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Schweizerisches Bundesblaft.

59. Jahrgang. V.

Nr. 37.

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28. August 1907.

Bericht der

Kommission des Ständerates für Vorberatung des Bundesbeschlusses betreffend Bewilligung einer Bundessubvention an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels.

(Vom 19. August 1907.)

Tit.

I.

In der diesjährigen Aprilsession der eidgenössischen Räte wurde vom h. Bundesrate eine Vorlage angekündigt betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels und dabei der Wunsch ausgesprochen, es möchten in Rücksicht auf die Dringlichkeit der Vorlage die Kommissionen der beiden Räte noch in der laufenden Session bestellt werden. Es geschah dies, und es wurde die Priorität der Behandlung dem Ständerate zugeschieden.

Obwohl im Laufe der Aprilsession die Botschaft des Bundesrates noch nicht erschien, versammelte sich doch während derselben die ständerätliche Kommission zur Behandlung der Vertagungsfrage. Dabei ergab sich die Schwierigkeit, im Monat Mai, für dessen Anfang das Erscheinen der Botschaft mit Beschlussesentwurf in Aussicht gestellt war, die Mitglieder, welche in diesem Monat alle mit amtlichen oder Berufsgeschäften sehr stark in Anspruch genommen waren, zu einer Sitzung zu verBundesblatt. 59. Jahrg. Bd. V.

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einigen. Die Kommission vertagte sich daher auf den Beginn der Junisession, weitere Beschlussfassung auf jenen Termin sich vorbehaltend.

Inzwischen wendete sich mit wiederholtem Schreiben und in mündlicher Besprechung das Präsidium der Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon an den Präsidenten der ständerätlichen Kommission mit dem Ersuchen, die Behandlung des Gesuches des Kantons Bern um Gewährung einer Subvention für den doppelspurigen Lötschbergtunnel in der Kommission soweit zu fördern, dass die Erledigung in den Räten in der Junisession stattfinden könne, und zwar aus dem zwingenden Grunde, dass im Oktober die Lötschbergbahn nicht nur die bestimmte Zusage für die Ausführung des zweiten Geleises im Tunnel zu den festgesetzten Bedingungen abgeben, sondern bis dorthin auch den nötigen Finanzausweis erbracht haben müsse. Es müsse also diesem Termin ein rechtskräftig gewordener Bundesbeschluss vorangehen.

Diesem Begehren entgegenkommend, richtete am 8. Mai 1907 der Präsident der Kommission an die Mitglieder ein Kreisschreiben, worin unter Kenntnisgabe der Sachlage, unter der Voraussetzung, dass die Botschaft des Bundesrates bis dahin erschienen sein w°erde, und unter dem Hinweis darauf, dass die Abhaltung von Kommissionssitzungen für eine derartig wichtige Frage während der Parlamentssitzungen sich als unmöglich erweisen dürfte, die Mitglieder angefragt wurden, ob es ihnen, angesichts der Dringlichkeit der Sache, nicht vielleicht doch möglich wäre, etwa auf den 23. Mai zu einer Sitzung in Bern zusammenzutreten, um diese Sitzung am 24. und 25., eventuell auch Sonntags den 26. Mai fortzusetzen und sich so zur Behandlung der Angelegenheit in der ersten oder zweiten Sitzungswoche des Ständerates im Juni bereit zu halten. Die auf diese Anfrage rasch eingehenden Antworten ergaben, dass von den sieben Mitgliedern mindestens fünf durch anderweitige bereits festgestellte Sitzungen von eidgenössischen Kommissionen verhindert waren. Dann aber erschien am 10. Mai ein Schreiben des Bundesrates an die Kommission des Ständerates für die Lötschbergsubvention mit folgendem Inhalt: ,,Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, dass wir nicht in der Lage sein werden, unsere Botschaft über das Begehren des Regierungsrates desKantons Bern um Bewilligung einer Subvention für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels so frühzeitig vorzulegen, dass die Kommissionen noch vor der Junisession zur Beratung dieses Gegenstandes zusammentreten können.a

Am 31. Mai 1907 wurden die ersten Exemplare der vom Bundesrate am 28. Mai festgestellten Botschaft betreffend Bewilligung einer Bundessubvention von fünf Millionen Franken an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels an die Mitglieder der ständerätlichen Kommission verteilt. Am 5. Juni darauf, am zweiten Tage nach Zusammentritt der Bundesversammlung, versammelte sich die Kommission zur Behandlung der Angelegenheit.

In der Diskussion sprachen sich fünf Mitglieder ohne weiteres für Verschiebung der Beratung aus in dem Sinne, dass in einer ausserordentlichen Septembersession die Sache vor die Räte gebracht werde und dass zwischen der Juni- und Septembersession die zur Vorberatung erforderlichen Kommissionssitzungen stattfinden sollen. Zur Begründung wurde geltend gemacht : Es handle sich um eine sehr wichtige und folgenschwere Frage, und es wäre eine starke Zumutung an die Mitglieder, die bis jetzt nicht einmal Gelegenheit hatten, die Akten zu prüfen und die Sache des näheren zu studieren, ohne weiteres dem Antrag des Bundesrates zuzustimmen. Es sei allerdings eine ziemlich starke Pression auf die Kommissionsmitglieder ausgeübt worden ; aber die Botschaft des Bundesrates gehe über Wichtiges sehr rasch hinweg, der Standpunkt und das Interesse der Bundesbahnen sei zu wenig zur Geltung gebracht ; die Botschaft scheine in der Eile verfasst und erlassen worden zu sein. Die Sache sei nach verschiedenen Richtungen noch nicht genügend abgeklärt : Wie die Beteiligung sich zu gestalten habe, ob à* fonds perdu oder in Aktien ; ob ein zweispuriger Tunnel am Lötschberg überhaupt notwendig, oder damit besser zuzuwarten sei bis ein Bedürfnis sich einstelle. Der Lötschberg sei eine Zufahrtslinie zum Simplon und dieser selbst nur einspurig gebaut. Ob der grosse Verkehr, den man für den Lötschberg in Aussicht genommen, überhaupt eintreten werde, sei noch sehr zweifelhaft. Bei solcher Sachlage wäre das richtigste, dass die zunächst Beteiligten in die Unternehmung dringen, van von ihr eine Verschiebung des Termins zu erhalten.

Man werde sowieso an die Gewährung der Subvention noch gewisse Vorbehalte zu knüpfen haben, an welche der Bundesrat nicht gedacht habe. Die Kommission dürfe nichts überstürzen ; ihre Pflicht sei, ihren Entscheid nur bei vollständiger Klarstellung der Sachlage zu fassen. Eine Verschiebung liege aber aus verschiedenen Gründen auch im Interesse des Unternehmens selbst. Mit der Subventionierung der rhätischen Bah-

neu hat die Lötschbergsubvention nichts zu tun, die Verhältnisse liegen dort ganz anders als hier ; das Gesuch der Rhätischen Bahnen hat zwei Jahre beim Bundesrat gelegen, die gleichzeitige Vorlage beider Geschäfte an die Räte muss daher als eine zufällige Erscheinung betrachtet werden.

Nachdem in diesem Sinne der Präsident der Lötschbergkommission mit dem Präsidenten des Ständerates Rücksprache genommen, eröffnete Herr Ständeratspräsident Wirz in der Sitzung vom 10. Juni 1907 dem Rate, dass die Behandlung der Lötschbergsubvention in der Junisession nicht mehr stattfinden könne. Darauf gab Herr Ständerat Kunz namens der bernischen Abgeordneten in der Bundesversammlung folgende Erklärung ab : ,,Die Mitteilung des Herrn Präsidenten betreffend Absetzung des Traktandums ,,Subvention für den Lötschbergtunnel" von der Traktandenliste der gegenwärtigen Session zwingt mich, in der Angelegenheit das Wort zu ergreifen zur Abgabe einer Erklärung.

,,Der Beschluss Ihrer Kommission, es sei dieses Geschäft in der gegenwärtigen Session nicht zu behandeln, sondern auf eine ausserordentliche Herbstsession zu verschieben, hat uns sehr überrascht, und in den am bernischen Alpendurchstich interessierten Kreisen würde man es nicht verstehen, wenn die Vertreter des Standes Bern diese für uns so hochwichtige Schlussnahme mit Stillschweigen übergehen wollten ; im Gegenteil erachten wir es als unsere Pflicht, Sie, Herr Präsident, Herren Ständeräte, auf die schwerwiegenden Konsequenzen aufmerksam zu machen, die durch die Verschiebung dieser Angelegenheit eintreten könnten. Zur richtigen Würdigung der Situation wollen Sie mir gestatten, kurz folgendes festzustellen : ,,In Ausführung eines Beschlusses des bernischen Grossen Rates vom 27. Juni 1906 hat der Regierungsrat unterm 31. Dezember 1906 dem hohen Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch unterbreitet, die Eidgenossenschaft möchte durch eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Berner Alpenbahn die Möglichkeit schaffen, den grossen Lötschbergtunnel in der ersten Anlage doppelspurig auszuführen.

,,In einer gedruckten Eingabe, welche unterm 9. April 1907 sämtlichen Mitgliedern der Bundesversiynmlung zugestellt worden ist, wurde dieses Gesuch einlässlich begründet, indem wir in durchaus objektiver Weise den Ursprung und die Entwicklung der Berner Alpenbahnfrage, die Bauausführung und

ihre vertraglichen Grundlagen, die Frage des elektrischen Betriebes und seine Bedeutung, die Vorteile einer doppelspurigen Anlage des grossen Tunnels, und endlich die wirtschaftliche, die eisenbahnpolitische und die militärische Bedeutung der Lötschbergbahn auf Grund fachmännischer Prüfungen und Gutachten festgestellt haben. Ich darf daher den Inhalt dieser Eingabe als bekannt voraussetzen.

,,Nun ist es für Eingeweihte sehr wohl verständlich, wenn die ständerätli'che Kommission angesitehts der grossen finanziellen Tragweite des Geschäftes und mit Rücksicht auf die kurze Zeit, welche ihr für dessen Behandlung zur Verfügung stand, Bedenken trug, ihre Anträge schon für die gegenwärtige Session festzustellen und dem Rate zu unterbreiten. Dagegen wird man in weitern Kreisen und namentlich im Bernervolk diese Verschiebung nicht verstehen, wenn es bekannt wird, dass die Subvention von fünf Millionen für die Rhätischen Bahnen in dieser Session beschlossen wird, obwohl die bezügliche Botschaft des Bundesrates nicht früher an die Räte verteilt worden ist als diejenige für die Lötschbergbahn.

,,Die Behauptung, die Berner Regierung hätte ihre Eingabe früher einreichen können, ist bei näherer Prüfung nicht stichhaltig. Mit dem Beschluss des Grossen Rates vom 27. Juni 1906 war die Angelegenheit noch lange nicht spruchreif. Bei aller Diligenz war die Konstituierung der Gesellschaft erst unterm 27. Juli 1906 möglich ; alsdann musste die Genehmigung des Finanzausweises und der Gesellschaftsstatuten durch den h. Bundesrat eingeholt und die Eintragung ins Handelsregister vollzogen werden ; erst nachher, d. h. Ende September 1906, konnten wir die Ausarbeitung der umfangreichen Eingabe an die Hand nehmen. Für dieselbe waren aber fachmännische Arbeiten notwendig, worunter diejenige für die wirtschaftliche Bedeutung der Bahn eine grosse Leistung darstellt und dementsprechend eine bedeutende Zeit in Anspruch genommen hat.

,,Die Erstellungskosten einer doppelspurigen Anlage im grossen Tunnel belaufen sich auf 50 Millionen Franken gegenüber 37 Millionen für einen einspurigen Tunnel, bedingen also eine Mehrausgabe von 13 Millionen oder nach Abrechnung der nachgesuchten Bundessubvention von 5 Millionen eine Mehrbelastung des Lötschberguoiternehmens von 8 Millionen, oder eine jährliche Zinsenlast von zirka 360,000 Franken, ohne dass wir darauf rechnen können, von Anfang an eine entsprechende Mehreinnahme zu erzielen. Wenn wir die analogen Verhältnisse

beim Gotthard in Berücksichtigung ziehen, so ist der Schiusa berechtigt, dass für die ersten zehn Betriebsjahre eine einspurige Anlage ausreichend wäre.

,,Anderseits aber ist darauf hinzuweisen, dass nach den Berechnungen unserer Ingenieure die spätere Anlage der Doppelspur während des Betriebes einen Kostenaufwand von 26 Mil- , Honen erfordern wird. Daraus folgt, dass durch die sofortige Anlage der Doppelspur eine Kapitalersparnis von 13 Millionen Franken erzielt werden kann.

,,Neben dieser Kapitalersparnis fällt aber noch in Betracht die durch die Doppelspur erzielte Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Anlage. Die Lötschbergbahn dient nicht nur bernischen Interessen ; sie bildet eine wichtige und notwendige Alimentationslinie des Simplon ; daneben aber ist sie als internationale Verbindung zwischen dem Norden und Osten Frankreichs und dem hinterliegenden industriellen Belgien einerseits und Italien anderseits eine notwendige Ergänzung des schweizerischen Eisenbahnnetzes, wenn nicht anders ein Teil dieses Verkehrs für die Schweiz verloren gehen soll.

,,Endlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Lötschbergbahn in absehbarer Zeit in den Besitz des Bundes übergehen wird und dieser in erster Linie ein Interesse hat, seinerzeit eine internationale Linie mit grösstmöglicher Leistungsfähigkeit zu erhalten.

,,Durch diese kurzen Ausführungen dürfte der Nachweis erbracht sein, dass wichtige sachliche Motive für die sofortige Anlage der Doppelspur im Lötschbergtunnel sprechen, um damit Schwierigkeiten zu vermeiden, wie wir sie bei dem Vorgehen beim Simplon erfahren, das nach dem Urteil der Techniker in keiner Weise als nachahmenswert erscheint.

,,Nun sind wir gegenüber der Bauunternehmung vertraglich verpflichtet, innerhalb eines Jahres vom Beginn der Bauarbeiten hinweg gerechnet, also spätestens am 1. Oktober dieses Jahres, eine verbindliche Erklärung abzugeben, ob die zweite Spur erstellt werden soll, und wenn diese Erklärung nicht vorbehaltslos erfolgen kann, ist die Bauunternehmung ihrer Verpflichtung auf Erstellung der zweiten Spur enthoben.

,,Die gelegentliche Behauptung, es werde keine Schwierigkeiten bieten, diesen Termin zu verlängern, ist nicht richtig.

Im Gegenteil wird eine solche Verlängerung nur gegen schwere Opfer zu erhalten sein, für welche die Mittel nicht vorhanden

sind und von uns, d. h. vom Kanton, nicht beschafft werden können.

,,Die Bohrungen werden nach den jetzigen Baufortschritten und mit Rücksicht auf die im Juli beginnende grosse Maschinenbohrung auf Anfang Oktober in jedem Stollen zirka 1200 Meter betragen. Nach den Erklärungen der Unternehmung und der technischen Aufsichtsorgane ist eine längere Aufschiebung des definitiven Ausbaues des Tunnels nicht mehr möglich, und es hätte eine weitere Verzögerung von drei Monaten nicht nur einen bedeutenden direkten Schaden, sondern auch eine entsprechende Verlängerung der Baufrist notwendigerweise zur Folge.

,,Eine Verlängerung! des Termins für Fertigstellung der Bahn um drei bis vier Monate bedeutet aber eine Mehrausgabe für Verzinsung des am Schlüsse des Baues investierten Kapitals, nach Abzug der Subventionen von Kanton und Bund, 75 Millionen betragend, also eine Mehrbelastung an Zinsen von über einer Million Franken, die in unserm Finanzausweis nicht vorgesehen sind.

,,Das, Herr Präsident, meine Herren, werden die schwerwiegenden Folgen sein, wenn der Subventionsbeschluss erst im September erfolgen kann und erst nach Ablauf der Referendumsîrist rechtskräftig werden sollte. Wir glauben, damit den Nachweis erbracht zu haben, dass nur eine endgültige Schlussnahme im September, die als dringlich sofort in Kraft treten würde, es noch ermöglichen könnte, mit Hülfe der nachgesuchten Subvention die Doppelspur durchzuführen.

,,Bei Ihnen, Herr Präsident, meine Herren, liegt der Entscheid. Bern hat volles Vertrauen, dass die h. Bundesversammlung betreffend die Lötschbergsubvention einen Entscheid treffen werde, welcher der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache entspricht."

Darauf gab der Präsident der Kommission für die Lötschbergsubvention folgende Erklärung zu Protokoll : ,,Die Kommission erklärt, dass sie nicht aus Gründen der Bequemlichkeit und nicht aus grundsätzlicher Abneigung gegenüber dem Antrag des Bundesrates ihren Verschiebungsbeschluss gefasst habe. Sie ist vielmehr der Ansicht, dass die an sich sehr wichtige Frage um so mehr einer gründlichen Prüfung bedürfe, als die in der bundesrätli'chen Botschaft erteilten Aufschlüsse nicht nach allen Richtungen erschöpfend sind und der Ergänzung bedürfen. Eine Verschiebung soll die für diese not-

8 wendige Arbeit erforderliche Zeit schaffen, sie soll aber zugleich dazu dienen, gegenüber der in einzelnen Landesgegenden zurzeit noch nicht ganz abgeklärten Stimmung beruhigend zu wirken und damit der Sache selbst gute Dienste zu leisten."

Darauf Herr Bundespräsident Müller : ,,Der Bundesrat hat einstimmig beschlossen, im Ständeratefolgende Erklärung abzugeben : ,,1. Der Bundesrat hätte es als sehr wünschenswert erachtet, wenn diese Angelegenheit im Laufe der gegenwärtigen Session ihre Erledigung hätte finden können. Wenn dies aber nicht geschehen kann, muss der Bundesrat sich vorbehalten, bei Behandlung der Vorlage zu beantragen, dass die Referendumsklausel im Entwurfe gestrichen und der Bundesbeschluss alsdringlich erklärt werde.

,,2. Der Bundesrat spricht sich dahin aus, dass die Frage der Subvention für den Ausbau der Rhätischen Bahnen in der nämlichen Session zu behandeln sei wie die Frage der Subvention für den Lötschberg, da Erwägungen finanzieller und allgemein politischer Art die gleichzeitige Behandlung beider Geschäfte verlangen."

Im Anschluss hieran und nachdem der Präsident der Kommission für die Subvention an die Rhätischen Bahnen sich gegen die gleichzeitige Behandlung beider Geschäfte ausgesprochen,, teilte der Präsident des Rates mit, dass er gedenke, die Subvention für die Rhätischen Bahnen auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen ; dann werde der Rat sich über die sofortige Behandlung oder Verschiebung aussprechen können.

In seiner Sitzung vom 11. Juni beschloss der Ständerat nach längerer Diskussion mit 29 gegen 4 Stimmen, auf die Behandlung der Subvention für die Rhätischen Bahnen noch im Laufe der Junisession einzutreten. Die Kommission für die Lötschbergsubvention ihrerseits, nachdem die eidgenössischen Räte eine Herbstsession auf den 16. September 1907 in Aussicht genommen^ vertagte sich zur Vorberatung des ihr überwiesenen Geschäftes auf den 22. Juli.

