10.047 Botschaft über die Genehmigung der Schweizer Teilnahme an der internationalen Forschungsinfrastrukturanlage «European XFEL» vom 28. April 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung der Schweizer Teilnahme an der internationalen Forschungsinfrastrukturanlage «European XFEL».

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. April 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-0290

3031

Übersicht Das Projekt «European XFEL» ist eine internationale Zusammenarbeit zum Bau und Betrieb einer neuartigen Forschungsinfrastruktur zur Untersuchung von naturwissenschaftlichen Phänomenen im Nano- bis Picometerbereich. Mit der hier beantragten Teilnahme an diesem Projekt führt die Schweiz ihre internationale Forschungskooperation im Hinblick auf eine Festigung und Stärkung des hiesigen Forschungs- und Innovationsstandorts fort.

Mit der «Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage» (X-Ray Free Electron Laser, abgekürzt XFEL) können Materialeigenschaften im atomaren Bereich, aber auch Aufbau und Abläufe im biochemischen Bereich beobachtet und analysiert werden. Das Projekt basiert auf einem multilateralen Abkommen zwischen den Vertragsparteien Deutschland, China, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Ungarn und der Schweiz. Bau und Betrieb der Forschungsanlage wird über eine eigenständige Organisation, die European XFEL GmbH, abgewickelt.

Die Schweiz verpflichtet sich vorerst für eine Teilnahme am Bau des «European XFEL». Diese Teilnahme wird einen wertvollen Beitrag zur Realisierung eines zum European XFEL komplementären und auf modernsten Technologien aufbauenden Schweizer XFEL (SwissFEL) liefern. Über eine Teilnahme am Betrieb und damit an der wissenschaftlichen Nutzung der Anlage soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.

Die finanziellen Mittel zur Schweizer Teilnahme an der internationalen Forschungsinfrastrukturanlage «European XFEL» wurden mit der Botschaft vom 24. Januar 2007 über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2008­2011 (BBl 2007 1223) beantragt und mit dem Bundesbeschluss vom 20. September 2007 über die Kredite im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Bildung und Forschung in Europa und weltweit für die Jahre 2008­2011 (BBl 2007 7485) gesprochen.

Zum Zeitpunkt des Bundesratsentscheides über die vorläufige Anwendung bedurfte die Schweizer Teilnahme am Projekt «European XFEL» der Genehmigung durch das Parlament. Obwohl das Bundesgesetz über die Förderung der Forschung und der Innovation (SR 420.1) seit 1. März 2010 eine für diese Vorlage hinreichende Kompetenz des Bundesrates vorsieht, werden Schlussakte, Übereinkommen und Gesellschaftsvertrag dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt.

3032

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3032

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Das Projekt «European XFEL» 1.3 Die Beteiligung der Schweiz am «European XFEL Project» 1.4 Das Übereinkommen über den Bau und Betrieb einer europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage 1.5 Verlauf der Verhandlungen und Ergebnisse 1.6 Bedeutung für den Forschungsstandort Schweiz

3034 3034 3034 3035 3036 3036 3037

2 Überblick über den Inhalt des Übereinkommens und die einzugehenden Verpflichtungen 2.1 Umfang der Beteiligung der Schweiz 2.2 Governance des Projekts 2.3 Beiträge der Schweiz 2.4 Befristete Teilnahme der Schweiz

3038 3038 3038 3038 3039

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkung auf Bund, Kantone und Gemeinden 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3039 3039 3040

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

3041

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Auswirkungen auf die schweizerische Gesetzgebung

3041 3041 3042

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Schweizer Teilnahme an der internationalen Forschungsinfrastrukturanlage «European XFEL» (Entwurf)

3043

Übereinkommen über den Bau und Betrieb einer Europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage

3045

Anhänge: 1. Gesellschaftsvertrag der «European X-Ray Free-Electron Laser Facility GmbH» 2. Schlussakte der Bevollmächtigtenkonferenz zur Errichtung einer Europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage

3054 3068

3033

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland und in internationaler Zusammenarbeit mit dreizehn Staaten1 entsteht in Hamburg eine weltweit einzigartige Forschungsinfrastruktur. Der Bau und der Betrieb der Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage (kurz XFEL) wird einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen.

