09.085 Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Einführung biometrischer Daten im Ausländerausweis (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) vom 18. November 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft einen Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. April 2008 zur Einführung biometrischer Daten im Ausländerausweis (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) sowie die für dessen Umsetzung erforderlichen Änderungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich.

Ausserdem unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf zu Gesetzesänderungen, die unabhängig von der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 erforderlich geworden sind und die ebenfalls das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und das Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich betreffen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-2161

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Übersicht Das Schweizer Volk hiess am 5. Juni 2005 an einer Volksabstimmung die Teilnahme der Schweiz an den Assoziierungsabkommen von Schengen und Dublin gut. Die Schweiz unterzeichnete diese Abkommen am 20. März 2006. Am 12. Dezember 2008 wurden diese in Kraft gesetzt. Die Schweiz hat sich grundsätzlich verpflichtet, auch die eventuellen Weiterentwicklungen des Schengen- und Dublin-Besitzstands zu übernehmen.

Am 21. Mai 2008 wurde der Schweiz die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 notifiziert.

Ziel dieser Verordnung ist die Einführung biometrischer Daten im seit dem 12. Dezember 2008 bestehenden einheitlichen Ausländerausweis. Am 18. Juni 2008 hat der Bundesrat die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vorbehältlich der definitiven Genehmigung durch das Parlament angenommen.

A. Die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 Die Europäische Union ist zur Einschätzung gelangt, dass der einheitlich gestaltete Aufenthaltstitel sehr hohen technischen Anforderungen genügen muss, insbesondere an den Schutz vor Fälschungen und Verfälschungen. Ziel ist die Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts.

Der einheitliche biometrische Aufenthaltstitel muss, auf einem Datenchip gespeichert, ein Gesichtsbild sowie zwei Fingerabdruckbilder der Inhaberin oder des Inhabers enthalten. Die biometrischen Merkmale in den Aufenthaltstiteln werden nur verwendet, um mittels abgleichbarer Merkmale die Echtheit des Dokuments und die Identität der Inhaberin oder des Inhabers zu überprüfen.

B. Speicherung biometrischer Daten in ZEMIS Es ist vorgesehen, die erhobenen biometrischen Daten zur Erneuerung der Ausländerausweise aufzubewahren, um die Arbeit der zuständigen Kantonsbehörden zu erleichtern. Dies ermöglicht es den Personen mit einem Ausweis auch, diesen zu erneuern, ohne jedes Jahr das Verfahren für die Erfassung biometrischer Daten erneut durchlaufen und eine zusätzliche Gebühr dafür bezahlen zu müssen.

Die Aufbewahrung der biometrischen Daten im System ZEMIS erfolgt nicht hauptsächlich aus Sicherheitsgründen. Die technische Möglichkeit des Vergleichs der Fingerabdrücke einer Person mit den in ZEMIS gespeicherten ist nicht vorgesehen.

Im Gegensatz zum biometrischen Schweizer Pass ist der Ausländerausweis nicht ein Identitätsdokument, sondern eine Bestätigung für das Aufenthaltsrecht in
der Schweiz. Durch die biometrischen Merkmale können einzig die im Ausweis gespeicherten Fingerabdrücke mit jenen der Inhaberin oder des Inhabers verglichen werden.

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C. Umsetzung ins Landesrecht Im Hinblick auf die Einführung biometrischer Daten in den Ausländerausweisen müssen das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) sowie das Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) angepasst werden.

D. Weitere Gesetzesänderungen Einige Änderungen, die am BGIAA vorgenommen werden müssen, gründen nicht auf der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008, sondern auf der Einführung des zukünftigen Informationssystems der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES). Der Zweck von MIDES besteht darin, einen elektronischen Zugriff auf bestimmte Daten ­ insbesondere biometrische ­ zu gewähren, die bei der Einreichung eines Asylgesuchs in den Empfangs- und Verfahrenszentren oder an den Flughäfen erfasst werden. Die vorliegende Revision bietet überdies die Möglichkeit, den Zugang der berechtigten Behörden zur Datenbank ZEMIS besser festzulegen.

Auch am AuG müssen einige Änderungen vorgenommen werden, die nicht mit der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 zusammenhängen, sondern mit Schengen. Diese Änderungen betreffen beispielsweise die Sanktionen bei einer Sorgfaltspflichtsverletzung durch die Transportunternehmen (Art. 120a Abs. 3 AuG) und die Pflicht der Luftverkehrsunternehmen, Personendaten zu übermitteln (Art. 104 Abs. 2 AuG).

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Ausgangslage

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2 Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 2.1 Übernahmeverfahren 2.2 Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 2.2.1 Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 2.2.2 Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 2.3 Gesetzänderungen aufgrund der Übernahme der Verordnung Nr. 380/2008 (Erlass 1) 2.3.1 Notwendigkeit der Änderung 2.3.2 Beantragte Neuregelung 2.3.3 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 2.3.3.1 Bestimmungen des AuG 2.3.3.2 Bestimmungen des BGIAA 2.4 Andere Gesetzänderungen (Erlass 2) 2.4.1 Notwendigkeit der Änderung 2.4.2 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 2.4.2.1 Bestimmungen des AuG 2.4.2.2 Bestimmungen des BGIAA

56 56 58 58 58 59 59 60 61 61 66 67 68 68 68 70

3 Vernehmlassungsergebnis, Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

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4 Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf den Bund 4.2 Auswirkungen auf die Kantone

73 73 74

5 Verhältnis zur Legislaturplanung

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6 Rechtliche Aspekte 6.1 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 6.2 Verfassungsmässigkeit 6.2.1 Bundesbeschluss (Erlass 1) 6.2.2 Gesetzesänderungen (Erlass 2)

75 75 75 75 77

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Einführung biometrischer Daten im Ausländerausweis (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) (Entwurf)

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Notenaustausch vom 30. Juni 2008 zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Einführung biometrischer Daten in Aufenthaltstiteln für Drittstaatenangehörige (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

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Bundesgesetz über die Anpassung gesetzlicher Bestimmungen betreffend die Erfassung von Daten im Bereich der Migration (Änderung des BG über das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich und des BG über die Ausländerinnen und Ausländer) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

Das schweizerische Volk hat am 5. Juni 2005 die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) über die Assoziierung an Schengen und Dublin angenommen1. Die Schweiz hat sich verpflichtet, alle EU-Rechtsakte zu übernehmen, auf die im Schengen-Assoziierungsabkommen (SAA)2 bzw. im Dublin-Assoziierungsabkommen (DAA)3 Bezug genommen wird (sog. Schengen- bzw.

Dublin-Besitzstand)4. Die Schweiz hat die beiden Assoziierungsabkommen am 20. März 2006 ratifiziert, die EU am 1. Februar 2008. Diese sind einen Monat später, am 1. März 2008, in Kraft getreten. Die Abkommen wurden am 12. Dezember 2008 in Kraft gesetzt. Die Schweiz hat sich zudem bereit erklärt, alle späteren Schengen- bzw. Dublin-relevanten Rechtsakte, die nach der Unterzeichung der Assoziierungsabkommen, also nach dem 26. Oktober 2004, in der EU verabschiedet werden (sog. Weiterentwicklung des Schengen- und Dublin-Besitzstands), grundsätzlich zu übernehmen und soweit erforderlich ins Schweizer Recht umzusetzen (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA bzw. Art. 1 Abs. 3 und Art 4 DAA). Im vorliegenden Fall geht es um die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vom 18. April 2008. In dieser werden die Sicherheitselemente und biometrischen Merkmale festgelegt, die von den Mitgliedstaaten im einheitlichen Aufenthaltstitel für Drittstaatenangehörige verwendet werden müssen5. Durch diese Verordnung wird die Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige6 geändert.

2

Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008

2.1

Übernahmeverfahren

Die Übernahme einer Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands läuft im Rahmen eines bestimmten, im SAA vorgesehenen Verfahrens ab, gemäss welchem die Organe der EU den neuen Rechtsakt der Schweiz zuerst notifizieren und die Schweiz darauf eine Antwortnote übermittelt. Nach Artikel 7 Ziffer 2 Buchstabe a SAA ist die EU gehalten, der Schweiz «unverzüglich» die Annahme des betreffenden Rechtsakts zu notifizieren, und die Schweiz ist gehalten, innerhalb von 1

2

3

4 5 6

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Vgl. Bundesbeschluss vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und Dublin (AS 2008 447).

Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (AS 2008 481; SR 0. 362.31).

Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (AS 2008 515; SR 0.142.392.68).

Vgl. Anhänge A und B SAA (AS 2008 492) und Art. 1 DAA (AS 2008 517).

ABl. L 115 vom 29. April 2008, S. 1 ABl. L 157 vom 15. Juni 2002, S. 1.

