10.060 Botschaft zur Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» vom 23. Juni 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten. Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Besteuerung des privaten Wohneigentums als indirekten Gegenvorschlag mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 2005 M 05.3864

Schuldenfreiheit im Alter. Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (S 20.06.06, Kuprecht; N 25.09.07)

2009 M 09.3014

Mehr Effektivität und Effizienz bei den Steuerabzügen für energetische Gebäudesanierungen (S 19.03.09, Kommission für Wirtschaft und Abgaben SR; N 11.06.09)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Juni 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-1331

5303

Übersicht Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» ab. Dies deshalb, weil die Einführung eines auf Rentnerhaushalte mit Wohneigentum eingeschränkten einmaligen Wahlrechts zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Generationen führt, die sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Er stellt ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber, mit dem die Eigenmietwertbesteuerung für alle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer aufgehoben werden soll.

Dadurch erfährt das Steuerrecht in einem zentralen Bereich eine Vereinfachung.

Die am 23. Januar 2009 eingereichte Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» will Rentnerinnen und Rentnern ein einmaliges Wahlrecht einräumen, den Eigenmietwert nicht mehr zu versteuern. Im Gegenzug sind die mit dem Wohneigentum verbundenen Schuldzinsen nicht mehr abziehbar. Hingegen sollen die jährlichen Unterhaltskosten bis zu einem Höchstbetrag von 4000 Franken und die Kosten für Massnahmen, die dem Energiesparen, dem Umweltschutz und der Denkmalpflege dienen, vollumfänglich abzugsberechtigt bleiben.

Der Bundesrat spricht sich gegen die Volksinitiative aus. Er lehnt eine auf Rentnerinnen und Rentner beschränkte fakultative Befreiung von der Eigenmietwertbesteuerung ab. Eine solche Massnahme würde zu einer sachlich nicht begründeten Ungleichbehandlung gegenüber allen nicht geförderten Gruppen (Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer, die das AHV-Alter noch nicht erreicht haben, sowie Mieterinnen und Mieter) führen. Auch besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf für die von der Volksinitiative anvisierte Gruppe, die in der Regel wirtschaftlich nicht schlechter gestellt ist als die erwerbstätige Bevölkerung.

Die Einführung eines Wahlrechts würde zu Verzerrungen führen und das Steuerrecht unnötig verkomplizieren. Der mit der Umsetzung der Volksinitiative verbundene administrative Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Auch von den Wirkungen her vermag die Volksinitiative den Bundesrat nicht zu überzeugen: Die Wahlfreiheit im Alter bedeutet in erster Linie eine Privilegierung besser gestellter Rentnerhaushalte, die entweder bereits im Erwerbsleben ihre Hypothekarschulden beseitigt haben oder dies aufgrund ausreichender finanzieller Leistungsfähigkeit im Rentenalter noch nachholen können. Zweitens wird es dadurch, dass die Volksinitiative einseitig auf ältere
Eigentümerinnen und Eigentümer fokussiert und der Systemwechsel zudem freiwillig sein soll, kaum möglich sein, ein Grundproblem des heutigen Systems der Eigenmietwertbesteuerung, nämlich die geringe Motivation zur Tilgung der Hypothekarschulden, systematisch anzugehen.

Hingegen lassen sich mit einem generellen Systemwechsel im Bereich der Vollzugskosten substanzielle Effizienzgewinne und Vereinfachungen in einem zentralen Bereich des Steuerrechts realisieren. Die Eigenmietwertbesteuerung und die Ermittlung der zulässigen wohneigentumsbezogenen Abzüge machen das Steuerveranlagungsverfahren sowohl für die Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer als auch für die Veranlagungsbehörden kompliziert. Beide würden vom Vereinfachungseffekt

5304

profitieren. Das Thema ist denn auch ein Dauerbrenner der politischen Auseinandersetzung.

Ein erster vom Bundesrat vorgeschlagener indirekter Gegenvorschlag wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich abgelehnt. Ebenso verneinte ein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten die Verfassungsmässigkeit der darin vorgeschlagenen kantonalen Zweitliegenschaftssteuer. Der Bundesrat hält jedoch im Sinne der Vereinfachung des Steuerrechts an der Aufhebung der Eigenmietwertbesteuerung fest. Der im Vergleich zur Vernehmlassung modifizierte indirekte Gegenvorschlag umfasst folgende Eckwerte: Mit dem Wegfall des steuerbaren Eigenmietwerts entfällt der Abzug für Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und Verwaltungskosten durch Dritte. Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen können abgezogen werden, wenn sie konkrete energetische und ökologische Anforderungen einhalten. Bei denkmalpflegerischen Arbeiten ergibt sich keine Veränderung gegenüber dem geltenden Recht. Die Abzugsmöglichkeit für private Schuldzinsen setzt voraus, dass diese dazu dienen, steuerbaren Vermögensertrag zu generieren. In diesem Fall sind sie im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehbar. Zudem können Personen, die erstmals selbstbewohntes Wohneigentum in der Schweiz kaufen, zeitlich und betragsmässig begrenzt Schuldzinsen abziehen, die im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehen. Auf die Einführung einer Sondersteuer für Zweitliegenschaften wird verzichtet. Hingegen haben die Kantone die Möglichkeit, eine Kostenanlastungssteuer einzuführen, um zumindest einen Teil der wegfallenden Einnahmen aus der Eigenmietwertbesteuerung auf Zweitliegenschaften kompensieren zu können.

Aus den verschiedenen Massnahmen im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags dürfte bei der direkten Bundessteuer per Saldo, bezogen auf die Steuerperiode 2008 und unter Berücksichtigung der realistischerweise zu erwartenden Anpassungen der Steuerpflichtigen, ein Mehrertrag von bis zu 85 Millionen Franken resultieren. Da er als Resultat verschiedener Schätzungen berechnet wurde, sollte er als «Schwarze Null» interpretiert werden.

Mit dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates liegt ein konkreter Vorschlag zur Umsetzung der vom Parlament überwiesenen Motion Kuprecht (05.3864) vor.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

5304

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

5308 5308 5309 5309

2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

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3 Ziele und Inhalt der Initiative

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4 Würdigung der Initiative 4.1 Fehlender Handlungsbedarf 4.2 Wirkungen 4.3 Rechtsgleichheitsgebot 4.4 Umsetzungsrechtliche Herausforderungen

5312 5312 5314 5315 5316

5 Schlussfolgerungen

5316

6 Indirekter Gegenvorschlag 6.1 Systemwechsel 6.1.1 Vernehmlassungsergebnis 6.2 Inhalt des Gegenvorschlags 6.2.1 Beurteilung des Gegenvorschlags 6.2.2 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

5317 5317 5318 5319 5319 5321

7 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des indirekten Gegenvorschlags 7.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) 7.2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) 7.3 Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (ELG)

5322 5322 5328 5329

8 Auswirkungen des indirekten Gegenvorschlags 8.1 Auswirkungen auf den Bund 8.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 8.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

5329 5329 5330 5331

9 Rechtliche Aspekte des indirekten Gegenvorschlags 9.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 9.1.1 Allgemein 9.1.2 Besteuerung des privaten Wohneigentums 9.1.3 Schuldzinsen 9.2 Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz 9.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

5333 5333 5333 5334 5335 5336 5336

5306

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» (Entwurf)

5337

Bundesgesetz über die Besteuerung des privaten Wohneigentums (Wohneigentumsbesteuerung) (Entwurf)

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

Am 23. Januar 2009 reichte der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) die in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasste eidgenössische Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» ein.

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 108b (neu)

Steuerpolitische Massnahmen zur Wohneigentumsförderung

Bund und Kantone treffen zur Förderung und zum Erhalt des selbstgenutzten Wohneigentums wirksame steuerpolitische Massnahmen.

1

2

1

Zu diesem Zweck gestalten sie namentlich die direkten Steuern wie folgt: a.

Eigentümerinnen und Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum haben ab Erreichen des Alters, ab dem die Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung einen Anspruch auf eine Altersrente vorsieht, das einmalige Wahlrecht, sich dafür zu entscheiden, dass die Eigennutzung des Wohneigentums am Wohnsitz nicht der Einkommenssteuer unterliegt.

b.

Wird das Wahlrecht ausgeübt, entfällt die Möglichkeit, die eigenheimbezogenen Schuldzinsen sowie die Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung vom steuerbaren Einkommen abzuziehen. Die Unterhaltskosten können bis zu einem Maximalbetrag von 4000 Franken jährlich abgezogen werden, wobei der Bund diesen Betrag periodisch der Teuerung anpasst. Die Kosten für Massnahmen, welche dem Energiesparen, dem Umweltschutz und der Denkmalpflege dienen, können vollumfänglich vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.

SR 101

5308

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmung zu Art. 108b (Steuerpolitische Massnahmen zur Wohneigentumsförderung) Bund und Kantone erlassen die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen. Sind diese nicht spätestens fünf Jahre nach der Annahme von Artikel 108b durch Volk und Stände in Kraft getreten, so ist Artikel 108b unmittelbar anwendbar.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Mit Verfügung vom 17. Februar 2009 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die am 23. Januar 2009 eingereichte Volksinitiative mit 111 861 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.2 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs.

Der Bundesrat unterbreitet dazu einen indirekten Gegenentwurf. Nach Artikel 97 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. September 20023 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 23. Juli 2010 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat gemäss Artikel 100 ParlG bis zum 23. Juli 2011 über die Volksinitiative zu beschliessen.

1.3

Gültigkeit

Die Volksinitiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 2 der Bundesverfassung4 (BV). Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt die Anforderungen an die Einheit der Form und der Materie. Die Volksinitiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts und erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht. Sie ist deshalb als gültig zu erklären.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

Sowohl das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19905 über die direkte Bundessteuer (DBG) wie auch das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19906 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) sehen vor, dass der Mietwert einer selbstgenutzten Liegenschaft als steuerbares Naturaleinkommen zu erfassen ist.

Der Eigenmietwert wird seit der Einführung einer direkten Bundessteuer besteuert.

Im ersten Kommentar zum Wehrsteuerbeschluss wird festgehalten, dass «in jedem 2 3 4 5 6

BBl 2009 1391 2549 SR 171.10 SR 101 SR 642.11 SR 642.14

5309

Fall auch der Mietwert einer selbst genutzten Liegenschaft oder Wohnung zum steuerbaren Einkommen gehört. Als solcher gilt der Betrag, den der Eigentümer oder Nutzniesser aufwenden müsste, um ein gleichartiges Objekt zu mieten.»7 Das DBG hat diese Regelung übernommen, indem es in Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe b den «Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen», zu den steuerbaren Erträgen aus unbeweglichem Vermögen zählt. Auch in den Kantonen gehört die Eigennutzung von Grundstücken zu den steuerbaren Einkünften (Art. 7 Abs. 1 StHG).

Das DBG sieht im Weiteren vor, dass bei der Festsetzung des Eigenmietwerts nicht nur die ortsüblichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, sondern auch die tatsächliche Nutzung durch die steuerpflichtige Person. Im Falle von zu grossen Nutzungsmöglichkeiten, die zwar objektiv vorliegen, subjektiv aber aufgrund der Verhältnisse gar nicht ausgeübt werden (z.B. nach Auszug der Kinder aus dem elterlichen Wohnhaus), wird ein sogenannter Unternutzungsabzug gewährt, der den Eigenmietwert reduziert. Knapp die Hälfte der Kantone kennt ähnliche Bestimmungen bezüglich der Unternutzung.

Einige Kantone (ZH, LU, GR, VD, GE) wenden überdies eine Härtefallregelung an, um Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer zu entlasten, deren steuerbarer Eigenmietwert einen bestimmten Prozentsatz der gesamten steuerbaren Einkünfte überschreitet. Von der Funktionsweise her kommt diese Regelung einem vorgezogenen Erlass gleich.

In allen Kantonen kann die steuerpflichtige Person ­ sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind ­ um Steuererlass ersuchen. Dieser gehört nicht zur Steuerveranlagung, sondern zum Steuerbezug. Ein Erlass kann nur erfolgen, wenn die Veranlagung abgeschlossen ist und eine rechtskräftig festgesetzte Steuer vorliegt.

Der Grundsatz der Eigenmietwertbesteuerung war jahrzehntelang unbestritten. Im Bericht der Expertenkommission zur Prüfung des Einsatzes des Steuerrechts für wohnungs- und bodenpolitische Ziele aus dem Jahr 1994 wurde stellvertretend für die herrschende Lehre festgehalten: «Das in Bund und Kantonen geltende System der Eigenmietwertbesteuerung mit Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen und Unterhaltskosten sowie
Unzulässigkeit eines Mietzinsabzuges ist aus steuerrechtlichen Überlegungen sachlich richtig und gewährleistet eine rechtsgleiche Besteuerung.

Aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips sowie aus fiskalischen Gründen sollte der Eigenmietwert dem Marktwert entsprechen. Ein gewisser Einschlag (gemäss Bundesgericht bis zu 30 Prozent) lässt sich als Instrument der Wohneigentumsförderung vertreten, allerdings nur mit Bezug auf Erstwohnungen.»8 Seither ist das System der Eigenmietwertbesteuerung aber vermehrt in Frage gestellt worden; insbesondere wurden Fragen laut über Sinn und Zweck der Besteuerung eines von breiten Bevölkerungskreisen als «fiktiv» empfundenen Einkommens. Das 7 8

Perret, Charles/Grosheintz, Pierre, 1941, Kommentar zur eidgenössischen Wehrsteuer, Zürich, S. 59.

Bericht der Expertenkommission zur Prüfung des Einsatzes des Steuerrechts für wohnungs- und bodenpolitische Ziele, 1994, erstattet dem Eidgenössischen Finanzdepartement, Bern, S. 50.

5310

Unbehagen weiter Kreise über das Besteuerungssystem im Bereich des selbstgenutzten Wohneigentums gipfelte in der Einreichung der Volksinitiative «Wohneigentum für alle». Die Vorlage wurde in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 7. Februar 1999 aber deutlich mit 58,7 Prozent abgelehnt.9 Mit dem Steuerpaket 2001 (Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die Änderung von Erlassen im Bereich der Ehe- und Familienbesteuerung, der Wohneigentumsbesteuerung und der Stempelabgaben)10 hätte ein Systemwechsel bei der Besteuerung des selbstgenutzten Wohneigentums eingeführt werden sollen. Allerdings ging das Parlament bei den Abzügen für Unterhaltskosten erheblich über die in der bundesrätlichen Botschaft vorgeschlagenen Eckwerte hinaus. Das Steuerpaket wurde in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 denn auch mit 65,9 Prozent deutlich abgelehnt.11 Seither wurde erneut versucht, in Form von parlamentarischen Vorstössen und parlamentarischen Initiativen einen Systemwechsel bei der Eigenmietwertbesteuerung herbeizuführen: ­

Die Motion von Ständerat Alex Kuprecht (05.3864) ist vom Parlament am 25. September 2007 überwiesen worden. Sie verlangt die Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts. Schuldzinsen und Unterhaltskosten sollen weiterhin in einem beschränkten Ausmass abziehbar bleiben.

­

Die am 19. Dezember 2008 eingereichte parlamentarische Initiative von Nationalrätin Kathy Riklin (08.527) sieht ebenfalls die Abschaffung des steuerbaren Eigenmietwerts vor. Allerdings sollen die Schuldzinsen auf selbstgenutztem Wohneigentum nicht mehr abziehbar sein. Ausnahmen: ein auf die ersten zehn Jahre nach dem Ersterwerb begrenzter, degressiv auszugestaltender Abzug der Hypothekarzinsen sowie die Zulassung einer abziehbaren massvollen Unterhaltskostenpauschale. Das Geschäft befindet sich in der Phase der Vorprüfung.

­

Am 19. März 2009 reichten Ständerätin Simonetta Sommaruga und Ständerat Rolf Schweiger zwei gleichlautende Motionen (09.3213 und 09.3215) ein, die ebenfalls einen Systemwechsel fordern. Der steuerbare Eigenmietwert soll abgeschafft werden. Nicht mehr abziehbar sein sollen Hypothekarzinsen, Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und Verwaltungskosten durch Dritte, ausgenommen die Kosten wirkungsvoller energetischer Sanierungen und Hypothekarzinsen während einer nicht genau bezifferten Anzahl Jahre nach dem Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Der Ständerat beschloss in der Sommersession 2009, die beiden Vorstösse von der WAK-S vorprüfen zu lassen. Da der Bundesrat in der Zwischenzeit einen indirekten Gegenentwurf ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt hatte, beschloss die vorberatende Kommission am 23. Februar 2010, die Beratung der beiden Motionen zu sistieren.

In diesen Kontext ist die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» einzubetten.

Inhaltlich handelt es sich ebenfalls um einen Systemwechsel. Dieser ist allerdings 9 10 11

BBl 1999 2912 BBl 2003 4498 BBl 2004 3943

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altersmässig auf das AHV-Alter eingeschränkt und in Form eines einmaligen Wahlrechts ausgestaltet, das Rentnerhaushalten mit Wohneigentum eine fakultative Verwendung ermöglicht.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

Die Kritik des Initiativkomitees setzt bei der als ungerecht empfundenen Eigenmietwertbesteuerung ein. Diese benachteilige Rentnerinnen und Rentner, die ihre Hypotheken abbezahlt hätten und nun mit einem gegenüber der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit bescheideneren Einkommen leben müssten. Aus Sicht des Komitees soll die Volksinitiative mithelfen, dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung aus dem Jahr 1972 Nachdruck zu verschaffen. Die Wohneigentumsförderung beruhe letztlich auch auf der Idee der Altersvorsorge: Mit Wohneigentum werde auf eine sinnvolle Weise eine Vermögensreserve für das Alter angespart, die im Pensionsalter günstiges Wohnen ermöglichen solle. Diese Zielsetzung werde konsequenterweise am besten durch schuldenfreies Wohneigentum ermöglicht. Deshalb sei langfristig schuldenfreies Wohneigentum und damit die verantwortungsbewusste Rückzahlung der Hypothekarschulden zu fördern, nicht jedoch die Verschuldung der Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer. In den Augen des Initiativkomitees dürfen jene, die ihre Hypotheken zurückbezahlt haben, steuerlich nicht bestraft werden. Diesem Umstand trage ihre Initiative Rechnung, indem sie die Rückzahlung der Hypotheken bis zum Pensionsalter und damit das schuldenfreie Wohneigentum nachhaltig fördere. Da die Initiative dazu beitrage, die heutige Belastung der Schweizer Bevölkerung mit über 600 Milliarden Franken Hypothekarschulden künftig zu verringern, schaffe sie zusätzliche wirtschaftliche Stabilität.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Fehlender Handlungsbedarf

Das heutige System der Eigenmietwertbesteuerung zeichnet sich dadurch aus, dass die zu versteuernden Eigenmietwerte im Sinne der Wohneigentumsförderung und unter Beachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung deutlich unter den Marktmietwerten liegen. Den reduzierten Eigenmietwerten stehen eine Reihe vollumfänglich abziehbarer Aufwendungen gegenüber: angefallene Unterhaltskosten, Versicherungsprämien, Verwaltungskosten Dritter sowie Schuldzinsen. Bei Letzteren besteht insofern eine Restriktion, als der Abzug bei den privaten Schuldzinsen eine Obergrenze aufweist im Umfang des steuerbaren Vermögensertrags zuzüglich weiterer 50 000 Franken. Das geltende Steuerrecht erweist sich somit namentlich in jenen Fällen als eigentumsfördernd, bei denen eine negative Liegenschaftsrechnung ausgewiesen wird, das heisst, wenn die mit dem Wohneigentum verbundenen abziehbaren Kosten den Eigenmietwert übersteigen. Der Unterhaltskostenabzug wird mit der vom Parlament beschlossenen Abschaffung der Dumont-Praxis zusätzlich erweitert, indem bei der direkten Bundessteuer seit dem 1. Januar 2010 und in den Kantonen spätestens ab dem 1. Januar 2012 auch die in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb einer vernachlässigten Liegenschaft anfallenden Instandstellungskosten (anschaffungsnaher Aufwand) abziehbar sind.

5312

Unter dem Strich wird somit die Vermögensanlage in selbstgenutztem Wohneigentum günstiger besteuert als andere Anlagen. Zudem zeigt sich bei jedem Vergleich der Steuerbelastung von Steuerpflichtigen, die das nötige Eigenkapital aufweisen, um zwischen Wohnungsmiete und Wohneigentum wählen zu können, dass die direkte Steuerbelastung (Einkommens- und Vermögenssteuer) für selbstgenutztes Wohneigentum einschliesslich allfälliger Liegenschaftssteuer regelmässig deutlich niedriger ausfällt.12 Eine steuerliche Begünstigung des Grundeigentums besteht vor allem auch bei vermögenden Wohneigentümerinnen und Wohneigentümern, welche die bestehenden Anlageinstrumente in geeigneter Weise mit ihrer Verschuldung in Verbindung bringen können. Der steuerliche Vorteil nimmt mit steigender Differenz der Anlagerendite gegenüber dem Hypothekarzins zu. Generell motiviert das bestehende Steuersystem nicht zur Tilgung der Hypothekarschulden. Es bietet denjenigen, die über genügend Mittel verfügen, um auf diese Schuldentilgung zu verzichten und ihr Geld gewinnbringender anzulegen, viele Möglichkeiten einer vorteilhaften Steuerplanung. Insbesondere die indirekte Amortisation über die Säule 3a kann sich in steuerlicher Hinsicht als besonders vorteilhaft erweisen.

Für die von der Volksinitiative anvisierte Gruppe der Rentnerinnen und Rentner besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Sowohl die verfügbare Datenbasis zum steuerbaren Einkommen als auch die Studien zur Wohlstandsverteilung und zum Erbschaftswesen in der Schweiz zeigen keine flächendeckende Notlage für Rentnerhaushalte mit Wohneigentum. Diese Sichtweise wird ebenfalls von einer im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen publizierten Studie untermauert.13 Demnach geht es der grossen Mehrheit von Rentnerinnen und Rentnern heute wirtschaftlich gut. Nur sehr wenige (rund 6 Prozent, im Gegensatz zu 8,9 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen) sind von Armut betroffen. Laut der Untersuchung verfügt nahezu jedes fünfte Rentnerpaar über ein Bruttovermögen von über einer Million Franken.

Gemäss aktuellen Zahlen für die direkte Bundessteuer aus dem Kanton Bern (Steuerjahr 2005) weisen 52 Prozent der erwerbstätigen Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer einen negativen Netto-Eigenmietwert aus, unter den Rentnerhaushalten mit Wohneigentum hingegen bloss 20 Prozent. Bei
80 Prozent der Rentnerinnen und Rentner ist der Eigenmietwert somit höher als die abziehbaren Schuldzinsen und Unterhaltskosten (positiver Netto-Eigenmietwert). Zwar wird nur bei einem vergleichsweise kleinen Teil der Rentnerhaushalte anhand des heutigen Systems der Wohneigentumsbesteuerung die Steuerlast substanziell reduziert. Die Berner Zahlen zeigen jedoch, dass der positive Netto-Eigenmietwert bei den Rentnerinnen und Rentnern mit Wohneigentum durchschnittlich bloss 12 Prozent des steuerbaren Einkommens ausmacht. Es mag individuell Härtefälle geben, die sich jedoch nicht auf Rentnerinnen und Rentner beschränken (für bestehende kantonale Härtefallregelungen vgl. Ziff. 2).

Weiter gilt es in Erinnerung zu rufen, dass sich bei der Amortisation von Hypotheken die damit verbundene Zinsbelastung reduziert, sodass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zunimmt. Dementsprechend erhöht sich auch die Steuerbelas12 13

Vgl. Zahlenbeispiel aus der Botschaft zum Steuerpaket 2001 vom 28. Februar 2001, in: BBl 2001 3029.

Wanner, Philippe/Gabadinho, Alexis, Die wirtschaftliche Situation von Erwerbstätigen und Personen im Ruhestand, in: Beiträge zur sozialen Sicherheit, Nr. 1/2008.

5313

tung. Dieser Mechanismus betrifft alle Steuerpflichtigen, die Hypotheken amortisieren, gleichermassen. Würde nun für Rentnerinnen und Rentner eine fakultative Befreiung von der Eigenmietwertbesteuerung eingeführt, wäre das insofern besonders stossend, weil diese Personen in der Vergangenheit über Jahrzehnte hinweg ihre Finanzierungskosten in Abzug bringen konnten. Verwendet die steuerpflichtige Person zur Amortisation der Hypothek Vermögen, das bisher Zins tragend angelegt wurde, so bleiben die steuerlichen Folgen minim. Dem Wegfall der steuerbaren Erträge steht der Wegfall der Hypothekarzinsen gegenüber. Eine gewisse Mehrbelastung resultiert nur dann, wenn zur Amortisation Vermögen verwendet wird, das bisher keinen steuerbaren Ertrag abgeworfen hat. In diesen Fällen ist aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit der Amortisation erhöht worden.

4.2

Wirkungen

Die von der Volksinitiative anvisierte Wahlfreiheit im Alter bedeutet in erster Linie eine Privilegierung besser gestellter Rentnerhaushalte, die entweder bereits im Erwerbsleben ihre Hypothekarschulden beseitigt haben oder dies aufgrund ausreichender finanzieller Leistungsfähigkeit im Rentenalter noch nachholen können.