Die GmbH wird unter deutschem Recht gegründet.

Die gesamten Projektkosten für die Entwicklung und den Bau der XFEL-Anlage in Hamburg belaufen sich nach heutiger Planung auf maximal 1082 Millionen Euro (Kostenbasis 2005). Deutschland als Sitzstaat der Anlage wird mehr als die Hälfte der anfallenden Kosten tragen. Die Schweiz beabsichtigt vorerst, sich bis 2015 mit 15 Millionen Euro (ebenfalls auf Kostenbasis 2005) und in Form von Finanz- und Sachbeiträgen am Bau der Anlage zu beteiligen. Der Sachbeitrag in Form von Anlagen und Komponenten wird vom Paul Scherrer Institut (PSI) in enger Zusammenarbeit mit dem XFEL-Projektteam entwickelt und gebaut.

Ursprünglich sollte die GmbH «European XFEL» Anfang 2009 gegründet werden.

Um in der Gründungsphase der neuen Organisation die Mitbestimmung der Schweiz gewährleisten zu können, hat der Bundesrat am 29. Oktober 2008 entschieden, gemäss Artikel 7b Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19972 (RVOG) von der Möglichkeit einer vorläufigen Anwendung des Übereinkommens Gebrauch zu machen.

Die Aussenpolitischen Kommissionen wie auch die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur beider Räte wurden im Vorfeld dieses Entscheids konsultiert und haben sich positiv zur vorläufigen Anwendung geäussert. Mit der Unterzeichnung der Schlussakte, des Übereinkommens und des Gesellschaftervertrages «European XFEL» am 30. November 2009 beteiligt sich die Schweiz vorerst provisorisch am Projekt.

1.2

Das Projekt «European XFEL»

Das Projekt «European XFEL» ist eine Synchrotronstrahlungsquelle der 4. Generation und dient zur naturwissenschaftlichen Untersuchung von Materialien sowie von chemischen oder biochemischen Abläufen bis hin zur atomaren Ebene. Synchrotronstrahlungsquellen sind Grossanlagen, welche in ihrem Verwendungszweck mit einem einfachen Mikroskop verglichen werden können. Aufgrund der erzeugten und verwendeten Strahlung lassen sich jedoch sehr viel kleinere Strukturen untersuchen, als dies bei einem Lichtmikroskop der Fall ist. Die Schweiz ist seit 1988 an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF beteiligt. Des Weiteren wurde ab 1998 am PSI in Villigen ein nationales Synchrotron, die Swiss Light Source (SLS), 1 2

Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien, Polen, Ungarn, China; SR 172.010

3034

aufgebaut. Diese beiden Anlagen aus der 3. Generation werden nach wie vor rege benutzt und zählen zu den besten Synchrotrons der Welt. Obwohl die Untersuchungsmethoden mit dem «European XFEL» ähnlich sein werden, beruht die Erzeugung der Strahlung zur Beleuchtung der Proben auf einer völlig neuen Technologie.

Damit kann der XFEL bisher nicht zugängliche Forschungsbereiche erschliessen und die erwähnten Synchrotrons in sinnvoller Weise ergänzen. Das Interesse der Schweiz am «European XFEL» basiert zum einen auf der Entwicklung der eigentlichen XFEL-Technologie, zum anderen aber auch auf den künftig verfügbaren Anwendungen dieser Technologie zugunsten der universitären und industriellen Forschung. Zudem ist auch mit einem entsprechenden industriellen Rückfluss zu rechen ­ in besonderem Masse natürlich während des Aufbaus der Anlage.

Der European XFEL wird nach seiner Betriebsaufnahme eine Dienstleistungsorganisation werden, welche die komplexen Instrumente tage- oder wochenweise der Forschungsgemeinde aus dem öffentlichen oder gegen Bezahlung auch dem privaten Bereich zur Verfügung stellt. Dabei werden ganz unterschiedliche Fachdisziplinen zusammenkommen. Aus einem solchen Wechselspiel erwachsen erfahrungsgemäss vielfältige Anregungen und Ideen, die zu konkreten Resultaten und damit zur Wissenserweiterung führen. Die Anlage ermöglicht neue Erkenntnisse in nahezu allen technisch-wissenschaftlichen Bereichen, die für den Alltag von Bedeutung sind ­ darunter Medizin, Pharmazie, Chemie, Materialwissenschaften, Nanotechnologie, Energietechnik und Elektronik.

