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Ergänzender Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zur Botschaft betreffend den Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen für das Jahr 1908, vom 1. November 1907.

(Vom 11. Dezember 1907.)

Tit.

I.

In unserer Botschaft betreffend den Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen für das Jahr 1908, vom 1. November 1907, bemerkten wir auf Seite 11, dass wir über das Gesuch der Baugesellschaft für den Simplontunnel Brandt, Brandau & Cie.

vom 19. Oktober 1907 um Enthebung von der Verpflichtung, den II. Simplontunnel auszubauen, sowie über die Antworten der Baugesellschaft 1. auf das Gutachten der Herren Ingenieur Dr. R. Moser, Professor Schmidt und Ingenieur Lusser, vom 12. Dezember 1906, über den Zustand und den Ausbau des Simplontunnels; 2. auf den Bericht der Generaldirektion und der ständigen Kommission der Bundesbahnen an den Verwaltungsrat derselben betreffend den Ausbau des zweiten Simplontunnels, vom 25. Juni, resp. 2. Juli 1907, sowie ein Gutachten über den Zustand des Stollens II, von Herrn Bergmeister Müller, königl. preussischem Bergrevierbeamten, nach Eingang der Vernehmlassung der Generaldirektion der S. B. B., soweit erforderlich, einen ergänzenden Bericht nachfolgen lassen.

391 Wir erlauben uns, dieser Aufgabe in der Weise nachzukommen, dass wir den Inhalt der ,,Antworten", sowie der Vernehmlassung der Generaldirektion der S. B. B. in Kürze wiedergeben. Der Vernehmlassung der Generaldirektion sind beigedruckt: 1. Entgegnung der Experten Moser. Schmidt, Lusser, 2. Erwiderung von Prof. Dr. Schmidt, 3. Erwiderung von Ingenieur Lusser.

Da die betreffenden Imprimate Ihnen zugestellt worden sind, glauben wir, uns auf die Hauptpunkte derselben beschränken zu können.

II.

Antwort der Ballgesellschaft für den Simplontunnel Brandt,Brandau & Die. auf das Gutachten der Herren Ingenieur Dr. Eobert Moser, Professor Dr. Schmidt und Ingenieur Fr. Lusser, vom 12. Dezember 1906, über den Zustand und den Ausbau des Simplontunnels.

Die Baugesellschaft weist darauf hin, dass gemäss den Protokollen vom 22. Februar und 11. März 1906 ihr der Tunnel I und der Parallelstollen mit einigen nebensächlichen Beanstandungen als dem Vertrage entsprechend ausgeführt, definitiv unter Vorbehalt der Garantie von den schweizerischen Bundesbahnen abgenommen worden sei. Als die Generaldirektion über den Zustand des Parallelstollens und die Frage, ob derselbe längere Zeit im übernommenen Zustand belassen werden könne, sich ein Expertengutachten geben Hess, habe die Baugesellschaft aufmerksam gemacht, 1. dass die Expertise gemeinsam von Bundesbahnen und Bauunternehmung durch unparteiische Fachleute vorgenommen werden sollte, 2. dass für die die Bundesbahnen hauptsächlich interessierende Frage in unserem Lande keine Experten gefunden werden könnten, sondern dass man dafür auf bergbautreibende Länder angewiesen sei, da von den schweizerischen Ingenieuren kaum einer Erfahrungen über das Verhalten derartiger Stollen besitzen könne.

Die Bundesbahnen hätten jedoch inländische Ingenieure ernannt. Das Expertengutachten sei ihr am 12. März 1907 zur Kenntnis gebracht worden. Die Baugesellschaft sei darüber er-

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staunt gewesen, dass die Bundesbahnen, die ihr im Frühjahr 1906 den Tunnel samt Parallelstollen sozusagen anstandslos abgenommen hätten, nun plötzlich auf Grund eines relativ kurzen Augenscheins durch mit der Baugeschichte nicht vertraute Ingenieure, der einige Monate später, im Sommer 1906 stattfand, Stollen II auf lange Strecken unbefriedigend, in vertragswidrigem Zustand beflndlich ued für den Tunnel I eine Gefahr darstellend, taxierten. Es sei ihr bald klar geworden, dass die technischen Experten vorwiegend im Bureau, dafür aber etwas weniger im Tunnel gearbeitet hätten, dass sie ihre Argumentationen zum guten Teil aufbauten und ihre Schlüsse zogen nicht Sowohl auf eigene Beobachtungen oder Messungen im Tunnel, als auf Grund von Akten, schriftlichen Berichten, Rapporten und Notizen der den Bau beaufsichtigenden Ingenieuren, die sich im Laufe der Jahre aufgehäuft hätten. So seien im Gutachten an vielen Orten Zustände als bestehend geschildert, die während dem Bau bestanden haben mögen, die aber wie z. B.

Sohlenauftriebe, überwunden wurden und schon bei der Übernahme des Tunnels nicht mehr bestanden haben, geschweige denn heute. Das Gebirge werde als in Bewegung befindlich geschildert, während es schon lange zur Ruhe gekommen sei.

Was die von den Experten der S. B. B. behaupteten ,,Deformationen"1 des Stollens II anbelange, so könne die Baugesellschaft den Beweis leisten, dass es sich hier in der Mehrzahl keineswegs um Deformationen handle, sondern dass der Stollen gleich bei der Herstellung, teils absichtlich, um Platz für Handmagazine u. s. w. zu erhalten, teils durch Nachbruch infolge der Natur des Gebirges die gezeichnete Form angenommen habe und seither so geblieben sei.