Dank Einlösung des Wahlrechts (Wegfall des Eigenmietwerts, keine Belastung durch Hypothekarschulden) optimieren sie ihre steuerliche Belastung. Ist die Verschuldung beim Eintritt in das Rentenalter grösstenteils abgebaut und fällt der Abzug der Schuldzinsen steuerlich nicht mehr ins Gewicht, da keine Finanzierungskosten mehr anfallen, so können sie auf die Besteuerung des Eigenmietwerts und auf den Abzug der Schuldzinsen verzichten. Weil das vorgesehene Wahlrecht zu einem beliebigen Zeitpunkt ab Erreichen des AHV-Alters ausgeübt werden soll, besteht zudem die Möglichkeit, vom Abzug für grössere Unterhaltsarbeiten, die weit über den im Initiativtext vorgesehenen jährlichen Maximalbetrag von 4000 Franken hinausgehen, Gebrauch zu machen und erst dann den Wechsel vorzunehmen. Die Annahme der Volksinitiative würde somit viele Möglichkeiten zur Steueroptimierung bieten und sowohl beim Bund als auch bei den Kantonen zu Mindereinnahmen führen. Bei der direkten Bundessteuer würden diese jährlich rund 200 Millionen Franken betragen; für die kantonalen Einkommenssteuern liegen mangels statistischer Datengrundlagen keine Angaben vor. Berechnungen auf der Basis des Kantons Bern (Steuerjahr 2005), die sich einzig auf die direkte Bundessteuer beziehen, ergeben extrapoliert auf die Schweiz folgendes Bild: Für rund 86 Prozent der Rentnerhaushalte mit Wohneigentum, welche die direkte Bundessteuer bezahlen, wäre die Einlösung des Wahlrechts steuerlich vorteilhaft. Dies entspricht ca. 440 000 Steuerpflichtigen.

Mit der Einführung eines Wahlrechts, das auf Rentnerhaushalte mit Wohneigentum beschränkt ist, wird zwar ein Anreiz gesetzt, bis zum Erreichen des AHV-Alters die Fremdfinanzierung des Eigenheims abzubauen, um durch das schuldenfreie Wohneigentum von den Vorzügen des Systemwechsels Gebrauch zu machen. Dadurch, dass die Volksinitiative einseitig auf ältere Eigentümerinnen und Eigentümer fokussiert ist und der Systemwechsel zudem freiwillig sein soll, wird es aber kaum möglich sein, die geringe Motivation zur Tilgung der Hypothekarschulden, eines der Grundprobleme des heutigen Systems der Eigenmietwertbesteuerung, systematisch anzugehen.

5314

Die Annahme der Volksinitiative würde im Weiteren dazu führen, dass ein späterer genereller Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (zwingende Abschaffung des steuerbaren Eigenmietwerts für alle, im Gegenzug starke Einschränkung oder Aufhebung der wohneigentumsbezogenen Abzugsmöglichkeiten) alleine auf Gesetzesebene nicht ausreichen würde. Da die Verfassungsbestimmungen des Volksbegehrens konkrete Eckwerte beinhalten, die bei Einlösung des Wahlrechts als verbleibende Abzugsmöglichkeiten einzuhalten sind, erscheint eine nachträgliche Verfassungsrevision im Sinne der Gleichbehandlung aller Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer unumgänglich. Der Initiativtext sieht vor, dass der Wegfall des Eigenmietwerts zur Folge hat, dass die eigenheimbezogenen Schuldzinsen sowie die Versicherungsprämien und die Verwaltungskosten Dritter nicht mehr zum Abzug berechtigen. Abziehbar bleiben jedoch die Kosten für Massnahmen, die dem Energiesparen, dem Umweltschutz und der Denkmalpflege dienen, sowie die Unterhaltskosten bis zu einem Maximalbetrag von 4000 Franken. Je nachdem, welche Eckwerte im Rahmen eines generellen Systemwechsels gewählt würden, ergäben sich Differenzen zu den in der Volksinitiative gewählten Parametern, die aus Gründen der Gleichbehandlung auszumerzen wären. Die Umsetzung eines solchen Unterfangens wäre wegen des obligatorischen Referendums (Volks- und Ständemehr) naturgemäss aufwendiger als eine Gesetzesrevision (fakultatives Referendum mit blossem Volksmehr).

4.3

Rechtsgleichheitsgebot

Das verfassungsmässige Ziel der Wohneigentumsförderung steht, so wie es von der Initiative angestrebt wird, in Konkurrenz zu anderen gleichrangigen Verfassungsnormen, namentlich dem Gleichbehandlungsgebot. Zwischen dem Wohneigentumserhalt und dem Gebot der Rechtsgleichheit liegt ein Spannungsfeld zweier Verfassungsziele vor. Jede Unterstützung spezifischer Anliegen (im vorliegenden Fall: Rentnerinnen und Rentner mit Wohneigentum) beinhaltet zwangsläufig eine Benachteiligung aller nicht geförderten Gruppen (im vorliegenden Fall aller Mieterinnen und Mieter sowie der Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer, die noch nicht in Rente sind). Insofern stellt sich die Frage, ob mit der Einführung eines generellen Wahlrechts zur Abschaffung des Eigenmietwerts für Rentnerinnen und Rentner das Rechtsgleichheitsgebot gegenüber diesen Gruppen verletzt wird. Dem Rechtsgleichheitsgebot gegenüber der Mieterschaft wird nicht nachgelebt, wenn das Wahlrecht ausgeübt und dennoch Unterhaltskosten in der Höhe von 4000 Franken (oder sogar in unbegrenzter Höhe im Falle von sämtlichen energiesparenden, umweltschützenden oder denkmalpflegerischen Massnahmen) abgezogen werden können, wie dies die Volksinitiative vorsieht.

Wenn die Bundesverfassung den Bund zur Förderung des Wohneigentums verpflichtet, dann strebt sie vorteilhafte Rahmenbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen an. Auf Artikel 108 BV gestützte Massnahmen müssen daher allen Personen zugute kommen, die Wohneigentum erwerben wollen, und nicht bloss bestimmten Personengruppen. Die Volksinitiative will demgegenüber keine allgemeinen Förderungsmassnahmen, sondern ausdrücklich eine steuerliche Begünstigung einer bestimmten Gruppe von Eigentümerinnen und Eigentümern ­ und diese Gruppe umfasst erst noch Personen, die meistens schon lange Wohneigentum besitzen.

5315

Der Verzicht auf die Eigenmietwertbesteuerung ist unwiderruflich. Ändert sich die finanzielle Situation eines Rentners, der auf die Eigenmietwertbesteuerung verzichtet hat, weil er z.B. wegen dringender Renovationen eine Hypothek aufnehmen muss, so kann er nicht mehr auf seinen Entscheid zurückkommen. Dies hat zur Folge, dass er künftig gegenüber einem pensionierten Wohneigentümer in gleicher finanzieller Situation, der das Wahlrecht nicht beansprucht hat, ungleich besteuert wird, da er seine neu anfallenden Schuldzinsen nicht mehr zum Abzug bringen kann.

4.4

Umsetzungsrechtliche Herausforderungen

Der Blick auf die Umsetzung zeigt, dass die Volksinitiative nichts beiträgt zu einer Vereinfachung des Steuerrechts. Die Einführung eines Wahlrechts ist in einem Massenverfahren, wie es das Steuerveranlagungsverfahren ist, stets problematisch und mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden.

Der Wegfall der Abzugsmöglichkeit für eigenheimbezogene Schuldzinsen nach Inanspruchnahme des Wahlrechts führt zu einer Sonderregelung in der Handhabe privater Schuldzinsen und damit zu Abgrenzungsproblemen. Wird beispielsweise die objektmässige Methode angewandt, so sind einzig diejenigen privaten Schuldzinsen vom Abzug auszuschliessen, die auf dem selbstgenutzten Wohneigentum am Wohnsitz lasten. Alle übrigen privaten Schuldzinsen werden zum Abzug zugelassen.

Wird hingegen die quotenmässige Methode angewandt, so kommt es zu einer proportionalen Aufteilung der privaten Schuldzinsen im Verhältnis zu den Bruttoaktiven. Dies ermöglicht, den Teil der privaten Schuldzinsen zu ermitteln, der auf das selbstgenutzte Wohneigentum am Wohnsitz entfällt, dem gemäss Initiativtext keine Abzugsmöglichkeit mehr zugesprochen werden darf.

Schliesslich wird für die Umsetzung der Volksinitiative auch eine Ausführungsgesetzgebung notwendig sein, um alle Fragen und Probleme, die sich aus der offen formulierten Verfassungsbestimmung (Art. 108b Abs. 2 Bst. a und b BV) ergeben, beantworten zu können. Unklar ist unter anderem, ob das Wahlrecht bereits geltend gemacht werden kann, wenn beispielsweise nur der Ehemann das Rentenalter erreicht hat. Falls dies bejaht wird, stellt sich die Frage, ob der Eigenmietwert wieder versteuert werden muss, wenn er verstirbt, seine Frau das Rentenalter jedoch noch nicht erreicht hat.

5

Schlussfolgerungen

Die Zielsetzungen der Volksinitiative vermögen in mehrfacher Hinsicht nicht zu überzeugen: ­

5316

Der Bundesrat ist gegen eine auf einzelne Personen oder Personengruppen beschränkte Abschaffung des Eigenmietwerts. Sonderregelungen sind nur ausnahmsweise zulässig, bedürfen aber einer nachvollziehbaren Begründung. Studien zur Einkommens- und Vermögenssituation der Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz liefern keine Begründung für eine Privilegierung dieser Gruppe. Das in der Initiative geforderte Wahlrecht würde denn auch zu einer sachlich nicht begründeten Ungleichbehandlung gegenüber anderen Wohneigentümerinnen und Wohneigentümern sowie gegenüber allen Mieterinnen und Mietern führen. Das einmalige Wahlrecht könnte sich

ausserdem zum Nachteil derjenigen Rentnerinnen und Rentner auswirken, die unerwarteterweise eine Haussanierung vorzunehmen haben, sich dafür neu verschulden müssen und die entsprechenden Schuldzinsen nicht mehr abziehen können.

­

Das Steuerrecht würde unnötig verkompliziert. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand (EDV-Anpassungen für das Veranlagungswesen, Schuldzinsenaufteilung, Vorkehrungen gegen Missbräuche) ist nicht zu unterschätzen. Auch zwingt die offen gehaltene Verfassungsbestimmung zu einer Ausführungsgesetzgebung, in der alle erdenklichen Fälle zu berücksichtigen sind.

­

Von den Wirkungen her vermag die Initiative ebenfalls nicht zu überzeugen: Bezüglich der Verteilungswirksamkeit ergibt sich in erster Linie eine Privilegierung besser gestellter Rentnerhaushalte, die entweder bereits im Erwerbsleben ihre Hypothekarschulden beseitigt haben oder dies aufgrund ausreichender finanzieller Leistungsfähigkeit im Rentenalter noch nachholen können. Ausserdem würde es dadurch, dass die Volksinitiative einseitig auf ältere Eigentümerinnen und Eigentümer fokussiert ist und der Systemwechsel zudem freiwillig sein soll, kaum möglich sein, ein Grundproblem des heutigen Systems der Eigenmietwertbesteuerung, nämlich die geringe Motivation zur Tilgung der Hypothekarschulden, systematisch anzugehen.

­

Schliesslich würde die Annahme der Volksinitiative dazu führen, dass ein späterer genereller Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (zwingende Abschaffung des steuerbaren Eigenmietwerts für alle, im Gegenzug starke Einschränkung oder Aufhebung der wohneigentumsbezogenen Abzugsmöglichkeiten) alleine auf Gesetzesebene nicht ausreichen würde. Da die Verfassungsbestimmungen des Volksbegehrens konkrete Eckwerte beinhalten, die bei Einlösung des Wahlrechts als verbleibende Abzugsmöglichkeiten einzuhalten sind, erscheint eine nachträgliche Verfassungsrevision im Sinne der Gleichbehandlung aller Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer unumgänglich. Die Umsetzung eines solchen Unterfangens wäre wegen des obligatorischen Referendums (Volks- und Ständemehr) naturgemäss aufwendiger als eine Gesetzesrevision (fakultatives Referendum mit blossem Volksmehr).

Der Bundesrat lehnt daher eine auf Rentnerinnen und Rentner beschränkte fakultative Abschaffung des Eigenmietwerts ab.

6

Indirekter Gegenvorschlag

6.1

Systemwechsel

Aufgrund der negativen Beurteilung der HEV-Initiative hat der Bundesrat am 17. Juni 2009 beschlossen, dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag zu unterbreiten.

