08.407 Parlamentarische Initiative Erleichterte Zulassung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. November 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für eine Änderung des Ausländergesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

5. November 2009

Im Namen der Kommission Der Präsident: Gerhard Pfister

2009-2838

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Übersicht Universitäts- und Unternehmerkreise weisen seit Jahren darauf hin, dass im Bereich der Aufenthaltsbewilligungen für Studierende, wie auch für Studienabgängerinnen und -abgänger aus Nicht-EU/-EFTA-Staaten immer wieder ausländerrechtliche Schwierigkeiten mit den Migrations- und Arbeitsmarktbehörden auftreten. Die offensichtlichsten Unzulänglichkeiten des Ausländerrechts und entsprechende Vorschläge für deren Lösung wurden seit 2000 bereits wiederholt in der Form von parlamentarischen Vorstössen und bei den Beratungen zum neuen Ausländergesetz (AuG) zur Diskussion gestellt.

In seiner am 19. März 2008 eingereichten parlamentarischen Initiative stellte Nationalrat Jacques Neirynck eine Reihe von konkreten Lösungsansätzen vor. Nach der Einschätzung des Initianten sind Änderungen des Ausländergesetzes in den Regelungsbereichen Vorrang der inländischen Arbeitskräfte, Zulassungsvoraussetzungen, Aufenthalt zu einer Aus- oder Weiterbildung sowie bei der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen angezeigt.

In der vorliegenden Gesetzesvorlage präsentiert die für die Umsetzung der Initiative zuständige Nationalratskommission drei konkrete Vorschläge zur Änderung des Ausländergesetzes: ­

Die geltende Vorrangregelung nach Artikel 21 des Ausländergesetzes soll so geändert werden, dass neu auch Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss auf dem Arbeitmarkt zugelassen werden, wenn deren Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Interesse ist.

­

Artikel 27 des Ausländergesetzes soll so revidiert werden, dass eine «gesicherte Wiederausreise» nicht mehr als generelle Bedingung für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Aus- oder Weiterbildungszwecken vorausgesetzt wird.

­

Artikel 34 des Ausländergesetzes soll so ergänzt werden, dass bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen frühere Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung nachträglich angerechnet werden.

Bei der Umsetzung der Initiative legte die SPK Wert darauf, eine Vorlage zu präsentieren, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der betroffenen ausländischen Hochschulabsolventinnen und -absolventen, der Hochschulen, des schweizerischen Arbeitsmarktes und der Wirtschaft gerecht wird. Dabei soll die Kohärenz des Ausländergesetzes und die Praktikabilität des Gesetzesvollzugs gewahrt werden.

Die Zulassung zu einem Hochschulstudium und die Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt soll so ausgestaltet werden, dass die Schweiz auch langfristig ihren Spitzenplatz unter den führenden Bildungs- und Wirtschaftsstandorten behaupten kann.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarische Initiative Neirynck vom 19. März 2008

Die von Nationalrat Jacques Neirynck (C, VD) am 19. März 2008 eingereichte und von 26 Ratsmitgliedern aus allen Fraktionen mitunterzeichnete parlamentarische Initiative verlangt, das Ausländergesetz (AuG) so zu ändern, dass ausländische Absolventen einer Schweizer Hochschule aus Ländern ausserhalb der EU und der EFTA nach Abschluss ihrer Ausbildung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt leichter zugelassen werden und eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können. In der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes formuliert die Initiative fünf Vorschläge, die eine Änderung der Bestimmungen des geltenden Rechts über Vorrang (Art. 21), Zulassungsvoraussetzungen (Art. 23 und 30), Aufenthalt zu einer Aus- oder Weiterbildung (Art. 27) sowie die erleichterte Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (Art. 34) fordern.

Kritisiert wird in erster Linie Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe d AuG, nach dem die betreffenden Studierenden nur dann zu einem Studium oder zu einer Ausbildung zugelassen werden, wenn nach ihrem Studienabschluss die Wiederausreise gesichert erscheint. Diese Bestimmung birgt die Gefahr von willkürlichen Entscheiden, weil sie durch die verantwortlichen Migrationsbehörden breit ausgelegt werden kann. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt bildet Artikel 21 AuG, wonach gegenüber Ausländerinnen und Ausländer mit einem Schweizer Hochschulabschluss aus Drittstaaten ein Vorrang der inländischen und der europäischen Arbeitskräfte besteht. Kritisiert wird schliesslich Artikel 34, nach dem eine Niederlassungsbewilligung erst nach 10 Jahren Aufenthalt mit einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung erteilt wird, wobei Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung nicht angerechnet werden.

In seiner Begründung legt der Initiant dar, dass die geltenden Regelungen im Ausländergesetz in ihrer Summe sowohl den Interessen der Schweizer Wirtschaft als auch der Hochschulabsolventen zuwider laufen und letztlich die wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes hemmen. Das geltende Recht verursacht zudem eine Verschwendung öffentlicher Gelder, indem beträchtliche Summen in die Ausbildung von Personen gesteckt werden, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in der Schweiz aufgrund ihrer zurückhaltenden Zulassungspolitik in die leichter zugänglichen Arbeitsmärkte anderer europäischer Staaten oder nach
Übersee abwandern.

Bei seinen Beobachtungen und Forderungen beruft sich der Initiant insbesondere auf die Universitäten, Akademiker- und Studentenkreise sowie auf Arbeitgeberkreise der Westschweiz, die seit längerer Zeit eine entsprechende Korrektur der Bundesgesetzgebung anregen.

