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Schweizerisches Bundesblatt.

59. Jahrgang. I.

Nr. 11.

13. März 1907.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Argentinien.

(Vom 1. März 1907.)

Tit.

Schon im Jahre 1887 war zwischen dem Bundesrat und der argentinischen Regierung ein Auslieferungsvertrag vereinbart und durch die gegenseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet worden.

Derselbe ist jedoch nicht in Wirksamkeit getreten und Ihnen auch nie zur Genehmigung unterbreitet worden, da man seinerzeit zunächst dessen Ratifikation seitens des Kongresses von Argentinien abwarten wollte; es wurde jedoch von diesem das Übereinkommen nie in Beratung gezogen.

Im Jahre 1892 hat daraufhin die argentinische Regierung unserm Ministerresidenten in Buenos-Ayres einen neuen Entwurf zu einem Auslieferungsvertrage mit der Schweiz unterbreitet.

Derselbe beruhte auf dem argentinischen Auslieferungsgesetze von 1885 und wurde uns mit dem Bemerken zugeleitet, dass wesentliche Änderungen daran nicht zugestanden werden könnten. Die Prüfung des Vertragsprojektes ergab indessen, dass dieses von uns nicht ohne weiteres angenommen werden könne, und wir sahen uns veranlasst, auf Grund des um jene Zeit in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande, verschiedene Abänderungsvorschläge in Antrag zu bringen, Bundesblatt. 59. Jahrg. Bd. I.

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die sich auf die einzelnen Delikte, welche den Gegenstand eines Auslieferungsbegehrens zwischen den beiden Staaten bilden können, und auf die allgemeinen Bestimmungen des Vertrages bezogen. Unsere bezüglichen Bemerkungen gingen im Jahre 1895 der argentinischen Regierung zur Prüfung und Riickäusserung zu. Erst nach Verfluss von zehn Jahren konnte uns die Gesandtschaft in Buenos-Aj'res berichten, es habe das zuständige argentinische Ministerium unsere Anträge von 1895 in Beratung gezogen und ohne Ausnahme angenommen. Die argentinische Regierung legte sodann gegen Ende 1905 einen entsprechenden neuen Vertragsentwurf vor, in welchem die hierseitigen Abänderungsvorschläge zu dem ersten Entwurfe berücksichtigt und nur einige unwesentliche Erweiterungen einzelner Ziffern in Art. 2 angebracht waren.

Dagegen wünschte die argentinische Regierung, es möchte dem Vertrage eine Zusatzbestimmung beigefügt werden, wonach die Vertragsstaaten gesetzliche Strafvorschriften gegen die anarchistische Propaganda zu erlassen hätten und sich gegenseitig diejenigen Personen ausliefern würden, welche diese Propaganda betreiben. Dieses Begehren mussten wir ablehnen, da es nicht im Rahmen eines Auslieferungsvertrages liegt, eine Verpflichtung zum Erlass von Strafbestimmungen und zur Erweiterung der innern Gesetzgebung zu schaffen. Im weitern sind uns durch das Auslieferungsgesetz vom Jahre 1892 mit bezug auf den Inhalt der abzuschliessenden Auslieferungsverträge gewisse Beschränkungen auferlegt, indem danach nur solche Handlungen und Unterlassungen den Grund zur Auslieferung an fremde Staaten bilden und daher in die abzuschliessenden Auslieferungsverträge aufgenommen werden können, welche in Art. 3 leg. cit. aufgezählt sind; dazu gehört aber die anarchistische Propaganda als solche nicht.

