10.091 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Genf und Jura vom 20. Oktober 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Genf und Jura mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Oktober 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-2099

7945

Übersicht Der Bundesversammlung wird beantragt, mit einfachem Bundesbeschluss Änderungen in den Kantonsverfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Genf und Jura zu gewährleisten. Die Verfassungsänderungen sind alle bundesrechtskonform.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Steht eine kantonale Verfassungsbestimmung im Einklang mit dem Bundesrecht, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie diese Voraussetzung nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Nidwalden: ­

Titel der Verfassung, Justizreform, Unvereinbarkeit;

im Kanton Basel-Landschaft: ­

Umsetzung der Schweizerischen Strafprozessordnung;

im Kanton Schaffhausen: ­

Justizreform;

im Kanton Genf: ­

Einsetzung eines Verfassungsrates

im Kanton Jura: ­

Änderung der Dauer der Legislaturperioden und Wiederwahl der Regierungsmitglieder.

Die Änderungen stehen im Einklang mit dem Bundesrecht; sie sind deshalb zu gewährleisten.

7946

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Nidwalden

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung vom 2. Mai 2010

Die Stimmberechtigten des Kantons Nidwalden haben in der Volksabstimmung vom 2. Mai 2010 der Änderung des Titels der Kantonsverfassung sowie von deren Artikeln 41 Absatz 5, 48, 59a Absatz 2, 67, 67a, 68, 69a und 106 sowie der Aufhebung der Artikel 3 Absatz 4, 4, 99 und 100 (Titel der Verfassung, Justizreform, Unvereinbarkeit) mit 9546 Ja gegen 1111 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2010 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Nidwalden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Titel der Verfassung, Justizreform, Unvereinbarkeit

Bisheriger Text Titel der Kantonsverfassung Verfassung des Kantons Unterwalden nid dem Wald Art. 3 Abs. 4 4 Verwaltungssachen des kantonalen Rechts sind im Rahmen von Artikel 68 vom Richter überprüfbar.

Art. 4 1 Verhaftung, Haussuchung und Beschlagnahme können nur in einem gesetzlich geregelten Verfahren angeordnet werden; ungerechtfertigt Verhafteten ist vom Kanton angemessene Entschädigung zu leisten.

2 Die Strafuntersuchungen sind mit möglichster Beschleunigung durchzuführen; jeder Verhaftete muss innerhalb 24 Stunden verhört werden.

3 Zwangsmassnahmen zur Erwirkung eines Geständnisses sind unzulässig.

Art. 41 Abs. 5 5 Das Gesetz kann bestimmen, inwieweit Personen, die beim Kanton oder bei einer Gemeinde in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigt sind, nicht einer Kantons- oder Gemeindebehörde angehören dürfen.

Art. 48 Verwandtschaft Dem Regierungsrat oder einem Gericht können nicht gleichzeitig angehören: 1. Personen, die in gerader Linie oder bis und mit dem dritten Grad der Seitenlinie blutsverwandt oder verschwägert sind; 2. die Ehegatten von Geschwistern.

2 Einer andern kantonalen oder kommunalen Behörde können Personen, die in gerader Linie blutsverwandt oder verschwägert sind sowie Geschwister nicht gleichzeitig angehören.

3 Über den durch Verwandtschaft gebotenen Rücktritt entscheidet das Los.

1

7947

Art. 59a Abs. 2 2 Die Amtsdauer der Präsidentinnen oder der Präsidenten der Gerichte hat mit jener des Landrats zusammenzufallen. Die Wahlen der übrigen Richterinnen und Richter sind so vorzunehmen, dass alle zwei Jahre die Hälfte zu wählen ist.

Art. 67 Die Zivilgerichtsbarkeit wird im Rahmen der Gesetzgebung ausgeübt durch: 1. die von den politischen Gemeinden gewählten Friedensrichter; 2. das Kantonsgericht; 3. das Obergericht.