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1.2

Frühere parlamentarische Vorstösse

Die von der parlamentarischen Initiative aufgegriffene Problematik wurde bereits im Rahmen verschiedener parlamentarischer Vorstösse aufgegriffen, die teilweise vor das Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 1. Januar 2008 zurückgehen: ­

07.3782 Mo. Barthassat. Aufenthaltsbewilligung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss: Die im Plenum noch nicht behandelte Motion will den Bundesrat beauftragen, den Entwurf einer neuen Bestimmung zum Ausländergesetz vorzulegen, wonach Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz einen Master- oder einen Doktortitel erlangt haben, eine Aufenthaltsbewilligung erhalten.

­

08.3376 Mo. FDP-Liberale Fraktion. Investitionen in die Ausbildung ausländischer Akademiker am Standort Schweiz nutzen: Die im Ratsplenum ebenfalls noch nicht behandelte Motion will den Bundesrat beauftragen, den Entwurf für eine Änderung des AuG zu präsentieren, wonach Hochschulabsolventinnen und -absolventen zum Zwecke der Stellensuche eine Aufenthaltsbewilligung gewährt wird, die sechs Monate über den Studienabschluss hinaus reicht.

Vor diesen Motionen waren mit den Motionen Neyrinck 00.3039 und 03.3205, dem Postulat Neirynck 02.3263 sowie der Interpellation Berberat 06.3652 bereits Vorstösse mit ähnlicher Stossrichtung eingereicht worden, die teilweise im Rahmen des AuG umgesetzt werden konnten. So wurde in das neue Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005 eine Zulassungserleichterung für Ausländerinnen und Ausländer mit einem schweizerischen Hochschulabschluss aufgenommen, deren Tätigkeit von hohem wissenschaftlichem Interesse ist (Art. 30 Abs. 1 Bst. i AuG und Art. 40 VZAE).

1.3

Vorprüfung durch die Staatspolitischen Kommissionen

Am 22. August 2008 gab die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates der parlamentarischen Initiative mit 14 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge. Die ständerätliche Schwesterkommission stimmte diesem Beschluss am 14. Oktober 2008 mit 9 zu 2 Stimmen zu.

Die Kommissionen gehen mit dem Initianten einig, dass die Aufenthaltsregelung für ausländische Studienabgängerinnen und -abgänger, die aus Staaten ausserhalb der EU oder der EFTA (Drittstaaten) stammen, nicht zu befriedigen vermag, weil sie diese für den Bildungs- und Werkplatz Schweiz interessante Personengruppe tendenziell benachteiligt und vor dem Hintergrund eines zunehmend globalisierten, kompetitiven Bildungs- und Arbeitsmarktes auch falsche wirtschaftspolitische Signale aussendet.

Die Kommissionen erachteten es für angezeigt, die Forderungen der parlamentarischen Initiative einer näheren Prüfung zu unterziehen und nötigenfalls im Sinne der künftigen Konkurrenzfähigkeit des Wirtschafts- und Bildungsstandortes Schweiz gesetzgeberisch tätig zu werden. Im globalen Wettbewerb um die grössten Talente, welche die Zukunftsbasis für eine hochinnovative Wirtschaft bilden, muss die Schweiz ihren bisherigen Spitzenplatz behaupten können.

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1.4

Umsetzung der Initiative durch die SPK

1.4.1

Erarbeitung des Gesetzes- und Berichtsentwurfes durch die Subkommission

An ihrer Sitzung vom 21. November 2008 beschloss die SPK, die parlamentarische Initiative durch eine Subkommission mit 7 Mitgliedern (Meyer Thérèse, Heim, Hiltpold, Hodgers, Marra, Perrin, Schibli) umsetzen zu lassen, und stellte dem Büro des Nationalrates einen entsprechenden Antrag, der Zustimmung fand.

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative trat die Subkommission zu insgesamt drei Sitzungen zusammen. An einer ersten Sitzung lud sie ausgewählte interessierte Kreise zur Anhörung ein. An einer weiteren Sitzung fällte sie die politischen Richtungsentscheide für die Umsetzung und an ihrer Sitzung vom 29. April 2009 verabschiedete sie einstimmig den vorliegenden Erlass- und Berichtsentwurf zuhanden ihrer Plenarkommission.

Ebenfalls einstimmig beschloss die Subkommission an dieser Sitzung, der SPK in Ergänzung zur Initiative den Entwurf für eine Kommissionsmotion zu unterbreiten (s. Ziff. 1.4.5).

1.4.2

Anhörungen durch die Subkommission

An ihrer Sitzung vom 27. Januar 2009 hörte die Subkommission Interessenvertretungen aus dem wissenschaftspolitischen und dem universitären Umfeld sowie den Vertreter eines kantonalen Wirtschaftsamtes an: ­

Claude Comina, Vertreter des Netzwerk FUTURE, einer Interessengemeinschaft von Partnern aus Hochschulen, Wissenschaft und Politik, die sich gemeinsam für die Entwicklung der Forschungs- und Hochschullandschaft Schweiz einsetzen, ergänzte die in der Begründung der parlamentarischen Initiative enthaltene Analyse. Er legte dar, dass die Bedingungen für die Zulassung zu einer Aus- oder Weiterbildung in der Schweiz im Tertiärbereich sehr streng seien und deshalb zahlreiche interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits bei ihrem Erstkontakt mit gewissen Schweizer Botschaften entmutigt würden, eine entsprechende Bewilligung zu beantragen. Geradezu prohibitiv erweise sich immer wieder Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe d des Ausländergesetzes, nach dem die Aufenthaltsbewilligung zu einer Aus- und Weiterbildung nur erteilt wird, wenn die Wiederausreise gesichert scheint. In Anwendung des Gesetzes verlangten zudem verschiedene Kantone die Hinterlegung einer Garantiesumme ­ im Kanton Zürich beträgt diese 21 000 Franken ­, die insbesondere Interessentinnen und Interessenten aus wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern kaum aufbringen könnten. Viele hoch qualifizierte, aber wenig bemittelte Studentinnen und Studenten würden deshalb für ein Doktorat von vornherein auf andere Spitzenuniversitäten ausweichen.

