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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde der Gemeinwerkskorporation Mettlen gegen die Regierung des Kantons Appenzell I.-Rh. betreffend Verkauf von Korporationsgut.

(Vom 2. August 1907.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde der G e m e i n w e r k s k o r p o r a t i o n M e t t l e n gegen die Regierung des Kantons Appenzell I.-Rh. betreffend Verkauf von Korporationsgut, auf den Antrag seines Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n B e s c h l u s s gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Im April 1907 hat die Gemeinwerkskorporation Mettlen (Kanton Appenzell I.-Rh.) beim Landammann und der Standeskommission des Kantons Appenzell I.-Rh. die Bewilligung nachgesucht, den Korporationsboden zu verkaufen und den Erlös als sogenanntes Eisengut zu archivieren.

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Mit Beschluss vom 17. Aprii 1907 hat die Regierung das Gesuch, in Anbetracht, dass Grund und Boden einer Korperation bessere Garantie für Erhaltung des Korporationsgutes bieten als Kapitalvermögen, und dass der Korporationsboden durch den Verkauf seiner Zweckbestimmung entfremdet würde, beschlossen, die Bewilligung sei nicht zu erteilen.

II.

Gegen diesen Beschluss der Regierung hat die Gemeinwerkskorporation Mettlen mit Eingabe vom 23. Mai 1907 wegen Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung die staatsrechtliche Beschwerde an den Buiidesrat ergriffen und das Begehren gestellt, die Regierung sei angewiesen, den projektierten Verkauf zu genehmigen. Die Rekurrentin hat zur Begründung vorgebracht, die Korporation besitze 30 Liegenschaften, die, früher von beständigen Überschwemmungen bedrohter, wertloser Grund, heute durch Verbauungen zu Kulturland geworden seien. Der. Verkauf dieser Liegenschaften empfehle sich, weil die Bewirtschaftung durch die Gemeindegenossen unrationell sei und weniger Ertrag abwerfe als das aus dem Verkauf zu erlösende Kapital. Die Standeskommission habe das Recht, die Verwendung des Nutzens aus dem Korporationsgut zu überwachen, sie dürfe aber die Korporation, so lange das Korporationsvermögen gesichert sei, nicht verhindern, ihr Vermögen in der Weise anzulegen wie es ihr gut scheine. Da der Verkaufserlös unter die Verwaltung der Standeskommission selbst gestellt werde, gefährde der Verkauf den Bestand des Korporationsvermögens nicht; die Verweigerung der Verkaufsgenehmrgung sei daher unberechtigt, und verletze die Handelsfreiheit, die Art. 31 der Bundesverfassung sowohl genossenschaftlichen Verbänden wie dem einzelnen gewährleiste. In ändern Fällen habe die Standeskommission Landverkäufe von Genossenschaften ohne Bedenken genehmigt.

m.

Mit Schreiben vom 5. Juli und Nachtrag vom 18. Juli 1907 haben Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I.-Rh. beim Bundesrat die Abweisung der Beschwerde der Gemeinwerkskorporation Mettlen beantragt und ausgeführt:

769 Die Gemeinwerkskorporation Mettlen ist eine Realrechtsgenossenschaft, deren Anteilrechte mit einer Anzahl von Liegenschaften in der Weise verbunden sind, dass die jeweiligen Liegenschaftseigentümer Anteil am Gemeingut haben und dieses den anteilberechtigten Liegenschaften dient. Art. 30 der Kantonsverfassung bestimmt nun, dass die Standeskommission die genossenschaftlichen Nutzungsgüter zu überwachen habe. Die Rekurrentin selber hat die nach Art. 30 der Standeskommission zukommenden Aufsichtsrechte anerkannt, indem sie bei ihr um Genehmigung des projektierten Landverkaufes eingekommen ist.

Da aber das unbewegliche Gut für die Erhaltung des Genossenschaftsvermögens bessere Garantie bietet als das leicht antastbare bewegliche Vermögen in Wertpapieren, so hat die Standeskommission von ihrem Überwachungsrecht Gebrauch gemacht, indem sie der Rekurrentin die Genehmigung zum Verkauf ihrer Genossenschaftsliegenschaften verweigerte. Eine Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung liegt in dieser Weigerung nicht, da die Handels- und Gewerbefreiheit sich nur auf den Betrieb berufsmässiger Geschäfte bezieht, die Rekurrentin aber kein derartiges Geschäft abzuschliessen wünscht.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Die Gemeinwerkskorporation Mettlen ist nicht eine private, sondern eine durch das öffentliche Recht des Kantons Appenzell I.-Rh. beherrschte Genossenschaft, die in der Verwaltung ihrer Nutzungsgüter nach Art. 30 der Kantons Verfassung durch die Standeskommission überwacht wird. Die Rekurrenten selbst bestreiten weder dieses Überwachungsrecht im allgemeinen, noch die Pflicht der Korporation, für die beabsichtigte Veräusserung von Korporationsgut die Genehmigung der Standeskommission einzuholen; sie behaupten bloss, diese Genehmigung hätte ihnen erteilt werden sollen. Darüber ist aber der Bundesrat nicht kompetent zu entscheiden, denn der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit, auf den sich die Rekurrenten berufen, berührt die Regeln des kantonalen Rechts über die Verwaltung des Vermögens der Gemeinden und gemeindeähnlichen Korporationen nicht.

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Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 2. August 1907.

., .

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Brenner.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde der Gemeinwerkskorporation Mettlen gegen die Regierung des Kantons Appenzell I.-Rh. betreffend Verkauf von Korporationsgut. (Vom 2.

August 1907.)

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14.08.1907

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