Tatsächlich habe der Expertenbericht für 'Tunnel I wenig wirkliche Mängel aufgedeckt, weil derselbe eben dazu keine Veranlassung gab. Was Stollen II anbetreffe, so werde die Notwendigkeit der Ausmauerung in folgenden Strecken, vom Südportal an gerechnet, anerkannt : km. 5905 bis 6028, km. 6289 bis 6492, km. 6862 bis 6902, km. 7470 bis 7542, total 438 m. vollständige Profilverkleidung mit Sohlengewölbe ; ferner km. 7372 bis 7470 = 98 m. Profilverkleidung, aber ohne Sohlengewölbe; schliesslich km. 9140 bis 9232, km. 9275 bis 9387, total 204 m. Aufmauerung des östlichen und westlichen Widerlagers.

393 Der Stollen II sei in einem Zustande übergeben worden, der für jahrelanges Halten Gewähr biete. Einzelne Partien, wie z. B. Südseite km. 4990 bis km. 5350, sowie alle Strecken, für welche Mauerung verlangt worden sei, ausgenommen diejenigen, welche oben aufgeführt worden seien, könne man unbedenklich auf Holz stehen lassen, wie das im Bergbau überall geschehe.

Es sei ein unberechtigtes und unverständliches Verlangen der Bundesbahnen gewesen, den soliden Holzeinbau, den die Baugesellschaft auf langen Strecken kunstgerecht gemacht hätte, zu entfernen. Sie habe leider in einer Anwandlung von Schwäche und Inkonsequenz demselben Folge geleistet und dadurch den Experten den scheinbaren Grund für viele ihrer Befürchtungen geliefert. Wäre der Holzeinbau stehen geblieben, so hätte der Nachbruch nicht stattgefunden, der begreiflicherweise einen fatalen Eindruck machen musste, in Tat und Wahrheit aber nicht bedenklich war und aufgehört hätte, wenn der neue Einbau fachgemäss eingezogen wäre. Die Baugesellschaft habe beim Bau von Stollen H in den kritischen Strecken von km. 4450 bis km. 9387 ab S. P. all den gewiss grossen Schwierigkeiten des Gebirges Rechnung getragen, habe sie überwunden und fast überall kunstgerecht endgültig beseitigt. Weder Tunnel I noch Stollen II seien in denselben gefährdet und beide bieten Gewähr für lange Dauer, sobald in II die erforderlichen Nacharbeiten gemacht seien. Die Forderung der Experten, Stollen II kilometerweise auszumauern, müsse die Baugesellschaft als arg übertrieben bezeichnen. Trotzdem sie ihrer Sache auf Grund der beim Bau gemachten Erfahrungen ganz sicher sei, habe sie ihrerseits eine durchaus unabhängige objektive Expertise veranlasst. Sie halte einzig und allein erfahrene Bergwerks-ingenieure für kompetent in der streitigen Frage. Deswegen habe sie sich unter Darlegung der Verhältnisse schon im Sommer 1906 an den ,,Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund"' mit der Bitte gewendet, ihr eine solche Persönlichkeit zu bezeichnen.

Es sei ihr Herr Bergmeister Müller, königlicher-preussischer Bergrevierbeamter, damals in Essen, heute in Naumburg a/S. bezeichnet worden. Herr Müller habe die Expertise übernommen, unter der Bedingung, dass er eine ganz unabhängige, durch keine Parteiinteressen beeinflusste Meinung abgeben könne. Dies habe
die Baugesellschaft als selbstverständlich betrachtet, da sie einzig den wahren Tatbestand durch einen kompetenten Fachmann feststellen wollte, und auch bereit sei, sich seinem Urteil zu unterwerfen. Indem sie sich auf den ausführlichen Bericht des

394 Herrn Bergmeister Müller berufe, beschränke sie sich darauf, nachstehende Hauptpunkte hervorzuheben : Tunnel I.

M a u e r w e r k . Als einziger Mangel werde die häufige Verwendung der Type 2 hervorgehoben. Da das Mauerwerk einen befriedigenden Eindruck mache, so sollte man wohl annehmen können, dass die Type, welche es repräsentiere, richtig gewählt sei.

Schon der erste von den Experten bemängelte Punkt, dass nur ausnahmsweise Profiltypen mit stärkern Mauerwerkdimensionen zur Verwendung gekommen seien und man sich allzusehr auf die Anwendung der Type 2 mit einer Mauerwerkstärke von ' 35 cm. in Widerlager und Gewölbe beschränkt habe, zeige, dass die Experten ungenügend über die Art der Anwendung der Type 2 informiert worden seien, und es hätte ihnen die Baugesellschaft mitteilen können, dass die Bauaufsicht durch ihre, an die Ausführung der Typen 3--5 gestellten pedantischen Forderungen die Baugesellschaft geradezu zwang, auch da Type 2 anzugeben, wo sie stärker zu mauern beabsichtigte und auch tatsächlich stärker gemauert habe.

Die Mauerungsstärken der Widerlager seien beinahe überall ganz wesentlich grösser als die der normalen Typen. Ein Gegenüberstellen der wirklich ausgeführten Mauerungsstärken und den von den Experten angegebenen ergebe beispielsweise für die Südseite folgendes: Nach Angabe der Experten ui.

Type 2 2e 2e 2d zus. Type 2 Type 3 3a 3& 3d 3e zus. Type 3 Spez. Prof.