Ziel dieses indirekten Gegenentwurfs war es, die heutigen Nachteile der Eigenmietwertbesteuerung (vgl. Ziff. 4) durch eine bessere und politisch mehrheitsfähige Lösung zu ersetzen. Als steuersystematisch unabdingbare Prämisse galt dabei, dass bei einem Wegfall des Eigenmietwerts die im Zusammenhang mit der selbstgenutz5317

ten Liegenschaft stehenden Unterhaltskosten nicht mehr abgezogen werden können.

Diese stellen Gewinnungskosten dar, die untrennbar mit der Erzielung eines entsprechenden Einkommens verbunden sind. Gestützt auf diese Ausgangslage kann der Systemwechsel konsequent und in reiner Form oder mit Abfederungen oder Ausnahmen in verschiedenen Abstufungen vollzogen werden.

In dem am 4. November 2009 in die Vernehmlassung geschickten indirekten Gegenvorschlag (modifizierter Systemwechsel) sah der Bundesrat vor, die Besteuerung des Eigenmietwerts für alle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer aufzuheben und im Gegenzug die bisherigen Abzugsmöglichkeiten stark einzuschränken: auf einen zeitlich und betragsmässig begrenzten Schuldzinsenabzug bei Ersterwerb sowie auf einen Abzug der Kosten für qualitativ besonders wirkungsvolle Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen wie auch für denkmalpflegerische Arbeiten. Schuldzinsen sollten nur noch im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge abgezogen werden können. Für überwiegend selbstgenutzte Zweitliegenschaften wurde eine kantonale Sondersteuer vorgeschlagen (Zweitliegenschaftssteuer). Für diese Sondersteuer wurde während des Vernehmlassungsverfahrens ein Rechtsgutachten zur Verfassungsmässigkeit in Auftrag gegeben.

6.1.1

Vernehmlassungsergebnis

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis zum 15. Februar 2010. Die Mehrheit der Kantone und Organisationen sowie die SVP und die Grünen lehnten den indirekten Gegenentwurf ab. Drei Kantone, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren, zwei Organisationen, die SP sowie die CSP sprachen sich für den reinen Systemwechsel und damit auch gegen den Gegenentwurf aus. Die Ablehnung des Gegenvorschlags wurde im Wesentlichen damit begründet, dass er keine Vereinfachung bringe, sondern im Gegenteil zu Mehraufwand und einer Verkomplizierung führe. Zudem beinhalte er keine adäquate Wohneigentumsförderung für Neuerwerber und junge Familien, und der vorgesehene Schuldzinsenabzug widerspreche dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Schliesslich führe die Aufhebung des Unterhaltskostenabzugs zu einer Verschlechterung des Gebäudeparks und habe negative Auswirkungen auf die Baubranche. Einzig 6 Kantone, 12 Organisationen sowie die FDP.Die Liberalen, die CVP und die EDU stimmten dem Gegenentwurf mit Vorbehalten zu. Insbesondere forderten sie, dass der Ersterwerberabzug erhöht, ein massvoller Unterhaltskostenabzug beibehalten und die Steuerausfälle für Zweitliegenschaftskantone angemessen kompensiert werden müssten.14 Das im gleichen Zeitraum in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. Madeleine Simonek, Universität Zürich, zur Verfassungsmässigkeit der kantonalen Zweitliegenschaftssteuer kam zum Schluss, dass die kantonale Zweitliegenschaftssteuer als spezielle Vermögenssteuer mit Aufwandsteuerelementen zu qualifizieren ist.15 Zur vollständigen Kompensation der wegfallenden Einnahmen aus der Besteuerung des 14 15

Für Einzelheiten vgl. Ergebnisbericht auf der BK-Website: http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2009.html#EFD Simonek, Madeleine, 2010, Rechtsgutachten betreffend die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung einer Zweitliegenschaftssteuer als kantonale Sondersteuer, erstattet an das Eidgenössische Finanzdepartement: http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/01700/index.html?lang=de

5318

Eigenmietwerts müsste sie auf 4,7­9,2 Promille bzw. unter Einbezug des wegfallenden Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer auf 5,5­11,2 Promille der Bruttosteuerwerte der Zweitliegenschaften festgesetzt werden. In dieser Höhe könne der Zweitliegenschaftssteuer keine Verfassungskonformität zugesprochen werden.

Ausserdem widerspreche eine unterschiedliche Besteuerung von Zweitliegenschaften und anderen Vermögenswerten dem Grundsatz der Rechtsgleichheit.

6.2

Inhalt des Gegenvorschlags

Unter Berücksichtigung der Vernehmlassungsergebnisse und des genannten Gutachtens wird folgender Gegenvorschlag unterbreitet: An der Abschaffung des steuerbaren Eigenmietwerts für alle steuerpflichtigen Personen soll festgehalten werden.

Systemkonform sollen die Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und Verwaltungskosten durch Dritte bei selbstgenutztem Wohneigentum nicht mehr zum Abzug zugelassen werden. Davon ausgenommen sind die Kosten für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen, die konkreten energetischen und ökologischen Anforderungen entsprechen müssen, und die Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten. Die privaten Schuldzinsen sollen abziehbar sein, soweit sie dazu dienen, steuerbaren Vermögensertrag zu generieren und somit Gewinnungskostencharakter haben. Um den unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, sind sie im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge zum Abzug zugelassen (vgl.

Ziff. 6.2.1). Weiter kommt für Ersterwerber von selbstgenutztem Wohneigentum ein zeitlich und betragsmässig begrenzter Abzug der Hypothekarzinsen zum Tragen (sogenannter Ersterwerberabzug). Auf eine Sondersteuer für Zweitliegenschaften ­ wie dies in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehen war ­ soll verzichtet werden.

Schliesslich ist bei der direkten Bundessteuer Aufkommensneutralität sicherzustellen.

6.2.1

Beurteilung des Gegenvorschlags

Die im indirekten Gegenvorschlag vorgenommenen Gesetzesänderungen stellen im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage einen substanziellen Schritt in Richtung Vereinfachung des Einkommenssteuersystems dar.

Die generelle Abschaffung des Eigenmietwerts entspricht der überwiesenen Motion Kuprecht und deckt sich in diesem Punkt auch mit den Forderungen aus den Motionen 09.3213 und 09.3215 (vgl. Ziff. 2). Da die im Zusammenhang mit selbstgenutzten Liegenschaften stehenden Unterhaltskosten Gewinnungskosten darstellen, die untrennbar mit der Erzielung eines entsprechenden Einkommens (Eigenmietwert) verbunden sind, ist es aus steuersystematischen Gründen unabdingbar, dass diese Unterhaltskosten bei einem Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung nicht mehr abgezogen werden dürfen. Deshalb soll die Motion Kuprecht, die einen limitierten Unterhaltskostenabzug fordert, in diesem Punkt nicht umgesetzt werden. Dadurch, dass hochwertige Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen weiterhin zum Abzug gebracht werden können und die Abzugsmöglichkeit für Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten unangetastet bleiben soll, verbleiben in spezifischen Bereichen steuerliche Anreize beim Liegenschaftsunterhalt. Anzumerken bleibt, dass in energetischer Hinsicht die entsprechenden Forderungen aus den Motionen 09.3213 5319

und 09.3215 erfüllt werden (vgl. Ziff. 2). Auch deckt sich die Stossrichtung nach mehr Effektivität und Effizienz im Bereich der energetischen Investitionen im privaten Gebäudebereich mit der überwiesenen Motion 09.3014 (vgl. Ziff. 6.2.2).

Mit dem Wegfall des steuerbaren Eigenmietwerts können auch die Schuldzinsen für die selbstgenutzte Liegenschaft nicht mehr abgezogen werden. Soweit die privaten Schuldzinsen jedoch Gewinnungskostencharakter haben (zum Beispiel im Zusammenhang mit vermieteten Liegenschaften), sollen sie weiterhin zum Abzug berechtigen. Keinen Gewinnungskostencharakter haben beispielsweise Schuldzinsen, die für die Finanzierung von Luxusgütern geleistet werden. Weil Schuldzinsen somit nur teilweise Gewinnungskostencharakter haben und es schwierig ist, sie bestimmten Vermögenserträgen zuzuordnen, sollen sie nur im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge zugelassen werden. Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie praktikabel ist, wenig Möglichkeiten zur Steuerplanung eröffnet und mit Blick auf den Verfassungsauftrag zur Wohnbau- und Wohneigentumsförderung (Art. 108 BV) die Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer nicht schlechter stellt als andere Personen. Diese Gefahr hätte hingegen bestanden, wenn statt der vorliegenden Regelung andere Lösungsansätze vorgezogen worden wären wie die objektmässige oder die proportionale Methode. In beiden Fällen wäre erschwerend der erhebliche Zusatzaufwand für die Veranlagungsbehörden hinzugekommen. Mit der Beschränkung auf 80 Prozent ist eine gegenüber der Vernehmlassungsvorlage restriktivere Lösung gewählt worden. Generell kann festgehalten werden, dass der Anreiz, eine Fremdverschuldung vorzunehmen, umso stärker sinkt, je tiefer die Limite angesetzt wird. Dies gilt für alle Formen von Wohneigentum, ob selbstbewohnt oder vermietet.

Im Übrigen ist ein sogenannter Ersterwerberabzug vorgesehen: Personen, die erstmals selbstbewohntes Wohneigentum kaufen, können zeitlich und betragsmässig begrenzt Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehen, zum Abzug bringen. Auf diese Weise wird der überwiesenen Motion Kuprecht, wonach Schuldzinsen bis zu einem beschränkten Ausmass abziehbar bleiben sollen, Rechnung getragen.

Schliesslich wird die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehene kantonale Sondersteuer für Zweitliegenschaften
wegen mangelnder Verfassungskonformität (vgl.

Ziff. 6.1.1) nicht weiterverfolgt. Mit deren Wegfall entfällt eine drohende vertikale Disharmonisierung, weil auf Bundesebene keine Sonderbelastung von Zweitliegenschaften vorgesehen gewesen wäre. Es bleibt künftig den Kantonen überlassen, ob und wie sie die Mindereinnahmen durch den Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung bei Zweitliegenschaften kompensieren wollen.

Die Kantone können zum Beispiel ­ ohne dass dies im Steuerharmonisierungsgesetz verankert wird ­ eine Kostenanlastungssteuer einführen, um zumindest einen Teil der wegfallenden Einnahmen aus der Eigenmietwertbesteuerung auf Zweitliegenschaften zu kompensieren. Mit einer sachgerechten Kostenanlastung werden bestimmte Aufwendungen des Gemeinwesens ganz oder teilweise auf diejenigen Personen überwälzt, die zu diesen Aufwendungen eine nähere Beziehung haben als andere Steuerpflichtige oder denen diese Aufwendungen in besonderem Masse anzulasten sind. Kostenanlastungssteuern durchbrechen das konzeptionelle Lastenverteilungsprinzip, das dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung zugrunde liegt. Sie sind deshalb nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Insbesondere dürfen die Gesamteinnahmen aus einer Kostenanlastungssteuer nicht höher sein, als für die Finanzierung der bestimmten Aufwendungen notwendig ist. Das Rechtgut5320

achten Zweitliegenschaftssteuer kommt zum Schluss, dass die Erhebung einer Kostenanlastungssteuer auf den Zweitliegenschaften aus verfassungsrechtlicher Sicht der unbedenklichste Weg wäre, wenn zwei zentrale Voraussetzungen gegeben sind: ­

Das steuererhebende Gemeinwesen kann die für eine Kostenanlastung notwendigen Kostenrechnungen erstellen.

­

Es müssen bestimmte Aufwendungen vorliegen, die besonders von den Zweitliegenschaften verursacht sind oder ihnen besonders zugute kommen.

Das Bundesgericht umschreibt die Voraussetzungen zur Erhebung einer Kostenanlastungssteuer in seiner ständigen Rechtsprechung wie folgt: «Eine Kostenanlastungssteuer setzt als Sondersteuer voraus, dass sachlich haltbare Gründe bestehen, die betreffenden staatlichen Aufwendungen der erfassten Personengruppe anzulasten. Zudem muss die allfällige Abgrenzung nach haltbaren Kriterien erfolgen; andernfalls verletzt die Abgabe das in Artikel 8 BV enthaltene Gleichheitsgebot.»16 Allerdings ist festzustellen, dass eine Kostenanlastungssteuer von ihrem Konzept her nicht geeignet ist, die Mindereinnahmen aus dem Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung vollständig zu kompensieren. Dies erweist sich notabene für die betroffenen Tourismuskantone als Nachteil.