II.

Zu den Verhandlungen der Kommission wurden beigezogen Herr Bundesrat Zemp und vom schweizerischen Eisenbahndepartement die Herren Kontrollingenieur Stapfer und Sekretär Dr. Biedermann, letzterer als Protokollführer ; ferner Herr Weissenbach, Präsident der Generaldirektion der schweizeri-

sehen Bundesbahnen, Herr Zollinger, Oberingenieur der Lütschbergbahn und als Vertreter der Regierung des Kantons Bern Herr Regierungsrat Könitzer. Auf diese Weise sollte Gewähr geboten werden für eine möglichst allseitige, gründliche und objektive Prüfung der ganzen Angelegenheit.

In formeller Beziehung wurden die Verhandlungen so gestaltet, dass in einem allgemeinen Ratschlag und in Anwesenheit der Herren Delegierten alle mit dem Subventionsantrag des Bundesrates zusammenhängenden Fragen besprochen und auf dieser Grundlage hernach in geschlossener Kommissionssitzung die zur Antragstellung an den Ständerat als zweckmässig erfundenen Beschlüsse gefasst wurden.

In tatsächlicher Beziehung ist zunächst festzustellen, dass am 23. Dezember 1891 den Herren Oberst des Gouttes, Ingenieur G. Th. Lommel, Pümpin und Herzog, alle in Bern, und Nationalrat A. G. Bühler in Frutigen die Konzession für eine normalspurige Bahn von Frutigen durch den Lötschbcrg nach Visp erteilt wurde, dass am 26. März 1897 die Erweiterung dieser Konzession auf die Strecke Visp-Brig an dieselben Konzessionäre erfolgte und dass am 23. Dezember 1899 die Übertragung der also erweiterten Konzession an den Kanton Bern für sich oder zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft beschlossen wurde, nachdem die früheren Konzessionäre ihre Konzession gegen eine Entschädigung von Fr. 10,000 an den Kanton Bern abgetreten hatten. Am 4. Mai 1902 wurde in der bernischen Volksabstimmung ein Gesetz betreffend Beteiligung des Staates am Bau und Betrieb von Eisenbahnen angenommen, in dessen Art. 4 festgestellt ist, dass der Kanton Bern als solcher sich am Bau der Lötschbergbahn durch Übernahme von Aktien im Betrage von 25 % des gesamten Anlagekapitals der Linie Frutigen-Brig beteilige, jedoch höchstens mit Franken 17,500,000. Der Grosse Rat wird im Gesetz ferner ermächtigt, die Bedingungen für diese Beteiligung festzusetzen und alle für die Ausführung der Unternehmung erforderlichen Massregeln zu beschliessen. Am 27. Juni 1906 erfolgte gemüss einer Vorlage des Regierungsrates im bernischen Grossen Rate der Beschluss betreffend Ausführung der Lötschbergbahn nach dem von Ingenieur Zollinger empfohlenen Projekte mit 27 °/00 Maximalsteigung und elektrischem Betrieb, auf Grund eines mit einem französisch^schweizerischen Konsortium abgeschlossenen Vertrages. Am 27. Juli 1906 fand die Konstituierung der Berner Alpenbahngesellschafti Bern-Lötschberg-Bimplon statt und am

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18. August 1906 die Genehmigung der Statuten durch den Bundesrat.

Das Gesellschaftskapital beträgt 45 Millionen Franken ; davon sind 24 Millionen in 48,000 Prioritätsaktien vom Bankhause Loste & Cie. in Paris übernommen und vollständig einbezahlt, 21 Millionen in 42,000 Stammaktien sind vom Kanton Bern (17,5 Millionen) und bernischen Gemeinden und Transportanstalten (3,5 Millionen) übernommen und zu 20 % einbezahlt worden. Die Prioritätsaktien geniessen für ihren Nominalwert ein Vorrecht an den Aktiven der Gesellschaft bis zu ihrer vollen Deckung ; sie erhalten aus dem nach Dotierung des Erneuerüngsfonds gemäss den Forderungen des Rechnungsgesetzes vom 27. März 1896 und nach Speisung des Reservefonds verbleibenden Reingewinn in erster Linie eine Dividende von 4l/2 % des Nominalwertes ; nachher kommen die Inhaber der Stammaktien mit 4 % ; ein allfälliger Überschuss wird gleichmassig auf alle Aktien verteilt.

Neben diesem Aktien-" oder Gesellschaftekapital von 45 Millionen besteht ein Obligationenkapital von 44 Millionen, nämlich 29 Millionen Obligationen erster Hypothek zu 4 % , von Loste & Cie. übernommen, und 15 Millionen zweiter Hypothek, welche ebenfalls gesichert sein sollen. Somit besteht das ganze Anlagekapital aus 89 Millionen, wobei das Ausland mit 53 Millionen heute schon beteiligt ist. Von diesen 89 Millionen fallen 6 Millionen weg als sogenannter Betriebsfonds und für Emissions- und Kursverluste ; es bleiben somit für Landerwerb, Bahnbau, Rollmaterial, Ausrüstung u. s. w. 83 Millionen.

Davon sind für den Bahnbau selbst in Aussicht genommen 74 Millionen, und zwar je die Hälfte für den einspurigen Bau des grossen Tunnels und für den ebenfalls einspurigen Bau der Rampenstrecken. Bauzeit 5 Jahre. Für den Bau sowohl des Tunnels als der Rampenstrecken liegen verbindliche Verträge mit einer vom Bankhaus Loste & Cie. beigezogenen französischen Unternehmergruppe vor.

Durch den von der Generalversammlung der Aktionäre der Bern-Lötschberg-Simplonbahn am 29. Juni 1907 beschlossenen Ankauf der Spiez-Frutigenbahn ist in den Grundlagen der Gesellschaft insofern eine Änderung eingetreten, als das Aktienkapital durch Umwandlung der Aktien der Spiez-Frutigenbahn auf Fr. 47,600,000 erhöht wurde, eingeteilt in 52,640 Prioritäts- und 42,560 Stammaktien je zu Fr. 500.

11 Eine Garantie für die Finanzierung ist vom Kanton Bern nicht übernommen worden.

Die Frage der doppelspurigen Anlage der Lötschbergbahn bezw. des grossen Tunnels ist schon während der über das ganze Unternehmen angestellten Studien in Erwägung gezogen worden. Wir lesen darüber in dem Bericht und Antrag des bemischen Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend den Bau und Betrieb einer elektrischen Transitlinie durch die Berner Alpen vom 20. Juni 1906 folgendes : ,,Es erscheint uns sodann auch ganz zweckmässig, den Unterbau, namentlich die Erdarbeiten und das Mauerwerk, wie es vom Unternehmersyndikat beabsichtigt wird, so auszuführen, dass derselbe später mit einem Minimalaufwand an Kosten für eine doppelspurige Bahnanlage erweitert werden kann. Auch die Fundationen der Kunstbauten, zum mindesten aber die Expropriationen sollten von vornherein für eine doppelspurige Bahnanlage ausgeführt werden. Die Frage, ob die Doppelspur im grossen Tunnel gleich von Anfang an zu erstellen sei, ist von Professor Hennings bejaht und sind die daherigen Mehrkosten von ihm auf airka 12 Millionen Franken veranschlagt worden. Diese Frage ist unseres Erachtens hauptsächlich eine finanzielle, und wir möchten ihre Lösung von der vom Bunde erwarteten, in Schreiben der Regierungen der Kantone Bern, Baselland, Freiburg, Neuenburg und Wallis vom 12. November und 15. Dezember 1902 anbegehrten und durch den Bundesrat in den Sitzungen der schweizerischen Bundesversammlung vom 9. und 18. Dezember 1902 grundsätzlich in Aussicht gestellten Bundessubvention abhängig gemacht sehen. Ohne diese Bundeshüli'e würde man sich mit der Ausweiche in der Mitte des Tunnels von mindestens 500 Meter Länge behelfen müssen." Gestützt auf diesen Bericht hat dann am 27. Juni 1906 der Grosse Rat u. a.

beschlossen : ,,Der Regierungsrat wird beauftragt, beim Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung um einen angemessenen Bundesbeitrag einzukommen, zur Ermöglichung der sofortigen Erstellung eines doppelspurigen Tunnels.a

III.

Das vom bernischen Regierungsrat gemäss diesem Beschlüsse am 31. Dezember 1906 beim Bundesrat eingereichte Gesuch, ,,die Eidgenossenschaft möchte sich an der Berner Alpenbahn (Bern-Lötschberg-Simplon) finanziell beteiligen zu dem Zwecke, die doppelspurige Ausführung des grossen Lötschbergtunnels

12 bei der ersten Anlage möglich zu machen, und diese Beteiligung möchte auf mindestens fünf Millionen Franken bestimmt werden und in Aktien gleichen Ranges wie die Staatsbeteiligung des Kantons Bern (Stammaktien) erfolgen", weist auf Grundlage technischer Berechnungen darauf hin, dass der Mehraufwand der doppelspurigen gegenüber der einspurigen Anlage 13 Millionen Franken betrage. Das Bankhaus J. Loste & Cie., das die Beschaffung des Prioritätsaktienkapitals und der Obligationen erster Hypothek durchgeführt habe, sichere für die Ausführung des doppelspurigen Tunnels die Übernahme von 8 Millionen Franken, zuzüglich der Anleihenskosten, in gleichmassiger Verteilung auf Prioritätsaktien und Obligationen zu.

Wenn also der Bund heute das Unternehmen in dem ihm zugedachten Masse subventioniere, so sei damit die Kapitalbeschaffung für den Mehraufwand von 13 Millionen Franken der doppelspurigen gegenüber der einspurigen Anlage des Lötschbergtuninels vollständig. Werde dagegen die Doppelspur erst später erstellt, so erfordere dies einen Kapitalaufwand an Baukosten von 26 Millionen Franken.

Zur Unterstützung seines Gesuches weist der bernische Regierungsrat in wiederholten und einlässlichen Ausführungen hin auf die volkswirtschaftliche, eisenbahnpolitische und militärische Bedeutung der Lötschbergbahn ; er ist der Ansicht, das Unternehmen dürfe als ein öffentliches Werk im Sinne von Art. 23 der Bundesverfassung bezeichnet werden, und es treffen daher die Voraussetzungen zu, unter denen in der angerufenen Verfassungsbestimmung dem Bunde das Recht verliehen sei, ,,im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen."'

Weiter bezieht sich die Eingabe auf den Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872, wonach der Bund im allgemeinen die Eisenbahnverbindungen zu entwickeln und zu vermehren und insbesondere den Bestrebungen, die Verkehrsverbindungen der Schweiz mit Italien und dem mittelländischen Meere zu verbessern, möglichste Förderung angedeihen und dabei namentlich keine Ausschlussbestimmungen gegenüber der einen oder anderen dieser Bestrebungen eintreten zu lassen habe. In eisenbahnpolitischer. Beziehung macht das Gesuch geltend, durch den Eisenbahnrückkauf sei weder rechtlich noch tatsächlich ein Monopol der Bundesbahnen geschaffen worden.

Nach wie vor sei für die private Betätigung Raum zum Ausbau

13 des schweizerischen Eisenbahnnetzes, und gegen die Privattätigkeit auf diesem Gebiete sei um so weniger einzuwenden, wenn sie mit den Bestrebungen von Kantonen und Gemeinden Hand in Hand gehe. Eine Beteiligung des Bundes an privaten Eisenbahnunternehmungen sei durch die Bundesgesetzgebung ebenfalls nicht ausgeschlossen. Unter der Geltung des Rückkaufsgesetzes sei die Aktienbeteiligung an den Rhätischen Bahnen beschlossen und sei eine Verpflichtung des Bundes zur finanziellen Unterstützung der Abkürzungslinie Frasne-Vallorbe eingegangen worden, die eine Kapitalbelastung von 6 Millionen Franken repräsentiere. Ausserdem habe der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. Juni 1903 über die Konzessionierung der Linie Münster-Grenchen die Aufnahme einer Bestimmung vorgeschlagen, die dem Bunde das Recht wahren sollte, die Hälfte des Aktienkapitals dieser Linie zu übernehmen ; allerdings sei dann die Aufnahme dieser Bestimmung in die Konzession unterblieben.

Endlich wird eine Erklärung angeführt, die der Bundesrat im Dezember 1902 anlässlich der Konzessionsberatung für VallorbeSchweizergrenze abgegeben habe.

IV.

Hierzu ist nun folgendes zu bemerken : In allen bisher vom Bunde erlassenen Beschlüssen oder Gesetzen, welche von der Subventionierung von Alpenbahnen handeln, ist nirgends die Rede von einer vierten schweizerischen Alpenbahn. Das Eisenbahngesetz vom 23. Dezember 1872 sagt in Art. 3 : ,,Der Bund wird im allgemeinen die Eisenbahnverbindungen zu entwickeln und zu vermehren suchen, insbesondere den Bestrebungen im Osten, Zentrum und Westen der schweizerischen Alpen die Verkehrsverbindungen der Schweiz mit Italien und dem mittelländischen Meere zu verbessern, möglichste Förderung angedeihen und dabei namentlich keine Ausschlussbestimmungen gegenüber der einen oder ändern dieser Bestrebungen eintreten lassen. Die Bundesversammlung kann die Konzessionierung einer Eisenbahn verweigern, welche die militärischen Interessen der Eidgenossenschaft verletzt (Art. 21 der B. V.).tt Das Alpenbahnsubventionsgesetz vom 22. August 1878 lautet in Art. 5: .,,Eine Subvention von gleichem Betrage wie die den in Art. l bezeichneten Kantonen gewährte, nämlich von je 4 % Millionen, wird ein für allemal auch je für eine dem Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 entsprechende Alpenbahn im Osten und Westen der Schweiz denjenigen Kantonen zuge-

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sichert, welche sich an einer solchen finanziell beteiligen werden. Die Bundesversammlung wird seinerzeit die näheren Bedingungen dieser Subvention endgültig festsetzen." Und das Rückkaufsgesetz vom 15. Oktober 1897 sagt in Artikel 49, Lemma 2, nachdem der Bund im vorhergehenden sich als Rechtsnachfolger der Jura-Simplon-Bahn zur Ausführung der Konzession einer Simplonbahn und der italienischen Konzession von der Grenze bis Iselle verpflichtet hatte unter Voraussetzung der Leistung der vertragsmässig bedungenen Subventionen : ,,Der Bund wird in gleichem Masse auch die Bestrebungen für Realisierung einer dem Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 entsprechenden Alpenbahn im Osten der Schweiz fördern." Überall also ist nur von einer Alpenbahn im Zentrum, im Westen und Osten die Rede, für welche der Bund sich zu einer Subvention verpflichtet, nirgends von einer vierten Alpenbahn oder der Subventionierung von Zufahrtslinien zui einer dieser drei Alpenbahnen.

Der Kanton Graubünden ist zum erstenmal durch den Bundesbeschluss vom 30. Juni 1898 zum Zwecke der Erstellung schmalspuriger Eisenbahnen mit einer Subvention von 8 Millionen Franken und zum zweitenmal durch den Bundesbeschluss vom 18. Juni 1907 zu demselben Zwecke mit einer Subvention von 5 Millionen Franken bedacht worden ; aber der Charakter dieser bündnerischen Tal- und Schmalspurbahnen ist immerhin ein wesentlich anderer als derjenige des Lötschberg, und alle die Bedenken, welche vom Standpunkt einer schweizerischen Eisenbahnpolitik gegen den Lötschberg geltend gemacht werden können, und von denen im folgenden noch die Rede sein wird, fallen für die bündnerischen Nebenbahnen weg.

Unverständlich erscheint die im bernischen Subventionsgesuch enthaltene Angabe, es sei eine Verpflichtung des Bundes zur finanziellen Unterstützung der Abkürzungslinie Frasne-Vallorbe eingegangen worden, die eine Kapitalbelastung von 6 Millionen Franken repräsentiere. Eine solche Verpflichtung könnte nur auf dem Wege eines Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses eingegangen werden, und tatsächlich existiert hierüber weder Gesetz noch Bundesbeschluss. In der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Eisenbahn vom Bahnhof Vallorbe bis zur schweizerisch-französischen Grenze am Mont d'Or vom 9. Oktober 1902 ist vielmehr zu lesen (Bundesbl. 1902, IV., 625 f.) : ,,Der Bundesrat erhielt im März 1899 durch eine Anfrage der Jura-

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Simplon-Bahn an das Eisenbahndepartement von dieser Sachlage (Vereinbarungen, die zwischen der französischen Paris-LyonMittelmeerbann und der Jura-Simplon-Bahn getroffen worden waren) Kenntnis und ermächtigte das Departement, der Direktion zu antworten, dass eine nennenswerte Subvention für die neue Linie auf Grund zu erwartender kommerzieller Vorteile zu gunsten der Bundesbahnen nicht in Aussicht genommen werden könne. Auch sonst sei der Bund dermalen nicht in der Lage, neue Bahnlinien zu bauen, zu erwerben oder zu subventionieren. Daa Bundesgesetz über den Rückkauf der fünf Hauptbahnen gestatte in Art. 4 den Bau und die Erwerbung neuer Linien nur auf Grund eines speziellen Bundesgesetzes, auch für eine Subventionierung der Linie Frasne-Vallorbe müsste der Gesetzesweg betreten werden. Nun habe aber der Bundesrat gegenüber allen Anregungen, die seit dem Inkrafttreten des Rückkaufgesetzes für Beteiligung an neuen Bahnunternehmungen an ihn gelangt seien, sich regelmässig dahin vernehmen lassen, dass er es ablehne, vor der Erwerbung der Hauptbahnen und deren Konsolidierung in der Hand der Bundesbahnverwaltung in irgend welcher Weise beii anderweitigen Bahnunternehmungen sich zu beteiligen. Der Bundesrat nehme an, dass er dabei durchaus im Sinne der eidgenössischen Räte und des Schweizervolkes handle. Eine Subventionierung der Linie Frasne-Vallorbe würde umsoweniger die Billigung der gesetzgebenden Instanzen finden, als sie zum grössten Teil im Ausland liege und von einer ausländischen Gesellschaft gebaut und betrieben werde.

Wenn der Bundesvat trotzdem dem Projekte gegenüber eine wohlwollende Haltung einzunehmen gedenke, so geschehe es, um den Hoffnungen der Westschweiz auf eine leichtere und engere Verbindung mit Frankreich nicht in den Weg zu treten und weil zuzugeben sei, dass jede Verbesserung der Zufahrtslinien zum Simplon mit der Zeit auch eine Mehrung des Transitverkehrs zur Folge haben werde. Der Bundesrat sei daher geneigt, in der Art Gegenleistungen an die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn zu begutachten, dass die Jura-Simplon-Bahn ermächtigt werde, in bezug auf den Anschlusspunktì und die schweizerische Anschlusslinie auf dem eigenen Netze wesentliche Verbesserungen anzubringen. Diese können bestehen im Umbau der Station Vallorbe zu einem internationalen Bahnhof (Kostenvoranschlag 3 Millionen
Franken) und in der Anlegung des zweiten Geleises auf der Strecke Vallorbe-Daillens im Kostenwerte von Fr. 1,325,000.

