zu 10.402 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über den Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen. Änderung Bericht vom 16. April 2010 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Mai 2010

Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 16. April 2010 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates zur parlamentarischen Initiative 10.402 «Bundesgesetz über den Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen. Änderung» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Ausgangslage

Anlässlich der Beratungen der Geschäfte Agglomerationsverkehr. Freigabe der Mittel ab 2011 (09.083) und Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz.

Freigabe der Mittel (09.084) stellte die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S) fest, dass für die Finanzierung der anstehenden Agglomerationsverkehrsprojekte nicht zeitgerecht genügend Geldmittel zur Verfügung stehen würden. Auch wiesen die Kantone bei einer Anhörung darauf hin, dass sie Projekte vorfinanzieren müssten, weil die Finanzen zwar gesprochen seien, jedoch nicht zur Verfügung stünden. Abklärungen zur Liquidität des Infrastrukturfonds zeigten, dass dieser aufgrund der bereits beschlossenen und zu beschliessenden Projekte des Agglomerationsverkehrs und der Engpassbeseitigung Nationalstrassen einen temporär höheren Mittelbedarf hat. Deshalb will die KVF-S mit einer ausserordentlichen Einlage von 850 Millionen Franken aus der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) die Liquidität des Infrastrukturfonds verbessern. Dies soll mit einer Änderung des Infrastrukturfondsgesetzes vom 6. Oktober 20061 (IFG) geschehen. Die Änderung hat zum Ziel, die mittelfristigen Liquiditätsprobleme des Infrastrukturfonds zu lösen, damit dieser seinen Verpflichtungen in allen vier zu finanzierenden Bereichen nachkommen kann. Mit dieser Massnahme sollen rechtzeitig Mittel für Infrastrukturprojekte zur Verfügung gestellt werden, sodass Vorfinanzierungen durch Kantone sowie Verzögerungen weitestgehend vermieden werden können.

Die KVF-S hat den Bericht mit Schreiben vom 21. April 2010 dem Bundesrat zur Stellungnahme überwiesen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Mit dem Ziel, die erforderliche Mobilität effizient und umweltfreundlich zu bewältigen, stellt der Bund über den Infrastrukturfonds während 20 Jahren 20,8 Milliarden Franken (Preistand 2005, ohne Teuerung und Mehrwertsteuer) aus der SFSV für vier Bereiche zur Verfügung: Fertigstellung Nationalstrassennetz (8,5 Milliarden), Engpassbeseitigung im bestehenden Nationalstrassennetz (5,5 Milliarden), Verbesserung der Verkehrsinfrastrukturen in Städten und Agglomerationen (6 Milliarden) und Substanzerhaltung der Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen (0,8 Milliarden). Für die Fertigstellung der Nationalstrassen, die dringenden und baureifen Projekte des Agglomerationsverkehrs und die Substanzerhaltung der Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen wurden die Mittel mit Inkraftsetzung des IFG bereits freigegeben. Die übrigen Mittel für die Verbesserung der Verkehrsinfrastrukturen in Städten und Agglomerationen sowie für die Engpassbeseitigung im bestehenden Nationalstrassennetz werden in Teilbeträgen freigegeben. Im Rahmen des Stabilisierungsprogrammes wurden für die Engpassbeseitigung Nationalstrassen schon 300 Millionen Franken freigegeben. Mit den eingangs aufgeführten Botschaften wird nun die Freigabe von weiteren Teilbeträgen, nämlich 1510,62 Millionen 1

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Franken für den Agglomerationsverkehr und 1235 Millionen Franken für die Engpassbeseitigung Nationalstrassen, beantragt.

Hinsichtlich der vorhandenen Liquidität und der zu finanzierenden beziehungsweise zur Finanzierung anstehenden Projekte ist die Situation des Infrastrukturfonds auch nach Auffassung des Bundesrates mittelfristig als kritisch zu beurteilen. Je nach Planungsvariante kann sich bereits ab 2012 ein Liquiditätsengpass abzeichnen.