2 Für spezielle Streitigkeiten können durch die Gesetzgebung besondere Gerichte eingesetzt werden.

1

Art. 67a Die Strafgerichtsbarkeit wird im Rahmen der Gesetzgebung ausgeübt durch: 1. den Jugendanwalt und die Verhörrichter, die vom Landrat gewählt werden; 2. das Kantonsgericht; 3. das Obergericht.

2 Kantonale Verwaltungsbehörden, kantonale Ämter sowie Gemeindebehörden können durch die Gesetzgebung ermächtigt werden, Bussen auszufällen.

1

Art. 68 In Verwaltungs- und Versicherungssachen obliegt die Rechtsprechung im Rahmen der Gesetzgebung dem Verwaltungsgericht, soweit eine Angelegenheit nicht in die endgültige Zuständigkeit des Landrates oder einer kantonalen Verwaltungsbehörde fällt.

2 Für spezielle Verwaltungssachen können durch die Gesetzgebung besondere Rekursbehörden eingesetzt werden.

1

Art. 99 1 Die in der bisherigen Verfassung der Justizkommission zugewiesenen Funktionen übernimmt bis zum Erlass der neuen Gesetzgebung das Strafgericht; dieses besteht bis zum Erlass der neuen Gesetzgebung aus drei Richtern und zwei Ersatzrichtern.

2 Bis zur Wahl des Strafgerichts durch den Landrat bleibt die bestehende Justizkommission im Amt.

Art. 100 Bis zum Erlass der neuen Gesetzgebung bleiben für die Beurteilung von Verwaltungssachen die in der bisherigen Gesetzgebung bezeichneten Instanzen zuständig.

Art. 106 1 Die Mitglieder der Behörden sowie die Beamtinnen und Beamten bleiben bis zum Ende der laufenden Amtsdauer im Amt; eine Ersatzwahl findet statt, wenn die vorgeschriebene Mitgliederzahl nicht erreicht wird.

2 Die Wahl der Behörden sowie der Beamtinnen und Beamten ist unter Vorbehalt von Artikel 59, 59a Absatz 1 Ziffer 1 und Absatz 2 sowie Artikel 76 Ziffer 2 so anzuordnen, dass die Amtsdauer mit jener des Landrates zusammenfällt.

3 Für die Abordnung in den Ständerat findet 1998 zusammen mit der Wahl des Regierungsrates eine Wahl für den Rest der Amtsdauer vom 26. April 1998 bis zum Ablauf der Amtsdauer des Nationalrates im Jahre 1999 statt.

4...

5 Für die Besetzung der Gerichtspräsidien, deren Amtsdauer im Jahr 2000 abläuft, findet im Jahr 2000 eine Wahl für den Rest der Amtsauer bis 2002 statt.

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Neuer Text Titel Verfassung des Kantons Nidwalden Art. 3 Abs. 4 Aufgehoben Art. 4 Aufgehoben Art. 41 Abs. 5 5 Das Gesetz kann weitere Unvereinbarkeiten für die Mitgliedschaft in kantonalen oder kommunalen Behörden bestimmen.

Art. 48 Unvereinbarkeit in der Person Dem Regierungsrat oder einem Gericht dürfen nicht gleichzeitig angehören: 1. Ehegatten und eingetragene Partnerinnen oder Partner; 2. Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie sowie bis und mit dem dritten Grad der Seitenlinie; 3. die Ehegatten und eingetragenen Partnerinnen oder Partner von Geschwistern.

2 Einer anderen kantonalen oder kommunalen Behörde dürfen nicht gleichzeitig angehören: 1. Ehegatten und eingetragene Partnerinnen oder Partner; 2. Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie; 3. Geschwister.

3 Personen in dauernder Lebensgemeinschaft sind den Ehegatten beziehungsweise den eingetragenen Partnerinnen und Partnern gleichgestellt.

4 Über den durch die Unvereinbarkeit gebotenen Rücktritt entscheidet das Los.

5 Diese Bestimmungen gelten nicht für den Landrat und die Gemeindeparlamente.

1

Art. 59a Abs. 2 2 Die Wahlen von Richterinnen und Richtern sowie die Besetzung der Gerichtspräsidien sind jeweils zwei Jahre nach den Wahlen des Landrates und des Regierungsrates durchzuführen.