30 Tagen nach Annahme des Aktes zu antworten. In ihrer Antwort muss sich die Schweiz dazu äussern, ob sie den Rechtsakt akzeptiert und gegebenenfalls in ihre innerstaatliche Rechtsordnung umsetzt. Erfolgt die Notifikation durch die EU mit Verspätung, beginnt die dreissigtägige Frist am Tag der Notifikation zu laufen. Im vorliegenden Fall wurde die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vom 18. April 2008 der Schweiz am 21. Mai 2008 notifiziert.

Am 18. Juni 2008 hat der Bundesrat die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 unter Vorbehalt der definitiven Genehmigung durch das Parlament beschlossen. Am 30. Juni 2008 liess die Mission der Schweiz bei der Europäischen Union der EU die Antwortnote der Schweiz zukommen.

Die Übernahme erfolgt durch einen Notenaustausch, der aus schweizerischer Sicht einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Dieser Vertrag muss gemäss den Bestimmungen der Bundesverfassung entweder durch den Bundesrat oder das Parlament und, bei einem Referendum, durch das Volk genehmigt werden. In letzterem Fall verfügt die Schweiz für die Übernahme des notifizierten Rechtsakts und dessen Umsetzung in Schweizer Recht über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifikation durch die EU (Art. 7 Ziff. 2 Bst. b SAA).

Im vorliegenden Fall ist für die Übernahme des Rechtsaktes das Parlament (und das Volk) zuständig. Die Schweiz müsste die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 somit bis spätestens zwei Jahre ab dem 21. Mai 2008, dem Datum der Notifikation der Verordnung, in das innerstaatliche Recht umsetzen. Gemäss Artikel 1 Ziffer 7 der Verordnung, welcher Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 abändert, muss die Speicherung des Gesichtsbilds jedoch erst innerhalb von zwei Jahren und die Speicherung der Fingerabdrücke innerhalb von drei Jahren nach der Festlegung der jeweiligen technischen Massnahmen erfolgen. Dementsprechend ist der biometrische Ausweis mit Fotografie durch die Schweiz bis am 20. Mai 2011, und der biometrische Ausweis mit den Fingerabdrücken bis am 20. Mai 2012 umzusetzen. Aus praktischen, organisatorischen sowie ökonomischen Gründen wird die Schweiz beide Arten biometrischer Daten zur selben Zeit in den Ausweis aufnehmen, und zwar spätestens zwei Jahre nach der Festlegung der technischen Massnahmen. Letztere wurden von der Kommission am 20. Mai 2009 angenommen und
der Schweiz am 25. Mai 2009 notifiziert. Die Schweiz muss somit, auch bei einem allfälligen Referendum, bis spätestens am 20. Mai 2011 in der Lage sein, biometrische Ausländerausweise auszustellen; bis zu diesem Datum muss die Schweiz die entsprechenden Gesetzesgrundlagen umgesetzt haben.

Der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 tritt zu jenem Zeitpunkt in Kraft, an dem die Schweiz die EU über die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen unterrichtet. Verweigert die Schweiz die Übernahme einer Weiterentwicklung des Besitzstands, wird ein besonderes Verfahren angewandt. Die Parteien haben im Rahmen eines Gemischten Ausschusses die Möglichkeiten für die weitere Anwendung des Abkommens zu prüfen. Führt dieses Verfahren zu keinem Resultat, wird das Schengen-Assoziierungsabkommen als beendet angesehen (Art. 7 Ziff. 4 SAA).

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2.2

Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 380/2008

2.2.1

Verordnung (EG) Nr. 1030/2002

Auf der Grundlage der Verordnung EG Nr. 1030/2002 wurde ein einheitlicher Aufenthaltstitel eingeführt7. Diese Verordnung ist Teil des Schengen-Besitzstands (Anhang B SAA). Sie regelt, welche Personen einen einheitlichen Aufenthaltstitel bekommen. Sie legt eine einheitliche Gestaltung der Aufenthaltstitel für Bürgerinnen und Bürger von Drittstaaten fest, die «jede von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellte Erlaubnis, die einen Drittstaatenangehörigen zum rechtmässigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats berechtigt», bestätigen (Art. 1 Ziff. 2 der Verordnung). Von dieser Harmonisierung ausgenommen sind Visa, Genehmigungen mit einer Gültigkeit von bis zu drei Monaten sowie Titel, die für die Dauer der Prüfung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Gewährung von Asyl ausgestellt worden sind. Der einheitliche Aufenthaltstitel kann grundsätzlich weder für Unionsbürger und deren Familienangehörige ausgestellt werden, die ihr Recht auf Personenfreizügigkeit ausüben, noch für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EFTA, die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, und deren Familienangehörige, die ihr Recht auf Personenfreizügigkeit ausüben. In der Schweiz wird der neue Ausweis seit dem 12. Dezember 2008 nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 erstellt. Die Europäische Union ist zur Einschätzung gelangt, dass der einheitlich gestaltete Aufenthaltstitel sämtliche erforderlichen Informationen enthalten und sehr hohen technischen Anforderungen, insbesondere dem Anspruch auf Schutz vor Fälschungen und Verfälschungen, genügen muss. Ziel ist die Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts.

2.2.2

Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008

Durch die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 20088 werden biometrische Daten in den Aufenthaltstiteln für Ausländerinnen und Ausländer eingeführt. Die Biometrie umfasst die Speicherung eines oder mehrerer physischer Merkmale einer Person (Fingerabdrücke, Gesichtsbild) auf einem Datenträger (Chipkarte, Strichcode oder einfaches Dokument) zur Feststellung, ob eine Person, die ein Dokument mit sich führt, auch wirklich dessen Inhaberin oder dessen Inhaber ist. Die neue Verordnung sieht ausserdem vor, dass die einheitlichen Aufenthaltstitel nur noch als eigenständige Dokumente in zwei verschiedenen «Kreditkarten»-Formaten ausgestellt werden dürfen, die in Anhang I der Verordnung beschrieben werden.

Gemäss der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 müssen im einheitlichen, biometrischen Aufenthaltstitel auf einem Datenchip ein Gesichtsbild sowie zwei Fingerabdruckbilder der Inhaberin oder des Inhabers gespeichert sein. Nur wenn die Vorlage des Aufenthaltstitels nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist, werden die biometrischen Merkmale in Aufenthaltstiteln zur Überprüfung der Echtheit des Dokuments und der Identität der Inhaberin oder des Inhabers mittels abgleichbarer Merkmale verwendet.

7 8

58

ABl. L 157 vom 15. Juni 2002, S. 1 ABl. L 115 vom 29. April 2008, S. 1

Ausserdem ist der Anwendungsbereich der geänderten Verordnung genauer gefasst.

Das einheitliche biometrische Format darf nicht als Bestätigung eines Antrags auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels verwendet werden. Auch als Titel, der in aussergewöhnlichen Fällen zum Zweck der Verlängerung der erlaubten Aufenthaltsdauer um höchstens einen Monat erteilt wird, darf das biometrische Format nicht verwendet werden. Die Verwendung des einheitlichen Aufenthaltstitels ausserhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung ist nur erlaubt, wenn angemessene Massnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass eine Verwechslung nicht möglich ist, und wenn auf dem Dokument ein besonderer Hinweis gemacht wird, der eine eindeutige Unterscheidung der jeweiligen Inhabergruppe ermöglicht (Art. 5bis der Verordnung).

Die Verordnung schreibt vor, dass die Erfassung von Fingerabdrücken ab dem sechsten Lebensjahr obligatorisch ist und dass Personen, deren Fingerabdrücke aus physischen Gründen nicht abgenommen werden können, von der Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken befreit sind.

Schliesslich ist in Artikel 1 Ziffer 7 der Verordnung, welcher Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 abändert, festgehalten, dass die Speicherung des Gesichtsbilds innerhalb von zwei Jahren, die Speicherung der Fingerabdrücke innerhalb von drei Jahren nach der Festlegung der neuen technischen Massnahmen erfolgt. Diese wurden der Schweiz am 25. Mai 2009 notifiziert (vgl. Ziff. 2.1.).

2.3

Gesetzänderungen aufgrund der Übernahme der Verordnung Nr. 380/2008 (Erlass 1)

2.3.1

Notwendigkeit der Änderung

Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige sind direkt anwendbar und müssen nicht zwingend in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Mit der Einführung der Biometrie müssen trotzdem gewisse Änderungen im Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG)9 und im Bundesgesetz vom 20. Juni 200310 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) vorgenommen werden.

Insbesondere empfiehlt es sich zu erwähnen, dass ein biometrischer Ausländerausweis ausgestellt werden kann. Um die Arbeit der Behörden zu erleichtern und die Anzahl Erfassungen biometrischer Daten zu reduzieren, ist es des Weiteren wünschenswert, die für die Ausstellung eines Ausweises bestimmten biometrischen Daten zur eventuellen Wiederverwendung aufzubewahren, obwohl die Aufbewahrung der biometrischen Daten in der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 nicht vorgesehen ist. Eine Bestimmung, welche die Aufbewahrung der Daten im Rahmen der Ausstellung eines biometrischen Ausweises erlaubt, fehlt im AuG zurzeit.

