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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Armenlasten, die den Gemeinden aus den unentgeltlichen Wiedereinbürgerungen erwachsen.

(Vom 7. Dezember 1907.)

Tit.

In der Sitzung vom 26. Juni 1906 hat der schweizerische Nationalrat folgende Motion erheblich erklärt: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, Bericht und Antrag über die Frage einzubringen, ob nicht der Bund sich an den den Gemeinden aus der unentgeltlichen Wiedereinbürgerung von ehemaligen Schweizerbürgern zufolge Verfügung des Bundesrates (Art. 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903) entstehenden Armenlasten finanziell mitbeteiligen solle."

Wir beehren uns, Ihnen in Ausführung dieses Auftrages folgenden Bericht zu unterbreiten.

Schon das Bundesgesetz vom 3. Juli 1876, betreffend die Erteilung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe, kannte das Institut der Wiedereinbürgerung. Art. 9 bestimmte nämlich : ,,Die Witwe, die geschiedene Ehefrau, sowie diejenigen Kinder eines entlassenen Schweizerbürgers, welche zurzeit der Entlassung noch minderjährig waren, sind berechtigt, bei dem

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Bündesrate die Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht zu verlangen. Diese Berechtigung erlischt je mit dem Ablauf von zehn Jahren für die Kinder nach erlangter Volljährigkeit und für die Witwe oder geschiedene Ehefrau nach Auflösung der Ehe.

Der Bundesrat wird die Wiederaufnahme aussprechen, wenn die Bedingungen erfüllt sind, welche Art. 2, Ziffer 2, dieses Gesetzes für die Bewerbung um das Bürgerrecht aufstellt, und der Bewerber in der Schweiz wohnt.

Durch die Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht, welche mit der Zustellung der darüber errichteten Urkunde erfolgt, wird auch das frühere Kantons- und Gemeindebürgerrecht von Gesetzes wegen erworben.

Der Kantonalgesetzgebung steht frei, immerhin unter Vorbehalt der Voraussetzungen des Art. 2, Ziffer 2, die Wiederaufnahme noch weiter zu erleichtern.a Diese Bestimmung blieb also in ihrer Anwendung auf die Witwe, die geschiedene Ehefrau und diejenigen Kinder eines entlassenen Schweizerbürgers beschränkt, welche zurzeit der Entlassung ihres Vaters noch minderjährig waren. Eine Verpflichtung für den Bundesrat, das Gutachten der Kantone über die zu verfügenden Wiedereinbürgerungen einzuholen, bestand nicht ; durch Zustellung der bundesrätlichen Wiedereinbürgerungsurkunde erlangten die Bewerber ohne weiteres ihr früheres Kantons- und Gemeindebürgerrecht.

Den Kantonen blieb es unbenommen, die Wiedereinbürgerung weiter zu erleichtern, d. h. sie noch auf andere Kategorien von Personen auszudehnen als die genannten, nämlich : a. auf die Witwe und die geschiedene Ehefrau, welche durch Heirat das Schweizerbürgerrecht verloren haben; b. auf den entlassenen Schweizerbürger, selbst; c. auf die Kinder eines entlassenen Schweizerbürgers, welche zurzeit der Entlassung ihres Vaters noch nicht geboren wai-en u. s. w.

Der Bundesrat hatte jedoch auch in diesen Fällen die Verhältnisse der Bewerber zu ihrem bisherigen Heimatsstaate (Art. 2, Ziffer 2) zu prüfen und konnte die Bewilligung zur Wiederaufnahme verweigern, wenn er Nachteile für die Eidgenossenschaft befürchtete.

Immerhin waren es unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 3. Juli 1876 nur wenige Kantone, deren Gesetzgebung die Bundesblatt. 59. Jahrg. Bd. VI.