Art. 67 Die Zivilgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch: 1. das Kantonsgericht; 2. das Obergericht.

2 Die Gesetzgebung regelt die Organisation der Schlichtungsbehörden.

1

Art. 67a Die Strafgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch: 1. das Kantonsgericht; 2. das Obergericht.

2 Die Gesetzgebung: 1. regelt die Organisation der Strafverfolgungsbehörden; 2. kann den Verwaltungsbehörden des Kantons und der Gemeinden unter Vorbehalt der richterlichen Überprüfung Verwaltungsstrafbefugnisse übertragen.

1

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Art. 68 Die Gerichtsbarkeit bei verwaltungs- und sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten wird durch das Verwaltungsgericht ausgeübt.

Art. 69a (neu) Organisation 1 Die Gesetzgebung regelt die Organisation und die Zuständigkeiten der Gerichte.

2 Die Gerichte können als Kollegial- und als Einzelgericht tätig sein.

3 Die Gesetzgebung kann: 1. für spezielle Streitigkeiten besondere richterliche Behörden einsetzen; 2. interkantonale Gerichte einsetzen.

Art. 99 Aufgehoben Art. 100 Aufgehoben Art. 106 Die Amtsdauer für die Friedensrichter und den Einzelrichter für Schuldbetreibung und Konkurs wird bis Ende Dezember 2010 verlängert.

2 Für die Besetzung der Gerichtspräsidien und für die Wahl von jenen Richterinnen und Richtern, deren Amtsdauer im Jahr 2010 abläuft, findet im Jahr 2010 eine Wahl für den Rest der Amtsdauer bis 2012 statt.

1

Am 1. Januar 2011 werden die neue Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO, AS 2010 1881), die neue Schweizerische Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009 (JStPO, AS 2010 1573) sowie die neue Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO, AS 2010 1739) in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Kantone ihr Recht anpassen, um die neuen Verfahrensordnungen des Bundesrechts umzusetzen. Gemäss den Artikeln 122 Absatz 2 und 123 Absatz 2 BV sind für die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivil- und Strafsachen die Kantone zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Mit der Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts hat der Bundesgesetzgeber auch gewisse gerichtsorganisatorische Grundentscheide gefällt, welche die Kantone umsetzen müssen (z.B. Staatsanwaltschaftsmodell, Einführung des Zwangsmassnahmengerichts).

Die Verfassungsänderungen im Kanton Nidwalden betreffen namentlich das Friedensrichterwesen, die Neuorganisation der Staats- und Jugendanwaltschaft sowie verschiedene weitere Anpassungen der kantonalen Gerichtsorganisation (z.B.

Unvereinbarkeitsbestimmungen, Amtsdauer von Gerichtspersonen). Die Änderungen der Verfassung des Kantons Nidwalden erfolgen im Rahmen der Organisationsautonomie der Kantone und sie berücksichtigen die gerichtsorganisatorischen Vorgaben der neuen bundesrechtlichen Verfahrensordnungen. Mit der Änderung des Titels der Kantonsverfassung wird dieser im Übrigen terminologisch mit der in der Bundesverfassung verwendeten Kantonsbezeichnung (vgl. Art. 1 BV) in Übereinstimmung gebracht. Die Änderungen sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

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1.2

Verfassung des Kantons Basel-Landschaft

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 17. Mai 2009

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 der Änderung der §§ 9 Absatz 4 Buchstabe b, 79 Absatz 1, 84, 156 und 157 der Kantonsverfassung (Umsetzung der Schweizerischen Strafprozessordnung) mit 53 919 Ja gegen 16 806 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2010 ersucht die Landeskanzlei des Kantons BaselLandschaft um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Umsetzung der Schweizerischen Strafprozessordnung

Bisheriger Text § 9 Absatz 4 Buchstabe b 4 Jeder, dem die Bewegungsfreiheit entzogen wird, hat Anspruch: b. auf rechtliches Gehör vor einer gesetzlich bestimmten, unabhängigen Instanz innert 24 Stunden seit der Festnahme, § 79 Absatz 1 1 Die kantonale Verwaltung besteht aus fünf Direktionen und der Landeskanzlei. Bezirksorgane sind die Bezirksstatthalterämter und die Bezirksschreibereien.

