Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 21. August 2009

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) zieht nachfolgend zuhanden des Bundesrates ihre Schlussfolgerungen zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) über die Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen vom 11. Juni 2009.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, den Ausdruck unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. August 2009

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Der Präsident: Hans Hess Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: Peter Briner Die Sekretärin der Subkommission: Jacqueline Dedeystère

2009-2080

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Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat beschlossen, im Rahmen ihres Jahresprogramms 2008 die Zusammenarbeit zwischen der Bundesverwaltung und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eingehend zu untersuchen.

Zu diesem Zweck hat sie die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) beauftragt, die Steuerung dieser Zusammenarbeit durch die Bundesverwaltung zu evaluieren.

Im Zentrum dieser Untersuchung stand die Zusammenarbeit mit NGOs im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Süden, welche in der Zuständigkeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) liegt. Vergleichend wurde untersucht, wie die Zusammenarbeit mit NGOs in den Bereichen Landwirtschaft (Bundesamt für Landwirtschaft) und Umwelt (Bundesamt für Umwelt) gesteuert wird.

Am 10. Juni 2009 verabschiedete die PVK einen Bericht zuhanden der GPK-S über die im Frühjahr 2009 abgeschlossene Evaluation («Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen»). Gestützt auf die Ergebnisse dieser Evaluation kommt die Kommission zu folgenden Schlussfolgerungen: Insgesamt zeigt die Untersuchung grosse Unterschiede bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen sowie in der tatsächlichen Steuerungspraxis. Die festgestellten Mängel betreffen somit nicht alle untersuchten Kooperationen in gleichem Masse: Der bereichsübergreifende Vergleich zeigt vielmehr, dass sich unter den analysierten Fällen zweckmässige Ansätze zur Vermeidung dieser Schwächen finden. Noch kommen diese Ansätze aber nicht überall bzw. nicht überall mit der gleichen Konsequenz zur Anwendung.

In diesem Bericht wird der Schwerpunkt auf das identifizierte Optimierungspotenzial gelegt. Dabei ist festzuhalten, dass mehrere der angeführten Mängel ­ zumindest teilweise ­ bereits von der Verwaltung selbst erkannt worden sind und die jüngsten Entwicklungen in verschiedenen Fällen in die richtige Richtung gehen.

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Feststellungen und Empfehlungen

2.1

Anwendung wettbewerblicher Verfahren

Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass in vielen der untersuchten Fallstudien gänzlich auf wettbewerbliche Verfahren verzichtet wird, obwohl eine Ausschreibung ­ zumindest des Erstmandates ­ sowie eine grundsätzliche Prüfung einer Ausschreibung bei der Neuvergabe möglich und zweckmässig wären. In den Augen der Kommission kann dies namentlich bei der Verlängerung oder der Neuvergabe eines Mandats zu Problemen führen. Aus anreiztheoretischer Sicht ist es nämlich von entscheidender Bedeutung, dass die NGOs während der Projektdauer ein Eigeninteresse daran haben, die Ziele des Bundes bestmöglich zu erreichen, um sich so das Folgemandat zu sichern bzw. um es nicht zu verlieren.

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Aufgrund der heutigen Praxis stellt sich auch die Frage, ob die bestehenden gesetzlichen Grundlagen ausreichen, um wettbewerbliche Vergabeverfahren zu gewährleisten.

Empfehlung 1 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, für die Anwendung wettbewerblicher Vergabeverfahren zu sorgen. Dabei zeigt er auf, mit welchen Massnahmen er die Praxis direkt zu beeinflussen gedenkt und wie er die gesetzlichen Grundlagen im Rahmen der laufenden Revision des Beschaffungsrechts optimieren will, um eine konsequentere Umsetzung des Wettbewerbsprinzips zu erwirken.

2.2

Verhinderung von Zweckentfremdungen

Um sicherzustellen, dass keine Zweckentfremdungen in grösserem Ausmass stattfinden können, müssen entweder die abgerechneten Aufwände systematisch und detailliert überprüft werden (Einzelbeleg-Ebene) oder die Verwaltungseinheit fordert von den NGOs, die abgerechneten Aufwände in der Buchhaltung eindeutig den einzelnen Mandaten bzw. Finanzhilfen zuzuordnen (getrennte Rechnung für jedes Projekt oder zumindest eigene Kostenstellen/Kostenträger je Projekt in der Betriebsbuchhaltung, die sämtliche Kosten enthalten, inklusive Anteile an den Gemeinkosten). In neun der 14 von der PVK untersuchten Fallstudien wurde allerdings keines dieser Kriterien erfüllt. Die betreffenden Bundesämter können somit nicht überprüfen, ob eine Zweckentfremdung erfolgt ist.

Das muss allerdings weder heissen, dass Zweckentfremdungen grösseren Ausmasses stattfinden, noch dass diese bei den betreffenden NGOs wahrscheinlich sind. Es bedeutet aber, dass die entsprechenden Kontrollmechanismen in der von der Bundesverwaltung ausgeübten Steuerung der Zusammenarbeit fehlen.

Empfehlung 2 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, Massnahmen zur Verbesserung der bestehenden Kontrollmechanismen in den betreffenden Dienststellen zu treffen, um das Risiko der Zweckentfremdung der für NGOs gesprochenen Mittel einzuschränken. Der Bundesrat soll namentlich dafür sorgen, dass die Bundesstellen von NGOs, mit denen sie zusammenarbeiten, fordern, die abgerechneten Aufwände in der Buchhaltung eindeutig den einzelnen Mandaten bzw. Finanzhilfen zuzuordnen, damit die abgerechneten Kosten gegebenenfalls detailliert überprüft werden können.