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Wiedereinbürgerung zu erleichtern suchte. In Genf stellt die Verfassung selbst den Grundsatz auf, dass die Genferin, welche durch Heirat Ausländerin geworden ist, nach Auflösung der Ehe ihre Wiederaufnahme verlangen kann, wenn sie ihren Wohnsitz im Kanton Genf aufschlägt. Das tessinische bürgerliche Gesetzbuch enthält in § 16 die Bestimmung, dass die kinderlose Witwe,, welche durch Heirat ihr tessinisches Bürgerrecht verloren hat, es nach dem Tode des Ehemannes wieder erwirbt, wenn sie in.

den Kanton zurückkehrt und vor den kompetenten Behörden erklärt, im Kanton ihren Wohnsitz nehmen zu wollen. Das neuenburgische Gesetz vom 6. November 1889 bestimmt, dass jede aus dem Kanton Neuenburg stammende Frau, welche sich mit einem Schweizerbürger aus einem ändern Kanton oder mit einem Ausländer verheiratet hat, nach Auflösung dieser Ehe die Wiederaufnahme in das neuenburgische Bürgerrecht verlangen kann, sofern sie seit mindestens drei Monaten im Kanton Neuenburg wohnt und ihre Wohngemeinde sich mit ihrer Einbürgerung einverstanden erklärt. Das Gesetz des Kantons Baselstadt vom 19. Juni 1902 räumt Frauen, welche des Bürgerrechts durch Heirat oder während der Dauer der Ehe durch Entlassung verlustig geworden sind, das Recht auf unentgeltliche Wiederaufnahme in das frühere Gemeindebürgerrecht ein, wenn die Ehe durch den Tod des Ehemannes oder durch Scheidung gelöst worden ist. Sie müssen im Kantone wohnen und ihr Gesuch innerhalb der von der Bundesgesetzgebung bestimmten Frist einreichen. Die Wiederaufnahme kann nicht aus dem Grunde verweigert werden, dass die Bewerber der öffentlichen oder privaten Wohltätigkeit zur Last fallen.

Durch Postulat vom 9. Dezember 1898 lud uns der Nationalrat ein, zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, ob es nicht Mittel und Wege gebe, um die Einbürgerung in der Schweiz wohnender Ausländer zu erleichtern. Es wurde auf die bedenkliche Erscheinung hingewiesen, dass zufolge der letzten Volkszählung in der Schweiz rund eine Viertelrnillion Ausländer dauernd sich aufhalten. Es sei daher eine nationalpolitische Notwendigkeit, durch Erleichterung der Bürgerrechtsaufnahme die sich dazu überhaupt eignenden Elemente der schweizerischen Nation zu assimilieren. Man sollte insbesondere danach trachten, in der Schweiz geborene Kinder von Ausländern zu naturalisieren. Es sei doch
ein höchst beklagenswerter Missstand, wenn Personen, die nach Geburt, Erziehung, Domizil und ganzer wirtschaftlicher Tätigkeit d e f a c t o Schweizer seien, vom Auslande als Bürger

375 beansprucht und zum ausländischen Militärdienst herangezogen würden, weil, seien es zu hoch geschraubte Einbürgerungstaxen, sei es die Unmöglichkeit der Verlegung des Domizils in den Bereich einer liberaleren Gesetzgebung, ihrer Naturalisation schwer zu überwindende Hindernisse in den Weg legen.

Bei der Prüfung dieser Frage mussten wir uns bald überzeugen, dass es im Rahmen der jetzigen Bundesverfassung unmöglich ist, eine wesentliche Besserung der beklagten Zustände herbeizuführen. Um so bereitwilliger nahmen wir die Anregung einiger Kantone auf, welche dahin ging, es möchte in dem zu erlassenden neuen Bundesgesetz das Institut der Wiedereinbürgerung erweitert werden. Die Regierung des Kantons Zürich sprach sich hierüber wie folgt aus: ,,Der Bundesgesetzgebung ist wohl möglich, einige Erleichterungen eintreten zu lassen. Wenn der Witwe, der geschiedenen Ehefrau, sowie den Kindern eines aus dem schweizerischen Staatsverbande entlassenen Schweizerbürgers die unentgeltliche Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht zugesichert wird, so könnte das gleiche Recht weiter auch Frauenspersonen, welche das Schweizerbürgerrecht durch Heirat verloren haben, für den Fall der Auflösung der Ehe, und ihren Kindern eingeräumt werden, wie es Baselstadt für sich getan hat. Dadurch würde ein weiterer und wohl nicht unerheblicher Bruchteil von Ausländern der Erleichterung der Naturalisation beziehungsweise Renaturalisation von Bundesrechts wegen teilhaftig.tt Die Regierung des Kantons Luzern bemerkte in ihrem Gutachten : . n Immerhin glauben wir, dass die Frage geprüft werden sollte, ob nicht die in der Schweiz geborenen Kinder von Ausländern, sofern die Mutter der erstem Schweizerin ist, ohne weiteres das Schweizerbürgerrecht erhalten sollten. Immer häufiger kommt der Fall vor, dass Italiener, welche des Verdienstes wegen in die Schweiz kommen, sich hier mit Schweizerinnen verheiraten.