Dieser hat verschiedene Gründe: Die bereits freigegebenen Mittel für die dringenden Projekte des Agglomerationsverkehrs wurden und werden aus verschiedenen Gründen rasch abgeholt. Einerseits musste bei allen dringenden Projekten des Agglomerationsverkehrs der Baubeginn bis spätestens Ende 2008 erfolgen. Andererseits wurden mit diesen Mitteln auch Projekte finanziert, die bereits im Bau beziehungsweise bei denen die Bauarbeiten bereits beendet waren (beispielsweise die Metro Lausanne oder die Durchmesserlinie Zürich). Daher wurden dem Agglomerationsverkehr in der Anfangsphase des Infrastrukturfonds deutlich höhere Beträge als die durchschnittlich jährlich vorgesehenen Tranchen von 300 Millionen Franken (plus Teuerung und Mehrwertsteuer) zugewiesen: Im Jahr 2008 430 Millionen Franken, im Jahr 2009 470 Millionen Franken, zwischen 2010 und 2014 rund 390 Millionen Franken. Von 2008 bis 2014 werden die für den Agglomerationsverkehr zur Verfügung stehenden Mittel vollständig durch die dringenden Projekte beansprucht. Für 2015 und 2016 ist ein Betrag von je 50 Millionen Franken vorgesehen. Erst ab 2017 können nach heutiger Planung höhere Beträge ausbezahlt werden.

Zudem hat der Entscheid der eidgenössischen Räte, die Kategorie «Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen» aufzunehmen (zusätzlicher Mittelbedarf von Anfang an 40 Millionen Franken pro Jahr), Einfluss auf den Finanzbedarf und die Liquidität des Infrastrukturfonds.

Bei der Netzvollendung Nationalstrassen wurden die ursprünglich eingeplanten Mittel in den Jahren 2008 und 2009 nicht vollumfänglich beansprucht. Die Liquidität des Fonds wurde dadurch geschont; dies genügt allerdings nicht, um die im Bereich Agglomerationsverkehr vorhandene angespannte Liquiditätssituation hinreichend zu entlasten.

Die derzeitige Situation im Infrastrukturfonds führt dazu, dass die Bundesbeiträge an die Agglomerationsprogramme
zeitlich nicht so fliessen können, wie es den zu erwartenden Projektfortschritten entspricht. Dies bedeutet, dass diese Vorhaben voraussichtlich entweder zurückgestellt oder durch Dritte, in der Regel die Kantone, vorfinanziert werden müssen. Unter vollumfänglicher Berücksichtigung der Eingaben der Kantone müssten für den Agglomerationsverkehr die Bundesmittel in den Jahren 2011­2018 in wesentlich weiterem Umfang als vom Bund geplant zur Verfügung stehen. Es müssten in den Infrastrukturfonds liquide Mittel in der Grössenordnung von rund 2,6 Milliarden Franken eingebracht werden. Erfahrungsgemäss sind aber die Eingaben der Kantone in Bezug auf die Termine als zu optimistisch zu beurteilen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass auch mit einem wesentlich geringeren Betrag ­ das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) hält hier einen Betrag von 1,0­1,5 Milliarden Franken für angemessen ­ eine weniger verzögerte und zeitnahere Mitfinanzierung des Bundes sichergestellt werden kann.

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Soll bundesseitig dem tatsächlichen Finanzbedarf des Infrastrukturfonds entsprochen werden, um eine Verzögerung der Projekte zu vermeiden, ist entweder die Verschuldung des Infrastrukturfonds zuzulassen oder die Einlagen in diesen müssen erhöht werden.

Das UVEK hat in Absprache mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung der KVF-S in einem Bericht vier Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Liquidität des Infrastrukturfonds aufgezeigt: 1.

Verschiebungen innerhalb des Infrastrukturfonds: Im Rahmen der jährlichen Mittelzuteilung für die einzelnen Aufgaben des Infrastrukturfonds wird von der Bundesversammlung über den Entnahmebeschluss im Voranschlag eine Prioritätenordnung festgelegt, beispielsweise indem der Anteil für die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes zugunsten der Agglomerationsprojekte verringert wird.

2.