Weiter kritisierte der Referent die Bestimmung in Artikel 23 Absatz 3 VZAE, nach der in der Regel nur Aus- und Weiterbildungen bewilligt werden, die längstens acht Jahre dauern. Die Studiendauer bis zu einem Doktoratsabschluss sei jedoch meistens länger. Viele Studentinnen aus Drittstaa431

ten beginnen ihr Studium an einer ETH mit einem einjährigen Einführungskurs. Danach sind für einen Bachelor-Abschluss durchschnittlich drei Jahre, für den Master zusätzliche zwei Jahre und für ein Doktorat nochmals zusätzliche vier Jahre zu veranschlagen. Da eine solche Studiendauer das Zeitkorsett der Verordnung sprengt, sehen sich die Betroffenen kurz vor ihrem Abschluss oftmals zu unerfreulichen Auseinandersetzungen mit den Ausländerbehörden gezwungen, um einer Ausweisung zu entgehen.

Schliesslich gestalte sich für die Betroffenen oftmals auch der Übergang vom Studium in einen Beruf als schwierig, da viele ­ im Wissen, die Schweiz nach ihrem Studienabschluss umgehend wieder verlassen zu müssen ­ die Situation zum vornherein als hoffnungslos beurteilten, auf das Gesuch für eine Aufenthaltsbewilligung verzichteten und in andere Arbeitsmärkte abwanderten. Es sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass per 1. Januar 2009 Artikel 47 VZAE so geändert worden sei, dass nach einem Studium in der Schweiz für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit künftig nicht alleine ein hohes wissenschaftliches, sondern auch ein hohes wirtschaftliches Interesse geltend gemacht werden könne. Ein grosses Problem bleibe jedoch der Vollzug, der nicht in allen Kantonen nach identischen Kriterien erfolge und deshalb bisweilen willkürlich erscheine. Das geltende Recht und die Verwaltungspraxis schadeten vor allem auch dem guten Ruf, dem «Image» der Schweiz als Bildungsund Wirtschaftsstandort. Die parlamentarische Initiative verfolge nicht die Absicht, allen ausländischen Hochschulabgängerinnen und -abgängern eine Aufenthaltsbewilligung zu ermöglichen. Das Ziel sei vielmehr, unnötige Hürden für diejenigen abzubauen, die der Wirtschafts- und Bildungsstandort Schweiz brauche.

­

Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS), vertreten durch Andrea Blättler und Markus Schmassmann, wies darauf hin, dass Personen, die sich zu Aus- und Weiterbildungszwecken in der Schweiz aufhalten, eine faire Behandlung verdient hätten. Mit der Aufnahme eines Hochschulstudiums in der Schweiz nähmen gerade Ausländerinnen und Ausländern aus Drittstaaten einen beträchtlichen persönlichen Aufwand auf sich. Mit einem erfolgreichen Studienabschluss in der föderalen, äusserst komplexen Schweizer Hochschullandschaft hätten die Studierenden eine hohe Belastbarkeit und einen starken, Erfolg bringenden Willen zur Anpassung an die schweizerische Gesellschaft und Kultur an den Tag gelegt. So verfügten die betreffenden Studienabgängerinnen und ­abgänger in hohem Masse über so genannte «soft skills», insbesondere interkulturelle Kommunikationsfähigkeiten und zusätzliche Sprachkenntnisse, die in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger würden. Es sei aus Sicht der Schweizer Wissenschaft und Wirtschaft irrational, dass die Schweiz freiwillig darauf verzichte, von den öffentlichen Geldern, welche in die Ausbildung von Ausländerinnen und Ausländern investiert wurden, bestmöglich zu profitieren.

Die Bemerkungen zu den Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts, so zu Artikel 27 AuG, deckten sich weitgehend mit der Analyse des Vorredners.

In Übereinstimmung mit der parlamentarischen Initiative regte die Vertretung des VSS zudem an, die Vorrangregelung in Artikel 21 des Ausländergesetzes so anzupassen, dass potentielle Arbeitgeber von der Nachweispflicht befreit werden, dass für eine bestimmte Stelle keine qualifizierten

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Arbeitssuchenden aus der Schweiz oder aus einem EU-/EFTA-Staat zur Verfügung stehen. Weiter unterstrich die VSS-Vertretung die Notwendigkeit, dass den betreffenden Hochschulabgängerinnen und ­abgängern unter der Voraussetzung einer erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ihre Studienjahre in der Schweiz angerechnet werden. Schliesslich regte die VSS-Vertretung an, diesen Studierenden rascher eine Nebenerwerbstätigkeit gesetzlich zu ermöglichen, eine verbesserte Kooperation zwischen den Ämtern und Hochschulen anzustreben und für den Abbau allzu hoher administrativer Hürden zur Erlangung eines studentischen Visums zu sorgen.