9 10

SR 142.20 SR 142.51

59

2.3.2

Beantragte Neuregelung

Nach Artikel 102 AuG besteht die Möglichkeit, biometrische Daten zur Identifikation zu erfassen. Die Möglichkeit, die erhobenen biometrischen Daten zur Erneuerung eines Ausländerausweises aufzubewahren, ist darin jedoch nicht vorgesehen.

Um die Arbeit der zuständigen kantonalen Behörden zu erleichtern, ist es sinnvoll, eine solche Regelung einzuführen. So müssten die biometrischen Daten durch die kantonalen Behörden in einem System gespeichert werden, das mit dem Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (Zentrales Migrationsinformationssystem, ZEMIS) verbunden ist. Dies würde es den Personen mit einem Ausweis ermöglichen, diesen zu erneuern, ohne das Verfahren für die Erfassung biometrischer Daten erneut durchlaufen und ohne eine zusätzliche Gebühr dafür bezahlen zu müssen. Die Aufbewahrung der biometrischen Daten in ZEMIS erfolgt somit nicht primär aus dem Blickwinkel der Sicherheit. Dank der Speicherung biometrischer Daten auf einem Datenchip wird es möglich sein, zu überprüfen, ob die Fingerabdrücke der Karteninhaberin oder des Karteninhabers und jene auf dem Ausländerausweis übereinstimmen. Hingegen ist es technisch nicht vorgesehen, die Fingerabdrücke einer Person direkt mit den in ZEMIS gespeicherten Fingerabdrücken zu vergleichen. Im Unterschied zum biometrischen Schweizer Pass ist der Ausländerausweis kein Identitätsdokument, sondern eine Bestätigung des Aufenthaltsrechts in der Schweiz. Die Aufbewahrung und Bearbeitung der biometrischen Daten zum genannten Zweck sind im neuen Artikel 102a AuG vorgesehen. Artikel 102b AuG legt fest, welche Behörden berechtigt sind, die auf dem Datenchip des Ausweises elektronisch gespeicherten Daten zu lesen, um abzuklären, ob der Ausweis tatsächlich der betreffenden Person gehört.

Ausserdem wird im Gesetz die Möglichkeit, einen biometrischen Ausweis auszustellen, nicht erwähnt. Aus Gründen der Transparenz erscheint es erforderlich, diese Möglichkeit zu erwähnen und die Kompetenz für die Festlegung der Ausländerkategorie, die einen biometrischen Ausweis erhält, an den Bundesrat zu delegieren.

Dieser Grundsatz und die Delegationsklausel werden im bestehenden Artikel 41 AuG, der sich auf die Ausländerausweise bezieht, festgeschrieben.

Die für die biometrischen Schweizer Pässe geltenden Bestimmungen müssen hier analog angewandt werden,
sofern dies erforderlich und erheblich ist. Der Inhalt der Artikel 41a und 41b AuG stützt sich somit auf das Bundesgesetz über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige (AwG)11.

Im BGIAA muss erwähnt werden, dass im Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich biometrische Daten enthalten sind. Des Weiteren muss es sprachlich angepasst werden, vor allem was die französische Fassung betrifft. Es ist angebracht, inskünftig nur noch von «titre de séjour pour étrangers» zu sprechen anstatt von «livret». Der Begriff «livret» (Heft, Büchlein) bezieht sich auf ein bestimmtes Dokument, das nicht dem Kreditkartenformat entspricht, welches für den neuen Ausweis vorgesehen ist. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die Artikel 3 Absätze 2 Buchstabe b und 3 Buchstabe b BGIAA in der französischen Fassung anzupassen. Der neue Artikel 7a BGIAA verfolgt den Zweck, eindeutig zu bestim-

11

60

Änderungen des AwG vgl. Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente, BBl 2007 5159.

men, wer Zugriff auf die in ZEMIS enthaltenen biometrischen Daten zu den Ausländerausweisen hat.

Die aufgrund der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 erforderlichen Gesetzesänderungen sind in einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 (Erlass 1) aufgeführt.

2.3.3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.3.3.1

Bestimmungen des AuG

In diesem Kapitel werden die Änderungen des AuG erläutert, die mit der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 zusammenhängen.

Art. 41 Abs. 4 Artikel 41 ist dem Ausweis gewidmet. Es empfiehlt sich zu erwähnen, dass der Ausweis neu mit einem Datenchip ausgestattet werden kann. Dieser Chip enthält das digitalisierte Gesichtsbild und zwei Fingerabdrücke der Inhaberin oder des Inhabers, wie dies in der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vorgesehen ist. Gemäss der Entscheidung K(2009) 3770 endg. der Kommission vom 20. Mai 2009 zur Änderung der technischen Spezifikationen zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige müssen auf dem Datenchip noch weitere Daten gespeichert werden. Dies sind zum einen die auf den maschinenlesbaren Zeilen des Ausweises enthaltenen Daten: Dokumenten-Code, ausstellendes Land, Dokumentennummer, Geburtsdatum, Geschlecht, Ablaufdatum des Ausweises, Nationalität des Inhabers, Name und Vorname des Inhabers sowie die ZEMIS-Nummer. Zum andern muss der öffentliche Schlüssel für die Authentifizierung auf dem Datenchip enthalten sein.

Abs. 5 In Artikel 41 ist des Weiteren vorgesehen, dass der Bundesrat festlegt, welche Personen über einen Ausweis mit Chip verfügen und welche Daten darauf gespeichert werden müssen. Entsprechend der Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 2009 zur Änderung der technischen Spezifikationen zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige sowie der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 (Art. 1 Ziff. 5 Art. 4ter) sind auf dem Datenchip nur zwei Fingerabdrücke zu speichern. Sinnvollerweise soll im Gesetz jedoch offengelassen werden, wie viele Fingerabdrücke gespeichert werden. Im Fall einer zukünftigen Weiterentwicklung der technischen Spezifikationen müsste der Bundesrat dementsprechend lediglich die Verordnung anpassen.

Auf Verordnungsebene und unter Beachtung der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 wird auch festgelegt, welche Ausländerinnen und Ausländer über einen biometrischen Ausweis verfügen. Es geht z. B. darum festzulegen, ob vorläufig Aufgenommene, die über keine eigentliche Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz verfügen, einen einheitlichen ­ biometrischen oder nichtbiometrischen ­ Ausweis erhalten sollen. Dieselbe Frage stellt sich für Drittstaatenangehörige mit einem europäischen 61

Elternteil, die ihr Recht auf Personenfreizügigkeit ausüben12. Diese Einzelheiten werden in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit geregelt werden (VZAE)13.

Abs. 6 In Artikel 41 Absatz 6 wird ein Grundsatz aufgenommen, der zurzeit auf Verordnungsebene (VZAE) festgehalten ist. Das BFM legt die Form und den Inhalt des Ausweises fest, sei er biometrisch oder nicht. Ausserdem ist das BFM wie derzeit frei, die Ausfertigung der Ausweise Dritten zu übertragen.

Art. 41a

Sicherheit und Auslesen des Datenchips

In Artikel 41a AuG wird die Regelung nach Artikel 2a AwG14 übernommen. Der für den Ausländerausweis vorgesehene Datenchip wird jenem des Schweizer Passes entsprechen. Es ist sinnvoll, die Regelung für den Schweizer Pass entsprechend zu übernehmen.

Abs. 1 Der Bundesrat ist befugt, die technischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Datenchips des Ausländerausweises zu bestimmen. Die auf dem Chip gespeicherten Daten werden mit einer digitalen Signatur versehen, wodurch ihre Authentizität gewährleistet wird. Diese Signaturen werden mittels einer Public Key Infrastructure (PKI) hergestellt und bei der Produktion des Ausweises auf den Chip im Ausweis geschrieben. Für die Fingerabdrücke wird ein zusätzlicher Schutzmechanismus gemäss den Vorgaben der EU eingeführt. Mittels des sogenannten «Extended Access Control»-Verfahrens (EAC-Verfahren) werden die Fingerabdrücke auf dem Chip derart gesichert, dass nur diejenigen Länder und Stellen diese Daten lesen können, denen die Schweiz die entsprechenden Schlüssel übermittelt hat.

Abs. 2 Der Ausländerausweis gilt für Drittstaatenangehörige mit einer Aufenthaltsberechtigung in einem Staat, der an die Schengen-Assoziierungsabkommen gebunden ist, als Visum. Der Bundesrat muss befugt sein, mit anderen Staaten Verträge über das Lesen der im Chip gespeicherten Fingerabdrücke abzuschliessen. Dies betrifft vor allem die an die Schengen-Assoziierungsabkommen gebundenen Staaten und andere Staaten, die in Zukunft womöglich über die Schlüssel der Schweiz verfügen müssen, um die Ausländerausweise lesen zu können.