Dabei werde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Paris-

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Lyon-Mittelmeerbahn für die Mitbenutzung des Bahnhofes Vallorbe eine entsprechende Mietentschädigung zu leisten habe."

Weder in dieser Botschaft, noch in dem darauf erfolgten Beschluss der beiden Räte ist von irgend einer eingegangenen Verpflichtung die Rede und wenn es sich in der Folge um die vom Bundesrat erwähnten ,,Gegenleistungen an die Paris-LyonMittelmeerbahna handeln wird, so wird die Erfüllung derselben Sache der Bundesbahnen als Rechtsnachfolger in der Jura-Simplon-Bahn und nicht des Bundes sein.

Allerdings hat der Bundesrat im Dezember 1902, als es sich um die Beratung der erwähnten Konzession handelte, eine Erklärung abgegeben folgenden Inhalts : ,,Ohne der Zukunft und denjenigen vorgreifen zu wollen,! die dereinst berufen sein werden, die Frage der Öimplonzufahrtslinien zum Besten des Landes zu lösen, gibt der Bundesrat der Meinung Ausdruck, dass die Projekte für solche Zufahrtslinien, sobald sie sich auf technische Studien und auereichende finanzielle Studien stützen, bei den Bundesbehörden die gleiche Behandlung finden sollen, wie sie das Projekt einer Bahnverbindung Frasne-Vallorbe gefunden hat, immerhin mit dem Vorbehalte, dass jene Projekte alle wünschbaren Garantien für. die Wahrung der schweizerischen Interessen bieten." Allein auch diese Erklärung gibt durchaus keine Zusicherungen finanzieller Natur, sie kann überhaupt nach keiner Seite einen verbindlichen Charakter beanspruchen. Einmal handelte es sich damals, wie wir gesehen haben, lediglich um eine Konzessions- und nicht um eine Subventionszusicherung ; zweitens ist die Konzession für eine Lötschbergbahn schon seit dem Jahre 1891 rechtsgültig erteilt; drittens hat der Bundesrat selbst die durch seinen Sprecher abgegebene Erklärung lediglich als einen Meikmngsausdruck bezeichnet und nicht als mehr, und endlich könnte auch einer solchen vom Bundesrat von sich aus abgegebenen Erklärung niemals eine für die Bundesversammlung rechtsverbindliche Bedeutung zuerkannt werden.

Dagegen soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Lötschbergbahn ein öffentliches Werk ist von grosser Bedeutung nicht nur für den Kanton Bern, sondern auch für weitere Kreise, ein Werk gross und umfassend genug, dass auf dasselbe der Art. 23 der Bundesverfassung Anwendung finde und die Eidgenossenschaft ihm mit ihrer Unterstützung zur Seite stehe. Wie der Kanton Bern seinerzeit die Unterstützung des Gotthardunternehmens sich angelegen sein liess und zu wiederholten Malen

17 die zur Herstellung und Vollendung dieses Werkes von ihm verlangten Summen bereitwillig zur Verfügung stellte, wie er in der Folge ebenso tatkräftig an den Bestrebungen der westschweizerischen Kantone für die Verwirklichung der Simplonbahn sich beteiligte und durch die von ihm geförderte Fusion der westschweizerischen Eisenbahnen mit der Jura-Bern-LuzernBahn den entscheidenden Schritt für die Überschienung des Simplon tat, so hat er seit Jahren mit aller Zähigkeit das Projekt einer bernischen Alpenbahn, einer engern Verbindung ·des Kantons Bern mit dem Rhonetal und Simplon verfolgt.

Nachdem andere Projekte sich nicht als ebenso günstig erwiesen und der Lötschberg über seine Konkurrenten den Sieg davon getragen, galt der Lötschbergdurchstich als das höchste Ziel der bernischen Eisenbahnpolitik. Mit der Erstellung dieses Werkes hofft man alle die Vorteile zu erreichen, die mit dem Gotthard und Simplon sich bis jetzt nicht eingestellt haben. Es ist zweifellos, dass für den grössten Teil des Kantons Bern, ebenso für ihm benachbarte schweizerische Gebiete der Lötschberg die nächste und beste Verbindung mit dem Simplon darstellt und dass man berechtigt ist, aus dieser neuen Verbindung entsprechende Vorteile für das gesamte wirtschaftliche und kulturelle Leben der in Betracht kommenden Gebiete zu erwarten. Es ist zweifellos, dass durch den Lötschberg der Kanton Wallis, der von diesseits der Alpen aus bis jetzt nur auf grossen Umwegen zu erreichen war, näher angeschlossen wird, geographisch und politisch, wirtschaftlich und kulturell, an die übrigen Bundesglieder der schweizerischen Eidgenossenschaft. Diese Rücksicht allein in ihren patriotischen und militärischen Konsequenzen würde hinreichen, um den nationalen Charakter des Lötschbergunternehmens anzuerkennen und ihm die Unterstützung des Bundes zu sichern. Hier allerdings ist ein Berührungspunkt gemeinsamer Ideen und Interessen zwischen den bündnerischen Schmalspurbahnen und der bernischen Lötschbergbahn.

V.

Aber auch bei dieser Auffassung der Dinge ist es gerechtiertigt, durch die Rücksicht auf das einzelne sich nicht den Blick für das ganze trüben zu lassen. Die Eingabe der Regierung des Kantons Bern ist mit bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung der Lötschbergbahn sehr optimistisch gehalten und gehl) über .wichtige Fragen schweizerischer Eisenbahnpolitik leicht hinweg. Und die Botschaft des Bundesrates folgt diesem Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. V.

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Optimismus ; ja sie scheint sogar über der Freude an dem tatkräftigen Eingreifen Berns früher festgehaltene Standpunkte ausser acht zu lassen.

Optimistisch ist die Auffassung Berns in bezug auf die allgemeine verkehrspolitische Bedeutung des Lötschberg. In Zustimmung zu dieser Auffassung sagt der Bundesrat in seiner Botschaft pag. 9 : ,,Die Lötschberg-Simplonlinie kann den Anspruch erheben,für diejenigen Gegenden, welche sich innerhalb eines Dreiecks befinden, dessen Basis sich von Calais nach der belgischen Grenze und bis nach Ostende und Antwerpen erstreckt und dessen Spitze in Delle und Basel ausläuft, die kürzeste Verbindung mit Mailand, Genua und Turin herzustellen. Alle diese Gebiete gehören unmittelbar zu der Zone, deren Verkehr unter dem Einfluss der Lötschberg-Simplonlinie stehen wird. Aber es darf angenommen werden, dass der Lötschberg ausserdem einen Teil des Verkehrs aus denjenigen Gebieten an sich ziehen wird, welche an seine direkte Einflusszone angrenzen. Das gleiche wird namentlich der Fall sein für französische Gebiete, die nördlich einer Linie liegen, die von Morteau über Besançon, Gray, Château-Thierry, Amiens nach Dieppe gezogen wird."

In einem vom Eisenbahndepartement dem Bundesrat vorgelegten Gutachten der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen dagegen heissi es : ,,Es ist unseres Erachtens nicht richtig, dass die Lötschbergbahn die wichtigste Zufahrtslinie zum Simplon bilde ; nach unserer Ansicht gebührt diese Eigenschaft der Linie Vallorbe-Lausanne-Brig. Die Lötschbergbahn weist nach dem angenommenen Tracé keine günstigen Verhältnisse auf und kann schon deshalb nicht eine hervorragende Stellung für den grössten Teil des internationalen Verkehres von Grossbritannien, Nord- und Ostfrankreich und Belgien nach Italien einnehmen. Für den Verkehr von England, Nord- und Ostfrankreich und Belgien nach Italien wird die Lötschberg-Simplon-Linie nicht die allein massgebende Eoute sein, sondern ein bedeutender Teil dieses Verkehrs wird der Gotthardbahn gesichert bleiben. Die Entfernung z. B. von Ostende nach Mailand beträgt nach effektiven Kilometern via Gotthard 1051 km. und via LötschbergrSimplon 1044 und von Ostende nach Genua via Gotthard 1195, via Lötschberg 1153 und via Frasne-Vallorbe 1179 ; der Unterschied ist somit für Mailand ganz gering und für Genua nicht gross. Solch geringe Distanzunterschiede spielen übrigens erfahrungsgemäss im Eisenbahnverkehr, zumal im Personenverkehr, keine Rolle . . . . Es

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ist nicht zutreffend, dass die Lötschberg-Simplon-Linie die kürzeste Linie nach Mailand und Genua sei für ein Dreieck, dessen Basis von einer Linie Calais-Antwerpen gebildet wird und dessen Spitze in Delle und Basel ausläuft. Vollends unrichtig ist dio Behauptung, dass auch die angrenzenden Gebiete Holland, Belgien, Luxemburg und gar noch die deutschen Eheinlande dem Lötschberg Verkehr nach Italien bringen werden. Ebenso unhaltbar ist die Erwartung, dass bedeutende französische Gebiete von Pontarlier bis Dieppe dem Lötschberg zufallen werden.

. . . Wir müssen auch der Voraussetzung widersprechen, die Lötschberglinie werde Reisende und Waren mit geringeren Kosten als irgend eine andere Linie nach Italien befördern können ; sie kann das nicht einmal da, wo sie effektiv gleich lang ist, da ihre Maximalsteigung von 27 °/00 auf eine Länge von 42 km. vorhanden ist bei einer Gesamtlänge von 58,6 km.

Die Vorteile des elektrischen Betriebes kommen der Gotthardbahn gerade so gut zu, wie der Lötschbergbahn, aber der ungünstige Faktor der viel längern grossen Steigung bleibt der letztern.tt In ähnlicher Weise gehen die Widersprüche zwischen den fachlichen Gutachten der technischen Beamten der Bundesbahnen und der Auffassung der bundesrätlichen Botschaft weiter. Es sollen dieselben aber hier nicht weiter verfolgt werden. Die Gutachten bilden einen Bestandteil des der Kommission zur Verfügung gestellten Aktenmaterials ; es sind folgende : 1. Gutachten der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen vom 23. April 1907 ; 2. Gutachten der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen an das Initiativkomitee für die Lötschbergbahn betreffend Rentabilität und finanzielle Resultate vom 8. Juni 1906 ; 3. Gutachten des Bureau für Rechnungswesen und Statistik vom 24. April 1907 ; 4. Gutachten der technischen Abteilung des Eisenbahndepartements vom 29. April 1907 ; 5. Gutachten des Inspektorates für Tarif- und Transportwesen vom 1. Mai 1907. Alle diese Gutachten mit Ausnahme des unter Ziffer 2 genannten sind vom Eisenbahndepartement eingezogen und an dasselbe erstattet worden. Warum der Bundesrat dieses Material in seiner Botschaft nicht verwertete, ist der Kommission nicht bekannt. Es sei aber immerhin konstatiert, dass auch die Generaldirektion der Bundesbahnen zu dem Ergebnis kommt, dass, wenn auch der Regierungsrat des Kantons Bern ihre Bedeutung überschätze, die Lötschbergbahn doch im Interesse eines bedeutenden Teiles der Schweiz liege, dass

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von allgemeinen Gesichtspunkten aus der Art. 23 der Bundesverfassung für die Bewilligung einer Subvention angerufen werden und eine Subvention durch den Bund angezeigt erscheinen könne.

Mit der Grosse des mutmasslich dem Lötschberg zufallenden Verkehrs hängt zusammen die Frage des Bedürfnisses einer doppelspurigen Anlage der Bahn, sei es auf der ganzen Strecke, sei es auf einzelnen Teilen derselben. Dass nun dieses Bedürfnis gleich von Anfang an sich geltend machen werde, behauptet auch die Eingabe der bernischen Regierung nicht. Sie nimmt den Standpunkt ein, dass eine doppelspurige Linie mehr als doppelt so leistungsfähig sei als eine einspurige, auch wenn die Zugsdistanz gleich der Stationsdistanz bleibe und nicht weiter durch Blockstationen reduziert werde. Die Doppelspur mache die Fahrzeiten in einer Richtung von denjenigen in der ändern Richtung unabhängig und verhindere, dass die Rückwirkung von Verspätungen sich nach beiden Seiten fühlbar machen. Es müsse also damit gerechnet werden, dass, sobald der Verkehr einige Ausdehnung erlangt haben werde, die Notwendigkeit einer doppelspurigen Anlage sich fühlbar machen werde, und zwar in erster Linie auf der Tunnelstrecke Kandersteg-Goppenstein, weil diese die grössten Stationsdistanzen aufweise. Allerdings sei im Tunnelscheitel eine Kreuzungsstation vorgesehen, aber das könne doch nur als ein Notbehelf bezeichnet werden.

Es werde z. B. kaum angehen, Personenzüge, oder gar Schnellzüge an dieser Station fahrplanmässig kreuzen zu lassen, da sonst unangenehmerweise längere Aufenthalte im Tunnel riskiert werden müssten. Die Einflüsse der Tunnelstrecke auf die Fahrplanbildung seien daher ausschlaggebend für die ganze Linie, d. h. es habe sich der Zugsverkehr auf den beiden Rampen nach der Möglichkeit des Passierens der Haupttunnels zu richten. Die Frage der Notwendigkeit einer doppelspurigen Anlage des Tunnels beantwortet sich also nicht bloss aus den Ziffern des zu erwartenden Verkehrs, sondern auch aus den technischen Rücksichten guter Fahrplaneinrichtung, namentlich wo, wie hier, die Stationen weit auseinanderliegen und die Stationsdistanz eine sehr ungleiche ist. Es kommt dazu, dass die Erweiterung des einspurigen Tunnels zur Doppelspur während des Betriebes nicht nur, namentlich in den ausgemauerten Partien, ausserordentliche technische Schwierigkeiten zu überwinden hätte, sondern auch verhältnismässig viel teurer zu stehen käme als die Erstellung eines zweigleisigen Tunnels. Aus technischen

21 Gründen werde beim Lötschberg von der Ausführung eines Parallelstollens, wie es beim Simplon der Fall war, Umgang genommen. Die Erstellungskosten eines zweigeleisigen Lötschbergtunnels würden sich gemäss abgeschlossenem Vertrag mit der Unternehmergesellschaft auf 50 Millionen belaufen, also auf 13 Millionen höher als diejenigen des einspurigen Tunnels.

Würde aber später ein zweiter eingeleisiger Tunnel erstellt werden müssen, so wären nach den von der Berner Regierung veranstalteten Berechnungen hierfür 26 Millionen aufzuwenden.

Ein weiterer Vorteil der doppelspurigen Anlage des Haupttunnels würde in der grösseren Betriebsicherheit liegen, in der Möglichkeit, bei Reparaturarbeiten oder bei einem aus Elementarereignissen gesperrten Geleise ein zweites Geleise benützen zu können.

Das dem Eisenbahndepartement eingereichte Gutachten der technischen Abteilung vom 29. April 1907 erinnert daran, dass, nachdem der Grosse Rat des Kantons Bern den Regierungsrat bereits durch Beschluss vom 27. Juni 1906 beauftragt hatte, bei der Bundesversammlung durch Vermittlung des Bundesrates um eine angemessene Subventionierung der sofortigen doppelspurigen Erstellung des Lötschbergtunnels einzukommen, die Vorlage des allgemeinen Bauprojektes des Lötschbergtunnels vom 3. Oktober 1906 bloss einen einspurigen Tunnel vorsah und von einem doppelspurigen Bau weder seitens der Bahnverwaltung noch der Kantonsregierung in ihrer Vernehmlassung vom 24. Oktober 1906 Erwähnung getan wurde. Erst am 31. Dezember 1906 sei das Subventionsgesuch dem Bundesrate eingereicht worden, nachdem der einspurige Tunnel schon seit dem Oktober in Angriff genommen), worden war. Das Gutachten vertritt die Ansicht, teilweise gestützt auf die Erfahrungen beim Gotthard und- Simplon, dass wenigstens für eine lange Reihe von Jahren die Frequenz der Lötschbergbahn eine viel geringere sein werde, als die im Subventionsgesuch in Anschlag gebrachte ; es sei mit ziemlicher Sicherheit statt der von der Bahnverwaltung und vom Finanzdepartement (in einem ersten Botschaftsentwurf) angenommenen Überschusses ein Defizit der Gewinn- und Verlustrechnung zu erwarten. Es werde der zu erwartende Verkehr noch auf Jahre hinaus die Erstellung der Doppelspur nicht erheischen, zumal die Alimentationslinien der Lötschbergbahn fast durchwegs auch bloss einspurig seien. Es sei daher nicht gerechtfertigt, den sofortigen Ausbau der Tunnelstrecke als durch die Bedürfnisse eines geordneten Betriebes

22 bedingt darzustellen. Wenn aber die Bahn von Anfang an als grosse internationale Linie erstellt werden solle, und wenn sie den Verkehr solle bewältigen können, den die Verwaltung in Rechnung setze, so treffen alle Gründe, die von der Berner Regierung zu gunsten der Doppelspur auf der Strecke Kandersteg-Goppenstein vorgebracht werden, auch für die Zufahrtslinien zu.

Es sei ja allerdings von Vorteil, eine Doppelspur von 16 Kilometer Länge zu haben, auf welcher man nicht durch Kreuzungen gebunden sei, aber sobald die Züge wieder auf die einspurige Linie kommen, werden sie sich eben doch gegenseitig stören, namentlich bei dichtem Zugsverkehr ; die Fahrzeiten sind ungleich, und bei 27 °/00 Steigung sind Verspätungen nicht einzubringen. Man werde daher zu gleichen oder noch schlimmem Zuständen kommen, wie sie zurzeit auf der Monte Cenerelinie bestehen.

Das Gutachten fährt fort : ,,Wenn der Lötschberg das hält, was man sich von ihm verspricht, so wird der Zugsverkehr schon von Anfang an oder binnen kurzem ein dichter sein.

Auch steht zu erwarten, dass auf den Steigungen FrutigenKandersteg und Brig-Goppenstein ab und zu Supplementszüge geführt und für die Tunnel- und Talfahrt mit dem Hauptzuge vereinigt werden. Auch werden auf den starken Gefallen häufig Vorspann- bezw. Schiebmotoren in Leerfahrt talwärts fahren müssen, um das rollende Material möglichst gut auszunützen.

Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass auf den Strecken mit Gefallen von 27 %0 mehr Züge als durch den grossen Tunnel verkehren werden. Zu gunsten der Doppelspur auf den Rampen spricht auch der Umstand, dass nur diese es ermöglicht, die Züge, namentlich Güterzüge, annähernd gleichmassig zu verteilen, um einer zeitweisen allzustarken Beanspruchung der Kraftzentralen vorzubeugen. Wenn alle in Betracht kommenden Verhältnisse gebührend gewürdigt werden, so gelangt man zu dem Schlüsse, dass nicht nur im grossen Tunnel, sondern auf der ganzen Lötschbergbahn die Doppelspur notwendig ist, wenn man einen Betrieb einrichten will, wie man ihn gegenwärtig für eine internationale Transitìbahn, fordern muss. Es geht nicht an, nur für dasjenige Teilstück, welches anscheinend (rücksichtlich Witterungseinflüsse und Steigungen) am leichtesten zu betreiben sein wird, die Doppelspur und für die schwieriger zu betreibenden Strecken dagegen die Einspurigkeit vorzusehen.