­

Bruno Sauter, Chef des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, legte dar, dass unter dem geltenden Recht der Schweizer Arbeitsmarkt den Unternehmen mit der Erweiterung in den EU-Raum die Möglichkeit biete, bestens qualifizierte Hochschulabgänger zu rekrutieren. Das geltende Recht sei flexibel, habe sich bewährt und führe in der Regel zu guten Lösungen für alle Beteiligten. Spezialistinnen und Spezialisten mit besonderer Erfahrung von ausserhalb der EU würden zugunsten der Unternehmen bewilligt. Im Kanton Zürich würden zudem jährlich rund 10 gut begründete Gesuche für Aufenthaltsbewilligungen von Drittstaatsangehörigen mit einem Schweizer Hochschulabschluss eingereicht, die allesamt bewilligt würden. In den vergangenen Jahren sei der Zürcher Arbeitsmarkt ausserordentlich aufnahmefähig und die Arbeitslosigkeit tief gewesen. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation sei allerdings bereits seit Herbst 2008 ein Rückgang bei den Gesuchen für Arbeitsbewilligungen feststellbar; parallel dazu steige die Arbeitslosigkeit. Es müsse angenommen werden, dass auch die Arbeitslosigkeit unter den ausländischen Fachkräften ansteigen werde. Dank des heute geltenden Inländervorrangs sei der Arbeitsmarkt im Rahmen des konjunkturellen Geschehens stabil geblieben und habe keiner Branche eine deutliche Veränderung der Arbeitslosigkeit gebracht. Sollte für eine Sondergruppe neu ein Sonderstatus eingeführt werden, würde die Situation im Vollzug tendenziell schwieriger. So müsste die neue Sondergruppe der Hochschulabgängerinnen und Hochschulabgänger aus Drittstaaten künftig gegenüber anderen Personen aus Drittstaaten mit speziellen Kenntnissen, jedoch ohne Hochschulabschluss, bevorzugt werden. Dies würde auf dem Arbeitsmarkt neue, unerwünschte Ungleichheiten schaffen. Einzig die Frage, ob die Bewilligungen von Drittstaatsangehörigen mit Hochschulabschluss in der Schweiz auch den Kontingenten unterstellt werden sollen, sei gegebenenfalls im Sinne einer gewissen Lockerung zu klären. Weiter betonte der Amtschef die Notwendigkeit, dass im Bereich der Zulassung das Ausländergesetz in allen Kantonen gleich angewendet werde. Gleichzeitig gab er jedoch zu bedenken, dass die Arbeitsmarktsituation nicht in allen Kantonen identisch sei. Im Übrigen biete die heutige ausgewogene Regelung sowohl die notwendige Flexibilität zugunsten der Wirtschaft als auch die zweckmässigen Schutzinstrumente zugunsten der schweizerischen und europäischen Arbeitnehmer.

­

Zur Anhörung ebenfalls eingeladen worden war Henri Rothen, Vorsteher des Migrationsamtes des Kantons Waadt. Trotz anfänglicher Zusage sagte er jedoch seine Teilnahme im Vorfeld der Sitzung mit dem Hinweis ab, dass die Forderungen der parlamentarischen Initiative im Kanton Waadt primär 433

die kantonalen Arbeitsmarktbehörden und nicht die Migrationsbehörden beträfen. In seinem Schreiben vom 23. Januar 2009 an die Subkommission wies er indessen auf den eindeutig temporären Charakter von Aufenthaltsbewilligungen für Aus- und Weiterbildungszwecke hin. Die Verwaltungspraxis und auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes zeigten, dass sich eine gewisse Anzahl ausländischer Studierender aus Drittstaaten dieser Beschränkung nicht bewusst sei und nach ihrer Ausbildung in der Schweiz bleiben wolle. Der Gesetzgeber habe bei der Beratung des Ausländergesetzes jedoch bewusst die Bestimmung (Art. 27 Abs. 1 AuG) beibehalten, nach der bei einer Aus- oder Weiterbildung in der Schweiz die Wiederausreise gesichert erscheinen muss. Zur Beurteilung dieser Frage richte sich der Kanton Waadt nach dem Kreisschreiben des BFM vom 5. Oktober 2006, worin die Kriterien zur Feststellung einer gesicherten Ausreise festgehalten sind. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung Studentinnen und Studenten aus Drittstaaten bei der Aufnahme eines Studiums in der Schweiz und auch später beim Eintritt in den Arbeitsmarkt benachteilige.

1.4.3

Zahlen und Fakten

Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion «Investitionen in die Ausbildung ausländischer Akademiker am Standort Schweiz nutzen» der FDP-Liberalen Fraktion (08.3376) festgehalten hat, waren im Herbstsemester 2007/08 an den universitären Hochschulen (ohne Fachhochschulen) ca. 28 000 ausländische Studierende immatrikuliert. Dies entspricht ca. 24 Prozent aller Studierenden. Von den ausländischen Studierenden stammten knapp 9000 (32 %) aus Nicht-EU/-EFTAStaaten. Die Zahl der ausländischen Studierenden nahm seit 2001 um 43 Prozent zu, während die Zunahme bei den Schweizerinnen und Schweizern lediglich 15,5 Prozent betrug. Von den neu immatrikulierten Ausländerinnen und Ausländern studieren heute rund 40 Prozent Naturwissenschaften, 27 Prozent Geistes- und Sozialwissenschaften und 19 Prozent Wirtschaftswissenschaften. 2007 schlossen 611 NichtEU/-EFTA-Bürger und -Bürgerinnen ihre Studien in der Schweiz mit einem Diplom und 348 mit einem Doktorat ab.