§ 84 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird insbesondere ausgeübt durch: a. die Bezirksstatthalterämter und das Besondere Untersuchungsrichteramt; b. das Verfahrensgericht in Strafsachen; c. das Strafgericht; d. das Kantonsgericht.

2 Strafverfolgungsbehörden sind die Staatsanwaltschaft, die Bezirksstatthalterämter und das Besondere Untersuchungsrichteramt.

3 Das Gesetz regelt die richterlichen Funktionen der Strafverfolgungsbehörden sowie die Befugnis von Verwaltungsstellen und Gemeindebehörden, Bussen auszusprechen.

4 Die Jugendstrafrechtspflege wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Neuer Text § 9 Abs. 4 Bst. b 4 Jeder, dem die Bewegungsfreiheit entzogen wird, hat Anspruch: b. auf rechtliches Gehör vor einer gesetzlich bestimmten Instanz innert der vom Gesetz bezeichneten Frist seit der Festnahme, § 79 Abs. 1 1 Die kantonale Verwaltung besteht aus fünf Direktionen und der Landeskanzlei. Bezirksorgane sind die Bezirksschreibereien.

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§ 84 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch: a. das Strafgericht, b. das Jugendgericht, c. das Zwangsmassnahmengericht, d. das Kantonsgericht.

2 Strafverfolgungsbehörden sind die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Jugendanwaltschaft.

3 Das Gesetz regelt die Befugnis von Verwaltungsstellen und Gemeindebehörden, Bussen auszusprechen.

§ 156 (neu)

Verkürzung der Amtsperiode infolge Umstellung auf das Staatsanwaltschaftsmodell Die Amtsperiode 2010­2014 folgender Behördenmitglieder endet am 31. Dezember 2010: a. Leiterinnen und Leiter der Statthalterämter; b. Leiterin oder Leiter des besonderes Untersuchungsrichteramtes.

§ 157 (neu) Amtsperiode des Verfahrensgerichts in Strafsachen Die Amtsperiode 2010­2014 des Präsidiums und der übrigen Mitglieder des Verfahrensgerichts in Strafsachen endet, sobald sämtliche Rechtsmittelverfahren im Sinne von Artikel 453 Absatz 1 der Schweizerischen Strafprozessordnung abgeschlossen sind. Danach ist das Kantonsgericht, Abteilung Strafrecht, die Nachfolgebehörde des Verfahrensgerichts in Strafsachen, sofern das Bundesrecht nicht eine andere Zuständigkeit vorsieht.

Die Verfassungsänderungen werden im Hinblick auf das Inkrafttreten der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO, AS 2010 1881), per 1. Januar 2011 erforderlich (vgl. auch Ziff 1.1.2, vorletzter Absatz). Im Kanton Basel-Landschaft werden die bisherigen Bezirksstatthalterämter, das Besondere Untersuchungsrichteramt (zuständig für Wirtschaftsdelikte und organisierte Kriminalität) und die heutige Staatsanwaltschaft gemäss dem neuen Staatsanwaltschaftsmodell (vgl. Art. 16 StPO) zu einer gemeinsamen Behörde zusammengeführt. Die Änderungen erfolgen im Rahmen der Organisationsautonomie der Kantone. Sie sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.3

Verfassung des Kantons Schaffhausen

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung vom 7. März 2010

Die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen haben in der Volksabstimmung vom 7. März 2010 der Änderung der Artikel 40 Absätze 1 und 1bis, 55 Absatz 2, 70 Absatz 2, 72 Absatz 2, 73 Absatz 2, 76 Absatz 2 sowie der Aufhebung der Artikel 17 Absatz 2, 72 Absatz 3, 75, 76 Absatz 1 und 77 Absatz 2 der Kantonsverfassung (Justizreform) mit 16 234 Ja gegen 5686 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 23. März 2010 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Schaffhausen um die eidgenössische Gewährleistung.