Total

6543.4 -- 1070 750 8363,4 220 490 240 950 85,o 9399

Nach wirklicher Ausführung

Ce- Wider- Sohlwiillic lager gewb'lbe cm.

cm.

cm.

35 -- 35 35

50 55 70

35 -- 35 60

m.

-- -- 40 60

Ge- Wider- Solilwölbe lager genullte cm.

cm.

cm.

40 40 40 --

50 60 50 --

-- -- 40 -

--

4975 1189 1200 -- zus. Type 2 7364 -- 380

50

70

--

50 65 65

50 60 50

50 50 70

70 85 85

50 90 90

799 150 620 zus. Type 3 1949 86 9399

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Die Behauptung, dass die Mauerstärke der Widerlager bei Verwendung der Type 2 nur 35 cm. stark gehalten sei, und dass diese Type südseitlich auf eine Länge von 8364 m. zur Anwendung gekommen sei, sei also eine irrtümliche.

Auf der Südseite seien anstatt 8364 m. nur 7364 m. mit dieser Type verkleidet.

Die Gewölbemauerung beIn Wirklichkeit aber trägt nach Zeichnung = 35 cm.

1. in der 4369 m. langen Antigoriopartie im Mittel 40 cm. ; 2. in den Testierenden 2995 m.

im Mittel 50 cm.

Die Widerlagerstärke beIn der Wirklichkeit trägt nach Zeichnung -- - 35 cm.

1. in der Antigoriopartie (4369 m.) im Mittel 50 cm. ; 2. im Rest (2995 m.) im Mittel 70 cm.

Das Mehrmauerwerk (da wo Type 2 angegeben wurde) betrage : für die 4369m. Antigoriogneiss à za. 1,4m3 total = za. 6,110 m 3 für die restierenden 2995 m. à za. 4,s m3 total = za. 13,480 m 8 Summa

19,590 m 3

Auf der Nordseite betrage der Mehrausbruch und die Mehr·mauerung in der nach Type 2 erstellten Strecke durchschnittlich 3,5 m 3 pro laufenden Meter. Hier sei im Mittel 55 cm. stark gemauert, entsprechend für die Strecke von 10,065 Laufmeter, für welche Type 2 angegeben worden sei = 35,228 m 3 Mehrmauerung.

Im ganzen seien somit 17,429 Laufmeter Tunnel mit Type 2 verkleidet resp. angegeben.

Diese repräsentieren theoretisch ·= 106,490 m3 Mauerung, tatsächlich aber seien = zirka 161,318 m8 gemacht worden.

Was die Zahl der Ringe betreffe, von denen behauptet werde, sie seien rekonstruiert worden, so müsse die Baugesellschaft denn doch bemerken, dass man nicht von ,,Rekonstruktion eines Ringes" sprechen könne, wenn in demselben ein oder einige schadhafte .Stellen ersetzt worden seien. Wenn man von ,,rekonstruierten"1 Ringen sprechen wolle in dem Sinne, wie es die Fachsprache verstehe, so reduziere sich die von den Experten angegebene Zahl von 179 auf vielleicht ein halbes Dutzend.

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Zerdrückungen hätten fast ausschliesslich im Scheitel der Gewölbe stattgefunden, infolge von Hereingehen der Widerlager.

Nachdem an solchen Orten ein Betongewölbe eingezogen und die wenigen Gewölbsteine im Scheitel ausgewechselt worden seien, habe sich nichts mehr geregt.

S o h l e n g e w ö l b e . Bezüglich der Sohlengewölbe sei die Baugesellschaft der Ansicht, sie hätte teilweise hierin ein übriges geleistet. Die Experten führen an, dass die Einziehung etwas sparsam und vielfach erst später stattgefunden habe und grösstenteils nur Beton hierzu verwendet worden sei. Hiergegen sei zu bemerken, dass man sich zur Einziehung von Sohlengewölben in Tunnels doch wohl erst entschliesse, wenn der Gebirgscharakter genau erkannt und das Gewölbe für nötig erachtet werde.

Zementsteine. Die Experten tadeln die Verwendung von Zementsteinen für die Gewölbe der Nordseite und seien der Meinung, es hätte bei dem beiderseits vorhandenen günstigen Steinmaterial von der Verwendung von Kunststeinen abgesehen werden sollen. Die Zementsteingewölbe haben sich weder schlecht gehalten, noch hätten viele ausgewechselt werden müssen. Die einzige Strecke von rekonstruierten Zementsteinringen sei zirka 90 m lang in der Ausweiche Tunnel I, und auch daran seien ganz aussergewöhnliche Verhältnisse Ursache gewesen; denn an gleicher Stelle im Stollen II habe wegen Wasserandraug resp. Ableitung desselben vom Vorort her zirka ein halbes Jahr der aufgeschlitzte Tunnel auf Holz gelassen werden müssen. Es unterliege keinem Zweifel, dass an besagter Stelle auch eine stärkere Type nicht Stand gehalten hätte.

P r o f i l v e r e n g u n g e n . Die Experten erwähnen im weitern, dass an verschiedenen Stellen Profilverengungen stattgefunden hätten. Eine wirkliche Verengung des Profils durch Gebirgsbewegung verursacht, habe an Hand von Erhebungen auf der Nordseite nur in der Partie Profil 3 a beim Nordportal und in dem Profil Via Strecke zwischen Traverse 21/22, km. 4,oi6/o
Es sei durchaus unrichtig, wenn Herr Lusser Verengungen von 10--24 cm. als ,,vorhanden" aufzähle. Es sei zu bezweifeln, ob eine solche überhaupt je existiert habe, aber wenn dem doch so Sva,in sollte, so bestehe sie jedenfalls heute nicht und habe zurzeit der Übernahme nicht mehr bestanden. An keinem Ort

397 sei der Beweis geleistet, dass seither Verengungen .stattgefunden haben, und damit fallen alle .diesbezüglich ausgesprochenen Bedenken dahin: Stollen H.