Gemäss Planung sieht das Projekt im Rahmen der 6-jährigen Bauzeit Investitionskosten von rund einer Milliarde Euro vor. Dabei ist der Bau in zwei Phasen aufgeteilt: Phase 1 gilt als Mindestausbau, um einen vernünftigen Nutzen aus der Anlage ziehen zu können. Phase 2 würde das Projekt so weit aufrüsten, dass es in der internationalen Forschungsgemeinschaft einzigartige Anwendungsmöglichkeiten anbieten könnte und somit zu einem Zentrum der internationalen Spitzenforschung würde.

Für die auf mindestens 12 Jahre geplante Betriebsphase des «European XFEL» wird, je nach Ausbau der Anlage, mit Betriebskosten von circa 120 Millionen Euro pro Jahr gerechnet.

1.3

Die Beteiligung der Schweiz am «European XFEL Project»

Mit der Unterzeichnung des «Memorandum of Understanding on the Preparatory Phase of the European X-ray Free Electron Laser Facility» am 14. Dezember 2004 hat sich die Schweiz auf wissenschaftlicher wie auch auf Verwaltungsebene eingehend mit dem Projektvorschlag XFEL auseinandergesetzt. In dieser Projektvorbereitungsphase wurde ersichtlich, dass die Schweiz sowohl wissenschaftlich wie auch technologisch ein grosses Interesse an einer solchen Forschungsinfrastruktur hat. Im Hinblick auf einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für den Schweizer Forschungsstandort soll den Schweizer Forschenden der Zugang zu Techniken ermöglicht werden, welche über die Leistungen der heutigen Synchrotronquellen hinausgehen. Eine solche Strategie sieht kurz- bis mittelfristig eine Teilnahme am European XFEL und mittel- bis langfristig auch die Nutzung einer kompakten, zu XFEL komplementären und auf neusten Technologien basierenden nationalen Anlage (SwissFEL) vor. Die Art und Weise der European XFEL Projektsteuerung über die Zeitspannen des Baus und des Betriebs ist bisher noch nicht bis ins Detail 3035

geklärt. Deshalb hat sich die Schweiz in einer einseitigen Erklärung zur «Schlussakte der Bevollmächtigtenkonferenz zur Errichtung einer Europäischen FreieElektronen-Röntgenlaseranlage» bisher nur zur Teilnahme an der ersten Bauphase verpflichtet hat. Ob sich die Schweiz nach 2015 weiter beim «European XFEL Project» engagiert, hängt in erster Linie von weiteren Abklärungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Nutzens für den Standort Schweiz, vom technologischen Fortschritt alternativer Untersuchungsmethoden und natürlich vom Projektfortschritt und den Umsetzungsmodalitäten des European XFEL ab.

1.4

Das Übereinkommen über den Bau und Betrieb einer europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage

Nach der Unterzeichnung des oben erwähnten «Memorandums of Understanding» durch Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Slowakei, Spanien, Ungarn und die Schweiz wurden die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Zusammenarbeit aufgenommen. Neben dem eigentlichen Übereinkommen, welches auf der Basis von früheren, internationalen Kooperationen (z.B. ESRF3) relevante Aspekte einer Forschungsinfrastruktur wie zum Beispiel Finanzierung, Kriterien für die wissenschaftliche Nutzung, Privilegien und Immunitäten, geistiges Eigentum usw. regelt, wurde eine Schlussakte und ein Gesellschaftsvertrag für die «European X-Ray Free-Electron Laser Facility GmbH» erarbeitet. Die Schlussakte kann als Beschlussprotokoll der Unterzeichnungskonferenz vom 30. November 2009 betrachtet werden. Sie enthält insbesondere die einseitigen Erklärungen der Vertragsstaaten, so z.B. die Erklärung der Schweiz. Der Gesellschaftsvertrag begründet die administrative und juristische Grundlage zur Gründung einer GmbH nach deutschem Recht.