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2.3

Transparente Kriterien der DEZA bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen

Die Untersuchung der PVK hat gezeigt, dass bei der DEZA die Kriterien dafür, welche NGOs in welcher Höhe Programmbeiträge erhalten und wie hoch dabei die Eigenfinanzierung sein muss, nicht klar sind. Die Beitragssätze für die einzelnen NGOs sind sehr unterschiedlich und weitgehend historisch begründet. Es gibt zudem weder eine Gesamtstrategie noch ein Gesamtportfolio, mit dem sichergestellt würde, dass insgesamt ein inhaltlich ausgewogener Mix an Programmen gefördert und die in der NGO-Politik der DEZA postulierte Komplementarität der Programme und Projekte erreicht wird.

Empfehlung 3 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, bezüglich der Kriterien bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und vor allem bei der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen für mehr Klarheit und Transparenz zu sorgen. Zu diesem Zweck prüft der Bundesrat u.a., ob es für die DEZA sinnvoll wäre, die Finanzhilfen gestützt auf eine Portfolio-Analyse, wie es z.B. das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) macht, zu vergeben, und eine Gesamtstrategie für diesen Bereich zu erarbeiten.

2.4

Kritische Prüfung des Bundesgesetzes vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe

Die DEZA kann Mittel für eigene Aktivitäten der NGOs sprechen, sofern diese den Zielen des schweizerischen Gesetzes zur Entwicklungszusammenarbeit entsprechen und entwicklungspolitisch relevant sind.

Die gesetzlichen Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit sind allerdings sehr offen formuliert, insbesondere ist der im Gesetz enthaltene Zielkatalog nicht abschliessend. Dies führt dazu, dass auch Aktivitäten von NGOs unterstützt werden, die nicht unter die im Gesetz explizit aufgeführten Ziele subsumierbar sind (z.B.

Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Grundlagen aus den 1970er Jahren den Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Vorgaben für die Ausrichtung von Subventionen noch genügen.

Die GPK-S hat den Bundesrat im Übrigen bereits im Rahmen ihrer Motion 06.3666, die am 6. Juni 2007 resp. am 20. März 2008 vom Parlament angenommen wurde, beauftragt, die Zweckmässigkeit der Vorlage eines Aktualisierungsentwurfes für das Gesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe an das Parlament zu prüfen. Diese Motion ist immer noch hängig.

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Empfehlung 4 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, inwiefern die gesetzlichen Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit die heutigen Anforderungen des Legalitätsprinzips betreffend die Bestimmtheit der gesetzlichen Vorschriften erfüllen. Gegebenenfalls soll er eine entsprechende Gesetzesänderung vorschlagen. Sein besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Festlegung der Ziele für die Entwicklungszusammenarbeit.

2.5

Einheitliche Anwendung der Gesetze und Vorgaben in der Bundesverwaltung

Gesetze und Verfahrensvorschriften entfalten ihre steuernde Wirkung nur dann, wenn sie den verantwortlichen Personen bekannt sind und sie auch angewendet werden bzw. wenn eine Nichtbeachtung dieser Grundsätze zu Sanktionen führt. Die Untersuchung der PVK hat im Falle der DEZA allerdings gezeigt, dass es trotz analogen gesetzlichen Grundlagen und Weisungen möglich ist, dass der E-Bereich (Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Südens) und der O-Bereich (Ostzusammenarbeit) eine grundlegend verschiedene Ausschreibungspraxis ausweisen. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) weist in dieser Hinsicht ähnliche Schwächen auf wie die DEZA.

Die Evaluation hat gezeigt, wie nützlich das interne Finanzinspektorat des BWL ist, um solche Situationen zu verhindern. Das Finanzinspektorat zeichnet sich durch eine adäquate Kontrollstrategie und eine effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Instrumente aus. Es überprüft nicht nur die externen NGOs, sondern insbesondere auch die internen Stellen hinsichtlich der Einhaltung von Gesetzen und Vorgaben und rapportiert direkt zuhanden der Amtsleitung und der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK).

Empfehlung 5 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, darauf hinzuwirken, dass die Gesetze und Vorgaben innerhalb eines Tätigkeitsbereichs einheitlich angewendet werden.

Dabei prüft der Bundesrat u.a., ob es zweckmässig wäre, die Arbeitsmethoden des internen Finanzinspektorats des BLW in anderen Einheiten, die über ein grosses Finanzvolumen verfügen (z.B. die DEZA), zu übernehmen.

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3

Schlussbemerkungen

Um Wiederholungen mit der Evaluation der PVK zu vermeiden, beschränkt sich die GPK-S in diesem Bericht auf die Darlegung ihrer Schlussfolgerungen und Empfehlungen, welche als Ergänzung zur genannten Evaluation zu verstehen sind. Die GPK-S hat heute beschlossen, sowohl ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen als auch die PVK-Evaluation zu veröffentlichen.

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, bis zum 4. Februar 2010 zu diesen Feststellungen und Empfehlungen sowie zur PVK-Evaluation Stellung zu nehmen. Zudem bittet sie ihn, aufzuzeigen, wie und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

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