Stirbt dann der Vater und kann sich die Familie nicht durchbringen, so bleibt derselben nichts übrig, als ihre Heimat in Italien aufzusuchen, wo sie das Bürgerrecht besitzt, aber wo ihr alles, Leute, Sprache, Sitten, völlig fremd ist. Es scheint uns ein Gebot der Humanität zu sein, vorzusorgen, dass solches nicht mehr vorkommt, und das kann unseres Erachtens nur erreicht werden, wenn eben die in der Schweiz geborenen Kinder einer schweizerischen Mutter das Schweizerbürgerrecht eo ipso erlangen", oder wenigstens für letzteres optieren können."1

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Dieser Wunsch ist durch Art. 10 des Buadesgesetzes vom 25. Juni 1903, betreffend die Erwerbung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe, verwirklicht worden, demzufolge der Bundesrat, nach Anhörung des Heimatkantons, die unentgeltliche Wiederaufnahme folgender Personen in ihr früheres Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht verfügen kann : a. dei- Witwe oder der zu Tisch und Bett getrennten oder geschiedenen Ehefrau eines Schweizerbürgers, der auf sein Bürgerrecht verzichtet hat; b. derjenigen Kinder eines entlassenen Schweizerbürgcrs, welche zurzeit der Entlassung unter elterlicher Gewalt waren ; c. der Witwe oder der zu Tisch und Bett getrennten oder geschiedenen Ehefrau, welche durch ihre Heirat das Schweizerbürgerrecht verloren hat; d. solcher Personen, welche durch besondere Verhältnisse genötigt wurden, auf das Schweizerbürgerrecht zu verzichten.

Mit der Mutter oder den Eltern werden in den Fällen a, c und d auch die minderjährigen Kinder aufgenommen, wenn keine ausdrückliche Ausnahme gemacht wird.

Die Bewerber müssen ihren Wohnsitz in der Schweiz haben und ihr Gesuch binnen 10 Jahren nach Auflösung der Ehe in den Fällen a und e, nach zurückgelegtem zwanzigsten Altersjahr in den Fällen ö, und nach ihrer Rückkehr in die Schweiz in den Fällen d einreichen.

Dies das praktisch wichtigste Ergebnis der infolge des Postulates vom 9. Dezember 1898 unternommenen Revisionsarbeit. Unsere Vorschläge blieben in der Bundesversammlung nicht unangefochten, allein alle dagegen erhobenen Bedenken mussten schliesslich der Einsicht weichen, dass jener humane Zweck nicht erreicht werden könnte, wenn dem Bundesrat nicht die Befugnis eingeräumt würde, Wiedereinbürgerungen auch gegen den Willen der Gemeinden und der Kantone zu verfügen.

Jede unentgeltliche Wiedereinbürgerung bedeutet ja eine Schmälerung der Bürgernutzungen; handelt es sich um eine mit irdischen Gütern nicht gesegnete Familie, so droht auch die Gefahr, sie früher oder später aus Gemeindemitteln unterstützen zu müssen.

Daher die Schwierigkeiten, auf die jeder legislative Versuch, die Einbürgerung von Ausländern zu erleichtern, stösst; daher der Widerstand, dem wir bei der Durchführung des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 begegnen.

n

ci

Zusammenstellung der

seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 auf Grund von art. 10 in ihr früheres Bürgerrecht wiederaufgenommenen Witwen und geschiedenen Ehefrauen mit Angabe der miteingebürgerten minderjährigen Kinder, sowie der bis Ende Oktober 1906 von den Kantonen und Gemeinden verabfolgten Unterstützungen.

