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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz bestraften Fritz Steck in Liemberg, Rohrbachgraben, Kantons Bern.

(Vom 15. März 1907.)

Tit.

Am 5. September 1906 verzeigte ein bernischer Landjäger den Fritz Steck beim Regierungsstatthalteramt Trachselwald wegen Jagdfrevel, indem er mitteilte, Steck sei am 3. gleichen Monats in der ,,Halten" Walterswil beobachtet worden, als er mit dem Jäger Nicollier in Rohrbach als Gehülfe auf der Jagd war, indem er die Rebhühner aufsuchen half, die geschossenen zusammentrug und nachbrachte. Der Polizeisoldat bezeichnete die Übertretung als eine solche der Art. l und 6, Lemma 2, der regierungsrätlichen Vollziehungsverordnung zum Jagdgesetz, von denen der letztere lautet: ,,Für Jäger und Bedienten haben diejenigen, in deren Dienst sie stehen, Patente zu lösen und für jeden derselben die gleiche Sicherheit zu leisten."

In der Verhandlung vor Richteramt Trachselwald anerkannte Steck ohne weiteres die Richtigkeit der gegen ihn eingereichten Strafanzeige mit dem Beifügen, dass er sich derselben sowie dem Urteil des Richters unterziehe. Gestützt auf dieses Geständnis und in Anwendung von Art. 6, lit. d, Art. 21, Ziffer 5, lit. a, und Art. 22 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz und

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Art. 9 der Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetze verurteilte hierauf der Richter den Steck zu Fr. 40 Geldbusse, im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in 8 Tage Gefängnis und zur Tragung der auf Fr. 5. 50 berechneten Kosten.

Gegenüber diesem Urteil reichte Steck bei den bernischen Behörden ein Begnadigungsgesuch ein, in welchem er um Nachlass der Busse bat. Er versicherte dabei, dass er den Jäger Nicollier nur zufällig beim Jagen von Rebhühnern getroffen und ihm ohne Auftrag die geschossenen Vögel nachgetragen habe. Er sei sich der Strafbarkeit seiner Handlungsweise nicht, bewusst gewesen, habe sich aber dem Urteil unterzogen, um weitere Kosten zu ersparen. Da er kein Vermögen und nur mit 6 Geschwistern zusammen eine geringe Anwartschaft auf mütterliches Erbteil besitze, falle es ihm äusserst schwer, die Busse zu bezahlen oder abzusitzen.

Die kantonale Polizeidirektion übermittelte das Gesuch an den Bundesrat zur Erledigung durch die Bundesversammlung.

Die Buudesanwaltschaft hegte Zweifel darüber, ob anzunehmen sei, die Strafe des Steck habe ihren Grund in der Übertretung des Bundesgesetzes und nicht vielmehr in einer solchen des kantonalen, über das eidgenössische Gesetz hinausgehenden Rechtes und unterbreitete die Frage, wie es sich diesfalls verhalte, dem eidgenössischen Oberforstamt. Dieses gelangte zum Schlüsse, Steck sei als Jagdbedienter bestraft worden und zwar in Anwendung kantonalen Rechtes, worauf die Bundesanwaltschaft das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement veranlasste, die Akten an die kantonale Behörde zurückzuweisen, da es sich um einen Fall handle, in welchem das Begnadigungsrecht dem Kanton zustehe.

Der bernische Regierungsrat aber wendete sich an den Bundesrat, indem ei die Ansicht vertrat und begründete, dass Steck als Teilnehmer am Jagen selbständig und direkte wegen Übertretung des Bundesgesetzes bestrafe worden sei und darum nachsuchte, dass die Kompetenzfrage näher geprüft und das Geschäft gegebenenfalls der Bundesversammlung vorgelegt werde.

Der Polizeirichter von Trachselwald wurde unter diesen Umständen zu einer Vernehmlassung darüber veranlasst, wie er bei der Urteilsfällung die Handlungsweise des Fritz Steck qualifiziert habe. Er berichtet mit Schreiben vom 4. März, er habe den Steck als selbständigen Übertreter des Jagdgesetzes verurteilt. In der
Anzeige sei derselbe der Teilnahme an einer Jagd bezichtigt worden, und da er die Anzeige onde weiteres als richtig anerkannt, so habe von einer ändern Bestrafung keine Rede sein können.

188 Dieser Bericht iat augschlaggebend für die Unterstellung .der Handlungen des Steck unter das Bundesgesetz, sie hätte nur angefochten werden können durch Weiterziehung de» Urteiles des Polizeirichters an die Appellationsinstanz. Die Begnadigung liegt deshalb in der Kompetenz der Bundesversammlung, es besteht aber kein genügende? Grund, die vom Richter auf das gesetzliche Mindestmass beschränkte Strafe gänzlich aufzuheben oder zu ermässigen, da es sich nicht um einen Fall handelt, in welchem die Zahlung der Busse dem Betroffenen gänzlich unmöglich ist.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Fritz Steck abzuweisen.

B e r n , den 15 März 1907.

lui Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Buudespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier,

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz bestraften Fritz Steck in Liemberg, Rohrbachgraben, Kantons Bern. (Vom 15. März 1907.)

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27.03.1907

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