Die in dieser Botschaft zur Genehmigung unterbreitete Teilnahme der Schweiz an der internationalen Forschungsanlage «European XFEL» sieht vor, dass die Schweiz Teilhaberin an der European XFEL GmbH wird. Als Voraussetzung hierfür soll die Schweiz sowohl den Gesellschaftsvertrag als auch das XFEL-Übereinkommen und die Schlussakte übernehmen.

1.5

Verlauf der Verhandlungen und Ergebnisse

Im Rahmen der bisherigen Kooperation zwischen der Schweiz und den Vertragsstaaten haben Schweizer Expertinnen und Experten aus Verwaltung und Forschung die Planung, die Vorbereitungsarbeiten sowie die Gründung der XFEL GmbH begleitet. Aufgrund ihrer Mitwirkung seit 2005 konnte die Schweiz bereits von Anbeginn Einfluss auf die Gründungsdokumente nehmen. Die Expertengespräche zur Finalisierung der Vertragsdokumente haben sich zwischenzeitlich als sehr komplex herausgestellt, sodass eine erhebliche Verzögerung gegenüber dem ursprünglichen Fahrplan in Kauf genommen werden musste. Schliesslich konnten die Vereinbarungstexte in Form der Schlussakte, des Übereinkommens und des Gesellschaftsvertrages im September 2009 anlässlich einer sogenannten Übersetzerkonferenz finalisiert werden.

3

European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble

3036

Etliche der vorgesehenen Vertragsstaaten haben sich bereits nach Unterzeichnung des «Memorandum of Understanding» dahingehend geäussert, dass sie nach Abschluss der Verhandlungen und vor der Unterzeichnung erst die nationalen Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen. Auch aus diesem Grund wurde der Vertragstext so ausgestaltet, dass interessierte Staaten zu einem beliebigen Zeitpunkt dem Projekt beitreten können. Die Schweiz konnte aufgrund des Entscheids hinsichtlich der vorläufigen Anwendung das Übereinkommen bereits am 30. November 2009 und zusammen mit neun weiteren Staaten unterzeichnen. Im Dezember 2009 wurden die Projektpartner dahingehend unterrichtet, dass England seinen Entscheid über eine Teilnahme am Projekt aufgeschoben hat. Am 4. Februar 2010 unterzeichnete Frankreich, als elfter Staat, das Abkommen. Spanien und China sollen im Laufe des Jahres folgen.

Die Tatsache, dass England seinen ursprünglich geplanten Beitrag vielleicht nicht leisten wird, hat auf den Schweizer Beitrag oder allgemein auf das Projekt European XFEL keinen Einfluss. Des Weiteren ist zu beachten, dass ein Land bei einem späteren Beitritt der European XFEL GmbH einen zusätzlichen Beitrag für die bisher geleistete Aufbauphase zu leisten hat. Dieses Vorgehen wurde bereits bei anderen internationalen Organisationen, z. B. der ESRF, erfolgreich angewendet.

Auf Schweizer Seite wurden die Verhandlungen insbesondere durch das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (EDI), die Direktion für Völkerrecht (EDA) und das Bundesamt für Justiz (EJPD) begleitet. Das erzielte Resultat der Verhandlungen entspricht in allen Punkten den Forderungen der Schweiz. Das Vertragswerk ist damit auch vollumfänglich mit geltendem Schweizer Recht vereinbar.

1.6

Bedeutung für den Forschungsstandort Schweiz

Im Jahre 2001 wurde am PSI der Betrieb der Swiss Light Source (SLS), einer Lichtquelle der 3. Generation, aufgenommen. Basierend auf früheren Beteiligungen an internationalen Projekten konnte die Schweizer Forschungsgemeinschaft die Technologie der Synchrotronstrahlenquelle so weit ausreizen, dass die Schweiz heute über eine der weltweit am weitesten fortgeschrittenen Maschinen dieser Art verfügt.