Unterstützungsbedürftige Familien

Verfügte Wiedereinbürgernngen

1904

Itan'tone Gesuche

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz Obwalden Nidwaiden Glarus Zug Freiburg Solothurn Baselstadt Baseüand Schaffhausen Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh St. Gallen Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuen bürg Genf

27 18 2 1

Kinderzahl

1905 Total Personen

54 34

81 52

16

18

3

4

Gesuche

36 22 2 1 5

Kind erzähl

39 ° 44

2 1 7

1906 Total Personen

75 66 4

2 12

1907 (bis 20. November)

Gesuche

Kinderzahl

Total Personen

Gesuche

Kinderzahl

37 34 6 2 2

60

97 110 14

30 34 10

40 65

70 99

22

32

76 8 5 5

7 7

1

--

Total Personen

1

Gesamttotal delwiedereiiibürgerungen

130 108 20 3 9

der Personen

323 327 68 9 24

Unterstützungsbeträge

Anzahl

'7

3 --

1 3

der Gemeinden und Privaten

der Kantone

Fr.

?

Fr.

?

--

365. -- -- 20. -- 771. --

, ,,_

1 1 5 5 1 1

3 10 11 4 2 24 3 68 10 31 15 25

15

2 5 6 3 1 14 1 50 7 22 10 18 17

4 23

5 20

«156

288

9 43 «444

10 2 18 3 9 5 7 -.

32

.

Total

1 3 2 5 4 6 11 1 25 4 14 6 9 17 4 7 32

218

1 1 4 3 3 9 5 13 7

39 4 23 8 6 30 3 5 35 291

2 7 5

8 13 11 24 8 64 8 37 14 15 47 7 12 67 509

--

2 3 2

3 4 3 8 2 19 2 7 11 9 17 5 2 18 *196

14 12 7 4 1 3 -- -- 5 8 3 7 3 6 18 10 -- 2 29 48 6 4 6 13 18 29 24 33 23 40 17 22 4 6 22 40 339 «535

9

2 1 3 3 2 1 3 -- 14 4 16 12 9 15 £)

4

16 185

-- 8 3 2 3 4 -- 28 9 30 21 11 12 15 2 16

300

11 1 11 6 4 4 7 --- 42 13 46 33 . 20 27 20 6 32 485

1 4 4 7

10 16 11 11 32 5 76 13 46 34 34 64 14 17 89 *755

1 25 9 14 26 33 28 23 73 13 222 37 127 91 93 146 49 33 182

H973

1 -- 4 1 -- --7

1 -- -- 1 5

12 46

* Diese Zahlen stimmen mit der sich aus der Addition ergebenden Summe nicht überein, weil drei Personen in je zwei Kantonen wieder eingebürgert wurden.

?

-- _4796. 50 425. --

--

--

?

-- -- -- -- --

-- -- 609. 80 40. -- -- .-- 200. -- 973. 35

255. 90

y

?

8200. 65

255. 90

.--

-- -- -- --

Total

Fr.

(

3,242.

365.

-- 20.

771.

05 -- -- --

?

-_ -- 4,796. 50 425. -- -- -- 609.

40.

-- -- 200.

1,229.

80 -- -- 25

4 1 78 -L11 .1 TT» -L 1 O ·

15,876. 71

Q 377

· Diesen Verhältnissen haben wir durch eine sehr vorsichtige Anwendung des Gesetzes Rechnung zu tragen gesucht. So pflegen wir die Wiederaufnahme unterstützungsbedürftiger Personen abzulehnen, wenn ihnen die ferne Heimat auch der Sprache nach nicht ganz fremd ist, so dass keine grosse Härte darin läge, sie dahin abzuschieben. Die blosse Gefahr hingegen, dass der vermögenslose Bewerber früher oder später der Heimatgemeinde zur Last fallen möchte, bildet nach unserer Praxis keinen genügenden Grund, ihm die Wiedereinbürgerung zu verweigern, wenn er immer oder den grössten Teil seines Lebens in der Schweiz gelebt hat und seine Kinder in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind. Personen, deren Leumund nicht ganz einwandfrei ist, weisen wir ohne weiteres ab.