Die Baugesellschaft bestreitet nicht, dass einige Stellen im Stollen II einer Sicherung bedürfen. Dagegen bezeichnet sie die Äusserung als unrichtig, dass der un verkleide te Stollen in verhältnismässig kurzer Zeit stark gelitten habe. Auf der Nordseite habe es sich nur um eine verhältnismässig unbedeutende Strecke handeln können; denn der weitaus grösste Teil besagten Stollens II habe während 6 Jahren hindurch zu keinen Bedenken Anlass gegeben, und es habe während dreier Jahre der ganze Betrieb durch den Stollen II stattgefunden.

D e f o r m a t i o n des Stollens II. Die Baugesellschaft erklärt, dass es sich durchaus nicht um Deformation, am allerwenigsten um nachträgliche Deformation handle, sondern dass die gezeichneten Profile sich gleich bei der Herstellung oder unmittelbar nachher durch Nachbruch eingestellt haben. Zum Teil seien die bezeichneten Stellen für Bauzwecke, z. B. für Ausweichen der Dienstgeleise, für Hülfsventilation etc. absichtlich hergestellt worden.

H o l z e i n b a u . Die Baugesellschaft sei .gezwungen worden, den Holzeinbau im Stollen II auf Hunderte von Metern zu entfernen. Sie habe denselben mit grosser Sorgfalt und mit der Absicht, ihn definitiv stehen zu lassen, eingezogen. Ein solcher Einbau habe den Zweck, in gebrächem Gebirge die naturgemäss bei der Ortsauffahrung gelockerte Gebirgszone zu halten. Eine derartige Zone bräche aber nach und nach herein, wenn man den stützenden Holzeinbau entferne. Diesen Gesichtspunkt habe sie wiederholt geäussert und gegen die Entfernung protestiert, trotzdem hätten die Baue entfernt werden müssen, was natürlich Nachbruch zur Folge gehabt habe.

K a n a l - D e f o r m a t i o n . Im Expertengutachten sei an verschiedenen Stellen von ,,Kanal-Deformation"1 gesprochen und im Zusammenhang damit von einem ,,Auftrieb der Sohle, wie er jetzt im Parallelstollen in auffallender Weise stattfinde". Dagegen konstatiere die Baugesellschaft, dass bei ihrer Begehung im Juli dieses Jahres die als Beweis für diese Behauptung angegebenen Punkte genau nachgesehen worden seien, dass aber die behauptete

398 Deformation und der behauptete Auftrieb nirgends nachgewiesen werden konnte. Wohl sei da beim Bau Auftrieb gewesen und mussten Rekonstruktionen vorgenommen werden, aber diese haben sich als widerstandsfähig erwiesen, und heute sei überall Ruhe.

Geologischer Bericht. Die Ausführungen des Herrn Professor Schmidt in seinem speziellen Bericht seien für die Wissenschaft ganz wertvoll und interessant, für die Praxis und die hauptsächlich in Betracht kommende Frage, ob Stollen II haltbar sei, haben sie aber nicht den Wert, den er ihnen beimesse.

Gestützt auf diese Ausführungen kommt die Baugesellschaft zu folgenden Schlüssen : ,,1. Tunnel I ist solid und sicher. Mängel, die Nacharbeiten erforderlich machen würden, sind keine nachgewiesen. Die verhältnismässig wenigen gebrochenen Steine in einzelnen Ringen haben nichts zu bedeuten, solche kleine Fehler kommen in allen Bauten vor. Dank dem vorzüglichen Material, das namentlich auf der Südseite zur Verfügung stand, darf die Ausmauerung des Tunnels I als eine selten gute bezeichnet werden, wie sie wenige Tunnels aufweisen. Einzelne Partien, die beim Bau Druckerscheinungen zeigten und Schwierigkeiten verursachten, haben seit den Rekonstruktionen keine Bewegungen mehr gezeigt, sind also ebenfalls als durchaus gesichert zu betrachten.

Die Befürchtung, dass in absehbarer Zeit Rekonstruktionen darin nötig werden, ist nicht bewiesen und unbegründet. Wo noch Zweifel bestehen, können die Ringe unter regelmässige Beobachtung genommen werden, so dass, wenn gegen alle Erwartungen doch wieder Bewegungen auftreten würden, den Anfängen ohne Verzug begegnet werden könnte.

,,2. Vom Stollen II sind auch nach der Ansicht der Experten 12,769 m. unbestritten solid und können jahrelang ohne weiteres stehen bleiben. Bestritten sind zirka 7000 m. und die Frage ist. ob diese jahrelang, so wie sie heute bestehen, stehen bleiben können. Wir bejahen diese Frage ohne weiteres für mindestens 5600 m., für zirka 1400 m. geben wir zu, dass noch etwas geschehen muss und zwar für zirka 660 m. muss der Holzeinbau ergänzt werden und zirka 740 m,, müssen teilweise oder gänzlich Mauerung erhalten. Nach Vornahme dieser Ergänzungen wird der Stollen II jahrelang als solcher bestehen bleiben können und wird weder selber Schaden nehmen, noch irgend eine Gefährdung für Tunnel I bedeuten.