Über die Anzahl Zulassungen von Hochschulabgängerinnen und -abgängern aus Drittstaaten gibt es lediglich Schätzungen. Nach Auskunft des BFM wurden im Jahr 2007 insgesamt zwischen 4000 und 6000 Aufenthaltsbewilligungen an Hochschulabgängerinnen und -abgänger aus Nicht-EU/-EFTA-Staaten erteilt. Unter diesen betrug die Ablehnungsquote in den letzten Jahren jeweils 1,5­2 %. Nicht bekannt ist hingegen die Ablehnungsquote bei den Drittstaatsangehörigen, die ihr Studium an einer Schweizer Hochschule abschlossen.

Es werden indessen immer wieder bedauerliche Einzelfälle ausländischer Hochschulabsolventen aus Drittstaaten bekannt, welchen ­ trotz hervorragender Qualifikationen und Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen nach dem Ausländergesetz ­ eine Fortsetzung ihres Aufenthaltes verwehrt wird und die nur aufgrund politischer Interventionen oder nach langwierigen Gesuchsverfahren eine Aufenthaltsbewilligung zugesprochen erhalten. Nach der Darstellung des Initianten sind den interessierten Wissenschafts- und Unternehmerkreisen einige Dutzend solcher

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Fälle bekannt, die aufgrund der aktuellen Rechtslage und Verwaltungspraxis Schwierigkeiten mit ihrer Aufenthaltsbewilligung beklagten.

Das Problembewusstsein ist weder bei den Bundesbehörden noch bei den kantonalen und kommunalen Ausländerbehörden besonders ausgeprägt. Zwar geht der Bundesrat in seiner Antwort auf die oben erwähnte Motion der FDP-Liberalen Fraktion mit deren Urhebern einig, dass in der Schweiz ein Mangel an Fachkräften in den technischen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Berufen bestehe und dass er deshalb auch bereits verschiedene politische Vorstösse mit entsprechenden Anliegen angenommen habe (s. u.a. Postulate 07.3747 Recordon. Mangel an Fachleuten in wissenschaftlichen Berufen; 07.3538 Hochreutener. Naturwissenschaftlich-technische Bildung; 07.3810 Widmer. Mehr Studierende in den Ingenieur- und Naturwissenschaften). Gleichzeitig weist er jedoch darauf hin, dass sich für die viel versprechenden, gefragten Absolventinnen und Absolventen der Übergang von der Hochschule in den Beruf weitgehend problemlos gestalte, da diese meistens schon während des Studiums ein berufliches Beziehungsnetz durch Praktika und fachspezifische Nebenerwerbe aufbauten. Die heutige Zulassungsregelung ermögliche im Wesentlichen allen für den Arbeitsmarkt gut Qualifizierten aus Drittstaaten einen weiteren Verbleib in der Schweiz. Wer keine entsprechende Stelle finde, müsse jedoch in der Regel nach Ablauf der Aufenthaltsbewilligung ausreisen.

Dadurch könne dem konjunkturellen Wandel und den geänderten Nachfragebedürfnissen flexibel Rechnung getragen werden.

1.4.4

Das geltende Recht

Das Freizügigkeitsabkommen sieht für Personen aus den EU- und EFTA-Staaten unabhängig von der Art ihrer Ausbildung ein Aufenthaltsrecht vor, wenn sie einen Arbeitgeber in der Schweiz finden oder wenn sie über genügende finanzielle Mittel für den Aufenthalt verfügen.

Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss erhalten in aller Regel gemäss den geltenden Bestimmungen ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung, wenn sie eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle in der Schweiz finden und wenn für diese Tätigkeit ein ausgewiesener Arbeitskräftemangel besteht. Ist dies nicht der Fall, haben geeignete inländische Arbeitskräfte oder Arbeitskräfte aus den EU- und EFTA-Staaten einen Vorrang (Art. 21 AuG). Ausschlaggebend sind die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz.

Seit dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes am 1. Januar 2008 muss dieser Vorrang dann nicht mehr geprüft werden, wenn eine Person aus einem Drittstaat in der Schweiz ein Studium abgeschlossen hat und ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem Interesse ist (Art. 30 Abs. 1 Bst. i AuG). Die Arbeitgeber müssen in diesen Fällen somit nicht mehr erfolglose Rekrutierungsbemühungen in der Schweiz oder in der EU/EFTA nachweisen. Diese Erleichterung gilt seit dem 1. Januar 2009 auch dann, wenn die Erwerbstätigkeit von hohem wirtschaftlichem Interesse ist (Art. 30 Abs. 1 Bst. g und i AuG; Art. 47 Bst. a VZAE).

Weiterhin in Kraft ist die Verordnungsbestimmung, wonach grundsätzlich nur Ausoder Weiterbildungen bewilligt werden, die längstens acht Jahre dauern und wonach Ausnahmen nur in begründeten Einzelfällen möglich sind (Art. 23 Abs. 3 VZAE).

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In der Bewilligungspraxis treffen die Kantone immer eine Vorentscheidung, die sie nach den spezifischen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausrichten. Sie müssen dabei immer abwägen zwischen den Interessen ihres Wirtschaftsstandortes und der Gefahr, dass die betreffenden Personen im Falle einer Rezession die Sozialwerke belasten. Nach dem Vorentscheid der Kantone fällt das Bundesamt für Migration lediglich einen Kontrollentscheid, mit dem Ziel, in der gesamten Schweiz eine einigermassen rechtsgleiche Praxis zu erreichen. Falls ein Kanton das Ausländerrecht allzu streng auslegt, hat der Bund lediglich die Möglichkeit, «sanft», d.h. in der Form einer positiven Empfehlung einzugreifen, die von den kantonalen Behörden jedoch meistens akzeptiert wird.