12

13 14

62

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681.

SR 142.201 Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente, BBl 2007 5159.

Art. 41b

Ausfertigungsstelle des biometrischen Ausweises

In Artikel 41b AuG werden ebenfalls die Anforderungen übernommen, die von der Ausfertigungsstelle des biometrischen Schweizer Passes erfüllt werden müssen (siehe Inhalt von Artikel 6a des Gesetzes vom 22. Juni 200115 über die Ausweise).

Abs. 1 In der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 wird näher bestimmt, dass die biometrischen Informationen nicht an einen weiteren Personenkreis verteilt werden dürfen als nötig. Aus diesem Grund ging es während der Gespräche im Rahmen der Gemischten Ausschüsse immer darum, dass jeder Mitgliedstaat eine einzige Stelle mit dem Druck des einheitlichen Aufenthaltstitels beauftragt ­ wobei die Möglichkeit beibehalten wird, diese falls erforderlich zu wechseln. Das Unternehmen Trüb AG wurde mit der Ausfertigung der biometrischen Ausweise betraut. Wie jedes andere mit der Ausfertigung beauftragte Unternehmen ist dieses verpflichtet, die in Artikel 41b Absatz 1 AuG umschriebenen Kriterien betreffend Sicherheit und Qualität bei der Ausfertigung der Dokumente sowie betreffend Datenschutz zu beachten. Das Projekt Neuer Ausländerausweis (NAA) wurde vom Bund in einem zweistufigen selektiven Verfahren ausgeschrieben. Grundlage der Ausschreibung bildeten nebst den beschaffungsrechtlichen Bundesnormen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bundes für Informatikleistungen (Stand Juni 1998) und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bundes für die Beschaffung von Gütern (Stand 1. März 2001). Der Zuschlag ist gestützt auf die Offerte vom 21. März 2005 an die Firma Trüb AG erfolgt. Ferner wurde von den Parteien am 20. Dezember 2007 bzw. 11. Januar 2008 eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet. Zudem wurde am 22. Juli 2008 bzw. am 4. August 2008 ein Generalunternehmervertrag zwischen der Firma Trüb AG und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (vertreten durch das BFM) unterzeichnet.

Abs. 2 In Absatz 2 ist vorgesehen, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung des Unternehmens über einen guten Ruf verfügen müssen und Sicherheitsprüfungen unterzogen werden können.

Abs. 3 Gemäss Absatz 3 kann das BFM beim Unternehmen, das mit der Ausfertigung der biometrischen Ausweise betraut ist, jederzeit die Unterlagen nach den Absätzen 1 und 2 einverlangen.

Abs. 4 Die für den Hersteller des Ausweises geltenden Vorschriften müssen auch auf die Dienstleistungserbringer und Lieferanten anwendbar sein,
wenn die erbrachten Leistungen von massgebender Bedeutung für die Ausfertigung des biometrischen Ausweises sind. Die Trüb AG erfüllt im Zusammenhang mit dem biometrischen Ausweis die Rolle des Generalunternehmens, das die Basisdokumente liefert, sowie des Endproduzenten, der die Ausweise personalisiert.

15

Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente, BBl 2007 5159.

63

Abs. 5 Der Bundesrat ist frei, die zusätzlichen Anforderungen an die Ausfertigungsstelle, die anderen Lieferanten und die Dienstleistungserbringer festzulegen.

Art. 102a

Biometrische Daten für Ausweise

Abs. 1 In Absatz 1 dieses neuen Artikels ist vorgesehen, dass die zuständige Behörde die für die Ausstellung eines Ausländerausweises erforderlichen biometrischen Daten speichern und aufbewahren kann. Für die Erfassung der biometrischen Daten sind die kantonalen Migrationsbehörden verantwortlich. Der Bund stellt ein System zur Datenaufbewahrung zur Verfügung. Das Gesichtsbild und die Fingerabdrücke müssen in einem Subsystem des Informationssystems für den Ausländer- und den Asylbereich (ZEMIS)16 enthalten sein. Neben personenbezogenen Daten wird in der Standardansicht von ZEMIS einzig eine Nummer angezeigt werden. Erst diese Nummer wird den berechtigten Behörden den separaten Zugriff auf die gespeicherten Fingerabdrücke ermöglichen. Die ZEMIS-Verordnung muss demzufolge angepasst werden. Das System ZEMIS wird den Zugriff auf diese biometrischen Daten bieten und deren Verwendung im Rahmen der Ausstellung von Ausländerausweisen ermöglichen. Die für die Ausstellung eines Ausweises erforderlichen Daten werden von den kantonalen Behörden fallweise dem mit der Ausfertigung des Dokuments beauftragten Unternehmen übermittelt. Dabei handelt es sich um ein «Pull»-System: Das Unternehmen greift auf die entsprechenden Daten über ein Subsystem zu, in welches diese vorgängig übertragen wurden.

Am 18. Juni 2009 wurde von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats eine parlamentarische Initiative zu den biometrischen Ausweisen (09.471) eingereicht. Die Initiative bezieht sich vor allem auf die biometrischen Pässe und Identitätskarten. Die Ergebnisse der Beratungen und die entsprechenden Folgen werden zukünftig ausgewertet und wenn erforderlich bei den zukünftigen parlamentarischen Arbeiten berücksichtigt.

Abs. 2 Die kantonalen Behörden erfassen die biometrischen Daten grundsätzlich alle fünf Jahre. Das bedeutet, dass z. B. die Inhaberin oder der Inhaber eines Ausweises B, also einer jährlich erneuerbaren Aufenthaltsbewilligung, die biometrischen Daten nicht jedes Jahr aufs Neue erfassen lassen muss. Sie oder er muss auch nicht jedes Jahr eine Gebühr für die Erfassung der biometrischen Daten entrichten. Die vorgeschlagene Lösung zielt darauf ab, einerseits die Arbeit der Behörden und andererseits die Verfahren für die Ausländerinnen und Ausländer zu erleichtern. Dennoch müssen die Ausländerinnen und Ausländer
bei jeder Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung persönlich bei den zuständigen kantonalen Behörden vorsprechen.

Bei dieser Gelegenheit findet eine Identitätsüberprüfung aufgrund der heimatlichen Identitätsdokumente statt. Zum genannten Grundsatz, die biometrischen Daten alle fünf Jahre erfassen zu müssen, gibt es aber auch Ausnahmen: Dabei handelt es sich z. B. um Fälle, in denen eine Person sich physisch solchermassen verändert hat, dass sie erneut fotografiert werden muss. Auch für Kinder müssen bestimmte Regelungen getroffen werden. Diese Ausnahmen werden im Rahmen der Verordnung vom 16

64

SR 142.513

24. Oktober 200717 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) festgelegt werden. Die Dauer der Datenaufbewahrung hingegen wird in der ZEMISVerordnung18 geregelt werden (Art. 18 ZEMIS-Verordnung).

Abs. 3 Die kantonalen Migrationsbehörden sind von Gesetzes wegen berechtigt, die in ZEMIS gespeicherten Daten für die Ausstellung eines neuen Ausweises zu verwenden. Diese kantonalen Behörden haben ausschliesslich Zugriff auf die biometrischen Daten (Gesichtsbild und Fingerabdrücke), um diese dem mit der Ausfertigung der biometrischen Ausweise betrauten Unternehmen zu übermitteln, wenn die Voraussetzungen für die Ausstellung eines neuen Ausweises erfüllt sind. Die kantonalen Behörden können das Gesichtsbild nicht lesen. Dies ist zurzeit aus technischen Gründen nicht möglich und ist auch in Zukunft nicht vorgesehen. Bei der Erneuerung des Ausweises kann die Identität der betreffenden Person anhand des Ausweises selbst sowie der darin enthaltenen Daten überprüft werden.

In Artikel 7a BGIAA werden die Zugriffsberechtigungen auf die biometrischen Daten in ZEMIS genau geregelt.

Art. 102b

Kontrolle der Identität der Ausweisinhaberinnen oder -inhaber

Gemäss der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 dürfen die auf dem Datenchip des Ausweises gespeicherten Daten nur gelesen werden, um die Echtheit des Dokuments zu prüfen oder um die Identität der Inhaberin oder des Inhabers anhand direkt verfügbarer abgleichbarer Merkmale zu überprüfen, wenn die Vorlage des Aufenthaltstitels nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist (Art. 1 Abs. 4 der Verordnung). Es ist wünschenswert, genau zu bestimmen, wer in der Schweiz berechtigt ist, die Vorlage des Ausweises zu verlangen und die elektronisch auf dem Datenchip gespeicherten Daten zu lesen.