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1.3.2

Justizreform

Bisheriger Text Art. 17 Abs. 2 2 Jede in eine strafrechtliche Untersuchung gezogene Person hat Anspruch darauf, schuldig oder nicht schuldig erklärt zu werden, sofern sie sich nicht mit der einfachen Einstellung der Untersuchung begnügt.

Art. 40 Abs. 1 1 In den Kantonsrat, den Regierungsrat, den Ständerat sowie das Obergericht und das Kantonsgericht sind alle im Kanton stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer wählbar.

Art. 55 Abs. 2 2 Der Kantonsrat prüft und genehmigt die Rechenschaftsberichte des Regierungsrates und des Obergerichts.

Art. 70 Abs. 2 Das Weisungsrecht des Regierungsrates gegenüber allen Verwaltungsorganen bleibt vorbehalten; ausgenommen sind insbesondere Rechtsprechungstätigkeiten von Verwaltungsbehörden.

2

Art. 72 Abs. 2 und 3 Das Gesetz kann für einzelne Gebiete besondere Rechtspflegeinstanzen vorsehen und die Schiedsgerichtsbarkeit anerkennen. Es kann den Einsatz von Fachrichterinnen und Fachrichtern vorsehen.

3 Der Kantonsrat regelt die nähere Organisation und das Kanzleiwesen der Gerichte.

2

Art. 73 Abs. 2 Die übrigen Mitglieder der Rechtspflegebehörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durch das Obergericht beziehungsweise das Kantonsgericht gewählt.

2

Art. 75 1 Jede Gemeinde wählt eine Friedensrichterin oder einen Friedensrichter und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter.

2 Die Friedensrichterin oder der Friedensrichter amtet in Zivil- und Ehrverletzungsfällen als Vermittlungsperson, sofern das Verfahren nicht gemäss besonderer Vorschrift bei einer anderen Schlichtungsbehörde oder unmittelbar beim erkennenden Gericht einzuleiten ist.

Art. 76 Abs. 1 und 2 1 Zur Verfolgung und Untersuchung von Straftaten wählt der Kantonsrat die erforderlichen Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter sowie die weiteren im Gesetz vorgesehenen Strafverfolgungsbehörden mit Ausnahme der Polizei. Diesen können unter Vorbehalt des Weiterzugs an eine Gerichtsinstanz auch richterliche Befugnisse übertragen werden.

2 Unter demselben Vorbehalt kann das Gesetz die Ahndung von Übertretungen mit Busse auch Verwaltungsbehörden von Kanton und Gemeinden zuweisen.

Art. 77 Abs. 2 2 Es urteilt in Kammern sowie durch Einzelrichterinnen oder Einzelrichter.

Neuer Text Art. 17 Abs. 2 Aufgehoben Art. 40 Abs. 1 und 1bis (neu) 1 In den Kantonsrat, den Regierungsrat und den Ständerat sind alle im Kanton stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer wählbar.

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1bis

In das Obergericht und das Kantonsgericht sind alle mündigen Schweizerinnen und Schweizer wählbar. Sie müssen ab Amtsantritt im Kanton Schaffhausen Wohnsitz haben.

Art. 55 Abs. 2 Der Kantonsrat prüft und genehmigt die Rechenschaftsberichte des Regierungsrates, des Obergerichts sowie der Rechtspflegekommission für die Justizverwaltung.

2

Art. 70 Abs. 2 2 Das Weisungsrecht des Regierungsrates gegenüber allen Verwaltungsorganen bleibt vorbehalten; ausgenommen sind insbesondere Rechtsprechungstätigkeiten von Verwaltungsbehörden sowie die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft.

Art. 72 Abs. 2 2 Das Gesetz kann für einzelne Gebiete besondere Rechtspflegeinstanzen und den Einsatz von Fachrichterinnen und Fachrichtern vorsehen.