Im Verlaufe ihrer Umsetzungsarbeiten konnte sich die SPK davon überzeugen, dass die einschlägigen Bestimmungen des neuen Ausländergesetzes den Bedürfnissen eines Grossteils der ausländischen Studierenden sowie der Hochschulen und Arbeitgeber weitgehend entsprechen. Gleichzeitig stellte sie jedoch fest, dass die Verwaltungspraxis in den einzelnen Kantonen erhebliche Unterschiede aufweist und nicht selten zum Nachteil der betreffenden aktuellen und ehemaligen Studierenden gereicht. Da der Bildungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz aber nicht zuwarten kann, bis alle Kantone das geltende Recht im AuG gleich und im Sinne der Zielgruppe der parlamentarischen Initiative anwenden, erachtet sie eine massvolle Lockerung des Ausländergesetzes für unumgänglich.

1.4.5

Verabschiedung des Vorentwurfs zuhanden der Vernehmlassung

An ihrer Sitzung vom 19. Juni 2009 stimmte die Plenarkommission dem Erlass- und Berichtsentwurf ihrer Subkommission in der provisorischen Gesamtabstimmung mit 23 Stimmen gegen 1 Stimme bei 1 Enthaltung zu und eröffnete ein Vernehmlassungsverfahren mit Frist bis am 15. Oktober 2009.

Ein Kommissionsmitglied lehnte die Vorlage ab mit dem Argument, dass das geltende Recht einen genügend grossen Spielraum biete, um den in der Schweiz ausgebildeten, von der Wissenschaft und Wirtschaft benötigten Spezialistinnen und Spezialisten aus Drittstaaten einen fortgesetzten Aufenthalt in der Schweiz zu bewilligen.

Gleichzeitig verabschiedete die Kommission den oben erwähnten Motionsentwurf ihrer Subkommission als Kommissionsmotion (09.3727 n Mo. SPK-NR. Erstreckung der Aufenthaltsdauer für Aus- und Weiterbildungen im Hochschulbereich).

Diese will den Bundesrat beauftragen, die Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) so zu ändern, dass für ausländische Personen aus Drittstaaten in begründeten Fällen auch längerfristige Aufenthalte für Aus- und Weiterbildungen im Hochschulbereich bewilligt werden können, ohne dass dafür besondere Ausnahmebewilligungen erforderlich sind.

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1.4.6

Ergebnisse der Vernehmlassung und Verabschiedung des Entwurfs zuhanden des Nationalrates

Die Mehrheit der 23 Kantone, von denen Antworten eingegangen sind, begrüsst die Vorlage grundsätzlich. Acht Kantone (ZH, UR, FR, SO, SH, AI, SG, TG) sprachen sich gegen die Vorlage aus. Fünf in der Bundesversammlung vertretene Parteien haben zur Vorlage Stellung genommen: Vier (FDP, CVP, SP, Grüne) befürworten die Vorlage, die SVP lehnt sie ab. Von den Dachverbänden und anderen Organisationen sprach sich einzig der Verband Schweizerischer Arbeitsämter gegen die Vorlage aus, wenn auch nur teilweise. Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer, welche die Vorlage grundsätzlich befürworten, äusserten indessen Vorbehalte. So wurde unter anderem ausdrücklich kritisiert, dass die angestrebte Lockerung für sämtliche Aus- und Weiterbildungen gilt. Die gewählte Formulierung beträfe auch Absolventen von kurzen Weiterbildungen und von Sprachkursen. Von den Gegnern der Vorlage sind die einen der Meinung, dass das Ausländergesetz eventuell durch eine gewisse Lockerung bei der Kontingentszuteilung für Bewilligungen angepasst werden könnte, andere lehnen die Gesetzesrevision als unnötig ab.

An ihrer Sitzung vom 5. November 2009 hat die Kommission von den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis genommen, Artikel 21 Absatz 3 mit einem zweiten Satz ergänzt (vgl. die Erläuterungen unter Ziff. 3.1) und die Vorlage mit 16 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden des Rates verabschiedet.

2

Grundzüge der Vorlage

Die SPK erachtet es als störend, dass sich hoch qualifizierte Studierende aus Drittstaaten ­ gut 30 % aller ausländischen Studierenden in der Schweiz ­ mit prohibitiven Zulassungs- und Ausreisebestimmungen konfrontiert sehen, die nach dem Abschluss einer tertiären Ausbildung einen Verbleib in der Schweiz ohne Unterbrechung des Aufenthaltes erschweren oder gar verunmöglichen. Dadurch gehen der Schweiz im internationalen Wettbewerb um die «besten Köpfe» jährlich zahlreiche hoch qualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten verloren, die zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder zur Gründung einer eigenen Unternehmung in andere Staaten ausweichen. Der öffentlichen Hand von Bund und Kantonen entstehen bis zum Studienabschluss pro auszubildende Person Kosten zwischen einer halben und einer Million Franken. Von diesen Aufwendungen profitieren weder der Wirtschaftsstandort Schweiz, noch die Wirtschaft der betreffenden Herkunftsländer, da hier oftmals ein entsprechendes Angebot an qualifizierten Stellen fehlt. Es sind deshalb letztlich konkurrierende Volkswirtschaften, die im Falle einer Abwanderung von den gut ausgebildeten Hochschulabgängerinnen und Hochschulabgängern aus Drittstaaten profitieren.

