshilfe sind im Kommentar zum OECD-Musterabkommen vorgesehen und mit dem OECD-Standard vereinbar.

Obwohl die Schweiz die Absicht hat, den Informationsaustausch auf die unter das Abkommen fallenden Steuern zu beschränken, unter anderem um eine Überlappung mit anderen internationalen Vereinbarungen zu verhindern (z.B. mit dem Betrugsbekämpfungsabkommen mit den Mitgliedstaaten der EU im Bereich der indirekten Steuern), musste hier auf ausdrückliches Verlangen Grossbritanniens eine Ausnahme von diesem Prinzip im Rahmen einer umfassenden Einigung gemacht werden. Auf jeden Fall wird jedes Abkommen, das parallel anwendbar sein könnte, im Einzelfall vor allem gemäss seinen Besonderheiten zu prüfen sein.

Absatz 1 sieht den Austausch von Informationen vor, die voraussichtlich zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung erheblich sind.

Dieser Informationsaustausch erfolgt auf Antrag; dies geht aus den unter Punkt 4 des Zusatzprotokolls aufgeführten Ausführungsbestimmungen hervor. Durch die Beschränkung auf voraussichtich erhebliche Informationen sollen so genannte «fishing expeditions» verhindert werden. Der ersuchende Staat ist gehalten, seine gewöhnlichen Untersuchungsmöglichkeiten gemäss seinem innerstaatlichen Recht auszuschöpfen, bevor er ein Auskunftsersuchen an den anderen Staat stellt (Subsidiaritätsprinzip). Der Wortlaut dieser Bestimmung unterscheidet sich ein wenig von jenem, der in letzter Zeit mit anderen Staaten vereinbart worden ist, und zwar in dem Sinne, als die Ausschöpfung sich auf die Gesamtheit der gewöhnlichen Verfahrensmassnahmen gemäss innerstaatlichem Recht und nicht nur auf jene des Steuerverfahrens bezieht. Grossbritannien hat mitgeteilt, dass es
beabsichtige, sich nicht direkt an einen Informationsinhaber (z.B. eine Bank) mit Sitz in der Schweiz zu wenden, sondern die gewünschten Informationen bei einer allfälligen Betriebstätte oder einer in Grossbritannien gelegenen Tochtergesellschaft dieses Informationsinhabers zu verlangen. Ausserdem ist für den Informationsaustausch nicht erforderlich, dass die betroffenen Steuerpflichtigen in der Schweiz oder in Grossbritannien ansässig sind, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Absatz 2 umfasst Geheimhaltungsregeln und hält fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, mit der Vollstreckung oder der Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der Steuern im Sinne von Absatz 1 oder mit der Aufsicht darüber befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden. Grossbritannien hat erklärt, dass einzig die erwähnten Aufsichtsbehörden Zugriff zu den übermittelten Informationen haben, denn die britischen Steuerpflichtigen können sich an den für Informationen zuständigen Kommissär wenden, wenn der britische Fiskus ihnen den Zugriff zu ihrem Steuerdossier verweigert. Ohne eine Geheimhaltungsklausel mit Einbezug dieser Aufsichtsbehörden hätte das Änderungsprotokoll wenig Chancen gehabt, von Gross264

britannien akzeptiert zu werden. Weiter sieht dieser Absatz die Möglichkeit der Verwendung für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte in einem Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die diesbezüglich separaten Verfahrensrechte in der Schweiz zu entziehen. Damit kann vermieden werden, dass gleiche Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals beschafft und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des ersuchten Staates ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustausches vor. Der ersuchte Staat ist weder gehalten, Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die über seine eigenen Gesetze oder Verwaltungspraxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates abweichen.