Art. 72 Abs. 3 Aufgehoben Art. 73 Abs. 2 Die übrigen Mitglieder der Rechtspflegebehörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durch das Obergericht beziehungsweise das Kantonsgericht gewählt. Das Obergericht kann die Anstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter delegieren.

2

Art. 75 Aufgehoben Art. 76 Abs. 1 Aufgehoben Art. 76 Abs. 2 Unter dem Vorbehalt des Weiterzugs an ein Gericht kann das Gesetz die Ahndung von Übertretungen mit Busse auch Verwaltungsbehörden von Kanton und Gemeinden zuweisen.

2

Art. 77 Abs. 2 Aufgehoben

Die in Ziffer 1.1.2 (im vorletzten Absatz) erwähnte Inkraftsetzung der neuen Zivil-, Straf- und Jugendstrafprozessordnungen des Bundes macht verschiedene Anpassungen der Schaffhauser Kantonsverfassung nötig (u.a Einführung des Staatsanwaltschaftsmodells, Neuorganisation der Schlichtungsbehörden). Diese Änderungen erfolgen im Rahmen der Organisationsautonomie der Kantone. Sie sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.4

Verfassung des Kantons Genf

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 24. Februar 2008

Die Stimmberechtigten des Kantons Genf haben in der Volksabstimmung vom 24. Februar 2008 einem Verfassungsgesetz vom 4. Mai 2007 (A 2 01) zur Änderung der Verfassung des Kantons Genf (Eine neue Verfassung für Genf) mit 100 816 Ja gegen 26 403 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 31. März 2010 ersucht der Staatsrat des Kantons Genf nach einem vorgängigen Meinungsaustausch mit dem Bundesamt für Justiz um die eidgenössische Gewährleistung.

7954

1.4.2

Einsetzung eines Verfassungsrates

Neuer Text Verfassungsgesetz zur Änderung der Verfassung der Republik und des Kantons Genf (Eine neue Verfassung für Genf) (A 2 01) Einziger Artikel Die Verfassung der Republik und des Kantons Genf vom 24. Mai 1847 wird durch das Verfassungsgesetz «Eine neue Verfassung für Genf» wie folgt ergänzt: Art. 1

Totalrevision

Die Verfassung der Republik und des Kantons Genf vom 24. Mai 1847 wird einer Totalrevision unterzogen.

Art. 2 Verfassungsrat Die Totalrevision wird von einem Verfassungsrat vorbereitet, der spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Verfassungsgesetzes gewählt wird.

Art. 3 Verfahren Spätestens vier Jahre nach seiner Wahl unterbreitet der Verfassungsrat dem Generalrat einen Entwurf einer neuen Verfassung. Wird die Zustimmung verweigert, so ist die Totalrevision gescheitert.

Art. 4 Wahl Für die Wahl des Verfassungsrates gelten die Vorschriften für die Wahl des Grossen Rates, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen: a. Der Verfassungsrat setzt sich aus 80 Mitgliedern zusammen.

b. Das Quorum beträgt 3 %.

c. Listenverbindungen sind ausgeschlossen.

d. Die Bestimmungen über die Unvereinbarkeiten und die Amtsdauer finden keine Anwendung.

e. Die Amtsdauer beginnt mit der konstitutiven Sitzung und endet mit der Annahme der neuen Verfassung oder mit dem Scheitern der Totalrevision.

Art. 5 Konstituierende Sitzung, Geschäftsreglement Der Staatsrat beruft die Mitglieder des Verfassungsrates zur konstituierenden Sitzung ein; diese wird durch das jüngste Mitglied des Verfassungsrates präsidiert.

2 Der Verfassungsrat konstituiert sich selber und erlässt ein Geschäftsreglement. Er organisiert sich in Form von Kommissionen; eine davon ist die Redaktionskommission.

