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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadi-gungsgesu des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Ernst Scheidegger, Wylerstrasse 45, Bern.

(Vom 8. März 1907.)

Tit.

Petent wurde am 14. Dezember 1906 vom Polizeirichter des Amtsbezirkes Bern wegen Nichtbezahlung der Militärsteuer pro 1905 mit einem Tage Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot bestraft unter Auflegung der Fr. 2 betragenden Kosten.

Er ersucht um Naehlass dieser Strafe, insbesondere des Wirtshausverbotes, mit der Behauptung, dass Arbeits- und Verdienstlosigkeit die Ursache der Unterlassung der Zahlung gewesen seien und dass er durch das Verbot des Besuches von Wirtschaften gehindert würde, seiner Beschäftigung als Annoncenacquisiteur nachzugehen.

Aus verschiedenen Zeugnissen, die Scheidegger produziert, geht hervor, dass er sich wirklich in sehr bedrängter ökonomischer Lage befunden hat. Die städtische Polizeidirektion empfiehlt das Gesuch zur Entsprechung hinsichtlich des Wirtshausverbotes, der Regierungsstatthalter hält dafür, es sollte ausnahmsweise gänzlich entsprochen werden.

Von seilen des Polizeirichters wird nach Einsicht sämtlicher Akten bemerkt: ,,Es handle sich hier um einen Mann, dem der Ernst seiner Lage erst nach erfolgter Verurteilung zum Bewusstsein gelangt sei. Es müsse geradezu als auffallend bezeichnet werden, wie gleichgültig oine grosse Anzahl Bürger der Anzeige Bundesblatt. 59. Jahrg. Bd. I.

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auf Nichtbezahlung der Militärsteuer entgegensehen ; statt die Belege, die sie von einer Stunde auf die andere beschaffen können, zum Termin mitzubringen und ihre Aussagen damit zu bekräftigen, ziehen sie vor, sich verurteilen zu lassen und nachher deo Weg der Begnadigung einzuschlagen. -- Es sei sehr wohl möglich, dass Scheidegger im Gerichtstermin von seinen misslichen finanziellen Verhältnissen gesprochen habe; aus dem Protokoll, das nur seine Verurteilung enthalte, gehe aber hervor, dass er auf ernstliche Geltendmachung seiner Einwände verzichtet habe, ansonst selbstredend Beweis geführt worden wäre. -- Die Vorlage der jetzt beigebrachten Urkunden im Termin wäre selbstverständlich von Einfluss gewesen und erscheine die teilweise Begnadigung am Platze.

Die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse führt zu dem Schlüsse, dass Scheidegger es seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben hat, wenn bei seiner Beurteilung nicht dasjenige berücksichtigt wurde, was den Richter zur Freisprechung oder zu einer milderen Bestrafung hätte veranlassen können. Das ausgefällte Erkenntnis entsprach der gerichtlichen Aktenlage, die im ßegnadigungsverfahren neu vorgebrachten und urkundlich belegten Tatsachen rechtfertigen eine Milderung der Strafe durch Erlass des Wirtshausverbotes, welches die Erwerbstätigkeit des Petenteu in besonders empfindlicher Weise beeinträchtigt.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag:

Es sei dem Ernst Scheidegger das Wirtshausverbot zu erlassen.

B e r n , den 8. März 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d ' e s p r ä s i d ent :

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biiigier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Ernst Scheidegger, Wylerstrasse 45, Bern. (Vom 8. März 1907.)

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Jahr

1907

Année Anno Band

1

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11

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.03.1907

Date Data Seite

673-674

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