23 ,,Zu gunsten der Doppelspur der Tunnelstrecke spricht allerdings der Umstand, dass die Kosten der nachträglichen Erstellung der zweiten Spur durch Anlage eines neuen zweiten Tunnels bedeutend höher ausfallen würden, als diejenigen der sofortigen Erstellung eines zweispurigen Tunnels. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass die hierfür veranschlagte Summe von mindestens Fr. 26,000,000 oder zirka Fr. 1900 pro laufenden Meter für die Erstellung eines Paralleltunnels bei vollständig bekannten Gesteins- und Temperatarverhältnissen und bei sehr günstigen Transportbedingungen als entschieden zui hoch zu betrachten ist. Ferner ist nicht zu übersehen, dass die fragliche Kostendifferenz teilweise durch die von der höheren Bausumme herrührenden Zinsverluste bis zum Zeitpunkt, wo das Vorhandensein eines zweiten Geleises im Tunnel sich für die Bewältigung des Verkehrs wirklich als unvermeidlich erweisen wird, was unserer Ansicht nach erst nach einer Reihe von Jahren der Fall sein wird, auf gewogen werden dürfte.

,,Jedenfalls muss bei Zugrundelegung des Grundsatzes der Verbilligung der Arbeiten bei sofortiger Ausführung der zweiten Spur der Ausbau der Zufahrtsrampen auf die zweite Spur schon jetzt so weit vorbereitet werden, dass derselbe später ohne Schwierigkeiten und unverhältnismässig hohe Kosten durchgeführt werden kann. Dies trifft namentlich für die Anlage der zahlreichen kleinern Tunnels von zusammen 10,300 Meter Länge und grösseren Mauern und Kunstbauten zu. Bei den Tunnels ist die Erstellung zweigeleisiger Calotten vorzusehen.a Das Gutachten der technischen Abteilung des Eisenbahndepartements gelangt zu folgenden Schlussfolgerungen und Anträgen : ,,a. In betriebstechnischer Hinsicht ist der Ausbau der Zufahrtsrampen auf die zweite Spur mindestens ebenso wichtig als derjenige des grossen Tunnels ; diesen letzteren allein auszuführen, bringt keine wesentlichen Vorteile. Zurzeit kann der Ausbau der ganzen Linie Frutigen-Brig nicht als notwendig bezeichnet, sondern ohne Präjudiz bis zum Zeitpunkt verschoben werden, wo der Verkehr der Lötschbergbahn denjenigen einer internationalen Transitlinie erreicht und die Anlage der Doppelspur auf der Zufahrtslinie Bern-Thun-Frutigen gesichert sein wird. Aus blosser Rücksicht auf die Betriebsbedürfnisse kann daher die sofortige Erstellung eines zweispurigen Tunnels nicht hinlänglich motiviert werden, und es steht auch nicht ausser Zweifel, dass die dadurch gegenüber dem spätem Bau eines

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zweiten einspurigen Tunnels zu erzielenden Ersparnisse sich wirklich einstellen werden.

,,&. Wenn man aber trotzdem die sofortige doppelspurige Erstellung des grossen Tunnels billigen und der Bund hierfür vorwiegend aus politischen, verkehrspolitischen und militärischen Gründen die von der Kantonsregierung nachgesuchte Subvention von 5 Millionen Franken erteilen will, so sollte unbedingt hieran die Bedingung geknüpft werden, dass seitens der Bahngesellschaft sofort die nötigen Massregeln getroffen werden, um den Ausbau der beiden Zufahrtsrampen auf die zweite Spur schon jetzt soweit vorzubereiten, dass derselbe später ohne Schwierigkeiten und unverhältnismässig hohe Kosten (so z. B.

bezüglich der zahlreichen kleineren Tunnels und grösseren Mauern und Kunstbauten) durchgeführt werden kann, wie dies im Jahre 1879 gegenüber der Gotthardbahn geschah.

,,c. Im weitern sollte zur Bedingung gemacht werden, dass dermalen die Doppelspur nicht nur im grossen Tunnel, sondern auch auf den anschliessenden offenen Strecken zwischen den Stationen Kandersteg und Goppenstein erstellt werde.

,,d. Um den Charakter dieser Subvention besser zu kennzeichnen, und zu vermeiden, dass dem Bund bei seiner Beteiligung als Grossaktionär der Lötschbergbahn unter Umständen neue Opfer oder Pflichten auferlegt werden, empfiehlt es sich ferner, die erwähnte Subvention à fonds perdu statt giegen Entrichtung von Stammaktien zu erteilen, in der Meinung, dass bei einem allfälligen Rückkauf der Bahnlinie durch den Bund diese Summe vom Kaufswert der Bahn abzuziehen wäre."

VI.

In den verschiedenen vom Eisenbahndepartement eingezogenen Gutachten sind Andeutungen enthalten über Gefahren-, die aus dem Vorgehen des Kantons Bern in Beziehung auf das Verhältnis des Bundes zum Kanton Bern sich ergeben und im Verlauf weiter sich entwickeln könnten. Warum drängt der Kanton Bern in dieser Weise mit dem Bau der Lötschbergbahn ? Die Projektierung und Finanzierung des Lötschbergunternehmens ist vom Kanton Bern allein ohne Mitwirkung der Bundesbehörden durchgeführt worden. Trotzdem die Berner Regierung selbst zugibt, mit der Verwirklichung der Berner Alpenbahn eine Aufgabe an die Hand genommen zu haben, zu deren Lösung ,,sachund rechtsgemäss" der Bund berufen wäre, wurde dem Bund

25 keine Gelegenheit geboten, bei der Aufstellung des Projektes rechtzeitig ein Wort mitzusprechen. Allerdings sagt die Eingabe des bernischen Regierungsrates an den Bundesrat vom 31. Dezember 1906 : ,,Es war stets unsere Absicht, vor einer endgültigen Schlussnahme mit Ihnen und mit den interessierten Nachbarkantonen in Verhandlungen über die Ausführung des Werkes einzutreten. In diesem Sinne erfolgte auch unsere Mitteilung an Sie vom 9. April 1906.a Allein diese Mitteilung bestand nur in einer von keinerlei Plan- oder Erläuterungsmaterial begleiteten Anfrage, ob der Bundesrat noch allfällige Wünsche mit bezug auf die Ausführung der Lötschbergbahn auszusprechen habe, da dieselbe doch wohl in späterer Zeit in den Besitz des Bundes übergehen werde ; gleichzeitig wurde vom Regierungsrat darauf hingewiesen, dass die Vorarbeiten sowohl in technischer als in finanzieller Beziehung soweit vorgerückt seien, dass in nächster Zeit die Unterzeichnung der Verträge und ihre Vorlage an die Kantonsbehörden stattfinden könne. Die bernische Regierung erklärt weiter in ihrer Eingabe an den Bundesrat vom 31. Dezember 1906, die Frage sei durch die ihr gemachten Offerten unerwartet rasch zur Reife gebracht worden ; sie habe sich vor die Wahl gestellt gesehen, das Jahre lang eifrig geförderte Unternehmen entweder ohne Verzug, mit Hülfe der ihr vorgelegten Angebote von Bau- und Finanzkonsortien, die bereit waren, selber an dem Risiko mitzutragen, zur Ausführung zu "bringen oder aber seine Verwirklichung neuerdings auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Sie habe sich, ihrer Verantwortlichkeit wohl bewusst und in der Erinnerung an die Lehren der schweizerischen Eisenbahngeschichte, welche so manche versäumte Gelegenheit verzeichne, zu/ einem entschlossenen Handeln entschieden, indem sie sich nicht verhehlen konnte, dass eine kostbare Zeit von mindestens zwei Jahren verloren gehen müsste, wenn die Frage des Baues der Lötschbergbahn durch die Bundesbahnen zur Entscheidung gebracht werden wollte. ,,Wir mussten uns dabei ferner sagen, dass eine derartige Entscheidung wohl nicht für sich allein, sondern nur in Verbindung mit einer Reihe anderer Fragen erfolgen könnte, auch wenn diese ändern Fragen noch nicht, alle spruchreif wären. Daraus müsste die Gefahr erwachsen, dass eine solche Häufung von Verpflichtungen der Bundesbahnen
schliesslich zu einer Ablehnung des Baues durch den Bund führen könnte, dies namentlich angesichts der vielfachen und dringenden Begehren aus allen Teilen des Landes um Erstellung von Doppelgeleisen, Erweiterung der Bahnhofanlagen etc."

26 Gegenüber alledem ist doch festzuhalten, dass der Kanton Bern niemals mit dem Bunde in Verhandlungen getreten ist wegen Bau und Übernahme der Lötsehbergbahn, dass er von Anfang an auf eigene Faust vorgegangen ist und dass dadurch für die Behandlung seines nachherigen Subventionsbegehrens eine Zwangslage geschaffen wurde, welche in der Bundesversammlung und in weitern Kreisen unangenehm empfunden wurde. Einige Jahre des Wartens wäre wohl auch der Vorteil wert gewesen, die Lötschbergbahn als gemeinsames Werk des Bundes und des Kantons Bern als integrierenden Bestandteil des schweizerischen Bundesbahnnetzes gebaut zu sehen, gegenüber dem gegenwärtigen Zustande, nach welchem ja allerdings der Kanton Bern mit seiner tatkräftigen Unterstützung an erster Stelle, daneben aber eine ausländische Gesellschaft mit einem Kapital von 53 bezw. 6l Millionen hinter dem Lötschberg steht.

Der Bau der Lötschbergbahn ist ein so schwieriges, gemäss ·den Erfahrungen bei ändern Bauten ähnlicher Natur von so vielen Zufälligkeiten und nicht vorherzusehenden Hindernissen aller Art bedrohtes Unternehmen, dass mit der Möglichkeit unzureichender Bemessung des Baukapitals gerechnet werden muss. Die vom Eisenbahndepartement eingezogenen technischen Gutachten sprechen von der Wahrscheinlichkeit, dass die nach dem Vertrag mit der Unternehmung der Bahngesellschaft zufallenden Leistungen mit den in Aussicht genommenen Beträgen nicht werden durchgeführt werden können. Was dann ?

Mit bezug auf die Betriebsergebnisse weichen die Berechnungen der Bundesorgane bezw. der Generaldirektion der Bundesbahnen von denjenigen der Eingabe der Regierung des Kantons Bern sehr erheblich ab. Während die letztere den Reinertrag auf jährlich 2,5 Millionen Franken beziffert, berechnen ihn die Bundesbahnen im ersten Betriebsjahr nur zu Franken 1,350,000 bezw. Fr. 1,660,000. Die Generaldirektion der Bundesbahnen macht darauf aufmerksam, dass hierfür im sogen.

Betriebsfonds höchstens für zwei Jahre Deckung zu finden wäre. Sie hält dafür, dass von einer Steigerung des durchschnittlichen Reinertrages auf Fr. 2,890,000 gar keine Rede sein werde, und erklären : ,,Es ist somit nicht zutreffend, dass die Verzinsung des Anlagekapitals der Lötschbergbahn mit Ausschluss der Subventionsaktien gesichert sei und dass man in die finanzielle Zukunft derselben Vertrauen haben könne."

Dass die Lötschbergbahn dem schweizerischen Transit neuen internationalen Verkehr von erheblicher Bedeutung zu-

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führen werde, wird von den technischen Organen des Bundes bezw. der Bundesbahnen in Abrede gestellt. Sicheres lässt sich naturg.emäss hierüber nicht nachweisen ; man ist mehr oder minder auf Mutmassungen angewiesen. In jedem Falle aber wird die Lötschbergbahn, wenn sie auch nur einigermassen die auf sie gebauten Hoffnungen erfüllen soll, einen erheblichen Teil des zurzeit durch die Schweiz und namentlich durch den Gotthard nach Italien gehenden Verkehrs beanspruchen. Damit aber tritt sie in direkte Konkurrenz mit den Bundesbahnen, deren integrierender Bestandteil die Gotthardbahn schon vor Inbetriebsetzung des Lötschberg sein wird. Man kann sagen, dass, abgesehen von ihrer verkehrspolitischen Bedeutung für den Kanton Bern, die Lötschbergbahn sich als reine Konkurrenzlinie zu den Bundesbahnen qualifiziert. Nehmen wir nun für den Augenblick an, der Konkurrenzkampf würde seitens der Bundesbahnen mit aller von ihren Interessen gebotenen Rücksichtslosigkeit geführt ; sie sind der stärkere von den beiden Gegnern, der Lötschberg müsste erliegen. Oder es käme nicht soweit, der Kanton Bern würde sich auf den Art. 21 des Tarifgesetzes vom 27. Juni 1901 berufen und Verkehrsteilung verlangen. Art. 21 sagt in seinem dritten Alinea : ,,Wenn für Transporte von oder nach den Bundesbahnen die kürzeste Route ganz oder teilweise über eine nicht zu den Bundesbahnen gehörende schweizerische Bahnstrecke führt, so kann, wenn diese geeignete Betriebsverhältnisse und ein gleichartiges Tarifsystem hat, über dieselbe die Bildung direkter Tarife und eine billige Teilung des Verkehrs beansprucht werden, letztere, soweit dadurch wichtige Interessen der Bundesbahnen nicht verletzt werden."· In einem die Frage der Betriebseinnahmen des Lötschberg betreffenden, an den leitenden Ausschuss des bernischen Initiativkomitees für die Lötschbergbahn gerichteten Gutachten berührt die Generaldirektion der Bundesbahnen den Art. 21 ebenfalls. Sie sagen : ,,Um zu einer richtigen Einnahmenschätzung zu gelangen, mussten die für die Lötschbergbahn massgebenden Verkehrszonen ermittelt werden. Diese Ermittlung fand nun allerdings nach dem Grundsatz der kürzesten Route statt. Es ist aber für die Beurteilung der tatsächlichen Rentabilität wohl zu beachten, dass eine Berechtigung der Lötschbergbahn, Anwendung dieses Grundsatzes zu verlangen, nicht besteht. Es trifft vielmehr unzweifelhaft die Voraussetzung des Art. 21 des Tarifgesetzes zu, welche eine Verpflichtung zu einer billigen

28 Teilung des Verkehrs ausschliesst, soweit dadurch wichtige Interessen der Bundesbahnen verletzt werden. Eine solche Verletzung liegt aber vor, indem der grösste Teil des nach dem Prinzip der kürzesten Linie der Lötschbergbahn zufallenden Verkehrs den Linien der Bundesbahn und der Gotthardbahn, welche vom 1. Mai 1909 an auch Bundesbahn sein wird, entzogen wird."1 Nun stelle man sich die Situation der Zukunft vor : Die Lötschbergbahn gewissermassen als bernische Staatsbahn im Kampfe mit den Bundesbahnen um den für ihre Erhaltung notwendigen Verkehr ; in der Frage der Auslegung des Art. 21 des Tarifgesetzes in Zwiespalt mit den Bundesbehörden, welche die Interessen der Bundesbahnen nicht ausser acht lassen dürfen.

Welch eine unerquickliche Perspektive, welche Gefahr für die innere Ruhe und das Gleichgewicht der schweizerischen Eidgenossenschaft. Eine Situation, von welcher nur zu wünschen ist, dass die möglichst baldige Übernahme des Lötschberg durch den Bund ihr ein Ende bereite. Aber der Preis und die Grundlage derselben ? Der Bund wird ein Interesse daran haben, dass die Lötschbergbahn erst durch eine Anzahl von ßetriebsjahren ihren wahren Wert dokumentiere, ehe er sie übernimmt und die Interessen Berns werden nach einer ändern Richtung gehen. Es hiesse, sein Auge der Wirklichkeit verschliessen, wollte man von diesen Dingen nicht reden. Allerdings ist die Eingabe des bernischen Regierungsrates an den Bundesrat bestrebt, den Nachweis zu leisten, dass die bernische Eisenbahnpolitik nicht nur nicht in Gegensatz zur Staatsbahnpolitik des Bundes zu treten gedenke, sondern dieser Politik wie bisanhm sympathisch gegenüberstehe. Es wird in dieser Richtung verwiesen auf das bernische Subventionsgesetz vom 4. Mai 1902.

Dabei kommt wohl in Frage Art. 17 dieses Gesetzes, allein der Wortlaut scheint nicht den Auseinandersetzungen dieser Eingabe zu entsprechen, und oft sind die Verhältnisse mächtiger als der menschliche Wille und ein aus dem Lötschberg sich entwickelnder Konflikt zwischen dem Bunde der Eidgenossen und dem Kanton Bern gehört leider nicht zu den Unmöglichkeiten. Schon bei der Verstaatlichungsdebatte des Jahres 1897 spielte in der Bundesversammlung der Lötschberg und die Konkurrenz, welche er der Gotthardbahn bringen werde, eine gewisse Rolle. In Rücksicht auf diese Konkurrenz sprachen sich damals verschiedene Stimmen gegen die gleichzeitige Verstaatlichung der Gotthardbahn aus.

29 Solche Situationen wollten eben vermieden werden durch den Gedanken der Verstaatlichung des schweizerischen Eisenbahnnetzes, der mit dem Rückkauf der fünf Hauptbahnen wohl seinen Anfang genommen, aber noch nicht seine Durchführung erfahren hat. Schon in seiner Botschaft vom 16. Juni 1871 zu dem heute noch geltenden Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 betreffend Bau und Betrieb der Eisenbahnen erklärte der Bundesrat : ,,Wenn der Versuch, die Rechte des Staates gegenüber mächtigen Gesellschaften und die Interessen des Publikums zu wahren, misslingt, so wird ein nächstes Gesetz in dem einzigen Artikel bestehen : ,,Der Bund übernimmt den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen"1 (Bundesbl. 1897, II, 244).

Nun, das ist sehr energisch gesprochen. Und in seiner Botschaft betreffend den Rückkauf der schweizerischen Hauptbahnen vom 25. März 1897 sagt der Bundesrat zur Motivierung des Ankaufe der Prioritäten der Jura-Simplon-Bahn : ,,Diese Vereinigung (zwischen den westschweizerischen Eisenbahnen und der Jura-Bern-Luzern-Bahn) vollzog sich nicht bloss zwischen den privaten Eisenbahngesellschaften , sondern es kam dabei die Bedeutung und der Einfluss der beteiligten Kantone in einer Weise zur Geltung, wie dieses bei keinem der ändern Bahnnetze der Fall ist. Die entscheidende Beteiligung des Kantons Bern an dem Entstehen der Jura-BernLuzern-Bahn und der massgebende Einfluss, welchen er als grösster Aktionär bei der Verwaltung dieses Netzes ausgeübt hatte, verliehen dem letztern den Charakter einer Staatsbahn Neben dem rechtlichen und moralischen Einflüsse, den vier Kantone mit rund einer Million Seelen zur Erreichxmg ihres Zweckes auszuüben in der Lage sind, kam das direkte finanzielle Interesse in Betracht, welches sie an das neue Unternehmen knüpfte. Der Aktienbesitz der Kantone betrug im Jahre 1889 77,000 Stück, welche in der Generalversammlung ebensoviel Stimmen repräsentierten und zudem besassen dieselben im Verwaltungsrate der Gesellschaft 19 Mitglieder bei einer Gesamtzahl von 50 bis 60. Diese mächtige Stellung der genannten Kantone im Eisenbahnwesen musste notwendig zu einer Schwächung des Einflusses der Eidgenossenschaft führen, wenn diese nicht den Willen und die Kraft besass, sich auch ihrerseits die gebührende Stellung zu erobern . . ."