Anderseits wurden von uns in dem neuen Entwurfe Bestimmungen vermisst betreffend die Sprache, in der die vorzulegenden Auslieferungsbelege abgefasst sein sollen, sowie betreffend die gegenseitige Mitteilung von Auszügen aus den Strafurteilen, die in dem einen Lande gegen Angehörige des ändern ergehen, und wir beantragten die Aufnahme bezüglicher Bestimmungen in den Vertrag. Es wurde daraufhin mit bezug auf den ersteren Punkt festgesetzt, dass von der Schweiz die Aktenstücke zur Begründung eines Auslieferungsbegehrens von spanischen
Übersetzungen begleitet vorgelegt werden sollen, während Argentinien die betreffenden Aktenstücke mit französischen Übersetzungen zu übermitteln hat. Die Übersetzung der hierseitigen Akten ins

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Spanische wird eventuell von unserer Gesandtschaft in BuenosAyres übernommen werden. Auf die Verpflichtung zur Mitteilung von Urteilsauszügen ist dagegen die argentinische Regierung nicht eingetreten. Sie erklärte, bei der Organisation in ihrem Lande wäre es ihr unmöglich, eine solche Verpflichtung einzuhalten ; auch glaubte sie, es dürfte diese Urteilsmitteilung besser den Gegenstand eines besondern Übereinkommens bilden. Infolgedessen fehlt eine entsprechende Vorschrift in dem vorliegenden Vertrage. Im übrigen enthalten die Bestimmungen des Vertrages mit Argentinien, welcher am 21. November 1906 in BuenosAyres von den beidseitigen Delegierten unterzeichnet wurde, keine wesentliche Abweichung von denjenigen des Auslieferungsvertrages mit Paraguay, den wir Ihnen kürzlich mit Botschaft vom 20. November 1906 zur Genehmigung unterbreitet haben.

Wir glauben daher, auf den Inhalt des Vertrages mit Argentinien hier nicht näher eintreten zu müssen. Es steht dieser mit den Vorschriften unseres Auslieferungsgesetzes in vollständigem Einklang. Er ist, wie derjenige von Paraguay, in französischer und spanischer Sprache abgeschlossen worden ; beide Texte gelten als Originale.

Indem wir Ihnen hiermit den fraglichen Vertrag unterbreiten, beantragen wir, Sie wollen demselben durch Annahme des mitfolgenden Beschlussentwurfes die Ratifikation erteilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 1. März 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen der Schweiz und Argentinien abgeschlossenen Auslieferungsvertrages vom 21. November 1906.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht 1

einei Botschaft des Bundesrates vom I.März 1907; in Anwendung von Art. 85, Ziff. 5, der Bundesverfassung, beschliesst: Art. 1. Dem zwischen der Schweiz und Argentinien unterm 21. November 1906 abgeschlossenen Auslieferungsvertrage wird die Genehmigung erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Auslieferungsvertrag zwischen

der Schweiz und der Argentinischen Republik.

Der Bundesrat der schweizerischen Eidgenossenschaft und die Regierung der Argentinischen Republik, von dem Wunsche geleitet, die Bande der Freundschaft zwischen den beiden Staaten enger zu knüpfen und die gegenseitige Auslieferung der flüchtigen Verbrecher einheitlich zu regeln unter Berücksichtigung der in beiden Ländern hierüber bestehenden Gesetze, haben sich zum Abschlüsse eines Vertrages entschlossen und zu diesem Zwecke als ihre Bevollmächtigten ernannt : Der Bundesrat der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn Joseph C h o f f a t , schweizerischen Ministerresidenten bei der Argentinischen Republik ; die Regierung der Argentinischen Republik: Herrn Dr. Manuel Augusto M o n t e s de O c a , Minister-Staatssekretär der Auswärtigen Angelegenheiten und des Kultus, welche nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Artikel vereinbart haben :

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Art. 1.

Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, nach Massgabe der Vorschriften des gegenwärtigen Vertrages, sich gegenseitig diejenigen Personen auszuliefern, welche wegen eines der in Art. 2 aufgeführten Verbrechen oder Vergehen verfolgt oder verurteilt sind und sich auf das Gebiet des ändern Staates geflüchtet haben.

Art. 2.

Die Verbrechen und Vergehen, für welche die Auslieferung gewährt wird, sind folgende : 1. Totschlag.