6.2.2

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion Kuprecht (05.3864) verlangt die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung. Schuldzinsen und Unterhaltskosten sollen in einem beschränkten Ausmass weiterhin abziehbar bleiben.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf kommt der Bundesrat diesem Anliegen ­ mit Ausnahme eines beschränkten Unterhaltskostenabzugs ­ nach. Unterhaltskosten sind wie bereits mehrfach erwähnt Gewinnungskosten und können nur abgezogen werden, wenn ihnen ein steuerbares Einkommen gegenübersteht. Dadurch, dass besonders wirkungsvolle Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen weiterhin zum Abzug gebracht werden können und der Abzug der Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten unangetastet bleiben soll, verbleiben in spezifischen Bereichen des Liegenschaftsunterhalts steuerliche Anreize. Die Motion kann daher, sofern das Parlament den indirekten Gegenvorschlag gutheisst, abgeschrieben werden.

Die Motion der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (09.3014) verlangt, dass die Effektivität und Effizienz der Steuerabzüge bei der direkten Bundessteuer für energetische Investitionen bei Liegenschaften des Privatvermögens erhöht werden, indem die Steuerabzüge an minimale Energiestandards auszurichten sind. Der vorliegende indirekte Gegenvorschlag setzt diese Forderung um. Sofern das Parlament diesem Aspekt des indirekten Gegenvorschlags zustimmt, kann der genannte Vorstoss abgeschrieben werden.

16

BGE vom 14. Mai 2001, 2P.199/2000

5321

7

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des indirekten Gegenvorschlags

7.1

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)

Art. 21 Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe b DBG des geltenden Rechts enthält die zentrale Bestimmung zur Besteuerung des privaten Wohneigentums, indem er festhält, dass der Mietwert von Liegenschaften, die der steuerpflichtigen Person aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen, als Einkommen steuerbar ist. Absatz 2 regelt, wie der Eigenmietwert festzusetzen ist, nämlich nach dem Marktwert und der tatsächlichen Nutzung. Mit der Aufhebung dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der Eigenmietwert nicht mehr steuerbar ist. Die Nichtberücksichtigung des Eigenmietwerts als steuerbares Einkommen muss nicht ausdrücklich gesetzlich festgehalten werden, da die Eigennutzung von Vermögenswerten nur bei gesetzlicher Regelung, wie im geltenden Recht betreffend den Eigenmietwert, steuerbar ist. Mit der Aufhebung von Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 DBG drängt sich eine Totalrevision des Artikels auf. Neu besteht Artikel 21 aus einem Absatz mit den Buchstaben a-c.

Die bisherigen Buchstaben c und d werden neu zu den Buchstaben b und c.

Art. 32

Gewinnungskosten

Artikel 32 DBG des geltenden Rechts regelt, welche Kosten sowohl beim beweglichen als auch beim unbeweglichen Privatvermögen steuerlich abziehbar sind. Diese Bestimmung ist aufgrund der Neukonzeption der Besteuerung des privaten Wohneigentums auf drei Artikel (32 sowie 32a und 32b) aufzugliedern, indem bei den abziehbaren Kosten zwischen dem beweglichen und dem unbeweglichen Privatvermögen zu unterscheiden ist.

Der neue Artikel 32 DBG entspricht dem bisherigen Absatz 1 von Artikel 32 und regelt die vollständig abziehbaren Gewinnungskosten im Bereich des beweglichen Privatvermögens (Verwaltung durch Dritte und die weder rückforderbaren noch anrechenbaren ausländischen Quellensteuern).

Art. 32a (neu)

Liegenschaften

Da bei selbstgenutztem Wohneigentum die Besteuerung des Eigenmietwerts wegfällt, sind konsequenterweise auch die Liegenschaftskosten (Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, Versicherungsprämien, Kosten für die Vermögensverwaltung durch Dritte) nicht mehr abziehbar.

Artikel 32a erwähnt die Ausnahmen zu diesem Grundsatz. Liegenschaften im Geschäftsvermögen sind von der Regelung ausgeschlossen.

Abs. 1 Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sind nur noch abziehbar, wenn sie hohen energetischen und ökologischen Anforderungen genügen. Die konkrete Ausgestaltung ist in Zusammenarbeit mit den Kantonen vorzunehmen. Eine solche Regelung orientiert sich an der am 11. Juni 2009 überwiesenen Motion der WAK-S «Mehr Effektivität und Effizienz bei den Steuerabzügen für energetische Gebäudesanierungen (09.3014)», die mit einer Revision der EFD-Verordnung über die 5322

Massnahmen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien (SR 642.116.1) umgesetzt werden soll.

Bei dieser Abzugsmöglichkeit geht es darum, gezieltere Anreize für Investitionen im Energiespar- und Umweltschutzbereich zu schaffen. Die Messlatte soll entsprechend hoch angesetzt werden. Das heisst konkret, dass die im geltenden Recht abziehbaren Kosten für den Ersatz von Haushaltsgeräten mit grossem Stromverbrauch (Kochherd, Backofen, Tiefkühler etc.) künftig ihre Abzugsberechtigung im Sinne einer Massnahme zur rationellen Energieverwendung verlieren. Dies erscheint insofern vertretbar, als sich die heutige Technik gegenüber dem Stand vor 10­15 Jahren auch bezüglich Stromersparnis weiterentwickelt hat. Derartige Energiesparmassnahmen sind besonders anfällig für Mitnahmeeffekte. Solche treten auf, wenn Personen von der öffentlichen Hand finanzielle Beiträge (Steuerabzug oder Direktbeiträge) für eine Handlung erhalten, die sie auch ohne staatliche Förderung vorgenommen hätten. Durch die revidierte Energieverordnung, Änderung vom 24. Juni 2009 (EnV; SR 730.01) sind die Weichen gestellt worden, den Stromverbrauch von Haushaltgeräten zu senken. Solche Geräte dürfen nur noch verkauft werden, wenn sie die festgelegten Effizienzanforderungen erfüllen.

Damit eine energiesparende oder dem Umweltschutz dienende Massnahme weiterhin zum Abzug berechtigt, ist ihre Qualität an noch genauer zu definierende Anforderungen zu knüpfen. Dies kann in Bezug auf die Anschaffung haustechnischer Anlagen zur Wärmeerzeugung über erforderliche Qualitäts- oder Gütesiegel erfolgen, während für Sanierungen im Bereich der Gebäudehülle konkrete Vorgaben zur Einhaltung der Wärmedämmung eine entscheidende Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit bilden. Damit die von der Motion (09.3014) geforderte Effektivitäts- und Effizienzsteigerung eingehalten wird, hat sie aus Verwaltungssicht die Bedingungen der Vollzugstauglichkeit und des vertretbaren Aufwands für die kantonalen Veranlagungsbehörden zu erfüllen.

Wie schon im geltenden Recht ist auf Verordnungsstufe der Ausschluss subventionierter Investitionen sicherzustellen: Werden die zum Abzug berechtigenden Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen durch öffentliche Gemeinwesen subventioniert, so kann der Abzug nur auf dem Teil geltend gemacht werden, der von der
steuerpflichtigen Person selbst getragen wird.

Abs. 2 Der Abzug für die Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten erfährt gegenüber dem geltenden Recht keine Änderung. Die neue Platzierung im DBG ist rein gesetzestechnisch bedingt.

Art. 32b (neu)

Vermietete und verpachtete Liegenschaften

Abs. 1 Bei vermieteten oder verpachteten Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten (einschliesslich der Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Grundstücken nach dem Wegfall der Dumont-Praxis), die Versicherungsprämien und die Kosten für die Vermögensverwaltung durch Dritte weiterhin abgezogen werden.

5323

Abs. 2 und 3 Die Kosten werden anteilsmässig berücksichtigt, wenn die Liegenschaft bloss teiloder zeitweise an Dritte vermietet ist. Damit wird sichergestellt, dass nur diejenigen Kosten abziehbar sind, denen Gewinnungskostencharakter zukommt. Werden vermietete oder verpachtete Liegenschaften zeitweise vom Eigentümer oder von der Eigentümerin selbst genutzt, so werden die Kosten entsprechend dem Anteil der Miet- oder Pachtdauer am Steuerjahr zur Eigennutzung zum Abzug zugelassen.

Abs. 4 In Absatz 4 wird festgehalten, dass die Nutzung einer Liegenschaft im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Vermietung gilt. Bei gemischt genutzten Liegenschaften, das heisst bei Liegenschaften, die sowohl geschäftlich wie auch privat genutzt werden, gilt die sogenannte Präponderanzmethode. Das geltende Recht bezeichnet als Geschäftsvermögen alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbstständigen Erwerbstätigkeit dienen. Das bedeutet, dass die Liegenschaft entweder ganz zum Geschäftsvermögen oder vollständig zum Privatvermögen gehört, je nachdem, welcher Teil der Nutzung überwiegt. Eine Liegenschaft, in welcher der kleinere Teil der selbstständigen Erwerbstätigkeit dient, wird vollständig dem Privatvermögen zugerechnet, womit die auf den geschäftlich genutzten Teil anfallenden Abzüge nicht geltend gemacht werden könnten. Um dies zu vermeiden, sollen die im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit genutzten Teile als vermietet gelten.

Abs. 5 Die Investitionskosten für besonders wirkungsvolle Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sowie für denkmalpflegerische Arbeiten sollen auch bei teiloder zeitweise vermieteten wie auch verpachteten Liegenschaften vollständig abziehbar sein.

Abs. 6 Die Möglichkeit, anstelle der effektiven Liegenschaftskosten einen pauschalen Abzug vorzunehmen, soll bezüglich vermieteter oder verpachteter Liegenschaften bestehen bleiben. Bei nur teil- oder zeitweiser Vermietung oder Verpachtung ist die Pauschale anteilsmässig zu kürzen. Aufgrund der Unterteilung des geltenden Artikels 32 wird diese Regelung leicht umformuliert und im neuen Artikel 32b eingeordnet. Inhaltlich stimmt der Absatz jedoch mit dem geltenden Artikel 32 Absatz 4 DBG überein.

Art. 33 Abs. 1 Bst. a Diese Bestimmung enthält die Generalklausel der steuerlichen Behandlung der privaten Schuldzinsen,
wonach diese im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehbar sind (vgl. detaillierte Ausführungen in Ziff. 6.2.1 und 9.1.3).

Bei der Berechnung des maximal zulässigen Schuldzinsenabzugs ist zu beachten, dass sich die Erträge aus beweglichem und unbeweglichem Privatvermögen wie im geltenden Recht brutto bemessen, d.h. vor Abzug der darauf entfallenden Gewinnungskosten.

5324

Der im geltenden Recht verankerte Zinsüberhang von 50 000 Franken entfällt mit der Abschaffung des Eigenmietwerts bei selbstgenutzten Liegenschaften. Eine über die genannte Generalklausel hinausgehende Abzugsmöglichkeit für private Schuldzinsen ist nicht mehr gerechtfertigt. Jeder Zinsenüberschuss über den Bruttovermögensertrag hinaus wird als Zinsaufwand für Schulden angesehen, die entweder zur Finanzierung des Konsums oder einer Investition ohne steuerbare Erträge dienen.

Die bisher enthaltene Regelung, wonach Schuldzinsen für Darlehen, die eine Kapitalgesellschaft einer an ihrem Kapital massgeblich beteiligten oder ihr sonst wie nahe stehenden natürlichen Person zu besonders vorteilhaften Bedingungen gewährt, nicht abzugsfähig sind, ist neu in Artikel 34 integriert.

Abs. 3 und 4 (neu) Die Ergreifung flankierender Massnahmen zugunsten neuer Eigentümerinnen und Eigentümer erweist sich als notwendig und ist weitgehend unbestritten. Erfahrungsgemäss müssen sich Personen beim erstmaligem Kauf von Wohneigentum oftmals stark verschulden. Der im geltenden Recht verankerte Abzug privater Schuldzinsen übt daher für Steuerpflichtige, die Wohneigentum erwerben, einen steuerlichen Anreiz aus. Da dieser Anreiz bei einem Systemwechsel wegfällt, wird für Ersterwerber eine Ausnahmeregelung gefordert, indem ihnen für eine beschränkte Zeit trotz Wegfalls des Eigenmietwerts der volle oder ein teilweiser Schuldzinsenabzug gestattet werden soll. Diese Sonderregelung ist gerechtfertigt, um den verfassungsmässigen Auftrag der Wohneigentumsförderung zu erfüllen, und bezieht sich auf den erstmaligen Kauf von selbstbewohntem Wohneigentum in der Schweiz.