Aufhebung des Verschuldungsverbots nach Artikel 9 Absatz 1 IFG: Zur Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel muss eine temporäre Verschuldung des Infrastrukturfonds ermöglicht werden. Dies erfolgt mittels eines Tresoreriedarlehens ausserhalb der Finanzrechnung. Eine Verschuldung des Infrastrukturfonds geht zulasten der SFSV.

3.

Anpassung der jährlichen Einlagen: Die jährlichen Einlagen in den Infrastrukturfonds werden in den liquiditätskritischen Jahren erhöht und in den späteren Jahren entsprechend reduziert. Die Einlage in den Infrastrukturfonds wird von der Bundesversammlung jährlich mit dem Voranschlag festgelegt.

4.

Ausserordentliche Einlage in den Infrastrukturfonds: Die Liquidität des Infrastrukturfonds wird mittels einer weiteren ausserordentlichen Einlage gesichert.

Die KVF-S hat sich für die Variante 4 mit einer ausserordentlichen Einlage aus der SFSV in den Infrastrukturfonds entschieden. Der Bundesrat kann sich aus folgenden Gründen mit dieser Variante einverstanden erklären: Vor Inkrafttreten der Schuldenbremse belief sich der Saldo der SFSV auf rund 3,45 Milliarden Franken. Davon wurden per 1. Januar 2008 2,6 Milliarden Franken mittels einer ersten ausserordentlichen Einlage in den Infrastrukturfonds überführt.

Der verbleibende Restbetrag von 0,85 Milliarden Franken stellt nach Ansicht des Bundesrates den maximal zulässigen Betrag dar, der unter Berücksichtigung der geltenden finanzpolitischen Regeln für eine weitere ausserordentliche Einlage überhaupt zur Diskussion stehen kann (denn für darüber hinausgehende Mittel besteht sofortige Kompensationspflicht). Die Bedürfnisse des Agglomerationsverkehrs können damit im ungünstigsten Fall möglicherweise nicht so befriedigt werden, dass Projektverzögerungen oder Vorfinanzierungen in jedem Fall vermieden werden können. Aus Sicht des Bundesrates muss dieser Betrag aber ausreichen, selbst wenn dadurch gewisse Projektverzögerungen oder Vorfinanzierungen in Kauf genommen werden müssen.

Eine weitere ausserordentliche Einlage in den Infrastrukturfonds in Höhe von maximal 850 Millionen Franken hat jedoch Nachteile: Aufgrund der Bestimmungen zur Ergänzungsregel zur Schuldenbremse muss die ausserordentliche Einlage durch strukturelle Überschüsse im allgemeinen Bundeshaushalt kompensiert werden. Der Bereinigungsbedarf nimmt entsprechend zu. Wegen der drohenden Mehrbelastungen 3434

wird dies den Bundeshaushalt vor grosse Herausforderungen stellen. Zusätzliche Konsolidierungsmassnahmen, die allenfalls auch die Kantone betreffen könnten, müssten vorgenommen werden.

Zudem wird die sich abzeichnende Unterdeckung der SFSV infolge der ausserordentlichen Einlage in den Infrastrukturfonds früher Realität, sodass die Erhöhung der Mineralölsteuer beziehungsweise des Mineralölsteuerzuschlags voraussichtlich schon früher als bisher vorgesehen notwendig wird.

Für den Bundesrat erweist sich aber als entscheidend, dass durch die ausserordentliche Einlage der Gesamtkredit des Infrastrukturfonds nicht erhöht wird und somit die im Bundesbeschluss vom 4. Oktober 20062 über den Gesamtkredit für den Infrastrukturfonds festgelegten Beträge unverändert bleiben. Es geht lediglich darum, für die anstehenden Projekte die Bundesbeiträge zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Die vorhandenen Mittel werden früher benötigt und sollen deshalb auch zu diesem Zeitpunkt fliessen.

Die SFSV hat Ende 2009 Rückstellungen von 2,848 Milliarden Franken. Diese Mittel sind zweckgebunden und sind insbesondere für die vorliegenden Aufgaben zu verwenden. Es spricht nichts dagegen, diese auch einzusetzen, wenn es notwendig ist. Der Abbau der Rückstellungen der SFSV entspricht im Übrigen einer immer wieder geäusserten politischen Forderung.

