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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung von Bundesakten, Amtspflichtverletzung und Unterschlagung bestraften Simon Willener, von und in Hasliberg, Kt. Bern, geboren 1. September 1887, gewesenen Briefträgers in Hasliberg.

(Vom 10. Juni 1907.)

Tit.

Willener wurde am 29. Dezember 1905 von der Kriminalkammer des Kantons Bern wegen Fälschung von Bundesakten, Unterschlagung im Betrage von mehr als Fr. 300 und Amtspflichtverletzung zu l1/'2 Jahren Zuchthaue, lebenslänglicher Einstellung im Aktivbürgerrecht und Fr. 50 Geldbusse verurteilt.

Ein von seinen Eltern im September 1906 eingereichtes Gesuch um Begnadigung und Wiedereinsetzung in den bürgerlichen Rechten gelangte am 13. Dezember gleichen Jahres vor die vereinigte Bundesversammlung mit dem motivierten Antrage des Bundesrates, das Gesuch in allen Teilen abzuweisen. (Siehe den Bericht des Bundesrates unter den Beilagen und Bundesblatt 1906, Bd. V, 172.)

Die Bundesversammlung beschloss: Das Gesuch Willener wird, und zwar, so weit es sich auf die Einstellung im AktivBundesblatt. 59. Jahrg. Bd. IV.

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bürgerrecht bezieht, zurzeit abgewiesen. (Traktandenvcrzeichnis Nr. 27 «.) Willener, der jetzt die Freiheitsstrafe gänzlich abgesessen und sich während dieser Zeit laut Zeugnis der Direktion der Zwangsarbeitsanstalt Trachselwald gut verhalten hat,, erneuert nunmehr mit Unterstützung seines Vaters das Gesuch um Erlass der Ehrenstrafe auf dem Wege der Begnadigung, indem er darauf hinweist, dass die lebenslängliche Einstellung im Aktivbürgerrecht für ihn sehr empfindlich sei und einen furchtbar lähmenden Druck auf seinen guten Willen besserer Aufführung lege. Er hält dafür, dass die Bundesversammlung durch den Entscheid vom 13. Dezember 1906 festgestellt habe, dass auch die Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Rechte auf dem Wege der Begnadigung gewährt werden könne und dabei die für die Einbringung solcher Gesuche beim Kassationshofe des Bundesgerichtes geltende Frist von drei Jahren nach Erstehung der Freiheitsstrafe nicht berücksichtigt zu werden brauche.

Der Bundesrat gelangt bei erneuter Prüfung der in Betracht kommenden Rechtsfragen zu dem bereits in seinem Berichte vom 2. November 1906 gezogenen Schlüsse, dass nach dem gegenwärtig geltenden positiven Bundesrecht die Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Rechte dem richterlichen Entscheide vorbehaltensei, wenn der Entzug derselben vom Strafrichter auf Grund von Bundesgesetzen erfolgte. Nur eine Abänderung der Vorschriften der Art. 175/182 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege und des Art. 145, Ziff. 3, des Organisationsgesetzes betreffend die Bundesrechtspflege könnte die Rehabilitation in die Kompetenz der Begnadigungsbehörde legen. Im übrigen besteht in weitaus den meisten schweizerischen Gesetzen der Grundsatz, dass ein Verurteilter, welchem wegen Begehen eines gemeinen Verbrechens die bürgerlichen Rechte entzogen wurden, erst nach Ablauf einer gewissen Zeitfrist um Wiedereinsetzung einkommen könne, nachdem er d°urch seine Aufführung gezeigt, dass er dieser Rechtswohltat würdig sei. (Siehe Stooss, Grundzüge des schweizerischen Strafrechtes. Bd. l, pag. 462 u. ff. ; ferner Dr.

Schiller: Die Rehabilitation nach schweizerischem Recht, pag. 49 u. ff.) Wir wiederholen daher den Antrag, auf das Gesuch des Simon Willener überhaupt nicht einzutreten und ihm zu überlassen, nach Ablauf der gesetzlichen Frist sich an den Kassationshof
des Bundesgerichtes zu wenden. Eventuell aber wäre er gegenwärtig auch deswegen nicht zu hören, weil er wegen Minderjährigkeit zur Ausübung der Rechte eines Aktivbürgers überhaupt noch nicht befähigt ist.

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Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den An t r a g :

Es sei das Gesuch des Simon Willener wegen Inkompetenz der Bundesversammlung eventuell zurzeit abzuweisen.

B e r n , den 10. Juni 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kingier.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Rekurs der Verwaltung der Montreux-Berner Oberland-Bahn gegen die Verfügung des Bundesrates vom 17. Dezember 1906 über die Einrichtung eines direkten Güterverkehrs und die Berechnung der Gütertaxen im direkten Verkehr, sowie im Transitverkehr.

(Vom 13. Juni 1907.)

Tit.

Die Verwaltungen der schmalspurigen elektrischen Greyerzerbahnen (einschlièsslich der von diesen betriebenen Linie von Palézieux nach Châtel St. Denis) und der schmalspurigen elektrischen Bisenbahnen von Vevey beabsichtigten sowohl unter sich, als mit der ebenfalls schmalspurigen elektrischen Montreux-Berner Oberland-Bahn und weiter mit den Normalspurbahnen einen direkten Güterverkehr einzurichten. Der direkte Güterverkehr zwischen den beiden erstgenannten Verwaltungen begegnete keinen Schwierigkeiten, indem er sich so gestalten liess, dass nur die Linien dieser beiden Unternehmungen in Anspruch genommen werden mussten. Dagegen bestritt die Montreux-Berner Oberland-Bahn jede Verpflichtung, mit den ändern Verwaltungen einen direkten Güterverkehr einrichten zu müssen und stellte gleichzeitig das eventuelle Begehren, in al [fällige direkte Gütertarife ihre vollen

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung von Bundesakten, Amtspflichtverletzung und Unterschlagung bestraften Simon Willener, von und in Hasliberg, Kt. Bern, geboren 1. September 1887, gewesenen Brie...

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19.06.1907

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