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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde der Direktion der schweizerischen Seetalbahngesellschaft und der Reinach-Münster-Bahn in Hochdorf gegen den Beschluss des Bundesrates vom 9. November 1906 betreffend Verweigerung einer Wirtschaftsbewilligung durch den Regierungsrat des Kantons Aargau.

(Vom 13. April 1907.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen beiliegend eine Eingabe der Direktion der schweizerischen Seetalbahngesellschaft und der Reinach-Münster-Bahn in Hochdorf, vom 19. Dezember 1906, zu übermitteln, durch die unser Beschluss vom 9. November 1906 betreffend Verweigerung einer Wirtschaftsbewilligung rechtzeitig an Ihre Behörde weitergezogen wird.

Gleichzeitig übermitteln wir Ihnen die Antwort des Regierungsrats des Kantons Aargau, vom 8. Februar 1907, auf diese Beschwerde.

Die Rekurrentin macht im wesentlichen die gleichen Gründe geltend, ' über die wir uns in unserem angefochtenen Beschluss auszusprechen hatten. Wir sehen deshalb von der Wiederholung unserer Erwägungen hier ab, und verweisen Sie auf unsern Beschluss. Nur scheinbar neu ist die Behauptung der Rekurrentin, der in unserm Beschluss anerkannte Grundsatz, dass nach Art. 14 des Eisenbahngesetzes von 1872 der Bundesrat bei der Genehmigung der Hochbaupläne alle Einwände aus polizeilichen Gründen gegen die Ausführung

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der Pläne zu prüfen und zu erledigen hat, führe notwendig dazu, dass er in diesem Verfahren auch über alle wirtschaftspolizeilichen Einwände, insbesondere also über die Bedürfnisfrage, entscheiden müsse. Wir haben uns über diese Behauptung schon in unserm Beschluss ausgesprochen. Der innere Widerspruch, den die Rekurrrentin in unserm Beschluss finden will, ist nicht vorhanden, wenn die Erwägungen des Beschlusses in ihrem natürlichen Zusammenhang betrachtet werden.

Die von der Rekurrentin zitierte Stelle unseres Berichtes an die Bundesversammlung über den Rekurs der Regierung des Kantons Bern betreffend Schliessung der Bahnhofwirtschaft Bern (Bundesbl. 1903, IV, 521) scheint allerdings der bundesrätlichen Genehmigung der Pläne die von der Rekurrentin behauptete weitere Bedeutung zu geben; die etwas zu allgemeine Fassung dieser Erwägung erklärt sich aber daraus, dass es sich damals um die Abgrenzung der Kompetenzen des Bundes und der Kantone handelte bei Bahnhofwirtschaften, die für den Bahnbetrieb notwendig sind, und für solche Bahnhofwirtschaften wollte der Bundesrat sich, als Aufsichtsbehörde über das Eisenbahnwesen, das Recht wahren, über das Bedürfnis nach einer Wirtschaft und die Art ihres Betriebes zu entscheiden. Er wollte aber nicht die Entscheidung über die Bewilligung einer Wirtschaft beanspruchen, die, wie hier, nicht als ein unentbehrlicher Bestandteil des Eisenbahnbetriebes anzusehen ist.

Wir beantragen Ihnen deshalb die Aufrechterhaltung unseres Beschlusses und die Abweisung des vorliegenden Rekurses.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 13. April 1907.

Ini Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bandespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Beilage: Btmdesratsbeschluss rorn 9. ÜTorember 1906.

127 Beilage.

Bundesratsbeschluss über '

die Beschwerde der Direktion der schweizerischen Seetalbahngesellschaft und der Reinach-Münster-Bahn in Hochdorf gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 23. Juni 1906, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 9. November 1906.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat

über die Beschwerde der Direktion der schweizerischen S e e t a l b a h n g e s e l l s c h a f t und der R e i n a c h - M ü n s t e r B a h n in Hochdorf gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 23. Juni 1906, betreffend Verweigerung; eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht seines Justiz- undPolizeidepartements,j f o l g e n d e n Beschluss gefasst:

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A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Mit Entscheid vom 18. Mai 1906 wies die Finanzdirektion ·des Kantons Aargau ein Gesuch der Direktion der schweizerischen Seetalbahngesellschaft und der Reinach-Münster-Bahn in Hochdorf um Erteilung einer Bewilligung zum Betrieb einer Bahnhofwirtschaft in der Station Menziken ab. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde der genannten Direktion an den Regierungsrat des Kantons Aargau wurde von diesem mit Schlussnahme vom 23. Juni 1906 aus folgenden Gründen abgewiesen. Die Baupläne des Bahnhofes, die Räumlichkeiten für eine Wirtschaft enthielten, sind allerdings durch den Bundesrat nach Art. 14 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 geprüft worden. Diese Genehmigung gibt aber der Bahngesellschaft nicht das Recht, die Wirtschaft zu betreiben ; hierfür ist vielmehr eine besondere Bewilligung der1 zuständigen- kantonalen Behörde einzuholen. Diese Auffassung teilte offenbar auch die Direktion der Seetalbahngesellschaft, als sie bei der aargauischen Finanzdirektion ein Gesuch um Erteilung eines Patentes für eine Bahnhofrestauration in Menziken einreichte.