2. Mord.

3. Elternmord.

4. Kindesmord.

5. Vergiftung.

6. Abtreibung der Leibesfrucht.

... 7. Absichtliche Körperverletzung, welche, ohne den Vorsatz zu töten, den Tod nach sich gezogen oder i eine schwere und dauernde Verstümmelung eines Gliedes oder Organes des Körpers zur Folge gehabt hat.

8. Notzucht, Schändung oder anderweitige Angriffe auf die Schamhaftigkeit.

9. Mit oder ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit von Kindern beider Geschlechter unter 14. Jahren.

.10. Bigamie.

11. Wegnahme (Raub) und widerrechtliche Gefangenhaltung von Personen ; Unterdrückung oder Unterschiebung von Kindern.

12. Entführung von Minderjährigen.

13. Fälschung oder Veränderung von Münzen, Papiergeld, von Kreditpapieren mit gesetzlichem Kurs,

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von Aktien und ändern Werttiteln, ausgegeben vom Staate, von Korporationen, Gesellschaften oder Privatpersonen ; Ausgabe, Inverkehrsetzung oder Veränderung von Postmarken, von Stempeln, Marken oder Siegeln des Staates oder öffentlicher Stellen ; Einführung, Ausgabe oder Gebrauch der genannten Sachen, in Kenntnis, dass sie gefälscht sind ; Gebrauch von gefälschten Urkunden oder Akten der erwähnten Arten ; betrügerischer Gebrauch oder Missbrauch von authentischen Siegeln, Stempeln und Marken.

14. Fälschung oder Verfälschung von öffentlichen oder privaten Schriftstücken, von Wechseln oder ändern Handelspapieren und Gebrauch dieser gefälschten Urkunden.

15. Falsches Zeugnis ; Verleitung von Zeugen zu falscher Aussage ; Meineid in Zivil- oder Strafsachen.

16. Bestechung von öffentlichen Beamten.

17. Veruntreuung oder Unterschlagung öffentlicher Gelder ; Erpressung und Übervorteilung, begangen von Beamten oder Depositären.

18. Vorsätzliche Brandstiftung; Missbrauch von Sprengstoffen.

19. Vorsätzliche Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen, Dampfschiffen, Posten, elektrischen Apparaten oder Leitungen (Telegraphen, Telephone) und Gefährdung ihres Betriebes.

20. Raub, Erpressung, Diebstahl, Hehlerei.

21. Vorsätzliche Handlungen, welche das Sinken, die Strandung, Zerstörung, Unbrauchbannachung oder Beschädigung eines Schiffes bewirken, sofern daraus eine Gefahr für andere entstehen kann.

22. Betrug.

23. Vertrauensmissbrauch und Unterschlagung.

24. Betrüglicher Bankerott.

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In den vorstehenden Begriffsbezeichnungen sind der Versuch und die Teilnahme Inbegriffen, sofern sie nach den Gesetzen der Vertragsstaaten strafbar sind.

Es wird wegen der oben angeführten Delikte die Auslieferung bewilligt, wenn die zur Last gelegten Straftaten nach den Gesetzgebungen der Vertragsstaaten wenigstens eine einjährige Freiheitsstrafe nach sich ziehen können. Q

Art. 3.

Die Auslieferung findet nicht statt : 1. wenn die reklamierte Person durch Geburt oder Naturalisation Bürger des ersuchten Staates ist ; 2. wegen politischer Vergehen oder wegen Handlungen, welche mit solchen im Zusammenhang stehen; 3. wenn das Delikt auf dem Gebiete des ersuchten Staates begangen worden ist ; 4. wenn dem Auslieferungsbegehren das gleiche Verbrechen oder Vergehen zu Grunde liegt, für welches die reklamierte Person in dem ersuchten Staate abgeurteilt, bestraft oder freigesprochen worden ist ; 5. wenn die Strafe oder die Strafklagc vor der Verhaftung oder Vorladung der reklamierten Person nach der Gesetzgebung des ersuchenden oder des ersuchten Staates verjährt ist.

Art. 4.