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,,3. Für die Frage, ob und wie wir unsere vertraglichen Verpflichtungen erfüllt haben, sind die Übernahme-Protokolle vom 22. Februar und 11. März 1906 massgebend.

,,4. Nachforschungen auf Grund der Garantie können au uns nur gestellt werden, wo sich tatsächlich Mängel seit der Übernahme eingestellt haben und solche nachgewiesen werden können.

,,5. Im Tunnel I anerkennen wir keine solchen.

,,6. Im Stollen II anerkennen wir als solche a. den Mangel der vollständigen Profilverkleidung, inklusive Sohlengewölbe auf den Strecken der Südseite : km. 5905-- 6028, 6289--6492, 6862--6902.7470-7542; total438m.; b. den Mangel der Profilverkleidung, aber ohne Sohlengewölbe, auf der Strecke der Südseite km. 7372--7470 = 98 m. ; c. den Mangel der Aufmauerung des östlichen und westlichen Widerlagers auf der Strecke der Südseite km. 9140--9232 = 204 m.a

III.

Gutachten des

Herrn Müller, Bergmeister k. Bergrevier-Beamter, über den Zustand und Ausbau des Parallelstollens zum Simplontunnel.

Herr Müller bemerkt, im Juni dieses Jahres habe die Baugesellschaft für den Simplontunnel ihn ersucht, sich zu dem unter dem 12. Dezember 1906 von den Herren Professor Dr. Schmidt, Basel, Ingenieur Fr. Lusser, Zug, und Dr. Robert Moser, Zürich, im Auftrage der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen angefertigten Gutachten zu äussern und insbesondere ein Gutachten darüber abzugeben : I. ob der in dem obigen Gutachten verlangte Ausbau des Parallelstollens in Beziehung auf die Sicherung dieses Stollens selbst als auch auf diejenige des Tunnels l nach den bergmännischen Erfahrungen notwendig sei, beziehungsweise 1. welche Massnahmen zur Sicherung des Parallelstollens zu treffen seien.

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Nachdem sich Herr Müller eingehend über die Standfestigkeit des Gebirges im Parallelstollem des Simplontunnels ausgesprochen hat, gelangt er in Zusammenfassung seiner Darlegungen zu doni Resultate, es sei die Frage, ob der Ausbau des Parallelstollens nach bergmännischer Erfahrung notwendig sei, 1. soweit er sich auf eine Sicherung des Tunnels I beziehe, zu verneinen, dagegen 2. soweit es sich um die Sicherung des Parallelstollens handle, zum Teil zu bejahen.

Diese Stellung werde dadurch bedingt, dass diejenigen Voraussetzungen, von denen die Herren Gutachter ausgehen und die eine fortlaufende, dauernde Gebirgsbewegung zum Gegenstand haben, nicht zutreffen oder jedenfalls nicht nachweisbar seien.

Insbesondere fehle ein Beweis dafür, dass Horizontalverschiebungcn wechselseitig zwischen Parallelstollen und Tunnel I stattfänden, die eine nennenswerte seitliche Verschiebung der Stusse und Sohle und dauernd eine Gefährdung der zwischen Tunnel I und dem Parallelstollen vorhandenen Bergfeste zur Folge habe. Ob solche Bewegungen tatsächlich stattgefunden haben, sei im höchsten Grade unwahrscheinlich. Sollten aber geringe lokale Bewegungen, die sich dem Auge des Beobachters entziehen, nach Tunnel I übergreifen, so würden sie durch die unten näher bezeichneten Sicherungen jedenfalls unschädlich gemacht.

Die weiter unter Ziffer U gestellte Frage, welche 'Massnahmen zur Sicherung im Parallelstollen zu treffen seien, beantwortet Herr Müller wie folgt: Es seien zu sichern im VI. Gantermulde-Leonegneiss, 7,2eo--8,153 ab NP. 60 m. durch Verkleidung des östlichen Stosses.

VIII. Valgrandegneiss, 8,153--9,«s 450 m. durch Verkleidung des östlichen Stosses.

IX. Vegliamulde, 9,38?--9,275 ab SP. 112 m. durch Verkleidung beider Stösse, 9,232--9,i4o ab SP. 92 m. durch Verkleidung beider Stösse, 9,uo--7,uo ab SP. (T. 45--36) 243 m.

durch gänzliche Profil Verkleidung.

X. Lebendungneiss, 6,902--0,349 ab SP. 610 m. durch gänzliche Profilverkleidung.

XII. Antigoriogneiss, 4,365--0 ab SP. 100 m. durch Verkleidung eines Stosses bei T. 15 und bei 1600 m. ab SP.

401

Ob an einzelnen Stellen des Parallelstollens noch das Einziehen eines Sohlengewölbes nötig ist, lasse sich erst feststellen, sobald der auf der Sohle liegende Schutt entfernt und letztere freigelegt sei.

Vermittelst der vorstehend vorgeschlagenen Verkleidung sei es jedoch seines Brachtens nach bergmännischen Erfahrungen möglich, den Parallelstollen auf Jahrzehnte hinaus so zu sichern, dass Bewegungen und alle Arten von Einbrüchen, sei es aus der Firste oder den Stössen, vermieden werden und er überall fahrbar «rhalten bleibe, damit die in ihm etwa nötig werdenden Arbeiten, wie Vornahme von Temperatur- und Präzisionsmessungen sowie Beaufsichtigung des Wasserabflusses, vorgenommen werden könnten.