Die auf § 12 des aargauischen Wirtschaftsgesetzes gestützte Abweisung dieses Gesuches durch die Finanzdirektion rnuss aufrechterhalten werden, weil ein Bedürfnis für eine neue Wirtschaft in Menziken nicht vorliegt. Für die geplante Wirtschaft würde lediglich der unbedeutende Verkehr zwischen Menziken und Münster in Betracht kommen ; zudem bestehen in unmittelbarer Nähe des neuen Bahnhofes, in einer Entfernung von nicht mehr als 100--130 Meter von demselben, schon drei Wirtschaften, abgesehen von drei weitern ebenfalls nicht weit entfernten, und zwei andern auf der Ostseite der Bahnlinie und allerdings in etwas grösserer Entfernung) gelegenen Wirtschaften.

n.

.

,

.

.......

Gegen diesen Entscheid^ des aargauischen Regierungsrates rekurriert die Direktion der Seetalbahngesellschaft mit Eingabe vom 4. Juli 1906 rechtzeitig an den Bundesrat, und beantragt, der Bundesrat wolle feststellen, däss die Rekurrentin nach Mass-

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gäbe der seinerzeit eingereichten Pläne zum Betrieb einer Bahnhofrestauration in Menziken berechtigt sei ; eventuell wolle der Bundesrat die Regierung des Kantons Aargau anhalten, der Rekurrentin eine Bewilligung zu erteilen. Zur Begründung ihrer Anträge bringt sie vor : Die Pläne für die Stationsanlage Menziken wurden seinerzeit vom Bundesrat der aargauischen Regierung mit der Einladung zugestellt, allfällige, von den Interessen des Kantons und der Gemeinde geforderte Begehren zu stellen. Aus diesen Plänen konnten der Regierungsrat und die Gemeindebehörde die Absicht der Reinach-Münster-Bahn ersehen, in Menziken eine Bahnhofwirtschaft einzurichten. Indem diese Behörden sich mit den Plänen einverstanden erklärten und es geschehen liessen, class die Pläne ausgeführt wurden, begaben sie sich des Rechts, später gegen die Errichtung und den Betrieb einer Bahnhofrestauration Einsprache zu erheben. In diesem Sinn hat der Bundesrat in seinem Bericht an die Bundesversammlung vom 2. November 1903 über den Rekurs der Regierung des Kantons Bern betreffend Schliessung der Bahnhofwirtschaft in Bern (Bundesbl. 1903, IV, 512 ff., speziell 521) ausdrücklich erklärt, dass allfällige Einsprachen von Kantonsregierungen gegen die Errichtung von Bahnhofwirtschaften erhoben werden können, wenn ihnen die Pläne für die z» erstellenden Hochbauten zur Prüfung und Begutachtung mitgeteilt werden. Ja, die Genehmigung der eingereichten Pläne durch den Bundesrat berechtigt die Bahngesellschaft nicht nur, sie verpflichtet sie auch, die Bahnhofwirtschaft in Menziken einzurichten und zu betreiben.

Der Umstand, dass die Bahndirektion bei der Finanzdirektion um ein Patent nachsuchte, ist ohne Bedeutung, da die Bahngesellschaft bereits mit der Plangenehmigung die Berechtigung zum Betrieb der Wirtschaft hatte und die Einreichung des Gesuches in keinem Falle als Verzicht auf diese Berechtigung ausgelegt werden könnte.

Das aargauische Wirtschaftsgesetz anzuwenden, ist aber auch sonst unzulässig (Bundesratsbeschluss vom 16. März 1903 über die Beschwerde der schweizerischen Bundesbahnen betreffend Schliessung der Bahnhofwirtschaft in Bern, Bundesbl.

1903, I, 1069). Eine Bahnhofwirtschaft dient ganz speziellen Bedürfnissen. Zudem nruss festgehalten werden, dass Menziken eine bedeutende Ortschaft mit viel Verkehr und Industrie ist, dass sich dort die Wynentalbahn an die Reinach-Münster-Bahn anschliesst, und dass auch der Verkehr mit dem ganzen Seetal.