In ihrem Gutachten über das Konzessionsgesuch MünsterGrenchenhat die Generaldirektion der Bundesbahnen am 27. Mai 1902 sich folgendermassen vernehmen lassen : ,,Die allgemeinen

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Interessen wie diejenigen der Bundesbahnen verlangen, dass die Erstellung einer neuen Bahn durch den Jura nicht von dritter Seite ausgeführt werde ; es ist daher dem Konzessionsbegehren für solche neue Projekte nicht zu entsprechen, in der Meinung, dass deren Ausführung zu geeigneter Zeit den Bundesbahnen vorbehalten bleiben müsse . . . . Für den künftigen Bau von Hauptbahnen kann es unseres Erachtens nur eine Alternative geben : Entweder ist nach dem Ermessen der Bundesbehörden ein Bedürfnis für solche neue Linien vorhanden, und dann erstellen sie den Bau selbst, oder der Bund kann ein Bedürfnis zur Ausführung eines neuen Projektes wenigstens zurzeit nicht anerkennen, und in diesem Falle gibt er auch die Einwilligung zur Ausführung durch Dritte nicht, im wohlverstandenen Interesse des Landes. Bei Beantwortung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob die durch die Verstaatlichung geschaffene neue Sachlage sich mit den formellen Vorschriften des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 über die Erteilung von Konzessionen decke oder nicht. Wenn der Wortlaut dieser Bestimmungen die Konzessionsverweigerung nicht gestatten würde, so wäre eben auf eine Revision der bezüglichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen."

Im Geschäftsbericht der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen für das Jahr 1903 lesen wir u. a. : ,,Nachdem der Bund den Rückkauf der schweizerischen Hauptbahnen beschlossen hat, ist der Grundsatz festgelegt, dass der Staat die Hauptlinien des Verkehrs in seine Hand nehmen will, um dem Lande die volkswirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die von der Verstaatlichung erwartet werden . . . . Es wäre ganz unverständlich, wenn im Widerspruch mit dieser Auffassung der Bund zugeben würde, dass neue Hauptbahnen von Dritten erstellt werden, seien es Kantone oder Privatgesellschaften ; dadurch würde eine zielbewusste Eisenbahnpolitik des Bundes geradezu verunmöglicht . . . . Ein Hauptziel der Verstaatlichung war es ja, dem Kampfe der vielfach widerstreitenden kantonalen und lokalen Interessenstandpunkte ein Ende zu machen und nach grössern einheitlichen Gesichtspunkten zu verwalten. Dieses Ziel würde sofort preisgegeben, wenn die Bundesbahnen zu einer Konkurrenzanstalt gegenüber so und so viel in anderer Hand befindlichen Hauptbahnen degradiert würden. Der Unterschied gegenüber der früheren Sachlage wäre sicherlich nicht mehr gross . . . . Für einen Staat, der zum Staatsbahnsystem übergegangen ist, wäre es sicher eine sonderbare Rolle, die Aus-

31 führung solch bedeutender Linien Dritten zu überlassen und sich auf die Verabreichung von Subventionen zu beschränken, während die Leitung und der bestimmende Einfluss bei Dritten liegen würde. Das Richtige ist doch, wo ein Zusammenwirken verschiedener Kreise durch die Grosse der Aufgabe erfordert wird, dass der Bund baut und die ändern Interessenten mit Subventionen mithelfen . . . . Wenn wir z. B. an den Bau einer Lötschbergbahn denken, wird unzweifelhaft die finanzielle Mithülfe des Bundes beansprucht werden ; da würde es doch viel richtiger sein, wenn der Bund die Linie selbst ausführen würde bei entsprechender Subventionierung durch den Kanton.

Bern . . . . Auf den Ausbau des verstaatlichten Netzes werden, sich die Bundesbahnen nicht für alle Zukunft beschränken dürfen, wenn sie die an die Verstaatlichung geknüpften Hoffnungen, erfüllen wollen. Wenn es sich um die Ausführung volkswirtschaftlich berechtigter Linien handelt, wird der Bund hierfür auch die erforderlichen Geldmittel so gut aufbringen können als irgend eine Gesellschaft oder ein Kanton."

Bei Behandlung dieses Geschäftsberichtes der Bundesbahnen, machte sich in der Bundesversammlung das Bedürfnis geltend, nicht bloss die Stellung der Generaldirektion, sondern auch diejenige des Bundesrates in dieser Frage kennen zu lernen. Das ist die Grundlage des bundesrätlichen Berichtes vom 10. Dezember 1904 (Bundesbl. 1904, VI, 496 ff.), welcher in der Hauptsache auf dem Boden der Generaldirektion steht und festgestellt wissen will, dass die Verweigerung von Konzessionen, auch aus ändern als militärischen Gründen stattfinden könne,, dass inskünftig für Hauptbahnen in der Schweiz überhaupt keine Konzessionen mehr erteilt werden sollen, weil diese Hauptbahnen durch die Bundesbahnen zu bauen seien und dass für die Nebenbahnen die bisherigen Grundsätze gelten sollen, immerhin in der Meinung, dass auch für Nebenbahnen Konzessionen nicht zu erteilen seien, wenn daraus Konkurrenz für die Bundesbahnen entstehen könnte. Die Diskussion über diesen Bericht ist noch nicht zu einem bestimmten Schluss und Ende gelangt.

Handelt es sich heute aber auch nicht um die Konzession einer neuen Hauptbahn, sondern vielmehr um deren Subvention, so wird es doch gut sein, auch bei diesem Anlass wieder und auch wenn das Ergebnis der Prüfung durchaus nicht ein
negatives ist, die Grundsätze und Zielpunkte einer schweizerischen Staatsbahnpolitik sich vor Augen zu halten. Alle Vorteile, welche man mit der Verstaatlichung unseres Eisenbahnwesens zu er-

32 reichen hoffte und tatsächlich erreicht hat, drohen wieder iu die Brüche zu gehen, wenn neben dem Netz der Bundesbahnen, und zwar zum Teil unter Mithülfe der Kantone, wieder ein neues Netz schweizerischer Hauptbahnen entsteht, das den Interessen der Bundesbahnen entgegenarbeitet! Es wird daher gut sein, wenn die Diskussion, welche in den Räten über den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 10. Dezember 1904 betreffend die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen angehoben hat, zu einem positiven Abschluss gebracht wird.

Zwischen dem Eisenbahngesetz von 1872 und dem Rückkaufsgesetz von 1897 besteht eine Lücke, welche so oder anders geschlossen werden sollte.

VII.

Während die Kommission über das Gesuch der bernischen Regierung betreffend Subventionierung des zweispurig anzulegenden Lötschbergtunnels mit 5 Millionen Franken beriet, erhielt sie Kenntnis von einem Schreiben, welches der Regierungsrat des Kantons Bern am 4. Juli 1907 an den h. Bundesrat gerichtet hatte und welches folgendermassen lautete : ,,Der Regierungsrat des Kantons Bern hat am 31. Dezember 1906 an Sie, zu Händen der eidgenössischen Räte, das Gesuch gerichtet, es möchte sich die Eidgenossenschaft an der Berner Alpenbahn Bern-Lötschbergj-Simplon finanziell beteiligen, zum Zwecke, die doppelspurige Ausführung des grossen Lötschhergtunnels bei der ersten Anlage möglich zu machen. Wir haben in der betreffenden Eingabe weiter ausgeführt, diese Beteiligung möchte auf mindestens 5 Millionen Franken bestimmt werden und in Aktien gleichen Ranges wie die Staatsbeteiligung des Kantons Bern erfolgen.

,,Der Ständerat, welcher diese Angelegenheit in erster Linie beraten sollte, hat jedoch die Behandlung derselben in der kürzlich zu Ende gegangenen Session verschoben und wir gestatten uns nun heute, Ihnen nachstehende weitere Erwägungen in dieser Frage zu unterbreiten.

,,In Ihrer Botschaft an die Bundesversammlung vom 28. Mai 1907 haben Sie die Ansicht vertreten, es sei dem Gesuch zu entsprechen und unserer Gesellschaft eine Subvention von fünf Millionen Franken à fonds perdu zuzuwenden. Immerhin knüpften Sie an die Ausbezahlung dieser Subvention folgende Bedingungen : a. Dass seitens der Bahngesellschaft bereits bei An-

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läge der ersten Spur die nötigen Anordnungen getroffen werden, um den Ausbau der beiden Zufahrtsrampen schon jetzt so weit vorzubereiten, dass derselbe später ohne allzu grosse Schwierigkeiten und unverhältnismässig hohe Kosten durchgeführt werden kann ; b. dass dermalen die Doppelspur nicht nur im grossen Tunnel, sondern auch auf den anschliessenden offenen Strecken zwischen den Stationen Kandersteg und Goppenstein erstellt werde.

,,Nach Kenntnisnahme dieser Bedingungen des Bundesbeschlussesentwurfes und namentlich der auf Seite 16 der Botschaft enthaltenen Ausführungen halten wir uns für verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die Berner Alpenbahn-Gesellschaft diese Forderungen nur in beschränktem Masse wird erfüllen können.

,,Was die unter b. angeführte Bedingung betrifft, so kann allerdings nach unserm Dafürhalten die Gesellschaft sich einverstanden erklären, die Doppelspur von der Station Kandersteg bis zur Station Goppenstein sofort auszuführen und nicht bloss den grossen Tunnel selbst bei seiner ersten Anlage doppelspurig zu erstellen. Im übrigen war von Anfang an vorgesehen, die Ekpropriationen für die ganze offene Strecke von Frutigen bis Brig auf Doppelspur auszuführen. Ebenso werden im Falle, dass uns der Bund im vorgesehenen Masse subventioniert, die Stützmauern, Steinsätze und Dämme so erstellt, dass ein sofortiger Ausbau auf das zweite Geleise ohne Hindernis erfolgen kann. Endlich werden die Fundamente der grössern Kunstbauten überall da, wo sich keine Felsenfundamente vorfinden, schon jetzt für die zweite Spur erstellt werden.

,,Dagegen ist es der Berner Alpenbahn-Gesellschaft unmöglich, die eingeleisigen Tunnels der Zarfahrtsrampen im gegenwärtigen Moment für die Doppelspur vorzubereiten. Eine sofortige Erstellung der zweispurigen Calotte erfordert für den laufenden Meter eine Mehrausgabe von Fr. 300. Da, die Zufahrtsrampen zum Lötschbergtunnel kleinere Tunnelstrecken von zusammen. 10 Kilometer aufweisen, so würde dies eine Mehrbelastung der Baurechnung von 3 Millionen Franken zur Folge haben. Eine solche ist aber in dem Rahmen des Finanzprogramms der Berner Alpenbahn nicht vorgesehen. Wenn die Gesellschaft die nötigen Mittel hierzu der Bundessubvention von 5 Millionen Franken entnehmen wollte, so blieben ihr für die Erstellung der Doppelspur des grossen Tunnels an verfügbaren Mitteln kaum 2 Millionen. Bei dieser Sachlage dürfte an die Ausführung der zweiten Spur gar nicht gedacht werden.

Bundesblatt. 59. Jahrg.

Bd. V.

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,,Übrigens sei darauf hingewiesen, dass eine spätere Ausweitung der kleinen Tunnels auf Doppelspur im Verhältnis' zur sofortigen Erstellung auf die grössere Dimension nicht die unverhältnismässig grossen Mehrkosten nach sich zieht wie beim Haupttunnel.

,,Bei diesem Anlass gestatten wir uns ferner, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass eine Verlängerung des Termins, soviel aus den bisherigen Verhandlungen mit der Unternehmung hervorgeht, nur mit grossen Opfern erkauft werden kann. Wenn somit der Beschluss der eidgenössischen Räte nicht vor dem 1. Oktober 1907 in Rechtskraft erwachsen würde, so hätte die Bahngesellschaft so grosse Nachzahlungen zu leisten, oder so schwere Bedingungen einzugehen, dass sie die Ausführung der Doppelspur im grossen Tunnel ablehnen müsste. Die Berner Alpenbahn-Gesellschaft kann aber umsoweniger irgendwelche weitergehende Verpflichtung übernehmen, als ihr infolge der schwierigen Gestaltung des Geldmarktes die Beschaffung der Geldmittel für den Bau des zweispurigen Tunnels wesentlich grössere Opfer auferlegt, als dies noch vor Jahresfrist der Fall gewesen wäre.

,,Indem wir uns beehren, Ihnen hiervon Kenntnis zu geben, teilen wir Ihnen noch mit, dass wir behufs tunlichster Förderung der Angelegenheit gleichzeitig den Präsidenten der eidgenössischen Kommissionen, Herrn Ständerat Locher und Nationalrat Künzli von diesem Schreiben Abschrift gegeben haben." *) Von dieser Zuschrift erhielt die Kommission Kenntnis durch Herrn Bundesrat Zemp. Ebenso von nachfolgendem Schreiben, welches die Berner Alpenbahn-Gesellschaft am 20. Juli 1907 an den Regierungsrat des Kantons Bern gerichtet hatte : ,,Mit Schreiben vom 26. Juni 1907 haben wir uns erlaubt, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Bedingungen, welche der Bundesrat an die Bewilligung einer Bundessubvention von 5 Millionen zum Zwecke der sofortigen Erstellung der Doppelspur im Haupttunnel unserer Bahnanlage knüpft, unserseits nur in beschränktem Masse erfüllt werden können, da dieselben eine beträchtliche, nicht vorgesehene Mehrbelastung unseres Finanzprogramms darstellen würden. Wir haben ausgeführt, inwieweit wir diesen Bedingungen Rechnung tragen können und *) Die Mitteilung an den Präsidenten der Ständeratskommission ist aus Versehen unterblieben. (Der Berichterstatter.)

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haben bemerkt, dass es uns unmöglich ist, die eingeleisigen Tunnels der Zufahrtsrampen zum Ausbau für die Doppelspur vorzubereiten.

,,Indem wir Ihnen die erwähnten Ausführungen vom 26. Juni 1907 bestätigen, erlauben wir uns, Sie von unsern soeben abgeschlossenen Berechnungen über die finanzielle Tragweite der bundesrätlichen Bedingungen in Kenntnis zu setzen und ersuchen Sie höflich, dieselben dem Bundesrate zu Händen der eidgenössischen Kommission bekannt zu geben. Wir setzen voraus, dass sowohl der Bundesrat als die Mitglieder der eidgenössischen Kommissionen bereits von dem Inhalt unsers Schreibens vom 26. Juni 1907 unterrichtet worden sind.

,,Die Landerwerbungen werden, falls dieselben durchwegs für eine doppelspurige Bahnanlage ausgeführt werden, einen Mehraufwand von durchschnittlich Fr. 8000 pro Kilometer erfordern. Die offene Strecke der Linie Frutigen-Brig beträgt 34,150 Kilometer. Die Mehrauslage für den Grunderwerb wird somit anzusetzen sein auf Fr. 273,200.

,,Die Mehrkosten für den Unterbau verteilen sich wie folgt : Bei der offenen Strecke werden die Steinsätze der Dämme und die Stützmauern so ausgeführt, dass dieselben für Anlage der zweiten Spur bloss zu erhöhen sind. Die Fundationen derjenigen grossen Kunstbauten,! bei denen die Spannweite des Bogens über 10 Meter beträgt, werden sofort für die zweite Spur erstellt werden, soweit sie sich nicht in felsigem Terrain befinden.

Für eine derartige Vorbereifang der offenen Strecken werden pro Kilometer Fr. 20,000 Mehrauslagen in Rechnung gebracht werden müssen, was für 34,150 Kilometer einen Betrag ausmacht von Fr. 683,000. Die Rampentunnel werden, wo dieselben unverkleidet bleiben, für ein Geleise erstellt ; dort, wo teilweise Verkleidung erforderlich ist, wird ein Widerlager und das Deckengewölbe gemauert, während auf der ändern Seite die Strasse stehen bleibt. Endlich werden die Rampentunnel an denjenigen Orten, wo sie sich in Bergschutt oder schlechtem Gestein befinden, sofort zweigeleisig ausgebaut. Ein derartiger Ausbau der Rampentunnel wird folgende Ausgaben erfordern : Tunnel mit Deckengewölbe, totale Länge 8210 Meter für zwei Geleise, zu Fr. 250 Mehrauslage = Fr. 2,052,500.

Doppelgleisiger Tunnel, totale Länge 1000 Meter zu Fr. 700, Mehrauslage Fr. 700,000. Die Mehrauslagen für den Unterbau der auf zweite Spur vorbereiteten Rampen befragen demnach Fr. 3,435,500 und die totalen Mehrkosten, welche die Erfüllung

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der bundesrätlichen Bedingungen mit sich bringen würde, belaufen sich auf Fr. 3,710,000. Hierbei sind die vermehrten Verwaltungs- und weitere Unkosten noch nicht in Rechnung gebracht.

,,Zusammenfassend bemerken wir, dass eine Vorbereitung der Rampentunnels auf Doppelspur, wie sie der bundesrätliche Bundesbeschlussentwurf vorsieht, für unsere Gesellschaft eine Mehrauslage von rund 4 Millionen Franken bedeuten würde.

Da die hierfür erforderlichen Mittel in unserm Finanzprogramm nicht vorgesehen sind und die Inanspruchnahme einer Bundessubvention von 5 Millionen Franken für den Ausbau der Rampen eine Erstellung des doppelspurigen Haupttunnels verunmögliohen würde, so sind wir gezwungen, Ihnen die formelle Erklärung abzugeben, dass unser Finanzprogramm nicht erlaubt, die Erfüllung derartig belastender Bedingungen zu übernehmen.

,,In betreff der grossen Wünschbarkeit einer sofortigen Vorbereitung der Rampen auf Doppelspur gehen wir mit der Botschaft vollkommen einig. Wir sind deshalb auch entschlossen, wie wir dies bereits in unserm Schreiben vom 26. Juni 1907 betont haben, unsere sämtlichen noch verfügbaren Mittel zur Vorbereitung der Rampen auf Doppelspur zu verwenden. Eine Auslagenvermehrung, die aber die Summe von l Million Franken übersteigen würde, können wir nicht auf uns nehmen, da unser Finanzprogramm keine Mittel hierfür vorsieht.

,,Hingegen erklären wir uns bereit, für den Fall, dass uns die eidgenössischen Räte eine Subvention von 7 Millionen bewilligen würden, neben dem Haupttunnel die Rampenstrecken im Sinne vorstehender Ausführungen auszubauen, indem wir uns verpflichten, in diesem Fall den noch fehlenden Restbetrag aufzubringen. Eine derartige Subventionierung der Bahnanlage durch die Eidgenossenschaft würde ermöglichen, den vom hohen Bundesrate in seiner Botschaft aufgestellten Bedingungen in weitgehendem Masse Rechnung zu tragen."