1

Art. 6 Funktionieren 1 Der Verfassungsrat verfügt über ein Generalsekretariat, welches für die notwendige Unterstützung der Arbeiten sorgt. Das Generalsekretariat setzt sich aus einem Generalsekretär oder einer Generalsekretärin, einem juristischen Sekretär oder einer juristischen Sekretärin sowie dem Sekretariatspersonal zusammen.

2 Der Verfassungsrat stellt den Beizug von Sachverständigen sicher.

3 Der Grosse Rat spricht jährlich im Rahmen des Staatsbudgets die notwendigen Mittel für das Funktionieren des Verfassungsrates.

4 Die Mitglieder des Verfassungsrates erhalten die gleichen Entschädigungen wie die Mitglieder des Grossen Rates.

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Art. 7 Beziehungen zur Öffentlichkeit 1 Der Verfassungsrat hört die für Genf repräsentativen Bevölkerungsschichten und Gruppierungen an.

2 Die Sitzungen des Verfassungsrates sind öffentlich. Die Kommissionssitzungen und deren Protokolle sind nicht öffentlich.

3 Der Verfassungsrat orientiert die Öffentlichkeit regelmässig über das Ergebnis der Arbeiten.

Art. 8 Beziehungen zu den Behörden 1 Der Verfassungsrat hat ein Einsichtsrecht in alle für seine Arbeit notwendigen Dokumente.

2 Er kann Mitglieder kantonaler und kommunaler Behörden, Magistratspersonen der richterlichen Gewalt und des Rechnungshofes sowie die Beamten des Staates und der Gemeinden anhören und von ihnen Berichte zu einzelnen Punkten verlangen.

3 Er informiert regelmässig den Staatsrat sowie den Grossen Rat über den Fortschritt der Arbeiten.

Art. 9 Stellung des Staatsrats 1 Die Mitglieder des Staatsrates können nicht Mitglieder des Verfassungsrates sein.

2 Sie können an den Sitzungen mit beratender Stimme teilnehmen und verfügen über ein Antragsrecht.

Art. 10 Bestimmungen der genferischen Verfassung Die Bestimmungen der Verfassung der Republik und des Kantons Genf zur Totalrevision der Verfassung finden während der Amtsdauer des Verfassungsrates keine Anwendung.

Art. 11 Inkrafttreten vorliegende Verfassungsgesetz wird dem Generalrat unterbreitet.

2 Es tritt am Folgetag seiner Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt in Kraft.

3 Es tritt mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung oder bei einem Scheitern der Totalrevision ausser Kraft.

1 Das

Die Verfassung des Kantons Genf in ihrer gegenwärtig in Kraft stehenden Form sieht keine spezifische Bestimmung für eine Totalrevision vor (Art. 179). Nachdem der kantonale Verfassungsgeber die Einsetzung eines Verfassungsrates bevorzugt, hat er sich für den Erlass eines Ad-hoc-Verfassungsgesetzes ausgesprochen, anstatt die Verfassung selbst zu ändern. Er hat dem Verfassungsgesetz zur Änderung der Verfassung der Republik und des Kantons Genf (Eine neue Verfassung für Genf, A 2 01) zugestimmt, welches den Grundsatz, die Modalitäten und Regeln der Totalrevision durch einen Verfassungsrat festlegt und welches die Anwendbarkeit gewisser Bestimmungen der Kantonsverfassung aussetzt (Darlegung der Gründe in der Begründung zum Gesetzesentwurf PL 9666, S. 5). Der Verfassungsrat hat den Auftrag, innert vier Jahren nach seiner Wahl den Entwurf einer neuen Verfassung auszuarbeiten und ihn dem Generalrat (Stimmvolk) zu unterbreiten.

Das gewählte Vorgehen (Annahme eines Verfassungsgesetzes) ist nicht neu. Es ist auch schon im Falle der Totalrevision der Verfassung des Kantons Zürich1 zur Anwendung gekommen. Ein solches Verfassungsgesetz muss durch die Bundesversammlung unabhängig vom Umstand, dass es formell in der Gestalt eines eigenständigen Verfassungsgesetzes erlassen worden ist, gewährleistet werden. Das Verfassungsgesetz ist Teil der Kantonsverfassung im materiellen Sinne. Es respektiert den kantonalen Kompetenzrahmen, widerspricht weder der Bundesverfassung

1

BBl 2000 1107; s. auch: Isabelle Häner in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, I. Häner, M. Rüssli, E. Schwarzenbach (Hrsg.), Verfassungsrat N 3, Zürich 2007.