Mit dieser Einlage kann die drohende Verzögerung bei der Finanzierung von Projekten für den Agglomerationsverkehr voraussichtlich vermieden werden, beziehungsweise es können allenfalls notwendige Vorfinanzierungen durch Dritte, insbesondere die Kantone, zumindest stark vermindert werden. Die Kantone beziehungsweise die Trägerschaften konnten, gestützt auf die parlamentarischen Beratungen zum IFG, damit rechnen, dass sie ihre Agglomerationsprogramme rechtzeitig und mit einem Bundesbeitrag ausführen können. Es erscheint aus Sicht des Bundesrates, insbesondere mit Blick auf den Stand SFSV und auf den Umstand, dass insgesamt nicht mehr Mittel benötigt werden, angebracht, dass der Bund seinen Verpflichtungen zeitgerecht nachkommt, zumal für viele Kantone eine Vorfinanzierung nicht oder kaum möglich sein wird.

Verkehrsinfrastrukturen sind ein wichtiger Faktor für eine funktions- und wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Der Vorschlag der KVF-S schafft die Grundlage dafür, dass die Ziele des
IFG auch tatsächlich zeit- und bedarfsgerecht umgesetzt werden. Damit kann die Mobilität möglichst effizient und umweltfreundlich bewältigt werden.

Der Bundesrat stimmt dieser Variante unter der Voraussetzung zu, dass das Parlament von Artikel 15 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 2005 (SR 611.0) Gebrauch macht.

Die Varianten 1­3 lehnt der Bundesrat ab: 1.

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Eine Prioritätenverschiebung innerhalb der Aufgaben des Infrastrukturfonds ist eine Lösung innerhalb des Infrastrukturfonds. Sie hat zwar keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, gefährdet indessen die rechtzeitige Fertigstellung des Nationalstrassennetzes oder die angestrebte gleichmässige Mittelbereitstellung für die Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen.

Die überproportionale Alimentierung bestimmter Aufgaben hat nämlich zur

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Folge, dass für die anderen Aufgaben die Mittel fehlen. Der Bundesrat hat unter anderem in den Antworten auf mehrere parlamentarische Vorstösse darauf hingewiesen, dass die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, insbesondere aus verkehrspolitischen Gründen, hohe Priorität hat und sie nicht aus finanziellen Gründen verzögert werden darf. Die Engpässe auf dem Nationalstrassennetz führen ebenfalls zu grossen volkswirtschaftlichen Nachteilen. Die Beseitigung der gravierendsten Engpässe ist deshalb dringend. Es ist nicht einzusehen, weshalb diese Projekte, die im direkten Verantwortungsbereich des Bundes liegen, zugunsten von Agglomerationsprojekten mit Zuständigkeit Dritter zurückgestellt werden sollen.

2.

Die Aufhebung des im IFG festgehaltenen Verschuldungsverbots beziehungsweise die Gewährung von Tresoreriedarlehen ist nicht konform mit den Zielen der Schuldenbremse. Gleichzeitig ist dies ein unerwünschtes Signal für andere Verschuldungsfinanzierungen.

3.

Eine Erhöhung der jährlichen Einlagen in den Infrastrukturfonds vergrössert den ab 2011 vorhandenen strukturellen Bereinigungsbedarf im Bundeshaushalt von 1,5­2 Milliarden Franken weiter. Primär müssten die nötigen Kompensationen innerhalb des «Verkehrsbereichs» gesucht werden. In Frage kämen namentlich Kürzungen bei den übrigen Krediten der SFSV, was gegebenenfalls mit Artikel 2 Absatz 3 IFG kollidieren könnte. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Einlagen in den Infrastrukturfonds die Erfüllung der übrigen durch die SFSV finanzierten Aufgaben nicht gefährden dürfen. Um dies abzuwenden, könnten somit auch höhere Sparvorgaben an die übrigen Aufgabengebiete (beispielsweise Landesverteidigung, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe, Bildung und Forschung, soziale Wohlfahrt usw.)

nicht ausgeschlossen werden.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat stimmt aus diesen Gründen den Änderungsanträgen der KVF-S zum IFG zu.

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