Gleich wie beim Steuerpaket 2001 (Art. 33 Abs. 1bis) und in Übereinstimmung mit den Motionen Sommaruga (09.3213) und Schweiger (09.3215) ist daher eine spezielle Regelung für Ersterwerber vorzusehen. Steuerpflichtigen, die an ihrem Wohnort erstmals eine dauernd und ausschliesslich selbstbewohnte Liegenschaft gekauft haben, soll es ermöglicht werden, ihre Schuldzinsen, die in einem direkten Zusammenhang mit der Liegenschaft stehen (insb. Hypothekarzinsen) zum Abzug zu bringen. Diese spezielle Regelung wird auf 10 Jahre ab Erwerb beschränkt. Sie gilt nur bei entgeltlichem Erwerb (Kauf) der Liegenschaft, nicht aber bei unentgeltlichem Erwerb (Erbgang oder Schenkung). Die
in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebenden Steuerpflichtigen (dasselbe gilt für eingetragene Partnerschaften) können die im direkten Zusammenhang stehenden Schuldzinsen für selbstbewohntes Wohneigentum höchstens bis zum Betrag von 10 000 Franken abziehen, die übrigen steuerpflichtigen Personen bis zum Betrag von 5000 Franken. Dies gilt analog auch für Steuerpflichtige, denen an einer Liegenschaft ein Nutzniessungsrecht zusteht.

Der Ersterwerberabzug wird im ersten Steuerjahr nach dem Liegenschaftskauf das erste Mal vorgenommen. Das Steuerjahr, in dem der Kauf abgeschlossen wird, wird noch nicht berücksichtigt. In den folgenden 10 Steuerjahren vermindert sich die Abzugsmöglichkeit pro Jahr um 10 Prozent des Höchstbetrags, das heisst jeweils um 1000 bzw. 500 Franken. So ist die Gleichbehandlung aller Käuferinnen und Käufer unabhängig vom Kaufdatum sichergestellt.

Die generelle Regelung zur Abzugsmöglichkeit für private Schuldzinsen nach Artikel 32 Absatz 1 sowie für Ersterwerberinnen und Ersterwerber nach Artikel 33 Absatz 3 wirkt sich auf die steuerpflichtige Person wie folgt aus: 1.

Sie verfügt über keine steuerbaren Vermögenserträge: Es ist kein Abzug privater Schuldzinsen mehr möglich.

5325

2.

Sie verfügt über steuerbare Vermögenserträge: Sie kann private Schuldzinsen im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehen.

3.

Sie verfügt über keinen steuerbaren Vermögensertrag und erwirbt erstmals selbstbewohntes Wohneigentum: Sie kann während 10 Jahren im Umfang des Ersterwerberabzugs die privaten Schuldzinsen abziehen.

4.

Sie verfügt über steuerbare Vermögenserträge und erwirbt erstmals selbstbewohntes Wohneigentum: Sie kann die privaten Schuldzinsen im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehen. Diese Limite erhöht sich um den jeweiligen Ersterwerberabzug. Keinesfalls kann die steuerpflichtige Person mehr Schuldzinsen abziehen, als sie effektiv bezahlt hat.

Zur Verdeutlichung einige einfache Zahlenbeispiele zum Grundsatz der Abzugsmöglichkeit für private Schuldzinsen im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge sowie zum Ersterwerberabzug: Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Grundsatz steuerbarer Vermögensertrag (100 %)

­

1 250

1 250

1 250

80 % des steuerbaren Vermögensertrags

­

1 000

1 000

1 000

private Schuldzinsen effektiv abziehbare private Schuldzinsen

800

800

1 000

1 100

­

800

1 000

1 000

20 000

20 000

20 000

­

Ersterwerberabzug (Ehepaar) steuerbarer Vermögensertrag (100 %) 80 % des steuerbaren Vermögensertrags

16 000

16 000

16 000

­

max. Ersterwerberabzug im 1. Jahr

10 000

10 000

10 000

10 000

max. möglicher Abzug

26 000

26 000

26 000

10 000

private Schuldzinsen effektiv

25 000

30 000

40 000

8 000

abziehbare private Schuldzinsen

25 000

26 000

26 000

8 000

Den Zahlenbeispielen ist zu entnehmen, dass aufgrund der neuen Schuldzinsenregelung eine steuerpflichtige Person ohne steuerbaren Vermögensertrag keine privaten Schuldzinsen mehr zum Abzug bringen kann (Tabelle 1, Spalte 2). Dies entspricht dem steuersystematisch richtigen Grundsatz, wonach Gewinnungskosten zum Abzug berechtigen, Lebenshaltungskosten hingegen nicht. Ausnahmefall: im Rahmen des Ersterwerberabzugs (Tabelle 2, Spalte 5). Sofern hingegen steuerbarer Vermögensertrag vorliegt, können die privaten Schuldzinsen zum Abzug gebracht werden ­ allerdings nur im Umfang von 80 Prozent des ausgewiesenen Ertrags. Hier zeigt das Beispiel in Tabelle 1, Spalte 5, welche Folgen die gegenüber der Vernehmlassungsvorlage restriktivere Lösung zeitigt.

Bezüglich der Einmaligkeit des Ersterwerberabzugs ist sicherzustellen, dass mögliches Missbrauchspotenzial eingedämmt wird. Dies kann eine administrative Herausforderung sein, die jedoch im Rahmen der behördlichen Auskunftspflichten zwischen den Kantonen zu bewältigen ist.

5326

Abs. 5 (neu) Der Ersterwerberabzug entfällt, wenn die Liegenschaft veräussert wird oder dem Eigentümer oder der Eigentümerin nicht mehr als Eigenheim dient. Erwirbt die steuerpflichtige Person jedoch innert angemessener Frist eine gleich genutzte Ersatzliegenschaft in der Schweiz, so kann sie den Abzug während der verbleibenden Jahre weiterhin geltend machen. Gemäss kantonaler Praxis muss eine Ersatzbeschaffung innert ein bis zwei Jahren erfolgen. Auf eine Ersatzbeschaffung nach Ablauf dieser Frist findet diese Bestimmung keine Anwendung. Diese Regelung orientiert sich an den entsprechenden Bestimmungen bei der Grundstückgewinnsteuer (vgl.

Art. 12 Abs. 3 Bst. e StHG).

Art. 34 Bst. f (neu) Artikel 34 erwähnt in nicht abschliessender Weise jene Kosten, die nicht abziehbar sind. Darunter fallen auch Schuldzinsen für Darlehen, die eine Kapitalgesellschaft einer an ihrem Kapital massgebend beteiligten oder ihr sonst wie nahe stehenden natürlichen Person zu Bedingungen gewährt, die erheblich von den im Geschäftsverkehr unter Dritten üblichen Bedingungen abweichen. Dieser bisher in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Satz erwähnte Sachverhalt wird aus gesetzestechnischen Gründen (unverändert) in Artikel 34 übernommen.

Art. 205d (neu)

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Wie oben dargelegt, sollen Steuerpflichtige, die erstmals eine dauernd und ausschliesslich selbstbewohnte Liegenschaft gekauft haben, ihre privaten Schuldzinsen steuerlich abziehen können. Der Ersterwerberabzug ist zeitlich und betragsmässig beschränkt (vgl. Art. 33 Abs. 3­5). Steuerpflichtige, die ihr Wohneigentum vor Inkrafttreten der neuen Regelung erworben haben, können von dieser Regelung nicht profitieren. Je kürzer der Liegenschaftserwerb vor Inkrafttreten der neuen Regelung erfolgt, desto ungerechter mag dies den Betroffenen erscheinen. Im Sinne der Rechtsgleichheit erscheint es gerechtfertigt, eine Übergangsbestimmung vorzusehen, die es erlaubt, dass auch Personen, die vor Inkrafttreten der neuen Regelung erstmals Wohneigentum gekauft haben, in deren Genuss kommen. Die Übergangsbestimmung sieht daher vor, dass für Steuerpflichtige, die höchstens 10 Jahre vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Änderungen erstmals ein Eigenheim käuflich erworben haben, Artikel 33 Absätze 3­5 analog gilt. Somit kann die steuerpflichtige Person, die z.B. 3 Jahre vor Inkrafttreten der neuen Regelung erstmals eine selbstbewohnte Liegenschaft gekauft hat, ihre privaten Schuldzinsen nach Inkrafttreten noch 7 Jahre gemäss Artikel 33 Absätze 3­5 abziehen. Dies gilt aber nur bei ununterbrochenem Eigentum. Verkauft ein Ersterwerber seine Liegenschaft und kauft dann einige Jahre später ­ zwar noch innerhalb der 10-Jahres-Frist, aber nicht mehr innert angemessener Frist nach Artikel 33 Absatz 5 ­ eine neue Liegenschaft zum Eigengebrauch, so findet die Übergangsbestimmung keine Anwendung. Wird hingegen innert angemessener Frist nach Artikel 33 Absatz 5 eine Ersatzliegenschaft erworben, so kommt die Übergangsbestimmung zur Anwendung.

Kann aufgrund der Übergangsbestimmung nach deren Inkrafttreten während einer bestimmten Anzahl Jahre der Ersterwerberabzug geltend gemacht werden, so werden die Höhe und die jährliche Verminderung des Abzugs nicht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung, sondern vom Zeitpunkt des Liegenschaftskaufs an gerechnet. Das heisst, dass die steuerpflichtige Person nach dem obigen Beispiel den 5327

Ersterwerberabzug noch 7 Jahre lang gemäss Artikel 33 Absätze 3­5 geltend machen kann. Dieser beträgt im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten (im vierten Jahr nach dem Liegenschaftskauf) noch 7000 (Ehepaar) bzw. 3500 Franken (Übrige) und wird anschliessend jedes Jahr um 1000 bzw. 500 Franken reduziert.

7.2

Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)

Art. 7 Abs. 1 erster Satz Bei der Aufzählung der Einkünfte ist der Begriff «Eigennutzung von Grundstücken» zu streichen, da dieser Wert nicht mehr besteuert werden soll.

Art. 9 Abs. 2 Bst. a, 3 sowie 3bis­3quinquies (neu) Es wird auf die Erläuterungen zu den Artikeln 32, 32a, 32b und 33 Absatz 1 Buchstabe a sowie Absätze 3-5 DBG verwiesen.

Im Gegensatz zum DBG regelt das StHG die Abzugsmöglichkeit für Gewinnungskosten (darunter können auch Schuldzinsen fallen) und die allgemeinen Abzüge in Artikel 9 Absatz 1 mittels einer Generalklausel. In Absatz 2 Buchstabe a sind die privaten Schuldzinsen als allgemeine Abzüge erwähnt. In der Sache besteht kein Unterschied zu den neuen DBG-Regelungen.

Bei den Investitionskosten für denkmalpflegerische Arbeiten ergeben sich gegenüber dem geltenden Recht keine Änderungen. Die Kann-Vorschrift bleibt im StHG verankert. Die neue Platzierung ist rein gesetzestechnisch bedingt.

Art. 72m (neu)

Anpassung der kantonalen Gesetzgebung an die Änderung vom ...

Die Bestimmungen zur Besteuerung des privaten Wohneigentums sollen sowohl bei der direkten Bundessteuer wie auch in den Kantonen gleichzeitig in Kraft gesetzt werden. Insbesondere die gleichzeitige Inkraftsetzung in allen Kantonen ist zwingend geboten. Es kann nicht angehen, dass im Kanton A die neuen Bestimmungen bereits umgesetzt sind, während im Kanton B noch die bisherige Regelung gilt.

Andernfalls drohen bei interkantonalen Verhältnissen unlösbare Ausscheidungsprobleme.

Es ist vorgesehen, dass nach dem Inkrafttreten des Bundesrechts die bundesrechtlichen Bestimmungen direkt Anwendung finden, wenn ihnen das kantonale Steuerrecht widerspricht. Die Kantonsregierungen erhalten die Kompetenz, in einem solchen Fall die erforderlichen vorläufigen Vorschriften zu erlassen.

Steuerpflichtige und Kantone brauchen eine angemessene Übergangsfrist, damit genügend Zeit für die notwendigen Anpassungen bleibt (Hypothekarverschuldung, Renovationen und Verankerung im kantonalen Recht). Der Bundesrat wird daher den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes so festlegen, dass dies frühestens fünf Jahre nach der Schlussabstimmung im Parlament erfolgt.

5328

Art. 78e (neu)

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 205d DBG verwiesen.

7.3

Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG)

Der Mietwert einer Wohnung (Eigenmietwert), die von der Person bewohnt wird, die daran Eigentum oder Nutzniessung hat, wird heute als Nettomietzins angesehen.

Zu diesem Nettomietzins wird die Pauschale für die Nebenkosten nach Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe e des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) hinzugerechnet, und der entstehende Bruttomietzins wird in der Berechnung der Ergänzungsleistungen als Ausgabe angerechnet (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. b ELG).

Auf der anderen Seite wird der Eigenmietwert als Einnahme aufgerechnet (vgl.

Art. 11 Abs. 1 Bst. b ELG). Durch den Wegfall der Besteuerung des Eigenmietwerts wird dieser bei den Ergänzungsleistungen künftig nicht mehr als Einnahme angesehen. Dies wird in Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe f ausdrücklich geregelt. Folgerichtig ist der Eigenmietwert (als Mietzinsausgabe) auch nicht mehr bei den Ausgaben zu berücksichtigen. Dazu dient der neue Buchstabe c von Artikel 10 Absatz 1.

Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen können als Ausgaben berücksichtigt werden, jedoch nur bis zur Höhe des Bruttoertrags der Liegenschaft (vgl. Art. 10 Abs. 3 Bst. b ELG). Bei selbstbewohntem Wohneigentum entspricht der Eigenmietwert dem Bruttoertrag. Die für die Ergänzungsleistungen zuständigen kantonalen Stellen ermitteln den Eigenmietwert nicht selber, sondern stellen auf die Bemessung für die Steuern ab. Durch den Wegfall der Besteuerung des Eigenmietwertes liegt dieser Wert für die zuständigen kantonalen Stellen nicht mehr vor. Daher ist eine andere Begrenzung zu finden. Neu wird auf den Betrag der maximal möglichen Mietzinsausgaben für Ehepaare (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 ELG) abgestellt.

8

Auswirkungen des indirekten Gegenvorschlags

8.1

Auswirkungen auf den Bund

Statisch betrachtet und bezogen auf das Steuerjahr 2008, würde der indirekte Gegenvorschlag unter Ausklammerung der neuen Abzüge für qualitativ hochwertige Energiesparmassnahmen und nach einem erstmaligen Kauf von selbstbewohntem Wohneigentum bei der direkten Bundessteuer zu Mehrerträgen von ca. 750 Millionen Franken führen. In diesen Berechnungen noch nicht berücksichtigt sind systemwechselbedingte Verhaltensänderungen von Wohneigentümerinnen und -eigentümern mit genügend grossen Einkommen oder Vermögen, die frei wählen können, inwieweit sie ihr Wohneigentum mit Eigen- oder mit Fremdkapital finanzieren (sogenannte nicht vermögensrestringierte Wohneigentümer) und im neuen System ihren Fremdkapitalanteil aus steuerlichen Gründen abbauen werden. Solche Verhaltensänderungen sind zumindest in den Fällen zu erwarten, in denen die Erträge im beweglichen Privatvermögen tiefer sind als die Belastung durch die Hypothekarzinsen. Nach dem Systemwechsel werden daher im Zusammenhang mit der Amortisation der Hypothek Positionen im beweglichen Privatvermögen aufgelöst werden, die 5329

steuerbaren Ertrag abwerfen. Der Abbau privater Schulden betrifft übrigens auch die nicht vermögensrestringierten Steuerpflichtigen ohne Wohneigentum, die bisher Anlagen zur Realisierung von privaten Kapitalgewinnen mit Fremdkapital finanziert haben. Infolge dieser Verhaltensanpassungen, die zu einem Wegfall von steuerbaren Kapitalerträgen führen, kann bei einem Systemwechsel realistischerweise noch mit Mehrerträgen von rund 450 Millionen Franken gerechnet werden.

Die beiden Abzüge für besonders wirkungsvolle Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sowie nach dem erstmaligen Kauf von selbstbewohntem Wohneigentum verursachen auf der anderen Seite Mindereinnahmen von ca. 365 Millionen Franken. Deshalb dürfte sich bei der direkten Bundessteuer nach allen Anpassungsprozessen von nicht vermögensrestringierten Wohneigentümern und sonstigen vermögenden Steuerpflichtigen per Saldo ein Mehrertrag von bis zu 85 Millionen Franken ergeben ­ ohne Berücksichtigung der Mehrkosten, die sich beim Bund aus den Änderungen des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungen (vgl. Ziff. 7.3) ergeben und sich auf jährlich 4,3 Millionen Franken belaufen. Da der genannte Mehrertrag von bis zu 85 Millionen Franken als Resultat verschiedener Schätzungen berechnet wurde, sollte er als «Schwarze Null» interpretiert werden. Damit wird auch der Forderung des Bundesrats nach einer mehr oder weniger aufkommensneutralen Reform bei der direkten Bundessteuer nachgekommen.

In personeller Hinsicht ergeben sich keine Auswirkungen für den Bund.

8.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Eine Aufhebung der Eigenmietwertbesteuerung betrifft sowohl die selbstbewohnte Liegenschaft am steuerrechtlichen Wohnsitz wie auch die selbstgenutzte Zweitliegenschaft (bzw. weitere selbstgenutzte Liegenschaften). Entfällt künftig die Besteuerung des Eigenmietwerts, so wirkt sich dies finanziell besonders stark in den Kantonen mit einem sehr grossen Bestand an Zweitliegenschaften aus, die von ausserkantonalen oder ausländischen Personen genutzt werden. Grund dafür ist, dass Zweitliegenschaften in der Regel eine positive Liegenschaftenrechnung aufweisen, das heisst, ihr Eigenmietwert übersteigt typischerweise die mit der Liegenschaft verbundenen abziehbaren Kosten. Die aus einem Systemwechsel resultierenden Mindereinnahmen bei den Tourismuskantonen wurden im Steuerpaket 2001 auf rund 100 Millionen Franken geschätzt.

Gemäss Vernehmlassungsvorlage sollte mit Blick auf eine finanzielle Kompensation des Wegfalls des Eigenmietwerts für die Kantone mit hohem Zweitliegenschaftsbestand eine Sondersteuer erhoben werden. Wegen mangelnder Verfassungskonformität (vgl. Ziff. 6.1.1) wird diese Sondersteuer nicht weiterverfolgt.

Eine Kostenanlastungssteuer wird als verfassungsrechtlich am unbedenklichsten empfohlen. Allerdings ist gleichzeitig festzustellen, dass diese die Mindereinnahmen aus dem Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung nicht vollständig zu kompensieren vermag.

Nähere Angaben zu den finanziellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden können mangels statistischer Datengrundlagen nicht gemacht werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung für die Kantone als Veranlagungsbehörden administrative Erleichterungen mit sich bringen 5330

wird. Die Mehrkosten, die sich aus den Änderungen des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungen ergeben (vgl. Ziff. 7.3) ergeben, machen bei den Kantonen 3,2 Millionen Franken aus.

8.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Der vorgeschlagene Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung hat verschiedene volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die heutige Veranlagungspraxis kommt letztlich einer steuerlichen Förderung des Wohneigentums gleich. Dadurch wird bei einem Systemwechsel ein Teil der Eigentümerinnen und Eigentümer mit steigenden Kosten konfrontiert. Durch die Aufhebung des Schuldzinsenabzugs verändern sich die relativen Preise von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung.

Von dieser Veränderung der relativen Preise sind die Haushalte je nach Einkommen und Vermögen unterschiedlich betroffen. Berechnungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung17 zeigen, dass die Abzüge für Liegenschaftskosten und für Schuldzinsen vor allem den Steuerpflichtigen mit hohen Einkommen zugute kommen und dass die Aufhebung dieser Abzüge vor allem die hohen Einkommensklassen stärker belasten würde. Eine vereinfachte Besteuerung der von den Eigentümerinnen und Eigentümern selbstbewohnten Liegenschaften durch eine gleichzeitige Aufhebung der Besteuerung des Eigenmietwerts und der Abzüge, die im Zusammenhang mit diesen Liegenschaften vorgenommen werden können, würde also eher die Steuerpflichtigen der unteren Einkommensklassen begünstigen, diejenigen der mittleren und höheren Einkommensklassen jedoch stärker belasten.

Die Steuerpflichtigen der höheren Einkommensklassen sind allerdings auch diejenigen, die sich am besten an die neuen Rahmenbedingungen anpassen können, indem sie ihre Anlagenstruktur verändern. Für diejenigen Haushalte, die neben dem Wohneigentum noch über andere Vermögensanlagen verfügen, steigt der Anreiz zur Schuldentilgung. Haushaltersparnisse werden also vermehrt in die Tilgung von Hypotheken und weg von anderen Anlagemöglichkeiten gelenkt.

Bei Haushalten mit tieferen Vermögen, die Wohneigentum nur mit einem hohen Fremdfinanzierungsanteil halten oder erwerben können, führt ein reiner Systemwechsel zu höheren Kosten, was die Attraktivität des Wohneigentums tendenziell verringern würde. Ein reiner Systemwechsel ohne flankierende Massnahmen würde also eine Förderung zugunsten derjenigen Steuerpflichtigen bedeuten, denen der Verzicht auf Verschuldung am leichtesten fällt, d.h. zugunsten der Eigentümerhaushalte mit hohen Vermögen. Aus diesem Grund werden flankierende Massnahmen für diejenigen Steuerpflichtigen vorgeschlagen, die
sich wegen eines zu geringen Vermögens den erstmaligen Kauf selbstbewohnten Wohneigentums nur durch eine hohe Verschuldung leisten können und keinen Spielraum für die Anpassung ihrer Anlagenstruktur haben. Dabei handelt es sich insbesondere um Haushalte mit mittleren Einkommen und wenig Vermögen. Deren stärkere Belastung durch den Systemwechsel kann durch die flankierenden Massnahmen zumindest teilweise gemildert werden. Dadurch wird auch der Wohnbauförderung als Verfassungsaufgabe Rechnung getragen.

17

Vgl. Peters, Rudi, 2009, Les déductions de l'imposition fédérale directe des personnes physiques et les possibilités de simplification, ESTV, Bern.

5331

Der Systemwechsel führt dazu, dass Haushalte, die heute ihre optimale Portfoliostruktur bei hoher Verschuldung gefunden haben, ihre Finanzierungsstruktur und somit die Aufteilung ihres angelegten Vermögens überprüfen und ihre Hypothekarschulden tendenziell reduzieren. Dies führt zur Auflösung anderer Anlagearten (inklusive Anwartschaften aus der beruflichen Vorsorge) sowie zu einer verstärkten Tendenz, Vermögen vermehrt für die Hypothekentilgung und weniger für andere Anlagearten (z.B. Wertschriftenportfolios) zu verwenden. Mit dem Systemwechsel dürften also in grösserem Umfang Portfolio-Umschichtungen verbunden sein, vor allem für vermögens- und einkommensstarke Haushalte. Aus dem breiten heutigen Angebot von Finanzinstituten zur Steueroptimierung unter Einbezug von Hypothekarkrediten kann geschlossen werden, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Wohneigentümer-Haushalte über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügt. Bei der zweiten und dritten Säule werden beispielsweise die Möglichkeiten eines Vorbezugs intensiver nachgefragt werden, wenn es vorteilhafter wird, ein schuldenfreies Eigenheim zu besitzen.

Diese Portfolio-Umschichtungen werden keine nennenswerten Auswirkungen auf den Kapitalmarkt und die Zinsen haben, da der schweizerische Kapitalmarkt stark in den Weltmarkt integriert ist. Die Portfolioumschichtungen der Haushalte schlagen sich aber in der Form einer Bruttobilanzverkürzung sowie auf desaggregierter Stufe in Bilanzstrukturveränderungen bei den Finanzintermediären (Banken, Versicherungen, Vorsorgeeinrichtungen, Finanzberatung) nieder. Dies reduziert die Fähigkeit der Banken zur Kreditschöpfung, was tendenziell einen negativen Wachstumsimpuls verursacht. Die Bilanzstrukturveränderungen können einseitig spezialisierte Institutionen auch zu Reorientierungen zwingen. Die Schrumpfung der Finanzintermediation kann also auch eine Schrumpfung der Beschäftigung in diesem Sektor auslösen.

Insofern die Veränderung der relativen Preise zu Veränderungen in der Nachfrage nach Wohneigentum führt, wird sich zumindest ein Teil des durch den Systemwechsel ausgelösten Impulses in Veränderungen der Liegenschafts- und Bodenpreise äussern. Infolge der Uneindeutigkeit der durch die Reform ausgelösten Veränderungen der relativen Preise lässt sich jedoch nichts Zuverlässiges über die Richtung
und Grösse dieser Preis- und Mengenveränderungen sagen.

Die Einschränkung der Abzugsmöglichkeit für Schuldzinsen auf 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge wird auch Auswirkungen auf die privaten Eigentümerinnen und Eigentümer von Mietwohnungen in der Schweiz haben. Insgesamt sind in der Schweiz 4 von 7 Mietwohnungen (ca. 1,1 bis 1,2 Millionen Wohnungen) im Eigentum von Privaten, insgesamt ca. 280 000 Personen.18 Genauso wie Eigentümerinnen und Eigentümer von selbstbewohntem Wohneigentum werden diese Personen ihre Finanzierungsstruktur und somit die Aufteilung ihres angelegten Vermögens nach einem Systemwechsel überprüfen und ihre Hypothekarschulden tendenziell reduzieren. Inwieweit diese Vermögensumschichtungen Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt selbst haben, lässt sich jedoch aufgrund fehlender Datengrundlagen nicht beziffern.