7956

noch den anderen Bestimmungen des Bundesrechts und kann deshalb gewährleistet werden.

1.5

Verfassung des Kantons Jura

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung vom 7. März 2010

Die Stimmberechtigten des Kantons Jura haben in der Volksabstimmung vom 7. März 2010 der Änderung der Artikel 65 Absatz 1 und 66 Absatz 2 der Kantonsverfassung, der Änderung von Artikel 14 sowie der Aufhebung von Artikel 6 Absatz 1 der Schluss- und Übergangsbestimmungen der Kantonsverfassung (Änderung der Dauer der Legislaturperioden und Wiederwahl der Regierungsmitglieder) mit 12 336 Ja gegen 8691 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2010 ersucht der Regierungsrat des Kantons Jura um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Änderung der Dauer der Legislaturperioden und Wiederwahl der Regierungsmitglieder

Bisheriger Text Art. 65 Abs. 1 1 Die Abgeordneten, die Mitglieder der Regierung, die Richter, der Staatsanwalt und die Mitglieder der Bezirks- und der Gemeindebehörden werden für vier Jahre gewählt.

Art. 66 Abs. 2 Die Mitglieder der Regierung können nur dreimal wiedergewählt werden.

2

Art. 6 Abs. 1 der Schluss- und Übergangsbestimmungen 1 Die Wahl des Parlaments und die Wahl der Regierung finden spätestens am zwölften Sonntag nach Inkrafttreten der sie betreffenden Verfassungsbestimmungen statt.

Art. 14 der Schluss- und Übergangsbestimmungen Die Regierung bestimmt das Inkrafttreten dieser Änderung.

Neuer Text Art. 65 Abs. 1 1 Die Abgeordneten, die Mitglieder der Regierung, die Richterinnen und Richter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die Mitglieder der Bezirks- und der Gemeindebehörden werden für fünf Jahre gewählt.

Art. 66 Abs. 2 2 Die Mitglieder der Regierung können nur zweimal wiedergewählt werden.

Art. 6 Abs. 1 der Schluss- und Übergangsbestimmungen Aufgehoben Art. 14 Abs. 2­4 der Schluss- und Übergangsbestimmungen (neu) Die Abgeordneten, die Mitglieder der Regierung, die Richterinnen und Richter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die Mitglieder der Bezirks- und der Gemeindebehörden, die 2

7957

vor dem Inkrafttreten dieser Änderung gewählt worden sind, bleiben dies bis zum Ende ihrer vierjährigen Wahlperiode.

3 Wenn sie im Lauf einer vierjährigen Legislaturperiode im Sinne von Absatz 2, aber erst nach dem Inkrafttreten dieser Änderung gewählt worden sind, sind sie es nur bis zum Ende dieser Legislaturperiode.

4 Ab Inkrafttreten dieser Änderung können Mitglieder der Regierung nur zweimal wiedergewählt werden; dabei werden Wahlen und Wiederwahlen, die vor dem Inkrafttreten dieser Änderung stattgefunden haben, angerechnet.

Diese Änderungen dehnen die Legislaturperioden auf Gemeinde- und Kantonsebene von vier auf fünf Jahre aus und schränken die Wiederwahlmöglichkeit von Mitgliedern der Regierung von drei- auf zweimal ein. Diese Änderungen erfolgen im Rahmen der Organisationsautonomie der Kantone. Sie sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

2

Verfassungsmässigkeit

2.1

Bundesrechtskonformität

Die Prüfung hat ergeben, dass die geänderten Bestimmungen der Verfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Genf und Jura die Anforderungen von Artikel 51 der Bundesverfassung erfüllen. Somit ist ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

2.2

Zuständigkeit der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

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