Bundesblatt. 59. Jahrg. Bd. III.

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mit Luzern und mit Aarau in Betracht fällt. Das Bedürfnis nach einer Bahnhofrestauration in Menziken ist daher vorhanden.

m.

Der Regierungsrat des Kantons Aargau äussert sich in seiner Vernehmlassung vom 23. Juli 1906 folgendermassen über die Beschwerde.

Die Pläne für das Stationsgebäude Menziken lagen allerdings dem Regierungsrate zur Begutachtung vor ; sie wurden aber nur von der Baudirektion geprüft und begutachtet, und nur soweit, als die allgemeine Sicherheit, die Feuerpolizei und dergleichen in Frage kam; nicht auch von der Finanzdirektion, der die Prüfung der Wirtschaftspatentgesuche obliegt. Aus der Begutachtung der Pläne durch den Regierungsrat zu Händen des Eisenbahndepartements kann nicht auf die Bewilligung der Bahnhofwirtschaft geschlossen werden, weil von jeher auf Wirtschaftspatentgesuche nur dann eingetreten wurde, wenn die geplante Wirtschaft fertig erstellt war und der Finanzdirektion ein besonderes Patentgesuch vorlag.

Im vorliegenden Fall waren aber die Pläne vom Regierungsrat gar nicht zur Genehmigung empfohlen, noch überhaupt begutachtet worden ; der Regierungsrat teilte dem Eisenbahndepartement am 13. November 1905 mit, dass er so lange von einer Genehmigung der Pläne Umgang nehmen müsse, als die bei der Bundesversammlung anhängige Beschwerde gegen den Bau der Reinach-Münster-Bahn nicht erledigt sei, worauf das Eisenhahndepartement nach Ablauf einer zur Vernehmlassung angesetzten und vom Regierungsrat nicht benutzten Frist die Bläne ohne Mitwirkung der aargauisehen Regierung genehmigte.

Damit behielt sich die aargauische Regierung freie Hand vor.

Was aber der Hinweis der Rekurrentin auf den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Schliessung der Bahnhofwirtschaft in Bern betrifft, so war die in Bern zu entscheidende Frage eine völlig andere, da es sich dort nicht um Errichtung einer neuen Wirtschaft auf einer kleinen Station einer Sekundärbahn handelte, sondern darum, ob die in Bern längst bestehende bedeutende Bahnhofwirtschaft auch nach 12 Uhr nachts dem Publikum geöffnet bleiben dürfe. In der von der Rekurrentin speziell angezogenen Stelle dieses Berichtes sagte der Bundesrat nicht ausdrücklich, dass die Kantonsregie-

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rungen nur anlässlich der Vorlage der Baupläne Einsprache gegen die Errichtung einer Bahnhofwirtschaft erheben können, sondern nur, dass ihnen nicht das Recht zustehe, ausschliesslich und in letzter Instanz über die Bedürfnisfrage zu entscheiden.

Ebenso ist die Behauptung der Rekurrentin zurückzuweisen, dass die Genehmigung der Pläne durch den Bundesrat die Bahngesellschaft verpflichte, eine Wirtschaft in Menziken zu betreihen. Der Betrieh einer Bahnhofwirtschaft bildet keinen Bestandteil des Eisenbahnbetriebes ; beide Betriebe sind voneinander unabhängig ; für den Betrieb der Bahnhofrestauration sind die kantonalen Wirtschaftsgesetze massgebend. Im weitern besteht für die in Frage stehende Wirtschaft kein Bedürfnis, vorerst aus den im regierungsrätlichen Entscheid vom 23. Juni 3906 angeführten Gründen, sodann weil der Bahnhof Reinach, wo sich eine Restauration befindet, nur l km. und die Endstation Münster nur 4,5 km. von der Station Reinach entfernt sind, und überdies in den meisten Zügen der Seetalbahngesellschaft gewirtet wird.

Endlich soll nach § 7 der Vollziehungsverordnung zum Wirtschaftsgesetz das Verhältnis zwischen der Lichtfläche der Fenster und der Bodenfläche eines Wirtschaftslokales nicht ungünstiger als 1:6 sein ; in der geplanten Wirtschaft ist aber das Verhältnis gleich 1:7. Ausserdem sind im Stationsgebäude keine Wohnräume vorhanden, obwohl nach § 8 des aargauischen Wirtschaftsgesetzes der Patentinhaber im Wirtschaftsgebäude wohnen muss und hiervon nur in ganz besondern Fällen Ausnahmen gestattet werden können.