Trotzdem wollen die Klagen über die Opfer, welche Art. 10 den Gemeinden auferlegt, nicht verstummen, und man ruft nach Bundeshülfe. Es erscheint daher angezeigt, zu untersuchen, ob wirklich die von uns verfügten Wiedereinbürgerungen so schlimme wirtschaftliche Folgen für die Gemeinden und die Kantone gehabt haben, dass der Bund ihnen unter die Arme greifen müsse. Eine diesem Berichte angefügte statistische Zusammenstellung gibt Aufschluas darüber, wie viele Personen seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903, d. h. vom \. Januar 1904 bis zum 20. November 1907 in jedem einzelnen Kanton wieder eingebürgert wurden. Es sind im ganzen 1973 Personen (Frauen und Kinder). Die Übersicht gibt ferner für den Zeitraum vom 1. Januar 1904 bis Ende Oktober 1906 an, wie viel die Unterstützungen betragen, welche Kantone und Gemeinden ihren wiederaufgenommenen Angehörigen verabfolgt haben. Es sind im ganzen Fr. 15,876. 71.

Zieht man hiervon die Beiträge, welche Kantone geleistet haben, wo die unentgeltliche Wiederaufnahme schon vor dem Erlass des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 bestand (Baselstadt und Genf), mit Fr. 8974. 61 ab, so verbleiben Fr. 6902. 10. An dieser Summe ist der Kanton Zürich mit Fr. 3242. 05 und der Kanton Waadt mit Fr. 1229. 25 beteiligt; der Rest, d. h.

Fr. 2430. 80, verteilt sich auf die übrigen 21 Kantone.

Hiernach ist wohl der Schluss berechtigt, dass von ausserordentlichen Lasten, welche den Gemeinden und den Kantonen aus den vom Bundesrate verfügten Wiedereinbürgerungen erwachsen, nicht die Rede sein kann. Mag auch von wenig tinanz- und steuerkräftigen Gemeinden schon eine verhältnismässig geringe Unterstützung als Mehrbelastung empfunden werden, so

o 378 liegt doch hierin kein genügender Grund, die Hülfe des Bundes anzurufen, so lange die meisten Kantone selbst für ihre bedrängten Gemeinden nichts tun.

Aber abgesehen davon, müssen wir aus prinzipiellen Gründen und der Konsequenzen halber dagegen Widerspruch erheben, dass dem Bunde ein Teil der Armenlasten der schweizerischen Gemeinden aufgebürdet wird. Das Armenwesen ist ausschliesslich Sache der Kantone; soll sich der Bund auch auf diesem Gebiete betätigen, so rnüsste er vor allem aus mit der nötigen Kompetenz hierzu durch eine Revision der Bundesverfassung ausgestattet werden, wie dies für die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund geschehen ist. Ein Bundesgesetz hätte sodann zu bestimmen, unter welchen Bedingungen und in welchem Masse der Bund an die den Gemeinden und dea Kantonen aus den Wiedereinbürgerungen erwachsenden Armenlasten beitragen solle. Die unausbleibliche Folge davon würde endlich wohl die Errichtung der Stelle eines Armensekretärs sein, der die von den Gemeinden und den Kantonen eingereichten Rechnungen zu prüfen hätte.

Wenn der Bund im allgemeinen schweizerischen Interesse das Recht für sich beansprucht hat, ehemaligen Schweizerbürgern zur Wiedererwerbung ihres angestammten Bürgerrechts für sich und ihre Kinder zu verhelfen, so folgt daraus keineswegs, dass er zu ihrer Unterstützung im Verarmungsfalle beitragen müsse.

Im Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 ist von einer solchen Pflicht nicht die Rede.

Auch die Einbürgerung von Heimatlosen nach dem Bundesgesetz vom 3. Dezember 1850 hat den Kantonen bedeutende Kosten verursacht, sie haben aber dieselben allein getragen.

Hieraus ergibt sich, dass ein erster Schritt im Sinne der Motion Folgen haben könnte, deren Tragweite sieh heute nicht übersehen lässt.

Man vergesse nicht, was der Bund zur Hebung der allgemeinen Wohlfahrt heute schon leistet, und welche grossen Aufgaben seiner noch harren, darunter namentlich die Durchführung der Kranken- und Unfallversicherung, welche sicherlich zur Entlastung der öffentlichen Armenpflege in dauernder und wirksamer Weise beitragen wird.

Wir stellen den Antrag, Sie wollen der Anregung keine weitere Folge geben.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 7. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Armenlasten, die den Gemeinden aus den unentgeltlichen Wiedereinbürgerungen erwachsen. (Vom 7. Dezember 1907.)

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1907

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53

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1907

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372-379

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10 022 699

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