Mit dem Beginn dieser Arbeiten sollte z. B. im Lebendungneiss nicht mehr allzulange gewartet werden. Dagegen könne in den übrigen Teilen des Stollens von einer Sicherung unbedenklich wegen des guten Zustandes des Gebirges, der fehlenden Druck·erscheinungen und des fehlenden Nachfalls, abgesehen werden.

Letzterer Punkt sei noch deshalb zu beachten, weil seit Fertig·stellung der einzelnen Streckenlängen bis heute noch kein Nachfall aus ihnen entfernt wurde; auch könnten einzelne unausgebaute Strecken, z. B. im Valgrandegneiss, durch einen guten Holzausbau gesichert werden. Dieser Ausbau müsste jedoch infolge der Einwirknng der feuchten Grubenluft wiederholt erneuert werden und würde zu umständlichen und kostspieligen Auswechslungen führen.

IV.

Antwort der

Ballgesellschaft für den Simplontunnel, Brandt, Brandau & Cie., auf den Bericht der Generaldirektion und der ständigen Kommission der schweizerischen Bundesbahnen an den Verwaltungsrat derselben betreffend Ausbau des II. Simplontunnels vom 25. Juni resp. 2. Juli 1907.

Die Baugesellschaft führt aus, sie könne, nachdem Herr Bergmeister Müller und sie in der Beantwortung des Experten-Gutachtens auf alle die Punkte eingetreten seien, welche den Ausbau des II. Tunnels aus bautechnischen Gründen erfordern sollen, die

402 Beantwortungen der darauf bezüglichen Ausführungen hier übergehen.

Die Gründe, welche die Generaldirektion veranlassen, den Ausbau von Stollen II zu beantragen, seien meist betriebstechnischer Art.

A n s p r ü c h e des B e t r i e b e s . Die Betriebsorgane stellen sich heute auf den Standpunkt, dass ein 20 Kilometer langer eingeleisiger Tunnel keine Gewähr biete für einen jederzeit gesicherten Betrieb. Dem sei gegenüberzuhalten, dass die JuraSimplon-Bahn nicht daran gedacht habe, Tunnel II auszubauen, bevor der Verkehr denselben dringend erheische.

Mit Rücksicht auf die Station in der Tunnelmitte habe man es tatsächlich nicht mit einem 20 Kilometer langen Tunnel, sondern mit zwei 10 Kilometer-Tunnels zu tun. Die Ausweiche in der Mitte habe sich, entgegen den Bedenken der Betriebsorgane als durchaus leistungsfähig erwiesen. An und für sich sei das Prinzip richtig, dass wenn man eine Linie auf zwei Geleise umbaue, man den Anfang da machen solle, wo die Stationen am weitesten auseinander liegen. Wenn aber, wie dies bei Bergstrecken oder gar im Tunnel der Fall sei, diese Strecken per Kilometer unverhältnismässig viel kosten, so bestehe kein Grund mehr dieses Prinzip durchzuführen.

Weitere Bedenken der Betriebsorgane bestehen in Bezug auf den Unterhalt langer eingeleisiger Tunnels. Niemand werde leugnen, dass derselbe schwierieger sei, als bei zweigeleisigen, es sei aber darauf hinzuweisen, dass in unserem Lande viele eingeleisige Tunnels bestehen, von denen viele 2, 4 und 6 Kilometer Länge haben, einzelne wie der Ricken sogar 8 Kilometer.

Allfällige Rekonstruktionen im Tunnel würden aber am Simplon gegenüber gewöhnlichen eingeleisigen Tunnels wesentlich erleichtert durch das Bestehen des Parallelstollens, durch welchen jede Stelle von Tunnel I leicht zugänglich werde und die Schwierigkeit der Reparaturen abnehme.

G e l e i s e e r n e u e r u n g . Bezüglich der Geleiseerneuerung sei in Betracht zu ziehen, dass infolge der ganz ändern Ventilationsvei'hältnisse der Simplontunnel sich auch ganz anders verhalte als andere Tunnels (z. B. der Gotthardtunnel).

L e i s t u n g s f ä h i g k e i t des eingeleisigen Tunnels.

Die Baugesellschaft nimmt an, dass der Zeitpunkt, wo der eingeleisige Tunnel am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt sein werde, nach 20 Jahren noch nicht erreicht sei.

403

V e r t r a g mit I t a l i e n . Der Vertrag mit Italien lege der Schweiz die Verpflichtung auf, den Ausbau des II. Tunnels zu beginnen, wenn der kilometrische Ertrag der Linie BrigDomo per Jahr Fr. 50,000 erreicht haben werde. Diese Verpflichtung trete erst in Kraft, wenn dieser Betrag tatsächlich schon erreicht sei, wovon man heute noch weit entfernt sei.

Übrigens sei es durchaus nicht ausgeschlossen, dass Italien, wenn es sich überzeuge, dass der eingeleisige Tunnel viel leistungsfähiger sei, als jetzt angenommen werde, seine Forderungen erst dann geltend machen werde, wenn der eingeleisige Tunnel für den Verkehr nicht mehr genüge.

Die Baugesellschaft verbreitet sich dann noch über die Vorzüge des Zwei-Stollen-resp. Zwei-Tunnel-Systems und zieht sodannn folgende Schlüsse: 1. Die Notwendigkeit des Ausbaues des zweiten SimplonTunnels aus bautechnischen Gründen, wie sie die Experten der Bundesbahnen behaupten, liegt nicht vor.

2. Ebenso wenig liegt die Notwendigkeit des Ausbaues aus betriebstechnischen Gründen, wie dies die Generaldirektion der Bundesbahnen behauptet, vor.