Infolge dieses Schreibens gelangte der Regierungsrat des Kantons Bern mit Zuschrift vom 22. Juli an den Bundesrat : ,,Mit Schreiben vom 4. Juli abhin haben wir Ihnen unsere Bedenken bezüglich der von Ihnen in Art. 2 des EntwurfsBundesbeschluss betreffend Bewilligung einer Bundessubvention von 5 Millionen Franken an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels geknüpften Bedingungen geäussert. Bezugnehmend hierauf beehren wir uns, Ihnen ferner

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mitzuteilen, dass wir die Berner Alpenbahngesellschaft ersucht haben, vor Zusammentreten der ständerätlichen Kommission in Solothurn uns mitzuteilen, welche Mehrkosten erwähnte Bedingungen verursachen würden.

,,Mit Schreiben vom 20. Juli bringt uns die Direktion dieser Gesellschaft zur Kenntnis, dass die daherigen Mehrkosten, wenn den gestellten Bedingungen in vollem Masse Rechnung getragen werden muss, zirka 4 Millionen Franken betragen. Das betr.

Schreiben liegt hier bei. Im weitern belieben Sie aus der Zuschrift genannter Direktion zu entnehmen, dass ohne höhere Subvention als die beantragte, es der Gesellschaft unmöglich wäre, die gestellten Bedingungen anzunehmen und an die Ausführung der Doppelspur im Haupttunnel heranzutreten. Dagegen glaubt die Berner Alpenbahn-Gesellschaft, bei einer Erhöhung der Bundessubvention um 2 Millionen, also auf 7 Millionen Franken, den Rest noch aufbringen zu können. Sache der konferenziellen Verhandlungen wird es sein, zu prüfen, ob eventuell die Bedingungen abgeschwächt werden könnten und so die Bundeshülfe sich reduzieren liesse.

,,Gestützt auf diese Mitteilung und auf die Berechnungen der Direktion der Berner Alpenbahn-Gesellschaft erlauben wir uns, an Sie, zu Händen der eidgenössischen Räte, höflichst das fernere Gesuch zu richten, Sie möchten die in Art. 2 des Entwurfes Bundesbeschluss vom 28. Mai 1907 sub a gestellten Bedingungen betreffend den Ausbau der beiden Zufahrtsrampen auf die zweite Spur fallen lassen, oder die Bundessubvention von 5 auf 7 Millionen Franken erhöhen."

Diese Kundgebungen wurden der ständerätlichen Kommission in ihrer Tagung zu Solothurn vorgelegt. Formell allerdings wäre auf deren Inhalt noch nicht einzutreten gewesen, weil die Eingaben des bernischen Regierungsrates sich an den Bundesrat richteten und der Bundesrat noch nicht in der Lage gewesen war, dieses neue und modifizierte Subventionsgesuch zu behandeln. Allein die Kommission stand vor der Alternative, entweder ihre Verhandlungen zu unterbrechen, den Beschluss und Antrag des Bundesrates abzuwarten und vor der Herbstsession noch einmal zur endgültigen Erledigung der Sache zusammenzutreten, oder, ohne den behördlichen Entscheid des Bundesrates zu kennen, ihre Stellung zu dem erweiterten! Subventionsbegehrcn zu fixieren. Das Vorgehen in letzterem Sinne erschien auch deshalb angezeigt, weil es wünschbar war, dass die Kommission des Nationalrates die Anträge der ständerätlichen Kominis-

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sion kenne, ehe sie ihrerseits an die Beratung und Antragstellung herantrete. Zudem war durch die Anwesenheit von Ilerrn Bundesrat Zemp Gelegenheit gegeben, wenigstens die Stellungnahme des Vorstehers des Eisenbahndepartements zu der neuen Sachlage zu erfahren, und Herr Bundesrat Zemp erklärte sich mit der Behandlung der Angelegenheit durch die Kommission in dem zurzeit gegebenen Stadium einverstanden.

Es ergab sich nun von vorneherein und war schon in vorausgegangenen Diskussionen innerhalb der Kommission wiederholt zum Ausdruck gelangt, dass die vom Bundesrat in seinem Beschlussesantrag unter Art. 2, lit. a aufgestellten Bedingungen vor allem der notwendigen Klarheit und Präzision ermangeln.

Es wird da die Bedingung aufgestellt, ,,dass seitens der Bahngesellschaft bereits bei der Anlage der ersten Spur die nötigen Anordnungen getroffen werden, um den Ausbau der beiden Zufahrtsrampen auf die zweite Spur schon jetzt so weit vorzubereiten, dass derselbe später ohne allzugrosse Schwierigkeiten und unverhältnismässig hohe Kosten durchgeführt werden kann."

Aber im Interprétations- und Rechtskonflikt war mit diesen Vorschriften nicht viel anzufangen. Was sind ,,allzu grosse Schwierigkeiten" beim Bau einer Alpenbahn und ,,unverhältnismässig hohe Kosten" bei einem Unternehmen, das zur Zeit der Aufstellung dieser Bedingungen über einen ins einzelne gehenden Kostenvoranschlag noch nicht verfügte ? Allerdings wird auf Seite 16 der Botschaft des Bundesrates erklärt, dass es Sache des Bundesrates sein werde, bei Prüfung und Genehmigung des allgemeinen Bauprojektes darüber zu wachen, dass der Ausbau der beiden Zufahrtsrampen auf die zweite Spur rechtlich und technisch genügend vorbereitet werde. Der nötige Landerwerb müsse gesichert sein und in technischer Beziehung müsse speziell verlangt werden, dass für die Tunnels die Erstellung zweigeleisiger Galotten vorgesehen werde.

Aber abgesehen davon, dass Mitteilungen der Botschaft nicht gleich zu achten sind einem von den beiden Räten der Bundesversammlung genehmigten Beschluss und dass die deutsche und die französische Ausgabe der Botschaft in dieser Erklärung nach ihrem Wortlaut nicht genau übereinstimmen, liegt es im Interesse der beiden Teile, des Bundes sowohl wie des Kantons Bern und seiner Alpenbahngesellschaft, dass in dieser kritischen Frage von
vorneherein Übereinstimmung, oder wenigstens eine Klarheit herrsche, die spätere Konflikte nicht aufkommen lässt.

Nun ergab sich aus der Zuschrift des bernischen Regierungs-

39 rates an den Bundesrat vom 4. Juli 1907, dass Übereinstimmung herrschte von vorneherein im Punkte der Forderung, dass nicht bloss im grossen Tunnel selbst bei seiner ersten Anlage, sondern auf der ganzen Strecke von Kandersteg bis Goppenstein die Doppelspur zu erstellen sei. Die Station Goppenstein liegt unmittelbar am Südende des grossen Tunnels, während Kandersteg vom Nordende ungefähr 2 Kilometer entfernt ist. Ebenso hatte in der erwähnten Zuschrift die Regierung des Kantons Bern erklärt, dass im übrigen von Anfang an vorgesehen gewesen sei, die Expropriationen für die ganze offene Strecke von Frutigen bis Brig auf Doppelspur auszuführen, dass ebenso für den Fall, dass der Bund die Subvention von 5 Millionen Franken gewähre, die Stützmauern, Steinsätze und Dämme so erstellt werden, dass ein sofortiger Ausbau auf das zweite Geleise ohne Hindernis erfolgen könne, und dass endlich die Fundationen der grössern Kunstbauten überall da, wo sich keine Felsenfundamente vorfinden, schon jetzt für die zweite Spur erstellt werden.

Es handelte sich bloss darum, die Regierung des Kantons Bern bei diesen Erklärungen zu behalten und dann blieb nur noch übrig die Frage des Ausbaues der Rampentunnels mit zweispurigen Calotten, bezw. die Frage der Kosten eines solchen Ausbaues.

Hierbei kommt nun in erster Linie in Betracht die andere Frage, ob von diesen Rampentunnels alle, oder nur die in festem Gestein liegenden von Anfang an mit zweigeleisigen Calotten zu versehen seien. Die Calotte ist der obere Teil des Tunnelprofils, das am Scheitel des Tunnels liegende Deckengewölbe, welches bei Inaussichtnahme späterer Erstellung einer Doppelspur wenigstens überall da, wo der Tunnel nicht durch festen Felsen geht und daher verkleidet (ausgemauert) werden muss, schon deshalb von Anfang an auf die zweite Spur eingerichtet werden sollte, weil die Herstellung dieser Arbeit während des Betriebs unmöglich ist. Nach Herstellung der zweispurigen Calotte verursacht der noch übrig bleibende Tunnelausbruch während des Betriebes keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Wie viele nun von den zu erstellenden Rampenttnnels in festem Felsen liegen und wie viele in schlechtem Gestein, auf wie viele Meter also die Herstellung von zweispurigen Calotten sich notwendig erweisen werde, diese Frage konnte im Stadium der kommissionalen Beratung noch nicht genau beantwortet werden, sie wird überhaupt von vorneheroiu nicht leicht in präziser Weise zu beantworten sein. Es lässt

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sich darum auch von vorneherein die Summe der Kosten nicht genau feststellen, welche auf diese Erweiterungsbauten zu verwenden sein werden. Die Ansicht des anwesenden Experten des Bundesrates und des Oberingenieurs der Lötschbergbahn stimmten in diesem Punkte nicht überein, gingen aber auch nicht allzuweit auseinander. Der -Experte des Bundcsrates veranschlagte die Kosten auf Fr. 2,500,000, Herr Ingenieur Zollinger auf Fr. 2,700,000. Nun sagte sich die Kommission, und Herr Bundesrat Zemp stimmte ihr in dieser Auffassung zu, die Subvention von 5 Millionen Franken, wie sie der Bundesrat in Aussicht nahm, sei vorgesehen gewesen für die Anlage der Doppelspur im grossen Tunnel. Die Vorbereitung der Rampentunnels auf die Doppelspur bedeute eine sehr erhebliche Mehrleistung, welche von Bundes wegen namentlich in Rücksicht auf eine spätere Erwerbung der Lötschbergbahn verlangt werde und welche im Finanzprogramm des Kantons Bern bezw. der Berner Alpenbahn-Gesellschaft nicht vorgesehen sei. Wenn nun überhaupt an die Gewährung einer Bundessubvention für das Lötschbergunternehmen gedacht werden wolle, worin die Kommission sich einstimmig erwiesen habe, so sei es billig, dass auch an die von ihm verlangten Mehrleistungen der Bund einen angemessenen Beitrag leiste, und es habe bei Ausmessung dieses Beitrags wiederum billigerweise in Betracht zu fallen, dass es sich bei der Lötschbergbahn um ein Unternehmen des Kantons Bern handle. Von diesen Erwägungen geleitet, beschloss die Kommission, den oben bereits genannten, von der Regierung des Kantons Bern in ihrer Zuschrift vom 4. Juli' 1907 zugestandenen Bedingungen noch die weitere hinzuzufügen, dass die Rampentunnels überall da, wo sie sich nicht im festen Felsen befinden, mit zweispuriger Calotte auszubauen seien, dafür dann aber die Bundessubvention von 5 auf 6 Millionen Franken zu erhöhen sei. Damit erklärte sich der anwesende Vertreter des bernischen Regierungsrates einverstanden und ebenso in einem persönlich an den Präsidenten der Kommission gerichteten Schreiben vom 24. Juli 1907 der Präsident der bernischen Alpenbahngesellschaft. Und in der Tat scheint damit allen Rücksichten der Billigkeit wohlwollende Rechnung getragen zu sein, und alle die Gründe, welche für eine Bundcssubvention von 5 Millionen Franken an die doppelspurige Anlage des Lütschbergtunnels
angeführt werden können, gelten auch für die unter wesentlich erweiterten Bedingungen geleistete Subvention von 6 Millionen. Die ganze Anlage gewinnt durch die ihr nunmehr gesicherten Verbesserungen wesentlich an Wert und für den

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früher oder später mit aller Sicherheit eintretenden Fall des Übergangs der Lötschbergbahn an den Bund wird damit auch den Interessen des Bundes gedient sein.

Noch von einer weitern Bedingung war im Schosse der Kommission die Rede, nämlich von der Unterstellung der Lötschbergbahn unter das Bundesgesetz vom 28. Juni 1895 betreffend das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften und die Beteiligung des Staates bei deren Verwaltung. Gemäss Art. l dieses Gesetzes unterliegen ihm die Aktiengesellschaften für den Bau und Betrieb von Bisenbahnen, welche eine Betriebslänge von 100 Kilometer haben. Der Bundesrat ist indessen befugt, dem Gesetze auch andere Eisenbahnengesellschaften zu unterstellen, mit Rekursrecht der Unterstellten an die Bundesversammlung. Die Unterstellung könnte also selbstverständlich von vorneherein auch durch Beschluss der Bundesversammlung erfolgen. Man glaubte indessen von dieser Bedingung absehen zu sollen hauptsächlich aus dem Grunde, weil für den Fall des eintretenden Bedürfnisses oder der Opportunität eine solche Unterstellung auch später noch jederzeit, z. B. im Momente der Betriebseröffnung, ohne Schwierigkeiten erfolgen könnte.

VIII.

Zwei Punkte bleiben noch zu erörtern, nämlich die Form der Subvention und die Frage des Referendumsvorbehalts. Der Bundesrat schlägt eine Subvention à fonds perdu vor und macht in seiner Botschaft geltend, dass zwar allerdings die Leistung einer Subvention gegen Subventionsaktien (Aktien zweiten Ranges) den Vorteil zu bieten scheine, dass der Bund später an einem Ertrag der Subventionsaktien partizipiere ; allein er ziehe doch vor, obschon die Möglichkeit einer Verzinsung des Subventionskapitals nach einer gewissen Anzahl von Jahren nicht ausgeschlossen sei, auf diesen Vorteil zu verzichten, denn die Form der Aktienbeteiligung biete zwei xvnbestreitbare Nachteile.

Einmal hätte der Bund bei einem spätem Rückkaufe der Lötschbergbahn die 5 Millionen nochmals zu bezahlen als Rückkaufspreis. Der Bundesrat bezieht sich für diese Auffassung auf die schwierige Situation, welche für den Rückkauf der Jura-SimplonBahn durch das Vorhandensein der Subventionsaktien geschaffen worden sei. Sodann würde durch die Übernahme von Aktien der Bund am Unternehmen der Lölschbergbahn direkt beteiligt und wenn sich im Verlauf der Bauperiode oder später beim Betrieb finanzielle Schwierigkeiten herausstellen sollton, so

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könnte eine solche Beteiligung des Bundes als Argument verwendet werden, um den Bund noch mehr zu belasten. Darum sei die Subvention à fonds perdu richtiger und es sei damit auch die Belastung des Baukontos für einen allfälligen Rückkauf von vorneherein ausgeschlossen.

Für die Übernahme von Aktien II. Ranges wurde in der Kommission auf das Vorgehen bei der Leistung einer Bundesunterstützung an das Schmalspurnetz des Kantons Graubünden hingewiesen. Es liege ein, wenn auch nicht gleicher, doch analoger Fall vor. Der Standpunkt, dass die Subventionsaktien der Eötschbergbahn jemals zu einem Zinsgenuss gelangen werden, fand in der Kommission keine Vertretung. Wenn auch nicht in Abrede gestellt wurde, dass vermöge ihrer Verbindung mit grossen beraischen Elektrizitätswerken (Kander und Hagneck) die Lötschbergbahn in der Lage sein werde, günstige Verträge über Lieferung von elektrischer Energie zum Zwecke des Bahnbetriebes abzuschliessen, dass also durch den einzuführenden elektrischen Betrieb namhafte Ersparnisse sich werden erzielen lassen, so werde eben das spezielle Verkehrsgebiet des Lötschberg ein ziemlich beschränktes sein. Bei den Bündner Schmalspurbahnen habe die Sache schon insofern anders gelegen, als die Rückkaufsfrage dort viel weniger in Betracht falle als beim Lötschberg. In jedem Falle aber sei es besser, wenn der Bund an dem weitern Schicksal des Lötschbergunternehmens nicht direkt beteiligt sei und nicht als direkt Beteiligter angerufen werden könne. Die Subventionierung geschehe unter Anrufung von Art. 23 der Bundesverfassung und in dieser Verfassungsbestimmung seien derartige Bundesbeiträge vorgesehen, ohne dass daran irgend welche Gegenleistungen geknüpft werden.

Die Aktienbeteiligung des Bundes bei Privateisenbahnen sei überhaupt in der Bundesverfassung nirgends vorgesehen, während eine Leistung à fonds perdu keinen konstitutionellen Schwierigkeiten begegne. Eine grosse Bedeutung mass immerhin die Kommission der Frage, ob Subventionierung in Aktien oder à fonds perdu, weder nach der theoretischen noch nach der praktischen Richtung, bei ; sie folgte dem Antrag des Bundesrates, welcher ihr in diesem Punkte das Richtige getroffen zu haben scheint. Nachdem die grundsätzlichen Bedenken über-' wunden waren, konnte das übrige mehr als Sache der Ausführung angesehen werden.

Endlich der Referendumsvorbehalt. Am 6. Juli 1907 liess der Präsident der Kommission an den Bundesrat folgendes Schreiben abgehen :

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,,In der Angelegenheit betreffend Bundesunterstützung an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels hat Ihre h. Behörde am 10. Juni 1907 im Ständerate durch den Herrn Bundespräsidenten die Erklärung abgeben lassen, dass, für den Fall der Unmöglichkeit, die Sache in der Junisession zur Erledigung zu bringen, der Bundesrat sich vorbehalte, bei Behandlung der Vorlage zu beantragen, die Referendumsklausel zu streichen und den Bundesbeschluss als dringlich zu erklären. Nun wird die ständerätliche Kommission am 22. d. M. in Solothurn zur Vorberatung der Angelegenheit zusammentreten. Sie wird unzweifelhaft auch die Frage der Dringlichkeit behandeln und es muss den Mitgliedern sehr erwünscht sein, zu wissen, welche Stellung der h. Bundesrat in dieser Frage einnimmt. Der Unterzeichnete ersucht daher den Bundesrat zu Händen der Kommission um gefl. Mitteilung, welche Stellung Ihre h. Behörde nunmehr definitivermassen zur Frage der Dringlichkeitserklärung einnimmt oder einzunehmen gedenkt."

Die am 16. Juli 1907 erfolgte Antwort des Bundesrates lautet : ,,Mit Schreiben vom 6. dies ersuchten Sie den Bundesrat um Mitteilung darüber, welche Stellung er zu der Frage einnehme oder einzunehmen gedenke, ob in dem Bundesbeschluss betreffend Subventionierung des Lötschbergtunnels die Referendumsklausel durch die Dringlichkeitsklausel zu ersetzen sei.