Abs. 1 Das Grenzwachtkorps, die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden sowie die kantonalen und kommunalen Migrationsbehörden sind berechtigt, die im biometrischen Ausweis elektronisch auf dem Datenchip gespeicherten Daten zur Identifikation der ausländischen Person oder aber zur Überprüfung der Echtheit des Dokuments zu lesen.

Abs. 2 Artikel 102b Absatz 2 AuG sieht vor, dass der Bundesrat Transportunternehmen, Flughafenbetreiber und andere Stellen, die die Identität einer Person prüfen müssen, dazu ermächtigen kann, die auf dem Chip des Ausweises gespeicherten Fingerabdrücke zu lesen. Der Bundesrat wird entscheiden müssen, welche Stellen oder Unternehmen berechtigt sind, die Vorlage des Ausländerausweises zu verlangen und diesen zu lesen. Die Luftverkehrsunternehmen sind verpflichtet, alle ihnen zumutbaren Vorkehren zu treffen, damit nur Personen befördert werden, die über die für die Einreise in die Schweiz erforderlichen Reisedokumente verfügen (Sorgfaltspflicht, Art. 92 AuG). Aufgrund der Sorgfaltspflicht der Luftverkehrsunternehmen könnte das Lesen des Chips des Ausweises in Anwendung von Artikel 25 Absatz 2 17 18

SR 142.201 SR 142.513

65

der Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung (VEV)19 verlangt werden.

Da die Schweiz ein Interesse daran hat, jegliche Form illegaler Migration im Voraus zu erkennen, könnte sie von dieser Möglichkeit insbesondere dann Gebrauch machen, wenn die Zahl der Personen ohne die erforderlichen Reisedokumente und Visa stark steigt. Verletzen Luftverkehrsunternehmen ihre Sorgfaltspflicht, so können diese sanktioniert werden (Art. 120a AuG).

2.3.3.2

Bestimmungen des BGIAA

In diesem Kapitel werden die Änderungen des BGIAA erläutert, die mit der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 zusammenhängen.

Art. 3 Artikel 3 BGIAA behandelt den Zweck des Informationssystems für den Ausländerund den Asylbereich. Das Informationssystem dient unter anderem der Ausstellung von Ausländerausweisen.

Abs. 2 Bst. b und Abs. 3 Bst. b In Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b BGIAA muss in der französischen Fassung der «titre de séjour» erwähnt werden und nicht mehr das «livret pour étrangers». Die Ausweise mit biometrischen Daten werden zudem aus Gründen der Transparenz erwähnt. Entsprechend muss in der französischen Fassung auch Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b BGIAA angepasst werden. Der Begriff «titre de séjour» kann auch im Asylbereich verwendet werden, wenn die asylsuchende Person während des Asylverfahrens in der Schweiz bleiben darf. Diese Aufenthaltsbestätigung fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 (Art. 1 der Verordnung) ­ einer asylsuchenden Person kann kein einheitlicher Aufenthaltstitel ausgestellt werden.

Art. 4 Abs. 1 Bst. b Es muss darauf hingewiesen werden, dass das Informationssystem in Zukunft biometrische Daten ­ das Gesichtbild und die Fingerabdrücke ­ enthält. Dabei handelt es sich um biometrische Daten, die zur Ausstellung eines biometrischen Ausweises erhoben wurden. In der VZAE20 wird festgelegt werden, welche biometrischen Daten dies genau sind.

Andererseits werden auch die im Asylverfahren in den Empfangszentren und an den Flughäfen erhobenen Daten in den elektronischen Dossiers des Asylbereichs gespeichert. Konkret geht es um die Fotografien der Asylsuchenden, auf welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während des Verfahrens schnell und einfach zugreifen können müssen (siehe Ziff. 2.4.1). Auf die Tatsache, dass hier nur die Fotografie gemeint ist, wird in der Asylverordnung 3 vom 11. August 199921 über die Bearbei-

19 20 21

66

SR 142.204 SR 142.201 SR 142.314

tung von Personendaten hingewiesen werden. Der Zugriff auf diese biometrischen Daten wird im Rahmen der ZEMIS-Verordnung geregelt werden.

Bst. c Buchstabe c entspricht dem heutigen Buchstaben b.

Art. 7a

Datenbearbeitung und Zugriff auf die biometrischen Daten zum Ausweis

Abs. 1 Nur das Bundesamt für Migration und die Behörden, die Ausländerausweise ausstellen, sind befugt, die biometrischen Daten der Ausländerinnen und Ausländer, d. h.

das Gesichtsbild und die Fingerabdrücke, zu erfassen und in ZEMIS einzugeben.

Abs. 2 Es ist vorgesehen, dass die Erfassung und Übermittlung von im Ausweis enthaltenen Daten Dritten übertragen werden können. Diese Bestimmung wird es gegebenenfalls ermöglichen, die Erfassung biometrischer Daten wie Fingerabdrücke an Dritte zu übertragen, falls dies insbesondere aus praktischen Gründen gerechtfertigt ist. Der Auftraggeber muss sicherstellen, dass die Datenschutzbestimmungen vom beauftragten Dritten eingehalten werden.

Abs. 3 Folgende Behörden können online auf die biometrischen Daten zugreifen: das Bundesamt für Migration und die Behörden, die Ausweise ausstellen. Nach Massgabe der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 haben diese Behörden nur für ihre Aufgaben im Rahmen der Ausstellung biometrischer Ausweise Zugriff auf die Daten.

Abs. 4 Die mit der Ausfertigung der Ausweise betraute Stelle erhält die biometrischen Daten wie die Personendaten der zukünftigen Inhaberinnen und Inhaber eines Ausweises. Wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei um ein «Pull»-System, bei dem das Unternehmen lediglich auf die Daten zugreifen kann, die es im Einzellfall benötigt.

Abs. 5 Gemäss Artikel 7a Absatz 5 kann das BFM das Gesichtsbild oder die Fingerabdrücke der Ausländerinnen und Ausländer im Rahmen der Amtshilfe an andere Verwaltungsbehörden weitergeben. Dabei geht es einzig darum, Opfer von Unfällen, Naturkatastrophen und Gewalttaten sowie vermisste Personen identifizieren zu können.

2.4

Andere Gesetzänderungen (Erlass 2)

Erlass 2 umfasst die Gesetzesänderungen, die nicht aufgrund der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 erforderlich sind und die aus prozessökonomischen Gründen in diesen Entwurf aufgenommen wurden.

67

2.4.1

Notwendigkeit der Änderung

Am AuG müssen einige Änderungen vorgenommen werden, die nicht mit der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 zusammenhängen. Deshalb sind diese Änderungen in einem separaten Erlass aufgeführt. Sie betreffen die Sanktionen bei Verletzung der Sorgfaltspflicht der Transportunternehmen (Art. 120a Abs. 3 AuG) und die Meldepflicht der Luftverkehrsunternehmen (Art. 104 Abs. 2 AuG). Ausserdem muss Artikel 111 Absatz 5 AuG im Zusammenhang mit dem biometrischen Pass für Ausländerinnen und Ausländer angepasst werden.

Auch im BGIAA erfolgen einige Änderungen, die nicht mit der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 zusammenhängen. Deshalb sind diese Änderungen ebenfalls in einem separaten Erlass aufgeführt. Das BGIAA muss im Rahmen der Einführung des Informationssystems der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES) angepasst werden22. Die für den Asylbereich zuständige Behörde ist befugt, die biometrischen Daten der Asylsuchenden zu erheben (Art. 22 Abs. 1 AsylG). Der Zweck von MIDES besteht darin, einen elektronischen Zugriff auf bestimmte Daten ­ insbesondere biometrische ­ zu gewähren, die bei der Einreichung eines Asylgesuchs in den Empfangs- und Verfahrenszentren oder an den Flughäfen erfasst werden. Damit diese Daten aus MIDES automatisch in die elektronischen Dossiers der Asylsuchenden, d. h. in ZEMIS, übernommen werden können, muss darauf hingewiesen werden, dass in ZEMIS fortan auch biometrische Daten aus dem Asylbereich enthalten sind.

Das BGIAA23 sowie die entsprechende Vollziehungsverordnung (ZEMIS-Verordnung)24 wurden 2006 im Rahmen der Fusion des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) und des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) im selben Jahr ausgearbeitet. Dies führte zu einer technischen Zusammenführung der Datenbanken dieser Ämter. Die bereits bestehenden Rechtstexte wurden in einem einzelnen Gesetz und in einer Verordnung zusammengefasst (im BGIAA und in der ZEMIS-Verordnung). Die vorliegende Revision bietet die Möglichkeit, den Zugang der berechtigten Behörden zur Datenbank ZEMIS besser festzulegen. Schliesslich wird im Gesetz neu definiert, zu welchem Zweck die Daten der elektronischen Dossiers des Bundes im Ausländer- und Asylbereich (E-Dossiers) bearbeitet werden.