Im Fall der Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen ebenso wie die Möglichkeit, einen vorgesehenen Informationsaustausch gerichtlich überprüfen zu lassen, gewahrt bleiben. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis oder nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt oder wirtschaftliche Geheimnisse offenbart würden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Informationen im ersuchenden Staat nicht in ausreichendem Mass geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Auskünfte ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Vertragsstaates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen bezüglich Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden, sowie betreffend Eigentumsverhältnisse an Personen. Solche Informationen sind unabhängig von den
Einschränkungen des Absatzes 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Auskünfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis die begehrten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen. Zum Beispiel: Gewisse Informationen über die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften mit Inhaberaktien können nur ausgetauscht werden, wenn diese Informationen für die Behörden des ersuchten Staates tatsächlich ermittelbar sind. Betreffend Trusts hat Grossbritannien zugesichert, im Stande zu sein, von der Schweiz verlangte Informationen zu erteilen, sofern der Trustee in Grossbritannien ist und sich das durch den Trustee verwaltete Einkommen oder Vermögen (z.B. Bankkonto) in Grossbritannien befindet. Auskünfte betreffend die Begünstigten können auch erteilt werden (sowohl für widerrufbare Trusts als auch für unwiderrufbare Trusts), unter der Bedingung, dass die Begünstigten eindeutig bestimmt werden können.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens im innerstaatlichen Recht die notwendigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der durch Absatz 5 erfassten Informationen. Der Austausch dieser Informa265

tionen setzt jedoch gemäss der neuen Bestimmung keinen Steuerbetrug mehr voraus.

Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, gewährt der zweite Satz den Vertragsstaaten die notwendigen rechtlichen Grundlagen zur Durchsetzung des Informationsaustausches, ungeachtet allfälliger Einschränkungen durch das innerstaatliche Recht. Das anwendbare Verfahren wird vorerst Gegenstand einer Verordnung des Bundesrates sein. Die Frage, ob die Verordnung letztlich durch ein Gesetz ersetzt werden soll, wird momentan geprüft.

Art. III des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25 des Abkommens (Zusatzprotokoll, das Ausführungsbestimmungen zum Informationsaustausch enthält und den Notenwechsel vom 26. Juni 2007 ersetzt) Die Bestimmungen des Artikels 25 werden in Kapitel 4 des Zusatzprotokolls, welches durch Artikel III vorgesehen ist, weiter konkretisiert. Der Grundsatz der Subsidiarität und das Verbot von so genannten «fishing expeditions» sind explizit aufgeführt. Aufgrund des Grundsatzes der Subsidiarität sind die Vertragsstaaten gehalten, ein Auskunftsersuchen erst dann zu stellen, wenn sie sämtliche in ihrem innerstaatlichen Recht üblichen Mittel der Informationsermittlung ausgeschöpft haben (Bst. a). So genannte «fishing expeditions», d.h. Ermittlungen, die ohne präzises Ermittlungsobjekt in der Hoffnung vorgenommen werden, steuerlich relevante Informationen zu erhalten, sind ausdrücklich ausgeschlossen (Bst. b). In dieser Hinsicht stammt die Formulierung dieser letzten Bestimmung aus Absatz 5 des OECD Kommentars betreffend Artikel 26 des Musterabkommens und ist auch im schweizerisch-französischen Zusatzabkommen, das am 27. August 2009 unterzeichnet worden ist, vereinbart worden.

Weiter muss das Auskunftsersuchen eine gewisse Zahl von Elementen enthalten, namentlich die genaue Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person sowie der Person (z.B. einer Bank), in deren Besitz die gewünschten Informationen vermutet werden (Bst. c). Zudem muss der ersuchende Staat darlegen, welche Informationen er für welche Steuerperioden und zu welchen steuerlichen Zwecken benötigt.

Das Ersuchen ist von den zuständigen Behörden des ersuchenden Staates schriftlich an die zuständige Behörde des ersuchten Staates zu richten. Aufgrund der Anforderungen
an das Auskunftsersuchen ist der Auskunftsaustausch auf konkrete Anfragen im Einzelfall beschränkt. Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Auskunftsaustausch wird zudem ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches bei der internationalen Amtshilfe zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht (Bst. d).

Schliesslich sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts über die Rechte der Steuerpflichtigen anwendbar: Diese Bestimmung dient dazu, der steuerpflichtigen Person ein ordnungsgemässes Verfahren zu garantieren; sie bezweckt nicht, den wirksamen Informationsaustausch zu verhindern oder übermässig zu verzögern (Bst. e). In der Schweiz kann die betroffene steuerpflichtige Person die Schlussverfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung zum Austausch von Informationen mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht anfechten, das die Sache abschliessend beurteilt. Die Beschwerde hat Suspensivwirkung. Wurde Beschwerde erhoben, so kann der Auskunftsaustausch daher erst erfolgen, wenn diese rechtskräftig abgelehnt wurde.