Gemäss OECD und IWF hat der Abzug von Hypothekarzinsen zur hohen privaten Verschuldung der Haushalte geführt. Mit Hypotheken unterlegte WertschriftenPortfolios haben sich ausserdem in Rezessionen und Krisen als sehr fragil erwiesen.

Studien zeigen auch, dass der Abzug von Hypothekarzinsen zu Spekulationsblasen 18

Vgl. Gerheuser, Frohmut W., 2001, Mietbelastungen und Wohnverhältnisse, Band 73, Schriftenreihe Wohnungswesen, Bundesamt für Wohnungswesen, Grenchen.

5332

im Immobilienmarkt führen kann.19 Durch den hier vorgeschlagenen Systemwechsel kann die sehr hohe Hypothekarverschuldung in der Schweiz abgebaut werden, was zu einer erwünschten Verringerung der Anfälligkeit auf Rezessionen und (Immobilien-)Krisen führt.

Da der Unterhaltskostenabzug heute von den meisten Haushalten pauschaliert wird, sind von der Abschaffung dieses Abzugs keine gravierenden Auswirkungen auf den Unterhalt der Liegenschaften zu erwarten.

Durch die vorgeschlagene Reform lassen sich auf der Ebene der Entrichtungs-, Erhebungs- und Vollzugskosten substanzielle Effizienzgewinne realisieren. Die Eigenmietwertbesteuerung und die Bestimmung der zulässigen Abzüge machen das Steuerveranlagungsverfahren kompliziert. Die Fixierung des Eigenmietwerts ist immer wieder Gegenstand langwieriger Auseinandersetzungen zwischen Eigentümern und Steuerbehörden. Mit einem Systemwechsel lassen sich auch die hohen politischen Kosten der heutigen Regelung (Gerichtsverfahren, Expertenkommissionen, parlamentarische Beratungen, Abstimmungen, Verwaltungsaufwand etc.)

reduzieren. Ebenso könnte durch die Vereinfachung der Liegenschaftsbesteuerung die Möglichkeit für Interessengruppen, Einfluss zu nehmen und dafür volkswirtschaftliche Mittel zu verschwenden, eingeschränkt werden.

Aus umweltpolitischer Sicht ist positiv hervorzuheben, dass Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen an hohe energetische und ökologische Anforderungen gekoppelt werden, um weiterhin zum Abzug zu berechtigen. Dies schafft positive Anreize für einen schonenderen Umgang mit der Umwelt. Hingegen lässt aus ökologischer Warte betrachtet die künftige steuerliche Belastung der Zweitliegenschaften Fragen offen. Je nachdem, mit welchen kompensatorischen Massnahmen die stark betroffenen Tourismuskantone auf den Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung reagieren, fallen die Auswirkungen unterschiedlich aus. Sind sie moderat, so ergeben sich ökologisch unerwünschte Anreize zur zusätzlichen Beanspruchung von Flächen für den Bau von Zweitdomizilen ­ ein Vorgang, der angesichts der verbleibenden knappen Bodenressourcen in den erschlossenen Berggebieten Gegenreaktionen aus ökologiebewussten Kreisen provozieren dürfte.

9

Rechtliche Aspekte des indirekten Gegenvorschlags

9.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

9.1.1

Allgemein

Bei den direkten Steuern verleiht Artikel 128 BV dem Bund die Befugnis, eine direkte Bundessteuer auf dem Einkommen natürlicher Personen zu erheben. Artikel 129 BV gibt dem Bund zusätzlich die Kompetenz, Grundsätze über die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden festzulegen. Die Harmonisierung erstreckt sich dabei auf die Steuerpflicht, den Gegenstand und die zeitliche Bemessung der Steuern, das Verfahrensrecht und das Steuerstrafrecht. Von der Harmonisierung ausgenommen bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge. Bei den Bestimmungen zur Besteuerung des priva19

OECD, 2001, Moving Beyond the Crisis: Using Tax Policy to Support Financial Stability, Paris und IMF, 2009 Debt Bias and Other Distortions: Crisis-Related Issues in Tax Policy, Washington.

5333

ten Wohneigentums geht es um die Festlegung des steuerbaren Einkommens und Vermögens, das heisst um die Bemessungsgrundlage. Der Bund verfügt somit über die Kompetenz, um die vorgeschlagenen Änderungen im StHG einzuführen.

Die Grundrechte binden den Bundesgesetzgeber beim Legiferieren. Im Bereich der direkten Steuern ist daher neben dem Prinzip der Rechtsgleichheit vor allem auch dasjenige der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 BV) zu beachten.

9.1.2

Besteuerung des privaten Wohneigentums

Grundsätzlich genügt das heutige System den Anforderungen der Gleichbehandlung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Mit der ständigen Forderung nach tieferen Eigenmietwerten und zusätzlichen Abzügen mit ausserfiskalischer Zielsetzung im Bereich der Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen wird dieses System aber immer mehr ausgehöhlt. Nach Artikel 108 BV trifft der Bund Massnahmen zur Förderung des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum.

Diese Förderung ist auf den Erwerb von Wohneigentum zum Eigenbedarf oder zu gemeinnützigen Zwecken begrenzt. Der Begriff «Wohnungsbau» meint die Schaffung und Erhaltung von Wohnraum und umfasst neben dem Neubau von Wohnungen auch die Erneuerung des Altbestands.20 Die Verfassung nennt in den Absätzen 2 und 3 von Artikel 108 BV ausdrücklich die Mittel zur Erreichung des Ziels. Unerwähnt bleiben im Unterschied zu Artikel 111 Absatz 4 BV, der die Altersvorsorge regelt, steuerliche Massnahmen. Solche sind somit von der Verfassung nicht gefordert, jedoch möglich. Bei der Ausgestaltung der Massnahmen sind die Vorschriften von Artikel 35 BV zu befolgen. Auch wenn die Bundesgesetze für das Bundesgericht und die andern rechtsanwendenden Behörden massgebend sind (Art. 190 BV), bleibt der Gesetzgeber an die Grundrechte gebunden.

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verletzt eine Regelung den verfassungsmässigen Grundsatz der Rechtsgleichheit, wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungs- und Zeitverhältnissen.21 Es besteht auch ein Spannungsfeld zwischen Förderung und Gleichbehandlung, weil eine Förderung definitionsgemäss eine Ungleichbehandlung aller nicht geförderten Gruppen beinhaltet. Jeder geförderten Gruppe entspricht eine relativ zurückgesetzte Gruppe, sonst ist eine Förderungswirkung gar nicht vorhanden. Neue Lösungen haben sich daher in einem vertretbaren, sachlich nachvollziehbaren Rahmen zu bewegen.22 Vorliegend wird die Abschaffung des Eigenmietwerts
als steuerbares Einkommen mit Verzicht auf den Abzug der Gewinnungskosten vorgeschlagen. Dies ist, wie auch das geltende System der Besteuerung des Eigenmietwerts minus Gewinnungs20 21 22

BBl 1997 I 318 BGE 112 Ia 240 Böckli Peter/Meier Alfred, 1993, Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung, Gutachten zuhanden des Luzerner Regierungsrates, Luzern, S. 74.

5334

kosten, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Lehre grundsätzlich verfassungskonform.

9.1.3

Schuldzinsen

Schuldzinsen sollten gemäss den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen insoweit abziehbar sein, als sie Gewinnungskosten darstellen. Dies bedeutet, dass die auf das Eigenheim entfallenden Schuldzinsen künftig nicht mehr abziehbar sind, da sie mit keiner steuerbaren Einkommenserzielung mehr in Zusammenhang stehen. Die Umsetzung dieses Grundsatzes erweist sich indessen als schwierig, weil die formelle Natur der Schuldzinsen irrelevant ist und deren Zuordnung zu bestimmten Erträgen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Eine gesonderte Behandlung von Hypothekarzinsen gegenüber anderen Schuldzinsen wäre von vornherein nicht sachgerecht und würde einzig dazu führen, vermögenden Personen steuerplanerische Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Diese haben nämlich weitgehend die Wahl, welche ihrer Vermögenswerte sie belasten wollen, um Fremdkapital zu erhalten. Weil Schulden nicht immer einem bestimmten Vermögenswert zugeordnet werden können, erweist sich eine mathematisch korrekte Lösung der steuerlichen Behandlung der privaten Schuldzinsen als schwierig. Eine solche liegt im Übrigen auch in Bezug auf das geltende Recht nicht vor, wo der Schuldzinsenabzug ohne Differenzierung nach der einkommensrechtlichen Bedeutung der einzelnen Zinsleistungen im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge zuzüglich weiterer 50 000 Franken gewährt wird.

Eine sachgerechte Schuldzinsenregelung lässt sich anhand von vier zentralen Kriterien messen: Sie muss den verfassungsrechtlichen Grundsätzen Rechnung tragen, systemkonform sein (abziehbar, wenn Gewinnungskosten; nicht abziehbar, wenn Lebenshaltungskosten), sich im Massenverfahren behaupten können und keine Fehlanreize für die Steuerplanung schaffen.

Mit dem Wegfall des steuerbaren Eigenmietwerts soll der Schuldzinsenabzug nur noch bei Vorliegen von steuerbaren Vermögenserträgen anwendbar sein, d.h. soweit die Schuldzinsen Gewinnungskostencharakter haben. Weil Schuldzinsen unter Umständen nur teilweise Gewinnungskosten darstellen und es schwierig ist, sie bestimmten Vermögenserträgen zuzuordnen, erscheint es gerechtfertigt, sie nicht in vollem Umfang, sondern zu 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge zum Abzug zuzulassen. Diese Regelung dient der Praktikabilität und der Gleichbehandlung sämtlicher privater Schuldzinsen, die Gewinnungskostencharakter aufweisen.

Sie sorgt
zudem mit Blick auf den Verfassungsauftrag zur Wohnbau- und Wohneigentumsförderung (Art. 108 BV) dafür, dass Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer nicht schlechter gestellt werden als andere Personen. So können auch sie Schuldzinsen weiterhin zum Abzug bringen können, sofern sie steuerbare Vermögenserträge erzielen. Personen, die über keine steuerbaren Vermögenserträge verfügen, können künftig keine Schuldzinsen mehr abziehen. Die Regelung ist restriktiver ausgestaltet als die seinerzeit auf dem gleichen einfachen Grundprinzip aufbauende Lösung in der Vernehmlassungsvorlage, weil die Abzugsmöglichkeit auf 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge begrenzt wird. Zudem werden im Vergleich zur Ausgestaltung im geltenden Recht Fehlanreize zur privaten Verschuldung beseitigt.

Dies gilt insbesondere für den Anstoss zur Fremdfinanzierung von Vermögenswer-

5335

ten, die keinen steuerbaren Ertrag abwerfen (steuerfreie private Kapitalgewinne an der Börse).

Unbesehen der genannten Vorzüge hat die Begrenzung der abziehbaren Schuldzinsen auf 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge ihre Unebenheiten. So kann die neue Regelung dazu führen, dass Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer je nach Konstellation auch solche privaten Schuldzinsen zum Abzug bringen, die Lebenshaltungskosten darstellen. Diese tendenziell wohneigentumsfreundliche Lösung lässt sich einerseits mit Praktikabilitätsüberlegungen rechtfertigen und anderseits mit dem verfassungsmässigen Auftrag zur Förderung des selbstbewohnten Wohneigentums. Im Übrigen erweist sich die vorgeschlagene Lösung im Direktvergleich mit dem geltenden Recht als deutlich systemkonformer.

Der zusätzlich vorgeschlagene Ersterwerberabzug stellt grundsätzlich einen Einbruch in das System dar. Die Rechtfertigung für diese Regelung ist jedoch in der Förderung des privaten Wohneigentums zu sehen. Die Förderung des privaten Wohneigentums stellt ein staatspolitisches Ziel mit Verfassungsrang dar. Es dient der Wohneigentumsförderung allgemein (Art. 108 BV) und der Selbstvorsorge (Art. 111 Abs. 4 BV). Als Förderungsmassnahme muss und kann der Abzug nicht zwangsläufig dem Gleichbehandlungsgebot umfassend genügen. Ihr Zweck ist es, dafür zu sorgen, dass einzelne Personen geringer belastet werden, damit ihnen mehr Mittel für ein vom Gemeinwesen als förderungswürdig erachtetes Verhalten (Erwerb von Wohneigentum) bleiben. Die zeitliche und betragsmässige Beschränkung der Massnahme stellt eine akzeptable und vertretbare Lösung dar.

9.2

Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die internationalen Verpflichtungen der Schweiz werden durch die vorgeschlagene Neugestaltung der Besteuerung des privaten Wohneigentums nicht berührt.

9.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Es ist keine Unterstellung unter die Ausgabenbremse erforderlich.

5336