Will man jedoch in bisher verschlossene Bereiche jenseits der Möglichkeiten heutiger Synchrotronquellen vorstossen, muss eine neue Technologie, nämlich das Prinzip des Freie-Elektronen-Lasers (FEL) für den Röntgenbereich zur Anwendung kommen. Seit 2004 hat sich das PSI deshalb an den Entwicklungsarbeiten für ein solches System beteiligt. Das PSI konnte sich damit eine weltweit anerkannte Kompetenz in diesem Bereich aneignen. Eine Teilnahme der Schweiz am Bau des Europäischen XFEL ist in zweierlei Hinsicht von grosser Bedeutung für den Forschungsstandort Schweiz. Erstens kann die Schweiz an entscheidenden Stellen Schlüsseltechnologien liefern und damit zum Gelingen des Projekts massgeblich beitragen. Zweitens werden die damit verbundene Prüfung, Validierung und Weiterentwicklung dieser Schlüsseltechnologien einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf die Realisierung eines nationalen Röntgenlasers, dem SwissFEL, liefern. Durch einen raschen Zugang zum European XFEL wie auch zu einer auf die Bedürfnisse der schweizerischen akademischen und industriellen Forschung ausgerichteten und europaweit ersten nationalen Anlage wird der Schweiz eine Vorreiterrolle und ein langfristiger Konkurrenzvorteil ermöglicht. Somit wird die Teilnahme der Schweiz am European XFEL auf der einen Seite das Verständnis einer neuen Technologie, 3037

welche möglicherweise auch über den hier beschriebenen Anwendungszweck eines Forschungsinstruments hinausgeht, fördern und stärken, und auf der anderen Seite stünde ab 2016 der Schweizer Forschung eine der weltweit modernsten, international bestens vernetzten Forschungsinfrastrukturen zur Verfügung.

2

Überblick über den Inhalt des Übereinkommens und die einzugehenden Verpflichtungen

2.1

Umfang der Beteiligung der Schweiz

Die Vereinbarungstexte sehen vor, dass die Schweiz einen Finanz- und einen Sachbeitrag in Höhe von insgesamt 15 Millionen Euro (Kostenbasis 2005) an den Bau des European XFEL beisteuert. Damit ist die Schweiz auch im Rat der GmbH vertreten und erhält ein entsprechend gewichtetes Stimmrecht in allen Ratsentscheidungen. Hier ist festzuhalten, dass der Gesellschaftsvertrag gestaffelte Abstimmungsverfahren vorsieht. Demnach könnte die Schweiz in gewissen Belangen, bei denen «Einstimmigkeit» gefordert wird, auch mit diesem relativ geringen Anteil eine Sperrminorität darstellen.

2.2

Governance des Projekts

Die Verwaltungsstruktur der XFEL GmbH umfasst einen Rat und eine Geschäftsführung. Der Rat besteht aus designierten Vertreterinnen und Vertretern der Gesellschafter. Die geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren werden durch den Rat berufen. Hinzu kommen beratende Ausschüsse für wissenschaftliche und maschinenrelevante Fragen. Das «Scientific Advisory Committee» sorgt unter anderem auch für ein hochstehendes Selektionsverfahren bei der Vergabe der zur Verfügung stehenden Strahlzeit, das «Machine Advisory Committee» ist für die technische, technologische und benutzerbezogene Ausrichtung der Anlage besorgt. Auch diese Ausschüsse werden ausschliesslich durch den Rat berufen.

2.3

Beiträge der Schweiz

Aufgrund des hohen Investitionsumfangs haben es gewisse Vertragsstaaten vorgezogen, die Beiträge nicht ausschliesslich pekuniär auszurichten. Dies kompliziert auf der einen Seite die effiziente und effektive Umsetzung des Projekts, sichert den Vertragsstaaten aber auf der anderen Seite einen klar definierten industriellen und technologischen Rückfluss. Die Schweiz ist in dieser Frage flexibel geblieben und hat sich schliesslich anerboten, den im Übereinkommen festgehaltenen Schweizer Beitrag zu ca. einem Drittel als Finanzbeitrag und zu zwei Dritteln als Sachbeitrag auszurichten.