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Abgesehen von den Bestimmungen, die derzeit im Notenwechsel bezüglich Informationsaustausch enthalten sind, sind die anderen Bestimmungen aus dem Notenwechsel nicht geändert worden und werden durch das Zusatzprotokoll ersetzt werden.

Art. IV des Änderungsprotokolls (Inkrafttreten) Das Änderungsprotokoll tritt an dem Tag in Kraft, an dem die letzte Notifikation eintrifft und die erforderlichen innerstaatlichen Verfahren somit als erfüllt gelten.

Die Frist von drei Jahren, welche in der neuen Bestimmung betreffend Schiedsverfahren vorgesehen ist, beginnt ihre Wirkung drei Jahre nach Inkrafttreten des Änderungsprotokolls zu entfalten. Diese Lösung hat den Vorteil, dass eine Frist von insgesamt drei Jahren gewährt wird, um Verständigungsverfahren zu regeln, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls noch hängig sind. Damit werden die Chancen erhöht, günstige Vergleichslösungen für die betroffenen Steuerpflichtigen herbeizuführen.

Die neuen Bestimmungen zum Informationsaustausch finden für Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen. Für die Zeit vor diesem Datum ist der Informationsaustausch auf Informationen beschränkt, die zur ordentlichen Anwendung des Abkommens und für die Anwendung des innerstaatlichen Rechtes des anderen Vertragsstaats in Fällen von Holdinggesellschaften sowie in Fällen von Steuerbetrug oder dergleichen ­ in Einklang mit dem geltenden Artikel 25 ­ notwendig sind.

Ausserdem bleibt der Notenwechsel bis zum 1. Januar jenes Jahres in Kraft, welches dem Jahr folgt, in dem das Änderungsprotokoll in Kraft tritt, d.h. dem Datum, an welchem die Bestimmungen aus dem Änderungsprotokoll wirksam werden.

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Finanzielle Auswirkungen

Die durch das Änderungsprotokoll eingeführten neuen Bestimmungen haben keine direkten Auswirkungen auf die Steuereinnahmen.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Änderungsprotokoll begrüsst.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung dieses Protokolls. Das zur Genehmigung unterbreitete Änderungsprotokoll wird einen integrierenden Bestandteil des DBA-GB bilden; dieses ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmun267

gen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat zur Botschaft vom 19. September 2003 über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel in Aussicht gestellt, dem Parlament künftig zu empfehlen, internationale Abkommen nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Mit dem vorliegenden Änderungsprotokoll werden einerseits eine Schiedsgerichtsklausel und andererseits eine Bestimmung zum Informationsaustausch, die in Einklang mit dem von der OECD gesetzten Standard in diesem Bereich steht, eingeführt. Die Schiedsgerichtsklausel ist eine Bestimmung zugunsten der Steuerpflichtigen. Sie schafft somit im Prinzip keine steuerlichen Verpflichtungen für die Steuerpflichtigen, sondern Rechte für diese. Sie überträgt der Schiedskommission die Kompetenz, über eine Streitigkeit zu entscheiden und eine Lösung zu bestimmen, die anschliessend in jedem der Vertragsstaaten angewendet werden muss. Die Bestimmung betreffend Informationsaustausch ist für die Schweiz neu und folgt der Entscheidung des Bundesrates vom 13. März 2009, den schweizerischen Vorbehalt gegenüber Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zurückzuziehen. Deshalb begründet das Änderungsprotokoll neue wichtige Verpflichtungen für die Schweiz, wie das beispielsweise bei der Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Südafrika (Botschaft des Bundesrates vom 5. September 2007, BBl 2007 6589, Ziff. 4) der Fall war. Es enthält somit wichtige Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV gegenüber den bisher mit anderen Staaten vereinbarten Verpflichtungen. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-GB wird somit dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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