Die Auslieferung findet nicht statt, wenn die reklamierte Person in dem ersuchten Staate für dasselbe Verbrechen oder Vergehen verfolgt oder vor Gericht gestellt, wird.

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Art. 5.

Wenn das Strafgesetz des ersuchenden Staates für die strafbare Handlung, um deren willen die Auslieferung verlangt wird, eine körperliche Strafe androht, so wird die Auslieferung nur unter der Bedingung gewährt, dass jene Strafe gegebenen Falles in eine Freiheits- oder Geldstrafe umgewandelt werde.

Art. 6.

Die Auslieferung wird nur unter der Bedingung bewilligt, dass der Auszuliefernde nicht vor ein Ausnahmegericht gestellt werde.

Art. 7.

Die reklamierten Personen, welche wegen eines ändern Deliktes als dasjenige, das dem Auslieferungsbegehren zu Grunde liegt, verfolgt werden oder eine Strafe verbüssen, werden erst ausgeliefert, nachdem sie im ersuchten Staate endgültig abgeurteilt sind und im Falle ihrer Verurteilung die Strafe verbüsst haben oder begnadigt worden sind.

Art. 8.

Die Personen, deren Auslieferung gewährt worden ist, können für Verbrechen oder Vergehen, welche früher als die der Auslieferung zu Grunde liegenden Delikte begangen worden sind, oder für Handlungen, welche mit solchen Verbrechen oder Vergehen in Verbindung stehen, nur verfolgt und bestraft werden, wenn der Auslieferungsstaat hierzu seine Zustimmung erteilt, und es sich um Straftaten handelt, die in Art. 2 aufgeführt sind.

Sie können auch nicht an einen dritten Staat ausgeliefert werden, der sie wegen anderer Straftaten, als die-

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jenigen, welche die Auslieferung begründet haben, verlangen würde.

Diese Einschränkungen kommen jedoch nicht zur Geltung, wenn der Ausgelieferte ausdrücklich einwilligt, für eine früher begangene und im Auslieferungsbegehren nicht erwähnte Straftat verfolgt oder bestraft oder an einen dritten Staat ausgeliefert zu werden, oder endlich wenn der Ausgelieferte in dem Staate, in welchem er abgeurteilt worden ist, von dem Tage an, da er seine Strafe verbüsst hat oder zufolge Begnadigung in Freiheit gesetzt wurde, während drei Monaten verbleibt, oder wenn er in der Folge freiwillig auf das Gebiet des betreffenden Staates zurückkehrt.

Art. 9.

In den Fällen, in denen nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages die Auslieferung nicht gewährt worden ist, wird die reklamierte Person, wenn angängig, von den Gerichten des ersuchten Staates gemäss dessen Gesetzen abgeurteilt und es soll das definitive Urteil der requirierenden Regierung mitgeteilt werden.

Der Staat, auf dessen Ansuchen ein Angehöriger des ändern Staates verfolgt und abgeurteilt worden ist, verpflichtet sich seinerseits, gegen dieselbe Person wegen der gleichen Straftat kein zweites Verfahren durchzuführen, ausser wenn der Verurteilte die Strafe, zu der er in seinem Heimatstaate verfällt wurde, nicht verbüsst haben sollte.

Art. ÌO.

Wurde das Verbrechen oder Vergehen, auf welches sich das Auslieferungsbegehren gründet, im Gebiete eines dritten Staates begangen, der die Auslieferung des Angeschuldigten nicht verlangt, so wird die Auslieferung nur

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'dann zugestanden, wenn die Gesetzgebung des ersuchten Staates die gerichtliche Verfolgung solcher Handlungen, -auch wenn sie ausserhalb seines Gebietes verübt worden ·sind, gestattet.

Art. 11.

Wenn die Person, deren Auslieferung auf Grund des gegenwärtigen Vertrages verlangt wird, gleichzeitig von «iner oder mehreren ändern Regierungen wegen auf deren Gebieten begangener Verbrechen reklamiert wird, so soll die Auslieferung an denjenigen Staat bewilligt werden, auf dessen Gebiet das schwerste Delikt verübt wurde, und bei gleicher Schwere an den Staat, dessen Auslieferungsbegehren zuerst eingegangen ist.