3. Mit dem eiugeleisigen Simplon-Tunnel wird man den Verkehr voraussichtlich noch auf mindestens 20 Jahre hinaus bewältigen können.

4. Wenn der Verkehr einst die Zweigleisigkeit erfordert, so sollen vorerst der viel geringern Kosten wegen die Zufahrtslinien darauf ausgebaut werden.

5. Der vorzeitige Ausbau des II. Simplon-Tunnels würde der Preisgabe des für unser Land wertvollen und zugleich humanen Prinzips des Zweistollen-resp. Zweitunnel-Systems gleichkommen, wozu kein Grund und keine Veranlassung vorliegen.

V.

Vernehmlassung der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vom 27. November 1907.

Vermittelst Vernehmlassung vom 27. November 1907 legt die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen folgende Akten vor:

404

1. Gemeinsame Entgegnung der Experten Moser, Schmidt und Lusser ; 2. Erwiderung von Professor Dr. Schmidt; und 3. Erwiderung von Ingenieur Lusser.

Diese Experten widerlegen die Ausführungen der ,,Antworten"· der Baugesellschaft für den Simplontunnel in bautechnischer Hinsicht, und kommen im allgemeinen zu den gleichen Schlüssen ·wie in ihren frühern Gutachten.

Die Generaldirektion äussert sich in ihrer Vernehmlassung auf: 1. die Antwort der Baugesellschaft betreffend das Gutachten Moser, Schmidt, Lusser; 2. das Gutachten des Herrn Bergmeister Müller; .3. die Antwort der Baugesellschaft auf den Bericht der Generaldirektion an den Vcrwaltungsrat vom 25. Juni/2. Juli 1907.

Sie gelangt auf Grund der Gutachten ihrer Experten, sowie ihrer eigenen Untersuchungen zu folgenden Schlussfolgerungen : Zu 1. Tunnel I sei im allgemeinen gut ausgeführt worden.

Die bei der Abnahme konstatierten Mängel seien in den Beilagen unter 2 A und B zum Übernahmsprotokoll vom 22. Februar 1906 vorgemerkt. Vor Ablauf der Garantiezeit, 22. Februar 1908, werde der ganze Tunnel einer neuen Untersuchung unterworfen werden, und werde es sich zeigen, welche Schäden vorhanden und von der Unternehmung zu heben sind.

Wenn man den Stollen II noch jahrelang bestehen lassen wollte, so wären zirka 7000 Meter teilweise oder gänzlich mit Mauerung zu verkleiden. Auch müssten verschiedene bereits ausgemauerte aber beschädigte Strecken rekonstruiert werden, um Einwirkungen auf den im Betrieb befindlichen Tunnel zu vermeiden.

Für die Frage, ob und wie die Baugesellschaft ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt habe, seien die Übernahmeprotokolle vom 22. Februar und 11. März 1906 massgebend.

Nicht nur die Mängel, die sich seit der Übernahme vom 22. Februar 1906 gezeigt und bis 22. Februar 1908 noch zeigen werden, seien von der Unternehmung oder auf deren Kosten zu heben, sondern auch diejenigen, welche im Übernahmsprotokoll

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und in den Beilagen zu demselben aufgeführt und von den Unternehmern nicht repariert worden seien.

Sofern der Ausbau des II. Tunnels nicht sofort erfolgen sollte, werde vollständige Sicherung des Stollens verlangt, wo solches erforderlich sei, d. h. Ausmauerung, ,,où cela est nécessaire", gemäss Art. 4 des Vertrages. Sodann werde die Rekonstruktion der schon ausgemauerten Partien, wo das Mauerwerk zerstört worden sei, verlangt.

Zu 2. Die Generaldirektion stellt fest, dass auch der Experte der Baugesellschaft die Entfernung von 17 Meter zwischen den beiden Tunnel für die Gebirgsbeschaffenheit an einigen Stellen als zu klein ansehe und bemerkt, man hätte die doppelte Entfernung wählen sollen. Im übrigen verweist die Generaldirektion auf den Bericht des Herrn Professor Dr. Schmidt, welcher das Gutachten des Herrn Bergmeister Müller widerlegt in denjenigen Punkten, wo die beiden Experten nicht übereinstimmen.

Zu 3. Die Generaldirektion widerlegt die Ausführungen der Antwort der Baugesellschaft und erörtert sodann eingehend die Frage, warum statt der Sicherungsarbeiten im Stollen, welche ganz zu Lasten der Baugesellschaft fallen würden, der Ausbau des H. Tunnels in Aussicht genommen werden müsse. Hierbei wird insbesondere darauf hingewiesen, welche Schwierigkeiten der Unterhalt der Tunnels biete. Keiner der eingeleisigen Tunnel der schweizerischen Bundesbahnen lasse sich aber mit dem Simplontunnel vergleichen, indem der längste derselben nur 3,8 km. messe, der letztere aber zirka 20 km. Grössere Rekonstruktionen könnte man im eingeleisigen Simplontunnel nur mit enormen Kosten durchführen, wenn der Betrieb nicht schwer beeinträchtigt oder gar unterbrochen werden solle. Unzutreffend sei auch, dass der Parallelstollen und die alle 200 Meter vorhandenen Traversen zwischen dem Tunnel I und dem Stollen die Schwierigkeiten bei Reparaturen im Tunnel I wesentlich erleichtern. Unrichtig sei ferner die Behauptung der Baugesellschaft, der Oberbau im Simplontunnel werde sich so gut oder noch besser halten als irgendwo im Freien. Wenn für die Dauer des Oberbaues im Simplontunnel auf 12 Jahre im Mittel abgestellt werde, so gehe man weit genug. In den kürzern Tunneln, wo der Dampfbetrieb für den Oberbau nur geringe Nachteile mit sich bringe, halten die Schienen meist nicht so lange. Nachdem die Generaldirektion noch auf die grossen Schwierigkeiten, welche mit der Erneuerung des Oberbaues in den langen, engen, Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. VI.