Bei der Umsetzung der parlamentarischen Initiative stand die SPK vor der Aufgabe, einen tragfähigen Kompromiss zwischen den durch die Initiative vorgebrachten Interessen der ausländischen Hochschulabsolventen aus Nicht-EU/-EFTA-Staaten, deren potentiellen inner- und ausseruniversitären Arbeitgebern sowie dem Ziel eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes in der Schweiz zu finden. Die (Sub-)Kommission legte grossen Wert darauf, wirksame gesetzliche Erleichterungen zu entwickeln, ohne

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dabei die Kohärenz des geltenden Ausländergesetzes aus den Augen zu verlieren.

Sie schlägt vor, das Ausländergesetz wie folgt zu revidieren: ­

Die geltende Vorrangregelung soll so modifiziert werden, dass auch Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss ohne Prüfung des Vorrangs der inländischen Arbeitskräfte und der Arbeitskräfte aus den EU- und EFTA-Staaten zugelassen werden, wenn deren Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Interesse ist.

­

Bei der Zulassung zu einer Aus- oder Weiterbildung soll im Hinblick auf eine mögliche spätere Berufstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung nicht mehr eine «gesicherte Wiederausreise» als Bedingung vorausgesetzt werden, sondern die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen der betreffenden Personen massgebend sein.

­

Schliesslich sollen bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung nachträglich angerechnet werden, wenn die Gesuch stellende Person während zwei Jahren ununterbrochen im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung war.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer

Art. 21 Abs. 3 (neu) Die Absätze 1 und 2 von Artikel 21 bleiben unverändert. Sie schreiben vor, dass Ausländerinnen und Ausländer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass keine dafür geeigneten inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Angehörige von Staaten, mit denen ein Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen wurde, gefunden werden können.

In Absatz 3 wird neu auf Gesetzesstufe festgelegt, dass bei Ausländerinnen und Ausländern mit einem Schweizer Fachhochschul- oder Hochschulabschluss vom Vorrang der inländischen Arbeitskräfte sowie der Arbeitskräfte aus den EU- und EFTA-Staaten abgewichen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse an der angestrebten Erwerbstätigkeit besteht. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber insbesondere nicht mehr nachweisen, dass er die zu besetzende Stelle bereits mehrfach erfolglos ausgeschrieben hat. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Ausländerin oder der Ausländer für eine Dauer von sechs Monaten nach dem Ende seiner Ausbildung vorläufig zugelassen, um eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu finden. Diese Bestimmung soll es der Schweiz erleichtern, aus ihrer Investition in die Ausbildung dieser Personen direkt einen Nutzen zu ziehen. Die Schweiz kann so den akuten Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften lindern, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verbessern und von den Steuern profitieren, welche diese Arbeitskräfte entrichten müssen.

Ein hohes wirtschaftliches Interesse an der Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn für eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit ein ausgewiesener Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht. Damit wird sichergestellt, dass die Ausnahmebestimmung nur dann zur Anwendung kommt, wenn in einem bestimmten Fachbereich tatsächlich ein 438

Arbeitskräftemangel besteht und die Tätigkeit nicht durch arbeitslose Personen aus dem Inland oder aus einem EU- / EFTA-Staat verrichtet werden kann.

Dies entspricht der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Regelung auf Verordnungsstufe (Art. 47 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit; VZAE). Der Bundesrat hat hier von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen vorzusehen und die Prüfung des Vorrangs näher zu regeln (Art. 21 AuG und Art. 30 Abs. 1 Bst. g und i sowie Abs. 2 AuG).

Mit dem vorgeschlagenen neuen Absatz 3 besteht keine Notwendigkeit mehr für die Kompetenzdelegation an den Bundesrat in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe i; sie kann aufgehoben werden. Dies gilt auch für Artikel 47 VZAE.

Eine vergleichbare gesetzliche Bestimmung, allerdings bezüglich der Ausnahmen von den persönlichen Zulassungsvoraussetzungen, findet sich in Artikel 23 Absatz 3 AuG.

Eine Kommissionsminderheit will die Garantie eines vorläufigen Aufenthaltsrechts für eine Dauer von sechs Monaten nach Abschluss der Ausbildung streichen. Für wirklich gefragte Arbeitskräfte gestalte sich der Übergang von der Hochschule ins Berufsleben problemlos. Im Übrigen sei die Bestimmung widersprüchlich und schwer anwendbar: Wie kann die Voraussetzung eines hohen wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Interesses am weiteren Aufenthalt einer Person in der Schweiz erfüllt sein, wenn diese Person noch gar keine Erwerbstätigkeit gefunden hat?

Art. 27 Abs. 1 Bst. d und Abs. 2bis (neu) In Absatz 1 Buchstabe d soll auf die bisher geforderte «gesicherte Wiederausreise» als Bedingung für die Bewilligungserteilung zur Ausbildung in der Schweiz verzichtet werden. Die bisherige Formulierung hat teilweise Anlass zu Missverständnissen gegeben. Bereits nach geltendem Recht ist nach dem erfolgreichen Abschluss der Aus- oder Weiterbildung ein anschliessender Stellenantritt in der Schweiz durchaus möglich, wenn die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden.