Wir beehren uns Ihnen hierauf zu erwidern, dass der Bundesrat keine Veranlassung hat, den Standpunkt zu verlassen, welchen er in der Session vom letzten Juni einnehmen zu sollen glaubte. Er hat damals im Ständerate durch seinen Präsidenten erklären lassen, dass, wenn die Lötschbergangelegenheit in dieser Session nicht zur Erledigung gelangen sollte, er sich vorbehalten müsse, bei Behandlung der Vorlage zu beantragen, dass die Referendumsklausel im Entwurfe gestrichen und der Bundesbesohluss als dringlich erklärt werde. In diesem Vorbehalte war implicite bereits ausgesprochen, welches die Auffassung des Bundesrates sei. In der Tat hielten und halten wir dafür, dass, wenn nicht, vor dem 1. Oktober 1907, bis zu welchem Zeitpunkte die Bauunternehmung an ihre Offerte gebunden ist, eine klare Situation geschaffen, die Unternehmung, mit ändern Worten, bei dieser ihrer Offerte behaftet sei, die Bahngesellschaft bezw. der Kanton Bern und eventuell der Bund vor einer in nicht zu fernen Zeit als notwendig sich erzeigenden Mehrausgabe von 13 Millionen stehen. Wir sind von der Rieh-

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tigkeit der vom Vertreter Berns in seiner Protokollerklärung niedergelegten Argumentation überzeugt und möchten, nachdem für die Referendumsfrist kein Raum mehr vorhanden ist, der Sachlage dadurch Rechnung tragen, dass wir den Bundesbeschluss als dringlich erklären und dadurch ein Inkrafttreten desselben vor 1. Oktober ermöglichen. Mit der Möglichkeit, dass die Bauunternehmung zu einer Verlängerung der Frist Hand bieten könnte, lässt sich nicht rechnen. Sie erscheint, wie aus der Erklärung des Herrn Ständerat Kunz hervorgeht, schon aus technischen Gründen ausgeschlossen. Es erübrigt daher, wenn die Anlage der Doppelspur nicht den doppelten Geldaufwand nötig machen soll, nichts anderes, als die Aufnahme der Dringlichkeitsklausel, was wir Ihnen beantragen."1 Von dieser Erklärung des Bundesrates wurde den Mitgliedern der Kommission Kenntnis gegeben. Die Kommission fand, dass zwar der Referendumsvorbehalt, wenn immer möglich, hätte in den Bundesbeschluss aufgenommen werden sollen, dass aber die Verhältnisse sich nun so gestaltet haben, dass dies ohne grosse Schädigung der Berner Alpenbahn-Gesellschaft, ja ohne die Wirkung des ganzen Bundesbeschlusses illusorisch zu machen, nicht mehr angehe. Die Unternehmerfirma ist nur dann verpflichtet, den grossen Tunnel zweispurig zu bauen, wenn dies bis zum 1. Oktober 1907 von der Bahngesellschaft verlangt wird. Die Regierung des Kantons Bern hat sich durch eine Abordnung bei den Delegierten der Bauunternehmung bemüht, eine Verschiebung dieses Termins zu erwirken, sie konnte jedoch ihren Zweck nicht erreichen. Bei Aufnahme der Referendumsklausel und Ansetzung der reglementarischen dreimonatlichen Referendumsfrist könnte aiich bei nicht angerufener Volksabstimmung doch der Bundesbeschluss erst zu Ende des Jahres 1907 oder Anfang des Jahres 1908 in Kraft erwachsen ; unterdessen aber wäre die Unternehmung ihrer Verpflichtung ledig geworden und nur mit erheblichem Mehraufwand wäre es, wenn überhaupt, möglich, den Zweck des Bundesbeschlusses, die Doppeispurigkeit des Lötschborgtunnols, noch zu erreichen.

Im übrigen wurde geltend gemacht, dass der Art. 23 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde das Recht erteile, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung von solchen zu unterstützen, dieses Recht ohne Vorbehalt ausspreche, dass bei allen den in die vielen Millionen hineingehenden Subventionen, welche gestützt

45 auf diesen Artikel für Plusskorrektionen, Strassenbauten u. s. w.

den Kantonen aushingegeben wurden, das Referendum nicht vorbehalten war. Und wenn bei der Subventionierung der Bündner Schmalspurbahnen anders verfahren wurde, so habe sich dies dadurch rechtfertigen lassen, dass bei diesem Anlass zum erstenmal der Art. 23 für Subventionen zum Bau von Eisenbahnen zur Anwendung kam. Indem aber das bei jenem ersten Subventionsbeschhiss vorbehaltene und deshalb auch beim zweiten gleichen Beschluss wieder aufgenommene fakultative Referendum unbenutzt blieb, so gehe daraus hervor, dass im Schweizervolk keine Neigung vorhanden sei, den Art. 23 einschränkend zu interpretieren und von seiner Wohltat die Errichtung oder Unterstützung von Eisenbahnen auszuschliessen.

Noch viel eher aber lasse sich die Ausmerzung der Referendumsklausel rechtfertigen,, wo es sich um die Aushingabe der Subvention à fonds perdu, als wo es sich um die aktive Beteiligung des Bundes an einem Privateisenbahngeschäft handle.

Aus diesen Gründen kam die Kommission des Ständerates dazu, in Zustimmung zu dem Antrag des Bundesrates den Antrag zu stellen, den in Frage stehenden Bundesbeschluss dringlich zu erklären.

Tit., demgemäss bringen wir Ihnen folgenden Antrag ein :

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Bewilligung einer Bundessubvention von 6 Millionen Franken an den Kanton Bern fUr die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels und die Vorbereitung des zweigeleisigen Ausbaus der Zufahrtsrampen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht a. eines Gesuches des Regierungsrates des Kantons Bern vom 31. Dezember 1906 und einer nachträglichen Eingabe an den Bundesrat vom 4. Juli 1907 betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages für den zweigeleisigen Ausbau der Lötschbergbahn ; b. einer Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1907 und einer Zuschrift des Bundesrates vom 16. Juli 1907 an den Präsidenten der ständerätlichen Kommission in Sachen der Subventionierung der Lötschbergbahn; gestützt auf Art. 23 der Bundesverfassung, beschliesst: Art. 1. Die Eidgenossenschaft bewilligt dem Kanton Bern zu Händen der Berner Alpenbahn Bern-Lötschberg-

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Simplon eine einmalige Subvention à fonds perdu von 6 Millionen Franken für die Erstellung eines doppelspurigen Tunnels durch den Lötsehberg und die Vorbereitung des zweigeleisigen Ausbaus der Zufahrtsrampen.

Art. 2. An die Leistung dieser Subvention werden folgende Bedingungen geknüpft : 1. Auf den Zeitpunkt der Vollendung der ganzen Linie muss die Doppelspur nicht nur im grossen Tunnel, sondern auch auf den unmittelbar anschliessenden offenen Strecken zwischen den Stationen Kandersteg und Goppenstein erstellt sein.

2. Schon bei Anlage der ersten Spur sind die Expropriationen für die ganze offene Strecke von Frutigen bis Brig auf Doppelspur auszuführen ; die Stützmauern, Steinsätze und Dämme sind von Anfang an so zu erstellen, dass ein sofortiger Ausbau auf das zweite Geleise ohne Hindernis erfolgen kann; die Fundationen der grössern Kunstbauten sind überall da, wo sich keine Felsenfundamente vorfinden, schon jetzt für die zweite Spur einzurichten ; die Rampentunnels sind überall da, wo sie sich nicht im festen Felsen befinden, mit zweispurigen Calotten auszubauen.

Art. 3. Die Ausbezahlung der Subvention erfolgt nach Massgabe des Fortschrittes der Bauarbeiten bis zu einem Betrage von 5 Millionen Franken. Der Rest der Subvention wird erst ausgerichtet, nachdem ein dem Bundesrate vorzulegender Ausweis über die Erfüllung der in Art. 2 aufgestellten Bedingungen genehmigt worden ist.

Art. 4. Über die Beschaffung der notwendigen Geldmittel, sei es auf dem Wege eines Anleihens, sei es durch Einstellung von Annuitäten in den Voranschlag der schweizerischen Eidgenossenschaft, wird der Bundesrat der Bundesversammlung die erforderlichen Vorlagen machen.

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Art. 5. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung des gegenwärtigen Bundesbeschlusses beauftragt.

Art. 6. Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Namens der Kommission: Der Präsident: Dr. A. Locher, Ständerat.

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Bundesratsbeschluss über

·die Beschwerde von Dr. J. Knörr und Dr. Paul Linder betreffend eine Ersatzwahl in den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt.

(Vom 19. August. 1907.)

D e r s c h w e i z e r i s c h e B u n d e sr a t hat

über die Beschwerde von Dr. J. K n ö r r und Dr. Paul L i n d e r betreffend eine Ersatzwahl in den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt; auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat mit Beschluss vom 27. Januar 1907 auf Grund einer am 26./27. Januar 1907 stattgefundenen Ersatzwahl in den Regierungsrat Armin Stöcklin als Regierungsrat gewählt erklärt, indem er feststellte, dass bei 8498 gültig erklärten Stimmen das absolute Mehr 4250 Stimmen betrage, und dass Stöcklin 5652 Stimmen, Dr. H. Blocher 2782 Stimmen und verschiedene andere Personen zusammen 64 Stimmen erhalten hätten.

Bundesblatt. 59. Jabrg. Bd. V.

4

50

Gegen die Wahl haben Dr. J. Knörr, Dr. P. Linder und Gelpke Einspruch beim Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt erhoben ; der Grosse Rat wies aber die Einsprache mit Beschluss vom 14. Februar 1907 als unbegründet ab und erklärte die Wahl Stöcklins als gültig.

II.

Mit Eingabe vom 28. März 1907 haben Dr. J. Knörr und Dr. P. Linder, beide in Basel wahlberechtigt, beim Bundesrat die staatsrechtliche Beschwerde eingereicht und das Rechtsbegehren gestellt, es sei festzustellen, dass A. Stöcklin am Wahltage die von der baselstädtischen Verfassung geforderten Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechtes gefehlt haben, und es sei sowohl die Proklamierung seiner Wahl durch den Regierungsrat als auch die Validierung durch den Grossen Rat von Basel-Stadt zu kassieren ; eventuell, es seien die auf Stöcklin gefallenen Stimmen als ungültig zu erklären.

Zujr Begründung führen die Rekurrenten aus : § 43 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt bestimmt : ,,Die Mitglieder des Regierungsrates werden aus den nach § 32 wählbaren Kantons- und Schweizerbürgern nach den gesetzlichen Vorschriften gewählt." Der § 32, auf den hier verwiesen ist, lautet : ,,Zu Mitgliedern des Grossen Rates sind wählbar alle Kantons- und Schweizerbürger, welche nach § 26 stimmberechtigt sinda, und § 26 sagt : ,,Bei kantonalen Abstimmungen und Wahlen sind diejenigen im Kanton wohnenden Schweizerbürger stimmberechtigt, welche das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und das Aktivbürgerrecht besitzen, insofern sie entweder Kantonsbürger oder als Bürger eines ändern Kantons seit drei Monaten im Kanton niedergelassen sind." Diese Voraussetzung der Wählbarkeit, dass der Bürger im Kanton Basel-Stadt wohnen müsse, hat Stöcklin im Augenblick der Wahl nicht erfüllt, da sein Wohnsitz nicht in Basel, sondern in Burgdorf lag.

Die Basler Verfassung hat den von ihr gebrauchten Begriff des Wohnens nicht näher definiert. Dagegen hat der Bundesrat in vielen Rekursfällen entschieden, dass zum Begriff des Wohnens zwei Elemente gehören, das tatsächliche Wohnen und der Wille, seinen Wohnsitz am bestimmten Orte zu haben : Vergleiche die Bundesratsbeschlüsse i. S. Barmet
5J

vom gleichen Datum (Bundesbl. 1891,1, 438 ff.) ; i. 8. Rösli und' Konsorten, vom 16. Januar 1892 (Bundesbl. 1892, I, 441 ff.)

u. a. m. Der Bundesrat hat in diesen Rekursentscheiden festgestellt, der Wohnsitz bedeute den Ort, wo der Bürger seinen Haushalt, den Mittelpunkt seiner häuslichen und ökonomischen Verhältnisse habe, und in Anwendung dieses Satzes speziell bestimmt, dass derjenige, der an einem Orte keinen eigenen Haushalt führe, sondern bloss bei seinem Bruder zu Gast sei, bei diesem keinen Wohnsitz habe. Der Bundesrat hat damit den politischen Wohnsitz an die Voraussetzungen des zivilrechtlichen Domizils geknüpft, und in der Tat liegt auch kein Grund vor, den politischen Wohnsitz weiter zu fassen als den zivilrechtlichen. Dieser Domizilbegriff entspricht auch, auf den vorliegenden Fall angewendet, der ratio legis des § 43 der Kantons Verfassung : indem die Verfassung als Voraussetzung der Wählbarkeit der Mitglieder des Regierungsrates den Wohnsitz im Kanton verlangt, will sie eine Gewähr dafür schaffen, dass die Mitglieder der Regierung mit den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen im Kanton vertraut seien.

Stöcklin hat sich nun zwar am 15. Januar 1907 beim Kontrollbureau und dem Kreiskommando Basel angemeldet und dabei als sein Domizil Oberwilertrasse 15 in Basel angegeben ; er ist auch tatsächlich einige Male vor der Wahl nach Basel gekommen. Er hat aber in Basel nicht gewohnt, sondern war stets nur zu Gast bei seinem Oberwüerstrasse 15 wohnenden Schwager Fanten, der laut eigener Aussage sein Logis ganz für sich braucht und nie die Absicht hatte, es mit Stöcklin zu teilen.

Die ganze Zeit bis zur Wahl wohnte die Familie Stöcklins, dessen Frau und zwei Kinder, in Burgdorf ; dort hatte Stöcklin sein eigenes Haus, seinen eigenen Herd und sein Heim ; dort übte er seine Berufstätigkeit als Hauptlehrer am Technikum Burgdorf aus, und dort hatte er auch seinen Amtssitz ; erst nach der Wahl hat er vom Regierungsrat des Kantons Bern seine Demission als Lehrer des Technikums erhalten.

Was das subjektive Erfordernis des Wohnsitzes betrifft, so geht aus verschiedenen Tatsachen hervor, dass Stöcklin sich nicht in Basel, sondern in Burgdorf zu Hause fühlte : so spricht er in einem Zeitungsartikel vom ,,hiesigen" Polizeiinspektorat, und meint damit dasjenige von Burgdorf, da in Basel keines existiert ; seine Zeitungsartikel schrieb er in Burgdorf und gab

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sie dort zur Post ; ja, aus den Akten geht deutlich hervor, dass auch seine Absicht, sich in Basel dauernd niederzulassen, durch den Ausfall der Wahl bedingt war. Es ist sicher, dass Stöcklin, , wenn ihm nicht die Regierungsratskandidatur angeboten worden wäre, niemals daran gedacht hätte, seine Stelle in Burgdorf aufzugeben. In der Sitzung des Grossen, Rates von Basel ist sogar bei Anlass der Beratung des Rekurses gegen Stöcklins Wahl gesagt worden, und zwar ohne dass es jemals dementiert wurde, Stöcklin habe seine Demission als Lehrer des Technikums Burgdorf bei der bernischen Regierung erst zwei Tage vor der in Basel stattfindenden Wahl eingereicht, damit das Demissionsgesuch erst nach der Abstimmung zur Behandlung durch die bernische Regierung komme ; auch sei die Demission in bedingter Weise eingereicht worden, indem das Demissionsgesuch sich in einem verschlossenen Couvert befunden habe und vom Ersuchen begleitet gewesen sei, dass dieses Couvert erst nach dem Wahltage geöffnet werde.

Diesem Fehlen des objektiven und subjektiven Erfordernisses ·der Wohnsitzbegründung in Basel gegenüber kann die Anmel-.

düng des Wohnsitzes beim baselstädtischen Kontrollbureau und dem Kreiskommando nichts verschlagen, denn sowohl die Hinterlegung der Schriften wie die Anmeldung können kein Domizil begründen, sondern der Erfüllung dieser Formalitäten kommt lediglich deklarative Bedeutung zu, der Wohnsitzwechsel wird dadurch erklärt, nicht aber vollzogen. Das Verhalten Stöcklins trägt alle Merkmale einer fiktiven Wohnsitzverlegung an sich.

m.

Zur Vernehmlassung auf die Beschwerde eingeladen, hat die Regierung des Kantons Basel-Stadt die Abweisung beantragt und hierzu unter Mitgabe der die Rekurssache betreffenden Akten angebracht : Der vorliegende Rekurs kann vom Bundesrat nur insofern geprüft werden, als er sich gegen die Validierung der Wahl Stöcklins durch den Grossen Rat, nicht dagegen, soweit er sich gegen die Zusammenstellung und Bekanntmachung des Wahlergebnisses durch den Regierungsrat richtet.

Nach §§ 6, 9 und 10 des basel-städtischen Gesetzes betreffend die Wahlen der Mitglieder des Regierungsrates vom 3. März 1890 hat der Regierungsrat lediglich die ihm über-

53 mittelten Zählungsergebnisse der Wahlbureaxix zusammenzustellen und bekannt zu machen. Die Prüfung der Wählbarkeit selbst steht dem Regierungsrat nicht zu ; er hat die Wahlakten dem Grossen Rate zu übermitteln, und dieser entscheidet kraft Art. 27 der Kantonsverfassung. Die Verfassung sagt dagegen nichts von der vorerwähnten Zusammenstellung des Regierungsrates. Zudem enthält die Publikation des Wahlergebnisses seitens des Regierungsrates keine die Rechte der Wähler schmälernde Verfügung, denn diese Bekanntgabe des Gesamtadditionsergebnisses der von den Wahlbureaux gelieferten Zahlen seitens des Regierungsrates ist rechtlich unmassgeblich.

Über das Hauptbegehren ist sodann zu sagen, dass, wenn Stöcklin nicht wählbar war, dann der Befund des Wahlbureaus insofern kassiert werden muss, als das Wahlbureau die auf Stöcklin gefallenen Stimmen als gültige Stimmen gezählt hat ; dann ist natürlich auch die Validierung der Wahl durch den Grossen Rat ungültig. Was aber nach der Kassierung positiv auf Grund des vorerwähnten Gesetzes zu geschehen hat, ist ausschliesslich von der kantonalen Regierung festzustellen : es sind die Stimmzettel, die ungültige Stimmen enthalten, von der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmzettel abzuziehen und dann das absolute Mehr zu berechnen ; dieses Verfahren entzieht sich, weil bloss in einem Gesetze und nicht in der Verfassung geordnet, der Einmischung der Bundesbehörden.

Der Rekurs ist materiell abzuweisen, weil Stöcklin zur Zeit der Wahl, d. h. am 2G./27. Januar 1907, in Basel gewohnt hat. Der politische Wohnsitz ist identisch mit dem in Art. 43 der Bundesverfassung aufgestellten Begriff des Wohnsitzes ; dagegen ist er nicht, wie die Rekurrenten behaupten, identisch mit dem zivilrechtlichen Wohnsitz ; das letztere zeigt der Entscheid des Bundesrates i. S. A. Rossi, vom 8. November 1902 (Bundesbl. 1902, V, 461 ff.), in welchem der Bundesrat entgegen dem im Zivilrecht geltenden Satz, dass Studenten am Studienort keinen Wohnsitz haben, erklärt : ,,Das politische Domizil in eidgenössischen Angelegenheiten ist am tatsächlichen Wohnsitz zu suchen, gleichgültig, ob der Schweizerbürger an diesem Ort als Ortsbürger oder als Niedergelassener oder als blosser Aufenthalter wohnt. Die beschwerdeführenden Studenten wohnen tatsächlich in Lugano, sie haben daher das Recht, dort an den eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen." Die Rekurrenten generalisieren überhaupt Entscheidungen des Bundesrates in unrichtiger Weise ; zutreffend

54

sagt der bundesrätliche Geschäftsbericht pro 1887 (Bundesbl.