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eingeleisigen Tunneln hingewiesen, bemerkt sie, dass erst durch den Ausbau des Tunnel II, zu dem sich die Unternehmung für einen Betrag von Fr. 19,500,000 (ursprünglich waren es nur 15,000,000), verpflichtet hat, das Werk des Simplons ganz vollendet sein werde. Sie schliesst ihre Auseinandersetzungen mit der Erklärung, dass sie die Antworten der Baugesellschaft Brandt, Brandau & Cie. nicht veranlassen, dem Verwaltungsrate eine Abänderung ihres Antrages vom 25. Juni 1907 betreffend den Ausbau des Simplontunnels zu beantragen.

VI.

Konferenz vom 27. November 1907.

Auf Wunsch der Baugesellschaft wurde eine Abordnung derselben am 27. November 1907 von einer Delegation des Bundesrates im Bundeshause in Bern empfangen. Die Delegation der Baugesellschaft ersuchte hiebei dringend, indem sie im übrigen auf die ,,Antworten" verwies, sie möchte aus dem Vertrage entlassen werden, da die Unternehmer durch die Erstellung des I. Tunnels erschöpft seien. Die zu überwindenden Schwierigkeiten seien so gross gewesen, dass sie geeignet waren, Menschenkraft aufzuzehren ; dennoch sei das finanzielle Resultat gering gewesen. Die vertraglichen Bestimmungen über den II. Tunnel seien für sie ein Ruin, da die Vertragssumme nur 19Ya Millionen ausmache, während die Erstellung des Tunnels zirka 29 Millionen erfordern würde.

Die bundesrätliche Delegation nahm den Standpunkt ein, dass durch das vorhandene Aktenmaterial der Nachweis erbracht sei, dass der Ausbau des II. Tunnels aus bautechnischen und betriebstechnischen Gründen gefordert werden müsse, und ersuchte ihrerseits die Delegation der Baugesellschaft dringend, sie möchte die Ausführung des II. Tunnels übernehmen und damit das grossartige Werk des Simplontunnels zu Ende führen.

Die Verhandlungen hatten nicht den gewünschten Erfolg, indem sich die Vertreter der Baugesellschaft nicht entschliessen konnten, ihre bisherige Stellungnahme zu verändern.

Die Delegation des Bundesrates bedauerte diese Stellungnahme der Ballgesellschaft und erklärte, wenn auch der Bundesrat seinerseits darauf beharren müsse, der Bundesversammlung die

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Genehmigung des Budgetpostens für den II. Simplontunnel zu empfehlen, so versichere sie, dass beim Bundesrat keinerlei Animosität gegen die Baugesellschaft bestehe, sondern dass er im Gegenteil ihre Verdienste und grossen Leistungen wohl zu würdigen wisse.

Einige Meinungsdifferenzen, die an der Konferenz am 27. November 1907 mit Bezug auf die Interpretation des Art. 8 des Nachtragsvertrages vom 9. Oktober 1903 zutage traten, glauben wir hier nicht näher erörtern zu sollen, und erlauben uns, diesbezüglich auf das Protokoll über die Verhandlungen dieser Konferenz hinzuweisen, welches wir dem Dossier beigefügt haben.

VII.

Schlussbemerkungen.

Aus den Akten geht hervor, dass der Ausbau des Tunnels II aus bau- und betriebstechnischen Gründen gefordert werden muss.

Dies ist überzeugend nachgewiesen in dem Antrag der Generaldirektion an den Verwaltungsrat vom 25. Juni 1907. Die gegenteiligen Ausführungen in den ,,Antworten"1 der Baugesellschaft sind widerlegt durch die Ausführungen der Generaldirektion in ihrer Vernehmlassung vom 27. November 1907.

Allerdings ist richtig, dass die mit Fr. 34,600,000 veranschlagten Kosten für den Ausbau des zweiten Tunnels inskünftig eine bedeutende Belastung des Budgets der S. B. B. zur Folge haben werden. Allein man darf davor nicht zurückschrecken, wenn es sich darum handelt, ein grosses Werk, das für die ganze Schweiz von eminenter Bedeutung ist, vollständig durchzuführen.

Auch der Umstand, dass die Baugesellschaft nach ihrer Darstellung möglicherweise bei Erfüllung der ihr durch den Nachtragsvertrag vom 9. November 1903 auferlegten Verpflichtungen einen empfindlichen Schaden erleiden wird, kann keinen hinlänglichen Grund bilden, auf den Ausbau des zweiten Tunnels zu verzichten.

Gestützt auf diese Ausführungen erneuern wir den in unserer Botschaft vom 1. November 1907 (Seite 10) gestellten Antrag, es sei der Budgetposten für den Ausbau des zweiten Simplontunnels zu genehmigen.

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Wir benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer 'ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 11. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Ergänzender Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zur Botschaft betreffend den Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen für das Jahr 1908, vom 1. November 1907. (Vom 11. Dezember 1907.)

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1907

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53

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18.12.1907

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390-408

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