Demgegenüber soll in Absatz 1 Buchstabe d neu klargestellt werden, dass die betroffene Person die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen für die vorgesehene Aus- oder Weiterbildung erfüllen muss. Die Schule muss heute schon eine entsprechende Bestätigung aus ihrer Sicht abgeben (Art. 24 Abs. 3 VZAE).

In diesem Zusammenhang
müssen die Behörden weiterhin die Möglichkeit haben zu prüfen, ob das Gesuch möglicherweise dazu dient, ein Visum für die Einreise in die Schweiz oder in den Schengen-Raum zu erschleichen. Die persönlichen Voraussetzungen sind namentlich dann nicht erfüllt, wenn frühere Aufenthalte und Gesuchsverfahren oder andere Umstände darauf hinweisen, dass die Aus- oder Weiterbildung in der Schweiz missbräuchlich geltend gemacht wird (siehe Art. 23 Abs. 2 Bst. b VZAE).

Im neuen Absatz 2bis soll klargestellt werden, dass nach der Aus- oder Weiterbildung ein weiterer Aufenthalt möglich ist, wenn die Zulassungsvoraussetzungen des AuG für den angestrebten neuen Aufenthaltszweck (in der Regel eine Erwerbstätigkeit) erfüllt sind. Dazu gehört die vorgeschlagene Ausnahme von der Vorrangregelung, wenn ein Schweizer Hochschulabschluss vorliegt (neuer Art. 21 Abs. 3 AuG, siehe oben).

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Art. 30 Abs. 1 Bst. i Siehe Kommentar zu Artikel 21 Absatz 3 (neu). Durch die dort vorgeschlagene Regelung besteht kein Bedarf mehr für diese Kompetenznorm; sie kann aufgehoben werden.

Art. 34 Abs. 5 Nach geltendem Recht werden Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich nicht angerechnet. Dies kann dazu führen, dass nach einer umfassenden Fachhochschul- oder Hochschulausbildung in der Schweiz und anschliessender Erwerbstätigkeit die Niederlassungsbewilligung erst nach einem Aufenthalt von rund 15 Jahren erteilt wird. Da die betroffenen Personen durch ihre Ausbildung in aller Regel sehr gut integriert sind, ist es gerechtfertigt, die Ausbildungszeit für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung zumindest teilweise anzurechnen.

Dies soll möglich sein, wenn nach der Ausbildung eine Aufenthaltsbewilligung für einen neuen, dauerhaften Aufenthaltszweck erteilt wurde und danach während einer Zeitdauer von zwei Jahren keine Integrationsprobleme aufgetreten sind.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Revision hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen. Die vorgeschlagenen Änderungen lassen sich im Rahmen der bestehenden Ressourcen beim Bund und in den Kantonen umsetzen.

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Verhältnis zum europäischen Recht

Grundsatz des freien Personenverkehrs Der Grundsatz des freien Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der EU und des EWR sowie gemäss den bilateralen Abkommen mit der Schweiz sieht ein generelles Aufenthaltsrecht vor, wenn in einem anderen Vertragsstaat eine Arbeitsstelle nachgewiesen werden kann. Dabei ist es unerheblich, in welchem Staat die Ausbildung erfolgt ist.

Regelung für Drittstaatsangehörige in der EU Eine für die Schweiz nicht verbindliche Richtlinie der EU regelt die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmassnahme oder einem Freiwilligendienst (RL 2004/114/EG). Sie enthält keine Regelung über die Fortsetzung des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen in einem EU-Mitgliedstaat nach Beendigung einer Ausbildung.

Wie die Schweiz sieht auch die EU Erleichterungen bei der Zulassung der tatsächlich benötigten qualifizierten Arbeitskräfte aus Drittstaaten vor: Eine für die Schweiz nicht verbindliche Richtlinie der EU schreibt ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige vor, die im Bereich der wissenschaftlichen Forschung tätig sind (RL 2005/71/EG). Sie soll die Zulassung von Dritt440

staatsangehörigen in bestimmten anerkannten Forschungseinrichtungen fördern. Die zugelassenen Forscherinnen und Forscher erhalten zudem bestimmte Rechte hinsichtlich des Aufenthalts, der Arbeitsbedingungen und der Mobilität innerhalb der EU.

Eine geplante Richtlinie der EU soll künftig die kontrollierte Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte in die EU und deren Rechtsstellung regeln («Blue-CardRichtlinie»; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung; 2007/0228). Sie gilt für Drittstaatsangehörige, die eine hoch qualifizierte Beschäftigung in der EU ausüben möchten, sowie für diejenigen Drittstaatsangehörigen, die sich bereits rechtmässig zum Beispiel als Studierende in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten und dort bleiben möchten.

Bevor die Mitgliedstaaten über ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung («Blue Card») entscheiden, können sie gemäss dem Richtlinienentwurf die Arbeitsmarktsituation prüfen. Vorrangig werden die inländischen Arbeitskräfte sowie freizügigkeitsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer gemäss den bestehenden Verfahren berücksichtigt. Die Mitgliedstaaten entscheiden somit im Einzelfall weiterhin selbständig, ob ein Bedarf an Hochqualifizierten aus Drittstaaten besteht.

Regelung in Deutschland In Deutschland kann nach erfolgreichem Abschluss des Studiums die Aufenthaltserlaubnis von Drittstaatsangehörigen zur Suche eines entsprechenden Arbeitsplatzes bis zu einem Jahr verlängert werden. Ein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht jedoch nicht. Es gelten die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen für erwerbstätige Drittstaatsangehörige (§16 Abs. 3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet).

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Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Diese Vorlage stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV. Die Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern ist Sache des Bundes.

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