2.4.2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.4.2.1

Bestimmungen des AuG

Art. 104

Meldepflicht der Luftverkehrsunternehmen

Abs. 2 Bst. a Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/82/EG25 zählt die Daten auf, welche von den Beförderungsunternehmen übermittelt werden müssen. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Die Mitgliedstaaten sind frei, zusätzliche Daten zu verlangen. Von 22 23 24 25

68

Vgl. Bericht vom 19. Dezember 2008 über die Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (BBl 2009 573).

SR 142.51 SR 142.513 ABl. L 261 vom 6. August 2004, S. 24

den Grenzkontrollorganen wurde der Wunsch geäussert, die Angaben zum Geschlecht der Passagiere zu erhalten. Diese zusätzliche Angabe erleichtert ihnen die Beurteilung eines Datenbanktreffers und die Identifikation eines Passagiers.

Bst. b Der Ausstellerstaat wird in den Datenkatalog aufgenommen, weil diese Angabe neben der Nummer des Reisedokuments zwingend vorhanden sein muss, um in den Datenbanken nach Reisedokumenten suchen zu können. Der Ausstellerstaat des Dokuments und die Nationalität des Passagiers stimmen nicht zwingend überein (z. B. bei Fremdenpässen). Für die Fluggesellschaften bringt diese Erweiterung des Datenkatalogs keinen zusätzlichen Aufwand mit sich, da sie die Angaben zum Geschlecht und zum Ausstellerstaat ohnehin erfassen (beide Angaben sind in der der Machine Readable Zone [MRZ] enthalten).

Art. 111 Abs. 5 Bst. d und e Das BFM führt gemäss Artikel 111 Absatz 1 AuG ein Informationssystem zur Ausstellung von schweizerischen Reisedokumenten und von Bewilligungen zur Wiedereinreise an ausländische Personen (ISR) im Sinne von Artikel 59 AuG.

Artikel 111 Absatz 2 AuG regelt, welche Daten im ISR gespeichert werden. Die Erfassung der biometrischen Daten, d. h. des Gesichtsbilds und der Fingerabdrücke, kann ganz oder teilweise Dritten übertragen werden (Art. 59 Abs. 4 AuG26). Die biometrischen Daten werden je nach Kanton entweder von den kantonalen Passbüros, den kantonalen Ausländerbehörden oder einer anderen, vom Kanton bezeichneten Stelle oder Behörde erfasst.

Anhang 1 der revidierten Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV)27 regelt die Berechtigung zur Abfrage und Bearbeitung von im ISR gespeicherten Daten. Die Auflistung der Daten wird um die Fingerabdrücke und das Gesichtsbild ergänzt. Als weitere Neuerung werden die kantonalen Ausländerbehörden und die kantonalen Passbüros in die Tabelle aufgenommen. Die kantonalen Ausländerbehörden sind für die Entgegennahme der Gesuche um Ausstellung eines Reisepapiers zuständig. Zu diesem Zweck müssen sie Daten der Datenbank ISR abfragen und bearbeiten können. Die kantonalen Passbüros müssen Zugriff auf die Datenbank ISR haben, damit sie die erfassten biometrischen Daten ablegen bzw. die damit komplettierten Ausweisdaten an die Ausfertigungsstelle weiterleiten können. Damit die zuständigen kantonalen Behörden ihre Aufgaben erfüllen können, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage im AuG.

Art. 120a

Sorgfaltspflichtsverletzung der Transportunternehmen

Die Formulierung von Artikel 120a Absatz 3 AuG muss angepasst werden. Im Verlauf der Schengen-Nachevaluation der Schweizer Flughäfen im Februar 2009 wiesen die Experten der EU darauf hin, dass diese Formulierung nicht Schengenkonform ist. Es geht darum, den Passus zu streichen, gemäss welchem von einer Busse abgesehen werden kann, «insbesondere wenn die Kosten für Lebenshaltung, 26

27

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands), BBl 2008 5309.

SR 143.5

69

Betreuung, Wegweisung und Ausschaffung gedeckt sind». Die Tatsache, dass die Lebenshaltungs- und Betreuungskosten gedeckt sind, darf für das strafrechtliche Verschulden eines Transportunternehmens nicht erheblich sein und zu einem Verzicht auf eine Strafe führen. Es dürfen lediglich die Tatsachen und das Verhalten des Unternehmens berücksichtigt werden.

2.4.2.2

Bestimmungen des BGIAA

Art. 3 Abs. 2 Bst. j und Abs. 3 Bst. i Im BGIAA muss näher bestimmt werden, zu welchem Zweck das elektronische System des Ausländer- und des Asylbereichs verwendet wird. Dieser besteht hier darin, die Verfahren zu erleichtern, indem ein elektronischer Zugriff auf die Dossiers des BFM zu den betreffenden Personen ermöglicht wird. Dieser Hinweis ist insbesondere im Hinblick auf die Einführung von MIDES erforderlich.

Art. 4 Abs. 1 Bst. b Die erforderliche Anpassung von Buchstabe b erfolgt bereits im Rahmen des Erlasses 1 (Bundesbeschluss). Es wird auf die entsprechende Erläuterung verwiesen.

Bst. d Es ist angezeigt, auf Gesetzesstufe vorzusehen, dass das Informationssystem ein Subsystem enthält, welches die Dossiers der Ausländer- und Asylverfahren in elektronischer Form umfasst. So ist klar, dass die elektronischen Dossiers sowohl des Ausländer- als auch des Asylbereichs in einem einzigen Subsystem von ZEMIS enthalten sind.

Art. 9 Abs. 1 Bst. a Das BFM kann den kommunalen Polizeibehörden Daten des Ausländerbereichs zugänglich machen (Art. 9 Bst. a und Anhang 1 der ZEMIS-Verordnung). Dies bedeutet jedoch nicht, dass unabhängig von den tatsächlichen Bedürfnissen alle kommunalen Polizeibehörden einen solchen Zugang erhalten. Die Gesuche werden im Einzelfall geprüft. Ein Zugang ist insbesondere möglich für kommunale Polizeibehörden, die in Vertretung der Migrationsbehörden oder gemeinsam mit ihnen gewisse Aufgaben im Migrationsbereich wahrnehmen. Dies betrifft hauptsächlich grössere Tourismusorte oder Gemeinden, in denen die Grenzgängerinnen und Grenzgänger stark vertreten sind.

Ausserdem haben die Sozialhilfestellen derzeit nur Zugriff auf die Daten im Asylbereich, während sie über keine Zugriffberechtigung für die Daten des Ausländerbereichs verfügen. Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt, und viele Sozial-

70

ämter haben bereits den Wunsch geäussert, in ZEMIS ebenfalls auf die Daten des Ausländerbereichs zugreifen zu können. Artikel 9 muss dementsprechend angepasst werden.

Abs. 2 Bst. a Nach Artikel 10 Buchstabe a der ZEMIS-Verordnung und nach deren Anhang 1 haben die kommunalen Polizeibehörden bereits heute Zugriff auf die Daten des Asylbereichs. Die Gesuche werden auch im Einzelfall geprüft. Es handelt sich hier um eine formelle Änderung, durch welche dieses Zugriffsrecht auf Gesetzesstufe festgehalten werden soll. Artikel 9 muss dementsprechend angepasst werden.

3

Vernehmlassungsergebnis, Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Vom 24. Juni bis am 7. Oktober 2009 wurde eine Vernehmlassung durchgeführt.

Eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer hat die Einführung biometrischer Daten in den Ausländerausweisen begrüsst.

Mehrere Verbände und Parteien haben sich jedoch dagegen ausgesprochen, biometrische Daten im Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (ZEMIS) zu speichern. Die Sozialdemokratische Partei (SP), der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), das Forum für die Integration der Migrantinnen und Migranten (FIMM) und die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM) sind der Ansicht, dass die Aufbewahrung der biometrischen Daten in einer Datenbank im vorliegenden Fall nicht nötig ist. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) ihrerseits verwerfen wegen des Einbezugs der Biometrie den gesamten Entwurf.

Die Kantone heissen die Aufbewahrung biometrischer Daten im Allgemeinen gut.

Das Centre patronal (CP), der Schweizerische Städteverband (SSV), der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), die Fédération des entreprises romandes (FER), der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) und die Kantone GE, TI, VS, SH, GR und VD haben sich ausdrücklich für die zentrale Aufbewahrung der biometrischen Daten ausgesprochen. Dies namentlich deshalb, weil die Arbeit der Kantone dadurch erleichtert wird. Die Partei FDP.Die Liberalen unterstützt den Entwurf ebenfalls.

Auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 besteht zwar keine Verpflichtung zur Aufbewahrung von Daten. Dennoch wünschen die Kantone diese Datenbank.