Art. 12.

Wenn die reklamierte Person nicht Angehöriger des ersuchenden Staates ist und wegen desselben Deliktes auch von der Regierung ihres Heimatstaates verlangt würde, so steht es im Belieben der ersuchten Regierung, den Verfolgten an den einen oder den ändern der beiden ersuchenden Staaten auszuliefern.

Art. 13.

Das Auslieferungsbegehren soll stets auf dem diplomatischen Wege gestellt werden und in Ermangelung eines diplomatischen Agenten durch den im Range höchststehenden Konsul des ersuchenden Staates.

Es soll begleitet sein : 1. von dem Original oder einer beglaubigten Abschrift des Haftbefehles oder einer ändern Urkunde von gleichem Werte, oder des Straferkenntnisses, das von der zuständigen Behörde nach den im ersuchenden Staate vorgeschriebenen Formen ergangen ist.

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Diese Urkunden haben die strafbare Handlung,, den Ort und die Zeit ihrer Begehung anzugeben ; 2. von einer Abschrift der auf das in Frage stehende Verbrechen oder Vergehen anwendbaren Strafbestimmungen ; 3. soweit möglich von dem Signalement des reklamierten Individuums.

Art. 14.

Der Ausländer, dessen Auslieferung für ein in Art. 2 enthaltenes Delikt begehrt werden kann, kann nach den durch die Gesetzgebung des ersuchten Staates vorgeschriebenen Formen provisorisch festgenommen werden auf Grund einer schriftlichen oder telegraphischen Aufforderung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, wobei die auf dem diplomatischen Weg erfolgende Übermittlung eines Haftbefehls angekündigt wird.

Die demgemäss verhaftete Person wird in Freiheit gesetzt, wenn innerhalb von drei Monaten von der Festnahme hinweg das diplomatische Auslieferungsbegehren nicht in der im Art. 13 vorgesehenen Form eintrifft, es sei denn, dass die Verhaftung aus ändern Gründen aufrecht erhalten würde.

Art. 15.

Wenn in einem Strafverfahren wegen eines in Art. 2 erwähnten Deliktes eine der beiden Regierungen die Einvernahme von Zeugen, die im ändern Staate wohnhaft sind, oder die Vornahme irgendwelcher ändern Untersuchungshandlungen für notwendig erachtet, so ist zu diesem Zwecke auf dem diplomatischen Wege ein Ersuchsschreiben einzusenden, und es soll demselben gemäss den Gesetzen des ersuchten Staates beförderlichst Folge gesreben werden.

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Die Vertragsstaaten verzichten auf jede Forderung betreffend Vergütung der Kosten, die ihnen aus dem Vollzuge der Rogatorien erwachsen, sofern es sich nicht um kriminelle, kommerzielle oder medizinische Expertisen handelt.

Ebensowenig kann eine Ersatzforderung platzgreifen für die Kosten gerichtlicher Handlungen, die von den Beamten eines der Vertragsstaaten von sich aus vorgenommen werden zum Zwecke der Verfolgung oder Feststellung von Delikten, welche auf ihrem Gebiete von einem Ausländer begangen wurden, der nachher in seinem Heimatstaate zur Verantwortung gezogen wird.

Art, 16.

Wenn in einer Strafsache betreffend ein in Art. 2 aufgezähltes Delikt das persönliche Erscheinen eines Zeugen notwendig oder zweckrnässig erachtet werden sollte, so wird die Regierung des Staates, in dem er wohnt, ihn einladen, der ihm zugestellten Vorladung Folge zu leisten.

Im Falle der Zustimmung wird ihm die ersuchende Regierung von dem Zeitpunkte hinweg, an dem er seinen Wohnort verlassen haben wird, die Reise- und Aufenthaltskosten vergüten gemäss den in dem Lande, wo er erscheinen soll, geltenden Tarifen, sofern sie sich nicht für verpflichtet erachtet, dem Zeugen eine grössere Entschädigung auszurichten.