Aus diesen Gründen, namentlich aber im Hinblick auf § 12 des Wirtschaftsgesetzes, beantragt der Regierungsrat Abweisung des Rekurses.

IV.

Die Direktion der Seetalbahngesellschaft weist in ihrer Replik namentlich darauf hin, dass die Entfernung des Bahnhofes Reinach vom Bahnhof Menziken zwar nur l km. beträgt, dass aber doch den Einwohnern und Besuchern von Menziken nicht zugemutet werden darf, die Bahnhofwirtschaft in Reinach aufzusuchen. Restaurationswagen werden von der Seetalbahngesellschaft nur in wenigen Zügen mitgeführt und mit dem elektrischen Betriebe, der im Jahre 1907 eingeführt werden soll,

132 werden sie ganz wegfallen ; sie sind nur zum Verkauf von Getränken und kalten Speisen eingerichtet und haben sieh aus diesem Grunde nicht bewährt. Die von der aargauischen Regierung erwähnten drei Wirtschaften in der Nähe des Bahnhofes Menziken können eine Bahnhofwirtschaft nicht ersetzen.

da sie keine Gewähr dafür bieten, dass sich das Publikum rasch und mit geringen Opfern an Zeit und Geld Speise uod Trank verschaffen kann.

Endlich sind die Behauptungen der aargauischen Regierung unrichtig, dass die Lokalitäten den Anforderungen der Vollziehungsverordnung zum Wirtschaftsgesetz nicht entsprechen.

Tatsächlich beträgt die Fensterfläche 8,58 m 2 , die Bodenfläche 39,80 m2, das Verhältnis zwischen beiden ist somit l : 5. Für den Wirt ist im zweiten Stock des Gebäudes eine Wohnung von vier Zimmern mit Küche erstellt und damit den gesetzlichen Vorschriften Genüge geleistet.

V.

Die Regierung des Kantons Aargau hält in ihrer Duplik vom 2. Oktober 1906 an ihren frühern Erwägungen, insbesondere soweit sie die Lokalitäten und die Bedürfnisfrage betreffen, fest.

VI.

Das eidgenössische Post- und1 Eisenbahndepartement spricht sich in einem Bericht vom 10. September an das schweizerische Justizdepartement folgendennassen über die Beschwerde aus : Nach seiner Auffassung steht es ausser Zweifel, dass die fragliche Bahnhofwirtschaft dem Eisenbahnverkehr zu dienen hat und einen Bestandteil der Eisenbahnanlage bildet. Die Genehmigung der Hochbaupläne für die Station Menziken durch die Bundesbehörden verpflichtete die Bahngesellschaft nicht zur Einrichtung einer Bahnhofwirtschaft ; sie hatte nur den Sinn, dass die Bundesbehörden gegen die Einrichtung einer Bahnhofwirtschaft nichts einzuwenden hatten.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht: Die Rekurrentin begründet ihre Rechtsbegehren mit der Behauptung, dass sie durch die vorbehaltlose Genehmigung der

133 Hochbaupläne für die Station Menziken seitens der Kantonsund Bundesbehörden ein Recht auf die Errichtung und den Betrieb einer Bahnhofwirtschaft in Menziken erworben habe, und dass im weitern in Menziken das Bedürfnis nach einer Bahnhofwirtschaft bestehe.

Was die erste Behauptung betrifft, so haben nach Art. 14 des Bundesgesetzes über den Bau und den Betrieb der Bisenbahnen und Art. 17 und 21 der, Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetz die Eisenbahngesellschaften u. a. die Pläne für die Stationen samt deren Einrichtung dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen ; der Bundesrat gibt den betreffenden Kantonsregierungen und Lokalbehörden Gelegenheit, ihre Interessen geltend zu machen und innert einer bestimmten Frist von diesen Interessen geforderte Begehren zu stellen. Diese Genehmigung der Baupläne durch den Bundesrat und die Mitwirkung der Kantons- und Lokalbehörden haben aber nicht die Bedeutung, die ihnen die Rekurrentin zuschreibt.

Zwar erstrecken sie sich nicht bloss auf die in Art. 14 des erwähnten Gesetzes in exemplifizierender Weise angeführten Gegenstände : Tracé, Gestaltung der Wegübergänge, Lage der Stationen und der Verbindungsstrassen ; sie erstrecken sich auf alle Fragen des Eisenbahnbetriebes, die mit dem zu genehmigenden Bau zusammenhängen. Eine Bahnhofrestauration ist nicht an allen Stationen ein unentbehrlicher Bestandteil des Eisenbahnbetriebes ; die zur Genehmigung der Baupläne berufene Behörde wird daher auch diese Einrichtung nur bei den verkehrsreichen Stationen fordern (Entscheid des Bundesrates vom 16. März 1903 und Bericht an die Bundesversammlung vom 2. November 1903 betreffend Schliessung der Bahnhofwirtschaft in Bern, Bundesbl.

