195

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadidigungsgesuch des wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahnzuges bestraften Robert Weber, Vorarbeiter, im Turgi, Kanton Aargau.

(Vom 19. März 1907.)

Tit.

Am 22. August 1906 hat Petent auf der Bahnstrecke TurgiBaden den Personenextrazug Nr. 881 dadurch gefährdet, dass er als Vorarbeiter zur Deplazierung einer Eisenbahnschiene einen Rollwagen auf das Geleise stellen Hess, welcher den gleichzeitig fällig werdenden Zug gefährdete, derart zwar, dass er nur mittelst Schnellbremsung auf eine Entfernung von zirka zehn Meter vom Rollwagen zum Stehen gebracht und so ein Zusammenstoss vermieden werden konnte. Zu seiner Entschuldigung brachte Weber vor, er habe trotz vorher erhaltener Anzeige im kritischen Zeitpunkt vollständig vergessen, dass der Extrazug damals passieren werde.

Das Bezirksgericht Baden erklärte am 27. November 1906 Weber der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig und verurteilte ihn zu einem Tag Gefängnis und Fr. 10 Geldbusse, ferner zur Tragung der Kosten mit Inbegriff einer Staatsgebühr von Fr. 6. Es erklärte dabei, dass die Vergesslichkeit nicht als Entschuldigungsgrund dienen könne, vielmehr dem Fehlbaren als Fahrlässigkeit angerechnet werden müsse, da Weber nach eigener Angabe die betreffenden Fahrordnungen in der Tasche hatte und jeder Bahnbeamte und Bahnangestellte die Pflicht habe, im Interesse der öffentlichen Sicherheit sich in jedem Fall zu überzeugen,

196

dass kein Zug passiere, bevor er irgend welches Hindernis auf die Geleise stelle.

Weber ersucht um Erlass der Strafe auf dem Wege der Begnadigung. Er gibt zu, dass er die Zugsgefährdung herbeigeführt habe, versucht sich aber damit zu entschuldigen, dass. er die Anzeige vom Einlegen des Extrazuges schon acht Tage vor dem kritischen Vorfall erhalten und den Zug infolge der Anstrengungen der Nachtarbeit, vergessen habe. -- Dem Gesuche legt er einen Beschluss des Bezirksgerichtes Baden vom 22. Januar 1907 bei, welcher die Gewährung der Begnadigung mit der Begründung befürwortet, dass das Vergehen blosser Vergesslichkeit zuzuschreiben sei. -- Am 9. Februar Id07 übermittelte die Gerichtskanzlei Baden der Bundeskasse per Postmandat den Betrag von Fr. 10 als Deckung der dem Potenten auferlegten Geldbusse.

Nachdem Weber die Busse bezahlt hat, darf wohl angenommen werden, dass sein Begnadigungsgesuch sich nur noch auf den Erlass der vom Gerichte neben dieser Busse verhängten Gefangnistrafe beziehe.

Wir können indessen auch dieses Gesuch nicht befürworten.

Nachdem dem Richter die Möglichkeit gegeben war, von einer Freiheitsstrafe Umgang zu nehmen, er aber davon keinen Gebrauch zu machen sich veranlasst gesehen hat, ist auch der Bundesrat, trotz der nachträglichen Empfehlung des gleichen Richters, nicht in der Lage, den Erlass dieser Strafe zu beantragen.

Wir stellen daher bei Ihrer hoben Versammlung den A ntrag: Es sei das Begnadigungsgesuch von Robert Weber abzuweisen.

B e r n , den 19. März 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-S-O-=r

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahnzuges bestraften Robert Weber, Vorarbeiter, im Turgi, Kanton Aargau. (Vom 19. März 1907.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1907

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.03.1907

Date Data Seite

195-196

Page Pagina Ref. No

10 022 335

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.