3038

2.4

Befristete Teilnahme der Schweiz

Die Bauzeit der European-XFEL-Anlage wurde in zwei Phasen aufgeteilt. Während der Phase 1, an welcher sich die Schweiz vorerst beteiligt, baut die GmbH den Elektronenbeschleuniger und eine sogenannte Undulator-Strahlführung. Diese Phase umfasst auch den zur Beherbergung der Anlage notwendigen Gebäudekomplex.

Letzterer besteht aus insgesamt drei Standorten, welche auf einer Länge von 3,5 km verteilt durch den Strahltunnel verbunden sind. Diese Bauphase soll nicht länger als acht Jahre dauern. Zur Bestimmung dieses relativ vagen Zeitpunkts wurden im Anhang des Übereinkommens Zwischenzielanforderungen festgehalten. Der Rat entscheidet über die Erreichung dieses Zwischenziels. In der Phase 2 soll parallel zum Betrieb mit der ersten Strahlführung und während nicht mehr als drei Jahren der Ausbau auf mehrere Strahlführungen und damit zur vollwertigen Anlage vorangetrieben werden. Die bereits erwähnten Baukosten von rund 1,1 Mrd. Euro umfassen sowohl die Projektvorbereitung als auch die Baukosten der Phasen 1 und 2, jedoch nicht die Betriebskosten ab Phase 1.

In ihrer Erklärung zur Schlussakte der Bevollmächtigtenkonferenz bestätigt die Schweiz, dass sie sich mit 15 Mio. Euro an der Phase 1 beteiligt. Sollte sie nicht in der Lage sein, sich am weiteren Ausbau oder am Betrieb der Anlage zu beteiligen, kann die Schweiz unter Einhaltung einer einjährigen Frist auf das Ende der Phase 1 ihre Beteiligung beenden. In diesem Falle würden weder Sanktionen noch Verpflichtungen hinsichtlich Stilllegungsfonds auf die Schweiz zukommen.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkung auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die beantragte Teilnahme der Schweiz am Projekt «European XFEL» und die damit verbundene Beteiligung an der European XFEL GmbH wird Kosten im Umfang von 26,7 Millionen CHF verursachen. Der entsprechende Verpflichtungskredit für die Jahre 2008­2015 von 26,7 Millionen CHF ist im Rahmen des Bundesbeschlusses vom 20. September 20074 über die Kredite der wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Bildung und Forschung in Europa und weltweit für die Jahre 2008­2011, genauer aufgrund von Artikel 6, bereits von der Bundesversammlung bewilligt worden. Die Mittel sind im Budget unter Kredit A2310.0438 «XFEL», Staatssekretariat für Bildung und Forschung, eingestellt. Zur Aufteilung des Verpflichtungskredits auf Finanz- und Sachleistungen und auf die einzelnen Jahre vgl. die nachstehende Tabelle.

Die Schweizer Interessenvertretung in der European XFEL GmbH wird durch Einsitznahme in den entsprechenden Gremien sichergestellt. Im Allgemeinen werden hier einzelne Bundesangestellte sowie Fachexpertinnen und -experten aus dem Hochschul- oder dem Industriebereich einsitzen. Der Mehraufwand auf Bundesebene kann durch den Wegfall anderer Tätigkeiten durch die betroffenen Bundesstellen kompensiert werden.

4

BBl 2007 7485

3039

Der Beitritt der Schweiz zur European XFEL GmbH hat keine Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

Tabelle

BFI 08-11 neuer Bedarf Finanzbeitrag Sachbeitrag

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

Total

2.1 0 ­ ­

4.6 4.6 1.5 3.0

5.7 5.7 1.8 3.9

5.2 5.2 1.5 3.7

3.6 3.6 1.2 2.4

3.0 3.6 1.0 2.6

1.9 2.5 0.7 1.8

0.6 1.5 0.6 0.9

26.7 26.7 8.3 18.3

Legende: Vergleich der Finanzplanung, Stand 2006, mit den mittlerweile zur Verfügung stehenden Bedarfszahlen für den Finanzbeitrag (European XFEL) und den Sachbeitrag (PSI). Die aktuellen Finanzzahlen beinhalten keine Reserven für allfällige Schwankungen des Wechselkurses (für Finanzbeitrag) oder Kostenerhöhungen. Aufgrund der Projektbedürfnisse bedarf das Zahlungsprofil ab 2013 möglicherweise einer weiteren Anpassung.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und künftige Generationen