1903, I, 1069, IV, 512 ff.). Tut sie dies, so steht es der kantonalen Behörde nicht mehr zu, das Wirtschaftspatent zu verweigern, weil es das kantonale Wirtschaftsgesetz so vorschreibe.

Tut sie es aber nicht, so entscheidet die kantonale Behörde an Hand ihres Wirtschaftsgesetzes darüber, ob sie ein Wirtschaftspatent erteilen wolle oder nicht. Auch dann bleibt es jedoch der eidgenössischen Behörde vorbehalten, über die Anlage und Einrichtung der Wirtschaftslokale zu entscheiden, für den Fall, dass ein Patent erteilt werden sollte ; die Genehmigung der Pläne ist, wie der Bundesrat mehrmals entschieden, eine vollständige und alle Einwände gegen die Ausführung der Pläne aus polizeilichen Gründen müssen bei diesem Anlass angebracht und erledigt werden.

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Die aargauische Regierung hatte also, wenn sie die im Plane vorgesehenen Wirtschaftsräumlichkeiten für ungenügend erachtete, damals dagegen beim Bundesrate Einsprache zu erheben. Da sie es nicht getan, kann sie jetzt das Wirtschaftspatent nicht verweigern, weil die Räumlichkeiten den Anforderungen des Gesetzes nicht entsprechen.

Anderseits aber kann nach dem Gesagten die Rekurrentin aus der vorbehaltlosen Plangenehmigung auch kein Recht auf die Errichtung und den Betrieb der projektierten Bahnhofwirtschaft für sich herleiten, denn durch die Genehmigung sollte die Seetalbahngesellschaft, wie aus dem unter lit. A, Ziffer VI, erwähnten Gutachten des Eisenbahndepartements hervorgeht, nicht zur Einrichtung einer Bahnhofwirtschaft angehalten werden.

Die Frage, ob der Rekurrent Anspruch auf ein Wirtschaftspatent habe, ist demnach nach dem aargauischen Wirtschaftsgesetz zu entscheiden ; da nach dem Gesagten die Wirtschaftsräumlichkeiten im gegenwärtigen Zeitpunkte nicht mehr beanstandet werden können, ist einzig noch streitig, ob in Menziken für die Errichtung der geplanten Bahnhofwirtschaft ein Bedürfnis im Sinne des aargauischen Wirtschaftsgesetzes bestehe.

Der Bundesrat geht, konstanter Praxis gemäss, von der Beurteilung der Bedürfnisfrage durch die kantonalen Behörden nur dann ah, wenn zwingende Gründe dagegen sprechen, namentlich wenn sie sich als willkürlich herausstellt. Im vorliegenden Falle sind allerdings die Tatsachen, die der Regierungsrat zum Beweis, dass ein Bedürfnis nicht hestehe, anführt, nicht von entscheidender Bedeutung ; weder die Wirtschaften in Menziken selbst, noch die Bahnhofwirtschaften in Reinach oder Münster, die l und 4,5 km. entfernt sind, vermögen dem reisenden Publikum eine im Stationsgebäude von Menziken selbst betriebene Wirtschaft zu ersetzen ; und auch der fahrende Wirtschaftsbetrieb auf den wenigen Zügen der Seetalbahn, die Resi aurationswagen führen, leistet nicht dieselben Dienste wie eine Bahnhofwirtschaft in Menziken. Anderseits aber ist es noch nicht möglich, zu beurteilen, wie grpss der Verkehr an der neu eröffneten Station Menziken sein wird, und es kann daher zurzeit auch nicht gesagt werden, dass der Regierungsrat in seiner abweisenden Entscheidung unbestreitbare Tatsachen verkannt und das Bedürfnis in willkürlicher Weise verneint habe. Die grosse Zahl der in Menziken schon bestehenden Wirtschaften macht die Zurückhaltung des Kegierungsrates in

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der Erteilung neuer Bewilligungen erklärlich. Der Rekurrentin muss aber das Recht vorbehalten bleiben, ihr Gesuch zu erneuern, wenn der Verkehr an der Station Menziken zeigen sollte, dass die Bahnhofwirtschaft in Menziken einem wirklichen Bedürfnis entspricht.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

B e r n , den 9. November 1906.

Im Namen des sehweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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1907

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24.04.1907

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