Art. 17.

Keine Person, welcher Nationalität sie auch sein mag, die in einem der beiden Länder als Zeuge vorgeladen und freiwillig vor den Gerichten des ändern Landes erschienen ist, darf daselbst wegen Verbrechen oder Vergehen, oder wegen Verurteilung zivilrechtlicher, krimineller oder korrektioneller Natur, die vor ihrem Weggang aus dem ersuchten Lande stattgefunden haben, noch

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unter dem Verwand der Mitschuld an den Handlungen, welche den Gegenstand des Prozesses bilden, in dem sieals Zeuge erscheint, verfolgt oder verhaftet werden.

Art. 18.

Es ist ausdrücklich vereinbart, dass der Transit: eines von einem dritten Staate an den ändern Vertragsstaat auszuliefernden Individuums durch das Gebiet eines der .kontrahierenden Staaten, sofern dasselbe nicht dem.

Lande angehört, durch das der Transit stattfinden nruss, auf die einfache Vorlage im diplomatischen Wege des.

Haftbefehles oder verurteilenden Erkenntnisses bewilligt werden soll, vorausgesetzt, dass es sich weder um politische Delikte, noch um Handlungen, welche mit solchen .

im Zusammenhang stehen, noch um rein militärische Delikte handelt, und dass die Straftat, welche der Auslieferung zu Grunde liegt, unter den in Art. 2 der gegenwärtigen Übereinkunft aufgezählten Delikten Inbegriffen ist..

Der Transport erfolgt auf den kürzesten Wegen unterBegleitung der Agenten des ersuchten Staates und auiT Kosten der ersuchenden Regierung.

Art. 19.

Die von einem Verbrechen oder Vergehen herrührenden Gegenstände, welche im Besitze der reklamiertem.

Person vorgefunden wurden, oder welche diese versteckt hat und die später aufgefunden werden ; die Werkzeuge oder Instrumente, deren sie sich zur Begehung der strafbaren Handlung bedient hat, sowie alle ändern Beweisstücke sollen gleichzeitig mit dem Requirierten zur Übergabe gelangen.

Allfällige Rechte Dritter an den fraglichen Gegenständen werden ausdrücklich vorbehalten und es sollen nach Beendigung des Verfahrens diese den Berechtigten, kostenfrei zurückgestellt werden.

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Art. 20.

Die Kosten, welche auf dem Gebiete des ersuchten Staates durch die Festnahme, die Haft, die Bewachung und den Unterhalt der reklamierten Person, sowie durch den Transport der in Art. 19 des gegenwärtigen Vertrages erwähnten Gegenstände erwachsen, werden von der Regierung dieses Staates getragen.

Art. 21.

Die in Gemässheit des gegenwärtigen Vertrages den Behörden des ändern Staates vorgelegten oder mitgeteilten Urkunden sollen für die schweizerische Eidgenossenschaft stets von einer französischen, für die Argentinische Republik ,stets von einer spanischen Übersetzung begleitet sein.

Art. 22.

Der gegenwärtige Vertrag tritt 20 Tage nach seiner Veröffentlichung, welche so rasch als möglich und in den beiden Staaten gleichzeitig erfolgen soll, in Kraft ; er bleibt in der Form der beidseitigen Gesetzgebungen gültig bis sechs Monate nach dem Tage, an welchem eine der beiden Regierungen denselben gekündigt haben wird.

Diese Übereinkunft soll ratifiziert und es sollen dia Ratifikationsurkunden sobald als möglich in Buenos-Ayres ausgetauscht werden.

Zu Urkund dessen haben die beidseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel beigesetzt.

Geschehen in doppelter Ausfertigung zu BuenosAyres, den 21. November 1906.

Gez.

J. Choffat.

Gez.

M. A. Montes de Oca.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Argentinien. (Vom 1. März 1907.)

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1907

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13.03.1907

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