Die Mitwirkung der Schweiz am Aufbau des European XFEL ermöglicht der Schweizer Wirtschaft eine präferenzielle Ausgangslage für die Beteiligung am Beschaffungswesen der European XFEL GmbH. Insbesondere der Schweizer Sachbeitrag wird zu einem Grossteil direkt über Schweizer Zulieferer abgewickelt werden.

Die Schweizer Wirtschaft kann ebenfalls von der Tatsache profitieren, dass der Standort der European XFEL GmbH, einschliesslich der zu bauenden Anlagen, in Norddeutschland liegt. Dadurch besteht nicht nur für Spezialkomponenten und Nischenprodukte oder -dienstleistungen aus der Schweiz eine reale Offertmöglichkeit, sondern auch für Standardausrüstung wie zum Beispiel Telekommunikation, Stahlbetonkomponenten, elektrische Hoch- und Niederspannungsanlagen usw.

Zudem eröffnet sich die Möglichkeit, dass die Schweizer Wirtschaft von neuen Verfahren und Produkten wie auch von Innovationsschüben aus dem Bau des European XFEL profitieren kann, wie sie dies in der Vergangenheit auch aus CERN-, ESRF-, ESA5- und ESO6-Projekten tun konnte.

Eine Teilnahme der Schweiz am Projekt «European XFEL» festigt die Grundlage für eine mittel- und langfristige Fortführung der hochstehenden Schweizer Forschung. Gleichzeitig wird der Grundstein für heute noch nicht abschätzbare Forschungsresultate gelegt, welche über abgeleitete Produkte den Lebensstandard künftiger Generationen positiv beeinflussen werden. Im Vergleich zum Nutzen sind die durch Bau, Betrieb und Stilllegung des European XFEL verursachten Lasten für künftige Generationen als vernachlässigbar klein zu beurteilen.

5 6

ESA: European Space Agency ESO: European Southern Observatory

3040

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wird in der Botschaft vom 24. Januar 20077 über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2008­2011 namentlich erwähnt.

Sie wurde im Bericht vom 25. Februar 20048 über die Legislaturplanung 2003­2007 unter dem Ziel 1 «Das Wirtschaftswachstum erhöhen» angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über die Schweizer Teilnahme am Projekt «European XFEL» beruht auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen. Eine Ratifizierung ist jedoch erst mit einem entsprechenden Bundesbeschluss möglich. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV werden völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Obwohl nicht ausdrücklich als internationale Organisation betitelt, weist die XFEL GmbH die wesentlichen Merkmale auf, die einer internationalen Organisation zukommen. Die XFEL GmbH beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag, ist ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Staaten zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben, verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit und über Organe, die insofern gegenüber den Mitgliedstaaten verselbstständigt und unabhängig sind, als sich ihre Meinung und bestimmte Entscheide nicht notwendigerweise mit dem Willen der Mitgliedstaaten decken müssen.

Demzufolge untersteht der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 2 BV dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

Das Abkommen wird gestützt auf den Beschluss des Bundesrates vom 29. Oktober 2008 und gestützt auf Artikel 7b Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG) seit der Unterzeichnung am 30. November 2009 provisorisch angewendet. Nach Artikel 7b Absatz 2 RVOG endet die vorläufige Anwendung, wenn der Bundesrat nicht binnen sechs Monaten ab Beginn der vorläufigen Anwendung der Bundesversammlung den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Abkommens unterbreitet. Mit der vorliegenden Botschaft ist die vorgeschriebene Frist eingehalten.

7 8

BBl 2007 1334 BBl 2004 1149

3041

5.2

Auswirkungen auf die schweizerische Gesetzgebung

Die Schweizer Beteiligung am Projekt «European XFEL» erfordert keine Rechtsanpassungen in der Schweiz.

3042