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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Uebertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz bestraften : Hans Herzog, Landarbeiter in Bönigen, Kantons Bern, Hans Herzog, Schiffer, daselbst, Christen Seiler, Handlanger, daselbst, Peter Herzog, Schiffer, daselbst.

(Vom 8. März 1907.)

Tit.

Hans Herzog, Landarbeiter, hat nach eigenem Geständnis im Herbst 1906 dreimal im Bannbezirk Faulhorn ohne Patent mit einer im Rucksack mitgenommenen, zusammengeschraubten Flinte Gemsen gejagt und dabei sieben Stück dieser Tiere erlegt. Nur einmal scheint das zu offener Jagdzeit geschehen zu sein, die beiden" ändern Male; im Oktober und November, also während geschlossener Jagd. Bei diesen Exkursionen war Herzog jeweilen von einem der drei ändern Potenten begleitet, die ihm beim Jagdfrevel behülflic waren.

Der Polizeirichter von Interlaken bestrafte den Haupttäter Hans Herzog, Landarbeiter, mit Fr. 500 Geldbusse, und jeden seiner Komplizen mit Fr. 150, ferner zum Ersatz des Wertes der gefrevelten Tiere unter Annahme eines Wertes von Fr. 30 per Stück und solidarischer Haftbarkeit für die Fr. 30 betragenden Staatskosten

671 Ein anderer Einwohner der Gemeinde Bönigen, welcher dem Herzog das Fell einer Gemse abgekauft hatte, wurde, weil er offenbar gewusst, dass es von einem gewilderten Tiere herrührte, mit Fr. 40 Busse belegt, er scheint dagegen nicht Einsprache erheben zu wollen.

Die eingangs genannten Gebüssten ersuchen in einer gemeinschaftlichen Eingabe darum nach, dass ihnen die vom Polizeilichter ausgesprochenen Strafen ganz oder doch wenigstens zum grossen Teil erlassen werden möchten. Sie stellen den Tatbestand der Übertretungen nicht in Abrede, berufen sich aber darauf, dass Hans Herzog, Landarbeiter, und Peter Herzog Familienväter mit drei beziehungsweise fünf unerzogenen Kindern seien, Hans Herzog, Schiffer, der älteste Sohn einer mit Kindern reich gesegneten Witwe und dass Christen Seiler in ähnlichen Verhältnissen lebe.

Da ihnen wegen Vermögenslosigkeit die Entrichtung von Bussen und Kosten gänzlich unmöglich sei. ,,so warte ihrer nichts anderes, als für den Frevel von sieben wilden Tieren 2 x /a--8 Monate Gefängnis abzusitzen11, was mit Strafen, die für Totschlag und grosse Verbrechen an Mens'chen ausgesprochen werden, in keinem richtigen Verhältnis stehe. Der Vollzug der Haft würde gänzliche Verarmung der Familien der Fehlbaren herbeiführen und deren Unterstützung durch die Gemeinde notwendig machen.

Der Gemeinderat Bönigen bezeugt, dass die Potenten kein Einkommen versteuern, und dass die Vermögenstaxation des Peter Herzog eiaen Schuldenüberschuss von Fr. 720 erzeigt habe. Die ändern drei versteuern an Vermögen : Hans Herzog, Landarbeiter, mit sechs Geschwistern Fr. 710; Hans Herzog, Schiffer, Fr. 760 und Christen Seiler mit drei Geschwistern Fr. 1490. Die nämliche Behörde empfiehlt das Begnadigungsgesuch dringend zur Entsprechung, da der Vollzug der umgewandelten Bussen die Familien der Verurteilten in bittere Not bringen würde. Auch der Gerichtspräsident von Interlakeu hält dafür, dass mit Rücksicht auf die Folgen des Strafvollzuges eine Milderung des Urteils am Platze sei, trotzdem dasselbe au sich dem strafrechtlichen Tatbestande entspreche.

Das Strafrecht des Bundes vom Jahre 1853, welches gemäss Art. 22 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz für die Umwandlung von Strafen massgebend ist, die wegen Jagdfrevel ausgesprochen werden, bestimmt, dass für unerhältliche Bussen je ein Tag
Gefängnis an Stelle von Fr. 5 trete. Weder der Ersatz des gefrevelten Wildes noch Kosten können bei der Strafumwandlung in Betracht fallen, so 'dass es sich in concreto keineswegs um subsidiäre Freiheitsstrafen von 2*/2--8 Monaten, sondern um

672 solche von 30 Tagen bei drei und von 100 Tagen bei einem Verurteilten handelt. Itn weitem ergibt sich aus dem Detailberichte über die. Vermögensverhältnisse der Petenten, dass die Mehrzahl derselben keineswegs durchaus mittellos, sondern im stände ist, mehr oder weniger grosse Teile der Bussen zu bezahlen. Die Art und Weise aber, wie der Jagdfrevel, besonders von dem Höchstbestraften, betrieben wurde, die Tatsache, dass er wenigstens in zwei Fällen zu verbotener Zeit und mit verbotener Waffe gejagt hat, ferner der Umstand, dass der Frevel jeweilen von mehreren Personen im Komplott verübt wurde und die Jagd im Banngebiet stattfand, sprechen gegen die Milderung der Strafe, die der Richter in völlig angemessener Würdigung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse verhängt hat.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch der vier Peteuten abzuweisen.

B e r n , den 8. März 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d es pr ä s i d ent : Müller.

Der Kanzler der Eidgenosserischaft: Riiigier.

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1907

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13.03.1907

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670-672

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