Sie würde für sie zu Einsparungen führen, da die Daten der Inhaberinnen und Inhaber eines Ausweises L oder B nur alle fünf Jahre erfasst werden müssten (jährlich rund 130 000 Ausweise der Kategorien B und L). Zudem würde dies für die Inhaberinnen und Inhaber der Ausländerausweise bei der Erneuerung des Ausweises ein einfacheres Verfahren mit sich bringen, und es würde keine erneute Gebühr für das Erfassen der biometrischen Daten anfallen. Im Übrigen schlagen die SP und die EKM vor, bei der Erneuerung eines biometrischen Ausländerausweises die auf dem Datenchip gespeicherten Daten auf den Chip des neuen Ausweises zu übertragen. So wäre ein erneutes Erfassen der Daten ebenfalls überflüssig. Im derzeitigen Verfahren ist jedoch nicht vorgesehen, die auf dem Datenchip des Ausländerausweises gespeicherten Daten bei dessen Erneuerung auf den Chip des neuen Ausweises zu übertra71

gen. Ein neues Verfahren, das von jenem abweicht, welches im Rahmen der Erneuerung des biometrischen Schweizer Passes festgelegt wurde, würde erhebliche zielle Auswirkungen haben und die Arbeit der Behörden erschweren. Werden die Daten aufbewahrt, ist es überdies bei Verlust oder Beschädigung des biometrischen Ausweises innerhalb der fünf Jahre möglich, einen neuen auszustellen, ohne die biometrischen Daten erneut erfassen zu müssen. Aus diesen Gründen wurde dieser Vorschlag nicht berücksichtigt.

Zwei Kantone (GR, GL) fordern, dass klar festgelegt wird, ob der Ausländerausweis auch als Identitätsdokument betrachtet wird. Es wird an dieser Stelle erneut betont, dass der Ausländerausweis nicht ein Identitätsdokument ist und dass die biometrischen Daten zur Überprüfung dienen, ob die betreffende Person tatsächlich Inhaberin des Ausweises ist und somit über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt.

Die EKM und die DJS beantragen, im Gesetz ausdrücklich festzuhalten, dass entsprechend den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 nur zwei Fingerabdrücke im Ausweis enthalten sind (Art. 1 Ziff. 5 der Verordnung; Art. 41 Abs. 4 AuG). Dieser Antrag wird nicht angenommen, da der Bundesrat einen gewissen Spielraum haben soll, wenn sich infolge zukünftiger Entwicklungen die Anzahl der auf dem Ausweis gespeicherten Fingerabdrücke ändert (siehe Erläuterung zu Art. 41 Abs. 5 AuG).

Der Kanton Zürich, der Schweizerische Gemeindeverband (SGeV) sowie der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) schlagen vor, dass es neben den kantonalen auch den kommunalen Polizeibehörden ermöglicht werden sollte, für Personenkontrollen die auf dem Datenchip gespeicherten Daten zu lesen (Art. 102b Abs. 1 AuG). Es leuchtet ein, dass die kommunalen Behörden mit Kompetenzen im Ausländerbereich solche Kontrollen durchführen können. Der Vorschlag wird somit übernommen.

Der VSPB wünscht des Weiteren, dass Unternehmen oder weitere Dritte die im biometrischen Ausländerausweis enthaltenen Daten nicht lesen können (Art. 102b Abs. 2 AuG). Diese Möglichkeit muss indessen für Transportunternehmen, die zur Sorgfalt verpflichtet sind, d. h. die überprüfen müssen, ob die Reisenden über die für die Einreise in die Schweiz erforderlichen Reisedokumente verfügen, weiterhin bestehen. Es obliegt jedoch dem Bundesrat zu bestimmen, wer die Daten
lesen darf.

Das Grenzwachtkorps (GWK) hat den Wunsch geäussert, dass der Zugriff auf die biometrischen Daten zwecks Identitätsabklärung durch die Polizei und das GWK ermöglicht werden sollte. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) wünscht ebenfalls, dass deutlich bestimmt wird, welche Polizeibehörden zu welchem Zweck Zugriff auf die Daten haben. Dieser Wunsch konnte nicht berücksichtigt werden. Die Aufbewahrung der Daten im Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (ZEMIS) betrifft den Bereich Migration; ZEMIS ist nicht eine polizeiliche Datenbank. Die Polizeibehörden sind nicht berechtigt, direkt auf die betreffenden Daten zuzugreifen, sie müssen bei Bedarf die polizeilichen Datenbanken (z. B. AFIS) konsultieren. Auch das GWK ist nicht berechtigt, direkt auf diese Daten zuzugreifen, da diese nicht aus Sicherheitsgründen erfasst werden. Wie in der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vorgesehen (Art. 1 Ziff. 4 Bst. b der Verordnung), ist die Identität einer Person anhand des biometrischen Ausweises zu überprüfen.

Vom VSPB kritisiert wurde ausserdem, dass die Erfassung der biometrischen Daten Dritten übertragen werden kann und dass private Unternehmen die biometrischen 72

Daten bearbeiten können. Die vorgesehene Übertragung der Erfassung biometrischer Daten auf Dritte muss beibehalten werden (Art. 7a Abs. 2 BGIAA). Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kantone wie beim biometrischen Pass für Ausländerinnen und Ausländer bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit der Biometrie in Zukunft delegieren. Die Kantone müssen die Freiheit haben, die Erfassung der biometrischen Daten nach ihrem Befinden zu organisieren. Sie können zum Beispiel die mit den erforderlichen Erfassungsgeräten ausgerüsteten Passbüros heranziehen.

Im Übrigen verfügt der Bund nicht über die nötigen Instrumente, um selbst Ausländerausweise auszustellen (Art. 7a Abs. 4 BGIAA). Ausserdem wurden mit der Trüb AG, dem mit der Ausfertigung der biometrischen Ausländerausweise betrauten Unternehmen, bereits Verträge abgeschlossen. Die Behörden müssen dem Unternehmen die biometrischen Daten übermitteln, damit die Ausfertigung der Ausweise sichergestellt ist. Sobald die biometrischen Ausweise ausgefertigt wurden, werden die entsprechenden Daten vom Unternehmen Trüb AG jedoch umgehend gelöscht.

Die übrigen Anpassungen des AuG und des BGIAA wurden begrüsst. Der SSV stellt sich die Frage, warum die kommunalen Sozialhilfe-, Arbeitsmarkt- und Bürgerrechtsbehörden nicht auch alle Zugriff auf die ZEMIS-Daten haben (Art. 9 Abs. 1 Bst. a BGIAA). Der Zugriff dieser kommunalen Behörden auf die Daten in ZEMIS hat sich in der Praxis nicht als erforderlich erwiesen. Aus diesem Grund ist ein solcher Zugriff im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht gerechtfertigt.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Der Bund übernimmt die Kosten für die Einführung des Ausländerausweises bis zur tatsächlichen Umsetzung des Projekts (Umsetzungskosten). Diese Weiterentwicklung zieht keine zusätzlichen Kosten für den Bund nach sich. Die für die Einführung biometrischer Daten im neuen Ausländerausweis erforderlichen Aufwendungen werden durch den für Schengen und Dublin vorgesehenen Kredit des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) in Höhe von 140 Millionen Franken gedeckt. Der Anteil des Verpflichtungskredits Schengen/Dublin für den neuen Ausländerausweis mit biometrischen Daten von 3 Millionen Franken ist im Rahmen des Voranschlags 2010 beim Generalsekretariat des EJDP eingestellt. Mit diesem Betrag werden die Kosten für die Anpassung der Anwendung ZEMIS, sämtliche Entwicklungskosten für den neuen Ausweis, die Aufwendungen des Informatik Service Center des EJPD (ISC EJPD) und die Einführungskosten abgedeckt. Nicht in diesem Betrag enthalten sind die Kosten für die Entwicklung der Plattform eDocument für die Erfassung der biometrischen Daten und der PKI. Diese Aufwendungen werden gesamthaft für alle Projekte, welche die Plattform verwenden, in einer speziellen Rubrik des Kredits für Schengen und Dublin des EJPD zusammengefasst.

Die Plattform eDocument wird unter der Leitung des ISC-EJPD in Zusammenarbeit mit den betreffenden Bundesämtern entwickelt. Diese Plattform ermöglicht die Erfassung und Bearbeitung biometrischer Daten für verschiedene Dokumente (Schweizer Pass, schweizerische Reisepapiere für Ausländerinnen und Ausländer, Visa und Ausweise) und unterstützt die verschiedenen entsprechenden Anwendun73

gen (ZEMIS, ISR, VIS usw.). Ende 2007 wurde ein Vergabeverfahren zur Beschaffung der erforderlichen Geräte durchgeführt. Für die Verwirklichung und Lieferung der Hardware- und Software-Komponenten hat das Unternehmen Siemens Schweiz AG den Zuschlag erhalten. Die Systemplattform und ihre Komponenten werden zurzeit realisiert.