1888, II, 806) : ,,Der Wohnsitz lässt sich aus faktischen Momenten erkennen, wie z. B. auch aus längerem Verweilen an einem Ort. Aber es ist sehr wohl möglich, dass einer an einem Orte seinen Wohnsitz nimmt, ohne dass er längere Zeit am betreffenden Orte verweilt hat ; . . . . es handelt sich um eine Tatfrage, die nicht zum voraus entschieden werden kann."

Es ist sodann noch auf den Bundesratsbeschluss i. S. Pfenninger, vom 18. September 1894 (Bundesbl. 1894, III, 417 ff., speziell 418) zu verweisen, auf das Urteil des Bundesgerichtes vom 21. Dezember 1905 i. S. Joset gegen Staatsrat des Kantons Neuenburg, Erwägung l und 2 (Bundesgerichts-Entscheidungen Bd. 31, I, S. 577 ff.) und auf den schon von den Rekurrenten angeführten Bundesratsbeschluss vom 11. September 1891 i. S. Barmet und Genossen. Im erstgenannten Falle erklärte der Bundesrat : ,,Dass Lehrer P. den Mittelpunkt seiner geschäftlichen und persönlichen Verhältnisse in G. hat, wo er nicht bloss seinen amtlichen Beruf ausübt, sondern auch seine Mahlzeiten einnimmt und die Nächte zubringt, dass dagegen die Ferienaufenthalte P.'s in Triengen, sowie die Besuche, die er während der Schulzeit jeden Monat einige Male bei seinen Familiengenossen in Tringen m a c h t . . . . ebensowenig eine wohnsitzbegründende Wirkung zu äussern vermögen, als die Hinterlegung des Heimatscheines in Triengen." Aus dem Bundesratsbeschluss vom 11. September 1891 ist hervorzuheben : ,,Die Regierung des Kantons Luzern hat Recht, wenn sie die Beweggründe zu einem Domizilwechsel in der Richtung zu prüfen sich vorbehält, ob nicht der Wille, einen neuen Wohnsitz zu nehmen, vorgespiegelt werde, ob es sich nicht etwa im konkreten Fall um ein fiktives, ein Scheindomizil handelt, durch welches einzig und allein ein politischer Zweck, die Ausübung eines Stimmrechts an einem Ort erreicht werden will, während das wirkliche Domizil des betreffenden Bürgers an einem ändern Orte fortbesteht" . . . . Es komme bloss darauf an, ,,ob in subjektiver und objektiver Hinsicht die Elemente des Wohnsitzerwerbes als vorhanden zu betrachten seien oder nicht."

Die Schlussfolgerung ist nicht zulässig, weil Stöcklin in Basel Domizil genommen habe, um gewählt zu werden, sei seine Domizilnahme in Basel eine fiktive. Richtig ist, dass die
Übersiedelung Stöcklins nach Basel zu Wahlzwecken geschah ; aber, nachdem die freisinnig-demokratische und die liberale Partei Stöcklin für den vakanten Regierungsratssitz

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vorgeschlagen hatten, erschien seine Wahl gegenüber dem von der sozialdemokratischen Partei vorgeschlagenen Dr. Blocher menschlichem Ermessen nach als gesichert. Da Stöcklin auf den Erfolg zählen konnte, konnte er auch ohne jedes Risiko seinen Beruf und seinen Wohnsitz nach Basel verlegen. Diesen Entschluss verwirklichte er, indem er seine Papiere in Basel deponierte ; auf eine an das baselstädtische Polizeidepartement gestellte Anfrage erhielt er die Antwort, das genüge, um die Wohnsitzberechtigung in Basel zu erlangen ; auch hat ihm das Polizeidepartement eine Stimmkarte für die Regierungsratswahl Tom 26./27. Januar 1907 gegeben, und das Polizeiinspektorat von Burgdorf bescheinigt in einem Brief an das baselstädtische Justizdepartement vom 12. April 1907, dass mit der Herausgabe der Schriften an Stöcklin auch dessen Stimmberechtigung in der Gemeinde Burgdorf dahingefallen sei.

Er hat sich hierauf bei seinem Schwager Panten in Basel, Oberwilerstrasse 15, eingerichtet und hier vom 8. Januar bis 8. April 1907 ein Zimmer inné gehabt ; sein Amtsantritt erfolgte am 16. März 1907. Vom 14. Januar bis zum Wahltage war Stöcklin drei Mal in Basel : am 15., vom 20. bis 23. Januar und vom 25. bis 27. Januar. Was Stöcklin in Burgdorf seit der Aufstellung seiner Kandidatur betrieb, waren Liquidationshandlungen, Handlungen, die sich der konkreten Sachlage nach nicht in einen einzigen Moment zusammendrängen liessen. Stöcklin hat in Burgdorf sofort seine Schriften erhoben ; seine sofortige Übersiedelung mit Weib und Kind, Schiff und Geschirr war aber nicht möglich, denn er konnte seine Lehrtätigkeit nicht Knall und Fall aufgeben ; wenn seine Anstellungsbedingungen es gestattet hätten, so hätte es ihm doch der Anstand verboten. Er konnte ferner nicht sein Haus in Burgdorf von einem Tag auf den ändern verkaufen, wie er anderseits auch nicht sofort in Basel ein Logis gefunden hätte, da in Basel auf Vierteljahrsende vermietet wird ; ausserdem besuchten zwei seiner Kinder in Burgdorf die Schulen und standen unmittelbar vor der Jahresprüfung. Gegenüber dem Technikum Burgdorf hatte sich Stöcklin, wie aus einem Attest des Direktors des Technikums vom 19. Januar 1907 hervorgeht, die Bewilligung erteilen lassen, ,,in der Woche vom 19.

bis 27. Januar, eventuell auch in der darauffolgenden Woche, seinen Wohnsitz in Basel nehmen und seinen Unterricht, soweit derselbe nicht durch Stellvertretung besorgt wird, so einteilen zu können, dass ihm die Rückreise Basel-Burgdorf je-

56 M eilen möglich sei." Was nun die Einreichung des Demissionsgesuches betrifft, so bezeugt der Direktor des Technikums von Burgdorf mit Schreiben vom 9. April 1907, 1. dass Stöcklin ihm das Demissionsgesuch als Lehrer für Architektur am kantonalen Technikum in Burgdorf M Händen der Aufsichtskommission und des Regierungsrates des Kantons Bern, Freitag den 25. Januar in. offenem Couvert übergeben habe, 2. dass die Aufsichtskommission des kantonalen Technikums in ihrer Sitzung vom folgenden Tag, Samstag den 26. Januar, nachmittags, von diesem Demissionsschreiben Kenntnis nahm und beschloss, dem Regierungsrat des Kantons Bern nach der Wahl Stöcklins zum Regierungsrat von Basel-Stadt die Entlassung unter bester Verdankung der geleisteten Dienste und zugleich die Ausschreibung der erledigten Stelle zu beantragen. Das ,,Basel, den 23./24. Januar 1907" datierte Entlassungsgesuch Stöcklins lautet, im wesentlichen : ,,Die freisinnig-demokratische Partei der Stadt JBasel hat mich als Kandidaten für das frei gewordene Amt eines Regierungsrates aufgestellt. Meine Kandidatur wird auch von der liberalen Partei unterstützt, und es kann meine Wahl als gesichert gelten. Ich erlaube mir daher, an Sie die höfliche Bitte zu richten, mir nach erfolgter Wahl, d. h. auf Ende des Wintersemesters (Ende März), 1. als Hauptlehrer des kantonalen Technikums die Entlassung zu erteilen, 2. mir zu gestatten, meine Verpflichtungen an hiesiger Anstalt von meinem jetzigen Wohnorte Basel aus zu erfüllen." Wenn in diesem Schreiben die Demission ,,nach erfolgter Wahl" verlangt wird, so ist damit nicht eine Bedingung für das Entlassungsgesuch gesetzt, das Demissionsgesuch ist nicht so zu verstehen, ,,falls die Wahl auf mich fällt", sondern es ist mit den Worten ,,nach erfolgter Wahl" eine rein zeitliche, kalendarische Bestimmung gegeben, was sich auch in der sprachlich nicht ganz geschickten Wendung : ,,d. h. auf Ende des Wintersemesters (Ende März)" zeigt. Das Demissionsgesuch lautete demnach unbedingt. Wenn auf dieses Entlassungsgesuch hin die Aufsichtskommission, deren Antrag für den Berner Regierungsrat wegleitend ist, beschloss, dieser Behörde ,,nach der Wahl Stöcklins zum Regierungsrat von Basel-Stadt" die erbetene Entlassung und die Ausschreibung der Stelle zu beantragen, also mit der Übermittlung des Demissionsgesuches bis zum
28. Januar zu warten, so war dies ein gutes Recht dieser Behörde ; sie mochte sich sagen, die Wahl Stöcklins sei nicht sicher, und falls Stöcklin nicht gewählt würde, könnte er in Burgdorf in

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eine schwierige Stellung geraten. Nach der Wahl leitete dann die Aufsichtskommission das Entlassungsgesuch mit Schreiben vom 28. Januar 1907 an die Direktion des Innern des Kantons Bern weiter. In diesem Schreiben ist erwähnt, dass Stöcklin dem Direktor des Technikums mündlich mitgeteilt habe, ,,dass für den zwar höchst unwahrscheinlichen Fall, wo infolge eines Rekurses seine Wahl durch Entscheid höherer Instanzen als ungültig erklärt werden sollte, auch sein Demissionsgesuch als hinfällig betrachtet werden möchte". Die Aufsichtsbehörde bezeichnet dann weiter dieses Bedenken als ein rein theoretisches, und zwar auf Grund angeblicher autoritativer Äusserungen über die Aussichtslosigkeit eines solchen Rekursbegehrens. Die bernische Regierung hat denn diesem Vorbehalt auch keine Folge gegeben und die EnÜassungsbewilligung vom 30. Januar 1907 erwähnt sie nicht. Das Demissionsgesuch war daher ein unbedingtes und rückhaltloses, die Lösung der Beziehungen zu Burgdorf eine durch keinen animus revertendi getrübte. Allerdings enthält der schon erwähnte Bericht der Aufsichtskommission des Burgdorfer Technikums an den bernischen Regierungsrat vom 28. Januar 1907 den Passus : ,,Dem Wunsche des Herrn Stöcklin, seinen Wohnsitz schon jetzt in Basel nehmen zu dürfen, kann um so eher entsprochen werden, als er nach seiner ausdrücklichen Versicherung keineswegs beabsichtigt, wirklich in Basel zu wohnen, sondern dass er wie bis jetzt, in Burgdorf bleiben wird, bis er seine neue Stelle anzutreten hat." Aus diesen Ausführungen kann aber nicht geschlossen werden, dass der Wohnsitz Stöcklins in Basel zur Zeit der Wahl ein fiktiver war ; vielmehr ' beziehen sich diese Ausführungen auf die Zeit nach erfolgter Wahl, und es sollte mit demselben bloss ausgedrückt werden, dass Stöcklin sich für die Zeit zwischen der erfolgten Wahl und dem Amtsantritt anheischig mache, auch zur Durchführung des Unterrichts am Technikum längere Perioden in Burgdorf zuzubringen. Die Angabe der Rekurrenten, die Lehrer am Technikum in Burgdorf müssten daselbst wohnen, ist unrichtig, sonst hätten der Direktor des Technikums und die Direktion des Innern Stöcklin nicht die Erlaubnis geben können, das Technikum von Basel aus zu bedienen. Übrigens hat auch Ingenieur Gerber, der Lehrer am Technikum war, nicht in Burgdorf, sondern in Bern gewohnt.

58 IV.

Auf die Frage des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, wie das Requisit des Wohnens durch die mit der Führung des Stimmregisters betrauten Behörden in der Praxis ausgelegt werde, und unter welchen Voraussetzungen von auswärts nach Basel ziehende Schweizer- oder Kantonsbürger das aktive und passive Wahlrecht erhalten, hat die Regierung des Kantons Basel-Stadt am 3. Juli 1907 ein Schreiben ihres Polizeidepartementes, datiert vom 28. Juni 1907, ins Recht gelegt, das sich über die Fragen folgendermassen ausspricht : ,,Das Verfahren der mit der Prüfung der Stimmregister betrauten Behörden ist seit Jahren ein gleichmässiges gewesen.

Die Auffassung, die in dem Verfahren der Behörde zum Ausdruck kam, hat nie Anlass zu Kontroversen oder staatsrechtlichen Beschwerden gegeben. Die Frage nach der Bedeutung des Wohnens ist unseres Wissens zum erstenmal in dem vorliegenden Rekurs aufgeworfen worden.

,,Gemäss § 26 der Kantonsverfassung wird von jeher ein Basler Kantonsbürger, wenn er sich bis zum Vorabend der Wahl oder Abstimmung bei der zuständigen Amtsstelle, in BaselStadt beim Kontrollbureau, als in Basel wohnend anmeldet, ohne weitere Untersuchung in das Stimmregister als stimmberechtigt eingetragen, insofern die übrigen Voraussetzungen des § 26 der Kantonsverfassung für ihn zutreffen. Eine Untersuchung der Wohnsitzverhältnisse des sich Anmeldenden hat nie stattgefunden und findet auch jetzt nicht statt. Die einfache Erklärung des Kantonsbürgers, in seiner Heimat sein Domizil zu nehmen -- selbstredend unter Bezeichnung der bezogenen Wohnung -- genügte und genügt auch jetzt noch für die Eintragung in die Stimmregister. Im Falle Stöcklin war eine Eintragung in die baslerischen Stimmregister um so weniger zu vorweigern, als die von Herrn Stöcklin getanen Schritte die Möglichkeit eines Missbrauchs, d. h. die Möglichkeit der Ausübung eines DoppelStimmrechts, von vornherein ausschlössen. Ausdrücklich sei festgestellt, dass die zuständige Beamtung, das Kontrollbureau, nie Anstand genommen hat, die Eintragung eines sich anmeldenden Kantonsbürgers in das Stimmregister anzuordnen, auch wenn der Zuziehende erklärte, vorerst ohne seine Familienangehörigen in Basel Wohnung genommen zu haben. Die Art und Weise des Vorgehens Kantonsbürgern gegenüber lässt sich

59

leicht avis dem Umstand erklären, dass die Zeitdauer des Wohnens vor oder nach der Anmeldung vollständig irrelevant ist.

,,Gegenüber Schweizerbürgern wird gleich verfahren. Mit Recht, weil hier die Vorschrift der Verfassung, dass Schweizerbürger, um in kantonalen Fragen stimmberechtigt zu sein, seit drei Monaten im Kanton niedergelassen sein müssen, einen gleichsam automatischen Schutz gegen Missbrauch des Stimmrechts bietet. Besonders wenn noch in Erwägung gezogen wird, dass neben der vorgeschriebenen Wohnzeiti auch die formelle Regelung der Deposition der Ausweisschriften nach kantonalem Recht gefordert ist."

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: § 43 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt, in Verbindung mit §§ 32 und 26, bestimmt, dass die Mitglieder des Regierungsrates gewählt werden aus denjenigen ,,im Kanton wohnenden Schweizerbürgern . . . ., welche das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt haben, und das Aktivbürgerrecht besitzen, insofern sie entweder Kantonsbürger oder als Bürger eines ändern Kantons seit drei Monaten im Kanton niedergelassen sind.a Die Praxis der mit der Führung der Stimmregister betrauten Behörden des Kantons Basel-Stadt, die allerdings, vom heute angefochtenen Entscheid abgesehen, bis jetzt durch einen Entscheid des Regierungsrates nicht bestätigt worden ist, gewährte auf Grund dieser Bestimmungen dem einziehenden Kantonsbürger das aktive und passive Wahlrecht, wenn er erklärte, in seiner Heimat Domizil zu nehmen, in Basel eine Wohnung, wenn auch nur für sich ohne seine Familie, genommen zu haben, und seine Ausweisschriften beim Kontrollbureau deponierte.

Diese Auslegung des Begriffes des Wohnens kann nicht als willkürlich bezeichnet werden ; in ähnlicher Weise hat der Bundesrat den Art. 10 des Bundesgesetzes betreffend den Militärpflichtersatz, vom 28. Juni 1875, ausgelegt, indem er erklarte, das Wort ,,Wohnen'1 bedeute nicht den eigentlichen Wohnsitz, sondern den tatsächlichen Wohnort. (Bundesratsbeschluss vom 21. September 1900 ; Bundesbl. 1901, II, 425 ; Salis, III, Nr. 1274 ; Bundesratsbeschluss vom 29. November 1901, Bundesbl. 1902, II, 288.)

Die Praxis der baselstädtischen Behörden steht auch nicht mit Art. 43 der Bundesverfassung in Widerspruch. Art. 43

60 schreibt allerdings vor, dass der niedergelassene Schweizerbürger nach drei Monaten in kantonalen und Genieindeangelegenheiten an seinem Wohnsitze das Stimmrecht ausüben könne. Wenn aber ein Kanton seinen eigenen Bürgern das Stimmrecht gewährt schon vor Ablauf dieser Frist und ohne dass sie einen förmlichen Wohnsitz erworben hätten, so liegt darin keine Verletzung der Grundsätze der Bundesverfassung, sofern der Einziehende an seinem bisherigen Wohnorte das Stimmrecht mit dem gleichen Zeitpunkt verliert. (Art. 43, Abs. 3.)

Es ist unzweifelhaft, dass Stöcklin die angegebenen Voraussetzungen zur Erlangung des Wahlrechtes in Basel erfüllt hatte : er hatte am 15. Januar J 907 vor dem baselstädtischen Kontrollbureau erklärt, in Basel zu wohnen, er hatte einen Wohnort in Basel angegeben und beim Kontrollbureau seine Ausweisschriften deponiert. Ob die Absicht Stöcklins, sich in Basel niederzulassen, bedingt ohne rechtliche O war oder nicht,i ist nach dem oben Gesagten O Bedeutung. Relevant wäre es nur dann, wenn Stöcklin gleichzeitig an ändern Orten politische Rechte ausgeübt oder besessen hätte. Der einzige Ort, der hierfür in Betracht kommen könnte, ist die Gemeinde Burgdorf 5 das dortige Polizeiinspektorat hat aber bezeugt, dass die Stimmberechtigung Stöcklins in Burgdorf mit dem Rückzug seiner Schriften aufgehört hatte.

Stöcklin besass somit in Basel das aktive und passive Wahlrecht seit dem 15. Januar 1907. Die Anfechtung seiner Wahl zum Regierungsrat am 26.--27. Januar 1907 ist deshalb nicht begründet.

Nach dem Gesagten braucht nicht mehr untersucht zu werden, ob Stöcklin am Tage seiner Wahl seinen Wohnsitz im Sinne des Art. 43 der Bundesverfassung in Basel hatte.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 19. August 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Ständerates für Vorberatung des Bundesbeschlusses betreffend Bewilligung einer Bundessubvention an den Kanton Bern für die doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnels. (Vom 19. August 1907.)

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28.08.1907

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