Die Betriebskosten des Ausländerausweises sind heute in den Betriebskosten der Anwendung ZEMIS enthalten, welche wiederum im Budget des BFM inbegriffen sind. Mit der Einführung der biometrischen Ausländerausweise werden die Betriebskosten von ZEMIS nicht steigen. Die Umsetzungskosten des Bundes sollen durch eine Gebühr für die Ausstellung der Ausländerausweise gedeckt werden. Die Kosten für die Erfassungssysteme der kantonalen Stellen sowie die Betriebskosten tragen die Kantone.

Der organisatorische Betrieb der PKI für den einheitlichen Aufenthaltstitel wird durch das Bundesamt für Polizei (fedpol) sichergestellt. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Einführung eines einheitlichen Aufenthaltstitels mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten und die damit verbundenen neuen Aufgaben beim EJPD (fedpol) im Bereich PKI ab 2011 zu einem jährlichen unbefristeten personellen Mehrbedarf im Umfang von 200 Stellenprozenten und 330 000 Franken (exkl. Arbeitgeberbeiträgen) führt. Über die definitive Zuteilung der Stellen resp.

zusätzlichen Mittel wird der Bundesrat nach Vorliegen der vom Bundesrat am 24. Juni 2009 beschlossenen unabhängigen Evaluation des EJPD zum Stellenbedarf im Zusammenhang mit den Abkommen von Schengen und Dublin und gestützt auf die Gesamtbeurteilung Ressourcen im Personalbereich 2010 entscheiden.

Die Änderungen im Zusammenhang mit dem BGIAA haben keine finanziellen Auswirkungen.28

4.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Kantone werden über die erforderliche Infrastruktur verfügen müssen, um das Gesichtsbild, die Fingerabdrücke und die Unterschrift erfassen zu können. Die Kosten für die Beschaffung einer Station für die Erfassung der biometrischen Daten (Enrolment Station) belaufen sich gemäss heutigem Kenntnisstand auf rund 35 000 Franken (inkl. MWST), die Wartungskosten ab dem dritten Jahr auf rund 1600 Franken pro Jahr. Die Erfassungsstationen sind dieselben wie jene, die für die biometrischen Schweizer Pässe verwendet werden. Für jedes Erfassungszentrum ist zudem eine Einheit zur Steuerung der gesamten Software notwendig, welche rund 15 000 Franken kostet und ab dem dritten Jahr wiederkehrende Wartungskosten von rund 1100 Franken verursacht. Je nach Anzahl der Ausweise, welche ein Kanton ausstellen muss, werden für ein Erfassungszentrum mehrere Erfassungsstationen notwendig sein. Zudem haben die Kantone die Möglichkeit, je nach der Ausgestaltung eines Erfassungszentrums, weitere Infrastrukturgeräte (Drucker, Scanner, Public Reader zum Überprüfen der Ausweise usw.) zu beschaffen, welche an die Systemplattform angeschlossen werden können.

28

74

In Bezug auf MIDES, vgl. den Bericht vom 19. Dezember 2008 über die Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (BBl 2009 573).

Des Weiteren werden die Kantone auch die Produktionskosten für die biometrischen Ausländerausweise übernehmen müssen. Das für die Ausfertigung gewählte Unternehmen Trüb AG sieht zurzeit Kosten von schätzungsweise 15­20 Franken pro Karte vor (ohne MWST). Das jährliche Produktionsvolumen für Aufenthaltskarten von Drittstaatenangehörigen wird auf 340 000 Stück angesetzt. Damit die Kantone diese Kosten ohne allzu grosse Schwierigkeiten tragen können, ist die Einführung einer Gebühr für die Erfassung biometrischer Daten sowie für die Produktion des Ausweises vorgesehen. Diese Gebühren werden in die Verordnung über die Gebühren zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (GebV-AuG)29 aufgenommen. Ziel dieser neuen Gebühren ist die Deckung der von den Kantonen und vom Bund (vgl. Ziff. 4.1) neu zu übernehmenden Kosten.

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200830 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200831 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Der Bundesrat sieht jedoch die Umsetzung neuer Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands in das Landesrecht vor. Die Ankündigung dieser Botschaften findet sich insbesondere unter Ziffer 4.2.2 der Botschaft über die Legislaturplanung32. Dasselbe geht aus dem Ziel des Bundesrates ­ der unter anderem die Überwachung der Anwendung der bestehenden Abkommen mit der EU wünscht ­ hervor, die Beziehungen zur EU zu konsolidieren (Ziff. 4.5.1 der Botschaft über die Legislaturplanung)33.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die Einführung der Biometrie im Ausländerausweis entspricht den internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

6.2

Verfassungsmässigkeit

6.2.1

Bundesbeschluss (Erlass 1)

Die Übernahme der vorliegenden Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands erfolgt in der Form eines Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft, der einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes, und der Bund kann mit dem Ausland Staatsverträge abschliessen.

Die Kompetenz der Bundesversammlung, völkerrechtliche Verträge zu genehmigen, ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

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SR 142.209 BBl 2008 753 BBl 2008 8543 BBl 2008 794 BBl 2008 804

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Nach Artikel 141 Absatz 1 BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Jeder Vertrag betreffend die Übernahme einer Weiterentwicklung des SchengenBesitzstands kann unter den von der Schweiz oder dem Rat der EU im SchengenAssoziierungsabkommen vorgesehenen Voraussetzungen gekündigt werden (vgl.

Art. 17 Abs. 4 SAA). Die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates betrifft zudem keineswegs einen Beitritt zu einer internationalen Organisation.

Bleibt also noch zu klären, ob der vorliegende Notenaustausch wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält, oder ob deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) sind unter rechtsetzenden Bestimmungen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten ausserdem Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Der vorliegende Notenaustausch sieht die Einführung biometrischer Daten in den Ausländerausweisen vor. Die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates regelt insbesondere, welche biometrischen Daten erfasst werden und im Ausländerausweis enthalten sein müssen. Sie enthält direkt anwendbare Bestimmungen. Diese Bestimmungen können als wichtig qualifiziert werden, da sie auf nationaler Ebene ausschliesslich in der Form eines Bundesgesetzes nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c und g BV erlassen werden können. Des Weiteren hat der vorliegende Notenaustausch für die Personen, die Personendaten liefern müssen, bedeutende Folgen.

Deshalb ist nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben b und c BV grundsätzlich die Bundesversammlung für die Festlegung solcher Bestimmungen zuständig. Nach Artikel 102 Absatz 2 AuG ist bei ausländerrechtlichen Verfahren die Erhebung biometrischer Daten zur Identifikation zwar erlaubt, die Aufbewahrung biometrischer
Daten im Rahmen der Ausstellung eines biometrischen Ausweises jedoch nicht. Zudem werden die Kantone bei der Umsetzung des biometrischen Ausländerausweises verpflichtet sein, die erforderlichen Daten insbesondere zu erfassen und dem Ausfertigungsunternehmen zu übermitteln. Die grundlegenden Bestimmungen über die Verpflichtungen der Kantone bei der Umsetzung und beim Vollzug des Bundesrechts sind als wichtige Bestimmungen zu betrachten, die durch den Gesetzgeber genehmigt werden müssen (Art. 164 Abs. 1 Bst. f BV). Ausserdem erfordert die Umsetzung der genannten Verordnung eine Anpassung auf formellgesetzlicher Stufe (Revision des AuG und des BGIAA). Aus diesen Gründen muss der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vom Parlament genehmigt werden.

Daraus folgt, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Einführung biometrischer Daten im Ausländerausweis dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV untersteht.

Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können der Genehmigungsbeschluss des Notenaustauschs und die aufgrund der Übernahme notwendigen Gesetzesänderungen in denselben Erlass aufgenommen werden.

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Gemäss Artikel 1 Ziffer 7 der Verordnung, welcher Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 abändert, muss die Schweiz Gesichtsbild und Fingerabdrücke erst zwei Jahre nach der Festlegung der diesbezüglichen technischen Massnahmen in den neuen Ausländerausweis integrieren (vgl. Ausführungen unter Ziff. 2.1.). Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Ausländerausweis in der bisher geltenden Form ausgestellt werden. Die Verordnung muss also erst ab dem 20. Mai 2011 umgesetzt werden. Die Schweiz wird der EU die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entsprechend spätestens an diesem Datum mitteilen müssen.

6.2.2

Gesetzesänderungen (Erlass 2)

Die verfassungsmässige Grundlage für die vorliegenden Anpassungen des BGIAA und des AuG findet sich in Artikel 121 Absatz 1 BV. Diese Gesetzesanpassungen sind Teil eines Erlasses, der sich vom Genehmigungsbeschluss des Bundesrates über die Einführung der Biometrie im Ausländerausweis unterscheidet, weil sie nicht mit der Umsetzung des vorliegenden Notenaustauschs zusammenhängen (siehe Art. 141a Abs. 2 BV). Die entsprechenden Gesetzesanpassungen unterliegen dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV.

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